Wie und warum Günther Jauch gegen die „gelben Drecksblätter“ kämpft
Es gibt – abgesehen von Helene Fischer und der Familie von Michael Schumacher – wohl niemanden, der sich so häufig und konsequent gegen die Regenbogenpresse wehrt wie der Fernsehmoderator Günther Jauch.
Im „Zeit“-Podcast „Alles gesagt?“, aus dem wir in diesem Beitrag mit freundlicher Genehmigung zitieren, gibt Jauch Einblicke in seinen Umgang mit den bunten Blättern: Warum er sich so hartnäckig wehrt; wie dieses Prozedere genau abläuft, und was sich ändern müsste, damit das Geschäftsmodell dieser „Drecksverlage“ nicht mehr funktioniert.
Das Thema kommt gleich zu Beginn zur Sprache, als die Interviewer (Christoph Amend, Editorial Director beim „Zeit Magazin“, und Jochen Wegner, Chefredakteur von „Zeit Online“) einige biografische Daten Jauchs auflisten und ihn fragen, ob alles korrekt sei.
Günther Jauch: Über das Datum, seit wann ich meine Frau kenne, äußere ich mich nicht, weil gerade wieder eine Gegendarstellung läuft, weil einer ein falsches Jahr gesagt hat.
Interviewer: What?
Günther Jauch: Es wird alles gegendargestellt. Also in der Yellow Press. Wenn meine Frau zehn Jahre jünger gemacht wird: sofort Gegendarstellung.
In der Tat:
Etwa drei bis vier Gerichtsprozesse gebe es jeden Monat, sagt Jauch. „Durchschnittliche Dauer durch die Instanzen: so drei, vier Jahre.“
Dass es so lange dauert, liegt oft am erbitterten Hin und Her zwischen den Anwälten vor Gericht. Für die Verlage sind Gegendarstellungen, vor allem auf der Titelseite, eine unangenehme Angelegenheit, die sie verhindern oder zumindest so klein wie möglich halten wollen. Deswegen wird oft um jeden Quadratzentimeter verhandelt. Werden sie schließlich vom Gericht zum Abdruck verdonnert, kommt es immer wieder vor, dass sie die Gegendarstellung z.B. nicht groß genug abdrucken, sie in einen lächerlich machenden Kontext setzen oder den richtigstellenden Zusatz („Herr Jauch hat Recht“) weglassen. Wogegen Jauch dann wieder knallhart vorgeht. Wenn es sein muss, jahrelang.
Warum machen Sie das? Das ist sehr auffällig: Es gibt manche Menschen, die das komplett ignorieren, Sie sind der strenge Zuchtmeister.
Wenn Sie es nicht machen, wird alles immer doller und immer idiotischer, das ist das Eine. Das könnte man aber aushalten, so hat es Franz Beckenbauer immer gemacht. War ihm völlig egal, was da wieder irgendwo stand: „Was stand da? Jo, des is mir wurscht. Solln’s doch schreiben, was sie wolln.“
Mich ärgert insbesondere, dass damit vor allen Dingen ältere Herrschaften über den Tisch gezogen werden. Also, was weiß ich: „Alles aus?“, und dann sieht man mich mit meiner Frau – „Das erschütternde Geständnis“. Oder man sieht, wie meine Frau ein trauriges Gesicht macht, ich mache ein wütendes Gesicht, also eine Fotomontage, und dann: „Riesenkrach bei Günther Jauch! Lesen Sie Seite 18“. Dann kaufen die die Armen für Einsfuffzig das Heftl, und der „Riesenkrach“ bei mir zu Hause ist dann, dass sechs Häuser weiter eine Baustelle ist.
Das habe schon in den 80er-Jahren angefangen. Damals sei er zum Beispiel mal mit Steffi Graf auf einer Titelseite gewesen, zwischen ihnen ein hineinmontiertes Baby. „Günther Jauch und Steffi Graf: Jetzt ist ihr großes Glück perfekt“. Inhalt der Geschichte sei dann bloß gewesen, dass er eine neue TV-Sendung bekommen und sie ein Tennisturnier gewonnen hatte, und dass sie irgendwann mal gesagt habe, sie wolle später vielleicht mal Kinder haben.
Das war dann also das „große Glück“. So wird das zusammengeschustert. Und das funktioniert so bei diesen gelben Drecksblättern, dass die Rankings machen, über welche Leute ihre Klientel – und das sind halt sehr, sehr Alte im Allgemeinen – gern mehr erfahren wollen. (…) Und seit Jahren ist es so: Bei den Frauen ist immer Helene Fischer auf Platz Eins, und bei den Männern angeblich ich.
Und das ist einfach derart nervig und blödsinnig. Und was ich vor allen Dingen diesen Drecksverlagen – namentlich Bauer-Verlag, Klambt-Verlag, das sind so die Schlimmsten eigentlich –, was ich denen nicht gönne: dass sie mit diesem Unsinn, mit diesem Mist, Geld machen.
