Wieso sind Politiker so schlecht darin, mit eigenen Fehlern umzugehen?
In der aktuellen Aufregung um Wirtschaftsminister Robert Habeck und seinen Staatssekretär Patrick Graichen kann man es wieder erleben: Wie schwer sich Politiker damit tun, mit Fehlern umzugehen. Aber wieviel Offenheit und Ehrlichkeit könnten sie sich erlauben, ohne dass das ihnen schadet, weil das wiederum von Medien skandalisiert wird? Was ist ein guter Umgang mit Fehlern?
Die FAZ-Redakteurin Helene Bubrowski hat für ein Buch mit vielen Politikerinnen und Politikern über das Thema gesprochen. Zum Beispiel mit dem früheren Verkehrsminister Andreas Scheuer, der vor allem wegen der gescheiterten PKW-Maut angegriffen wurde und irgendwann auf Durchzug geschaltet und nicht mehr zwischen sachlicher Kritik und boshafter Kampagne unterschieden habe – und einfach keinen Fehler zugeben wolle. Und mit dem stellvertretenden FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, der die Rolle des Krawallonkels für sich perfektioniert habe, bei der er sowohl davon profitiere, anderen vors Schienbein zu treten, als auch, sich dafür dann routiniert zu entschuldigen.
Mit Holger Klein spricht Bubrowski über die richtige Menge an Transparenz und Offenheit: „Ich plädiere nicht dafür“, sagt sie, „dass man eine emotionale Seelenspiegelung macht, dass Politiker sich völlig entblößen müssen und jede ihrer Regungen offen legen müssen und die Menschen an ihrem Innersten teilhaben lassen. Das ist, glaube ich, falsch.“
„Ich plädiere für mehr Ehrlichkeit – aber ausgehend von dem Befund, dass es um die Ehrlichkeit überhaupt nicht gut bestellt ist. Das Typische ist ein totales Abblocken, ein teflonartiges Pingpong: Kritik sofort als Kampagne abzutun, sofort den politischen Gegner selber zu beschuldigen und überhaupt nicht zu zeigen, dass man bestimmte Dinge aufnimmt, ernst nimmt und überdenkt und möglichst auch noch die Schlussfolgerung zieht, es künftig anders zu machen. Um das Vertrauen der Menschen nicht komplett zu verlieren, muss sich da was ändern.“
Journalistinnen und Journalisten müssten sich aber auch stärker die Frage stellen, welche Verantwortung sie dafür haben, dass es um die Fehlerkultur in der Politik so schlecht bestellt ist:
„Journalisten nehmen für sich in Anspruch, eine Wächterfunktion zu haben, die Mächtigen zu kritisieren, den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Um diese Ausgabe auszufüllen, muss man seinen Job auch mit größter Ernsthaftigkeit machen. Wen man da aber gleichzeitig größtmöglich skandalisiert, weil es entweder größere Aufmerksamkeit gibt oder mehr Klicks, dann haben wir irgendwann ein Problem.“
Es würde generell helfen, sagt Bubrowski, wenn häufiger Leute mal Fehler zugäben, dann wäre das auch nicht mehr jedesmal ein so großer Aufreger: „Wenn alle ein bisschen weniger rechthaberisch und ein bisschen weniger starr wären, wenn das alles etwas normaler wäre, dann wäre der ganze Diskurs anders.“
Hören Sie die ganze Folge „Holger ruft an“ hier:
(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)
Die Gesprächspartnerin
Helene Bubrowski hat in Köln und Paris Rechtswissenschaften studiert und im Völkerrecht promoviert. Nach dem zweiten Staatsexamen wurde sie 2013 Nachrichtenredakteurin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Seit 2018 ist sie Politikkorrespondentin der FAZ in Berlin, zuständig für die Grünen und die Innen- und Rechtspolitik.
In ihrem Buch „Die Fehlbaren“ analysiert sie Fehlverhalten, Skandale und Rücktritte von Politikerinnen und Politikern. Beispiele sind Andreas Scheuer, Annalena Baerbock, Wolfgang Kubicki, Jens Spahn, Frank-Walter Steinmeier, Karin Prien und Anne Spiegel. Dabei geht es auch um die oft problematische Rolle der Medien – und deren eigene Fehlerkultur.
dtv, 2023
24 Euro
„…und nicht mehr zwischen sachlicher boshafter Kampagne unterschieden habe…“
Apropos Fehler: Da scheint mir ein „Kritik und“ zu fehlen. ;-)
Und im letzten Zitat steht „irgendwan“. Ist nicht Ihr Fehler.
Nein, meiner. Danke!
Geht das nicht anders? Wenn ich auf einen Rechtschreibfehler hinweisen möchte, muss das doch nicht zu einem Leserkommentar führen. Kann ich mich nicht direkt an die Redaktion oder den Autor wenden?
Wieso nicht? Hier wird transparent korrigiert.
Zur Sache selbst: Wieso sind Politiker so schlecht darin, mit eigenen Fehlern umzugehen? Gilt, glaube ich, nicht nur für Politiker, sondern auch für Journalisten, Ärzte, Bischöfe und für Sie und mich.
Bei Andi Scheuer geht es aber um einiges mehr als nur die vergeigte Maut. U.a. fällt mir da noch die vergeigte Novellierung des StVO und zum Abschluss dieses:
https://netzpolitik.org/2021/funklochamt-andi-scheuers-letzter-skandal/
Von Häusern, Masken und Parteispenden bei anderen Politikern war auch erschreckend wenig zu vernehmen.
Mag auch mein eigener Bias sein.
Daraus wird sicher auch keine Kampagne werden, wie jetzt gegen Habeck + Behörde:
https://www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/parteispenden/ominoese-spendenuebergabe-an-cdu-chef-friedrich-merz
Nicht übel nehmen, aber ich fühl mich da bei den Medien sehr oft „false“ aus“balanc(e)“ iert.
@#8: Das könnte damit zusammenhängen, dass sich bei allen schon lange die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass Korruption bei den Unionsparteien inhärenter Bestandteil des Pakets ist. Hier deckt sich Erwartungshaltung und Realität.
Von den Grünen haben einige Leute wahrscheinlich erwartet, dass sie es sauber machen. Wenn diese Erwartung dann enttäuscht wird, ist der Ärger halt größer und die kritischen Artikel fließen umso leichter aus der Feder.