„Da lachen die drüber“
Das Geschäftsmodell werde aber weiter funktionieren, solange es keine Änderungen in der Rechtsprechung gebe. Vor allem: Strafen, die den Verlagen auch tatsächlich wehtun.
Es ist so, wenn Sie am Ende so einen Prozess gewonnen haben, dann muss der Gegner alle Anwaltsgebühren und die Gerichtsgebühren zahlen. Da lachen die drüber. Das ist denen völlig wurscht. Es würde nur dann richtig gut funktionieren, wenn irgendwelche Schmerzensgelder [fällig wären]. Das hat es auch schon gegeben, weil irgendwelche Sachen so gemein waren, nach Ansicht von Gerichten, oder auch so falsch oder hinterfotzig, dass das also tatsächlich bestraft wird. Aber dieser Pipifax, da springt dann nichts dabei raus. Erst, wenn in Deutschland die Rechtsprechung wäre, dass der Gewinn, den sie durch diese Schlagzeilen und Titelblätter gemacht haben, abgeschöpft würde, dann wäre dieses Geschäftsmodell von denen sofort kaputt.
Ich weiß, dass alle Artikel, die über mich in den Yellows erscheinen, durch soundsoviel Anwaltskanzleien gehen und sich da Juristen drüberbeugen, damit sie sehen, wie groß die Gefahr ist, dass da irgendwas für den Verlag entstehen kann. Weil sie wissen, dass ich einfach routinemäßig im Grunde gegen alles vorgehe, was falsch ist oder was die nicht dürfen, und das passiert eben einfach jede Woche. Ist aber nicht dramatisch und kostet mich bloß – ja, pro Tag ungefähr 15 bis 20 Minuten meiner Lebenszeit.
Das ist aber viel.
Das ist dann doch viel.
Wann passiert das? Morgens neben dem Frühstücksei?
Ich lese mir den Kram nicht selber durch, da gibt’s mittlerweile arme Studenten, die fieseln das alles durch, und dann wird das einem Anwalt oder einer Anwältin vorgelegt. Dann kriege ich es zugeschickt: „Was ist denn da falsch?“ oder „Pass auf, das ist eine Fotomontage!“ oder „Hast du wirklich mal neben dem gestanden und hast dieses oder jenes gesagt oder gemacht?“ Dann muss ich mich damit beschäftigen, muss versuchen, mich zu erinnern, dann muss ich meine Frau fragen, dann muss ich das alles wieder zurückschreiben, dann müssen wir uns überlegen, hat es Sinn, dagegen vorzugehen oder nicht … es ist nervig. Die stehlen mir meine Lebenszeit. Ansonsten ist es einfach nur gequirlter Unsinn.
Und wenn man das so als Ufo-Journalismus einfach ignorieren würde wie Beckenbauer?
Dann geht’s immer weiter, dann trauen sie sich immer mehr. Die Schlagzeilen werden dann immer absurder. Und dann begegnen Ihnen tatsächlich auch immer mehr Leute, die sagen: „Ja, sag mal, das hab ich aber schon zum dritten Mal gelesen! Ist da was dran?“ Und deswegen ist es für mich fast bequemer, da eher die harte Tour zu fahren.
Tatsächlich fällt auf, dass sich die Blätter bei Prominenten, die sich selten oder gar nicht wehren, deutlich mehr trauen als bei jenen, die sofort rechtliche Schritte einleiten. Während etwa das schwedischen Königshaus (das sich gegen deutsche Klatschverlage zur Wehr setzt) verhältnismäßig vorsichtig behandelt wird, werden über die britischen Royals (die das Treiben der deutschen Blätter ignorieren) jede Woche völlig schamlos die wildesten Lügen verbreitet.
„Mindestens 120 gespitzte Ohren“
Die „Bunte“ aus dem Burda-Verlag, sagt Günther Jauch, sei im Gegensatz zu anderen Blättern ihm gegenüber „relativ ruhig“:
Die kümmern sich einfach nicht um mich, das ist auch mein Wunsch. Die fragen mich auch nie. Ich weiß auch gar nicht, wann ich der „Bunten“ zuletzt ein Interview gegeben habe.
Auf den Einwand, dass man in der „Bunten“ aber schon ein paar Interviews mit ihm finden könne, erklärt er, dass solche oft abgeschrieben seien:
Ich gebe ja eher der Schülerzeitung ein Interview als der „Bunten“. Und dann schreibt halt die „Bunte“: „Günther Jauch erzählt in einem Interview …“, das war aber dann mit der Schülerzeitung.
Man kommt ja nicht umhin, gerade wenn man in den Medien ist, auch mit Medien zu tun zu haben, die so an der Grenze entlangmäandern. Kann man das so gestalten, dass man bestimmte Medien ausschließt?
Das hilft ja nur zum Teil. Also, dieser Podcast hier ist insofern gefährlich, als ich weiß, dass von den Yellows mindestens 120 gespitzte Ohren da jetzt lauschen und Sachen rausziehen. Und ich habe eigentlich kein Problem damit, über mich selber Auskunft zu geben. Ich habe aber keine Lust, denen damit zu einem ständigen Einkommen zu verhelfen. Und diese Übertreibungen … „Sein entsetzliches Geständnis“ oder „So brutal empfindet er sein Leben“ und dieser ganze Mumpitz, das will ich einfach nicht.
Deswegen kann es auch durchaus sein, wenn ich heute mal gefragt werde, was ich über bestimmte Dinge meine oder welche Ansichten ich habe, dass ich dann sage: „Ich kenne Leute, die sehen das soundso“. Dann kann keiner sagen: „Günther Jauch sieht das soundso“.
Danach ging der Podcast noch sechs Stunden weiter, in denen Jauch über alles mögliche sprach: seine Vorfahren, Wein, Rente, Gott und die Welt.
Drei Wochen später brachte die „Neue Post“ (Bauer-Verlag) einen Artikel über den Podcast-Auftritt. Schlagzeile: „Günther Jauch: Todes-Drama! Dieser Schmerz wird nie vergehen“
… weil er auch über seinen vor 30 Jahren verstorbenen Vater gesprochen hatte.
Seine Kritik an der Klatschpresse ließ die Redaktion unerwähnt.
- Das ganze Gespräch mit Günther Jauch im Podcast „Alles gesagt?“ von „Zeit Online“ und „Zeit Magazin“ gibt es hier: „Günther Jauch, was bedeutet Ihnen Ihr Glaube?“
Geil, Jauch hat also ein paar Nachwuchs-Schönauers auf der Payroll, die den wahnsinnigen gelben Blätterwald nach Futter für die Anklageberater durchsuchen. That’s the way to go, anders lernen die nicht :-D
stefan raab hat mal in einer gegendarstellung erklärt, dass frikadellen NICHT sein lieblingsessen sei.
was habe ich gelacht.
also, in der top ten der sich wehrenden ist raab vermutlich dabei. und, wenn ich mich recht erinnere, oliver pocher auch? und harald schmidt?
Mettbrötchen (mit Gurke), es ging um ein Mettbrötchen!
Na ja, mit etwas Phantasie kann man ein Mettbrötchen als Vorstufe zur Frikadelle bezeichnen, ist also nicht ganz falsch.
Ich habe schon beim Podcast an diesen Stellen sehr genickt. Vor allem die Forderung, so ein Fehlverhalten nicht nur mit Anwaltskosten zu belegen, sondern mit echten Strafen/Schmerzengeldern, idealerweise mit Gewinnabschöpfung, halte ich für geradezu zwingend, um diesen Mist in den Griff zu bekommen.
@frank reichelt, ä4
stimmt. nur: hätten Sie ohne meinen fehler die anekdote erwähnt ;-)
„…den richtigstellenen Zusatz („Herr Jauch hat Recht“) weglassen.“
„…richtigstellen-d-en“ sollte das wohl heißen.
Eigentlich finde ich Herrn Jauch nicht so sympathisch. Aber in diesem Fall: Ehre, wem Ehre gebührt!
@6: Hoppla! Hierzu stellen wir fest: Herr Kritiker hat Recht.
Mich wundert, dass Jauch die „Bunte“ so positiv hervorhebt und sagt, sie lasse ihn in Ruhe. Mitte September gab es eine pikante Titelgeschichte über sein Privatleben, die mittlerweile nirgends mehr auffindbar ist. Wurde der Podcast davor aufgezeichnet?
Und viel wichtiger: Hat die „Bunte“ ihn gehört und sich gedacht: „Mensch, zum Günni könnten wir doch auch mal wieder was bringen. Was haben wir denn noch so im Giftschrank?“
Weißt du dazu was, Mats?
@9 Goldlöffel: Interessanter Punkt. Ich hab mal nachgeschaut: Der Podcast wurde tatsächlich vorher veröffentlicht, aber nur einen Tag. Also eher unwahrscheinlich, dass es in diesem Fall so gelaufen ist, auch wenn ich mir gut vorstellen kann, dass sowas vorkommt.
Kann es sein, dass seit kurzem einen Darstellungsbug bei Übermedien gibt? Einige Zeilenumbrüche sind mitten im Wort und ohne Bindestrich („Pod cast“, „Titelge schichte“, „be legen“, „ver helfen“). Ich nutze die aktuelle Chrome-Version.
Bei der Eingabe des Kommentars sehe ich in der ersten Zeile übrigens „Übermedi“ und in der nächsten Zeile „en“, und hier wiederum sind „übri“ und „gens“ getrennt.