Willkommen bei Gregor Nebel: Schlagerwerbung mit Nahtoderfahrung
„NEUE LUNGEN-OP? Sein Freund befürchtet das Schlimmste“, schrieb die „Freizeit Revue“ Anfang Mai über Roland Kaiser, und womit sie vermutlich nicht gerechnet hatte: Roland Kaiser schrieb zurück.
Hier haben die Schreiberlinge mal wieder ganze Arbeit geleistet. Das Rezept zu einem solchen Artikel lautet: man nehme gefährliches Halbwissen gepaart mit schlechter oder bestenfalls keiner Recherche und lege einem lieben Kollegen von mir Zitate in den Mund, die er so nie gesagt hat.
In Wahrheit erfreue er sich „bester Gesundheit“, er sei gerade im Urlaub, ihm gehe es „fantastisch“.
Am besten wäre es, Ihr unterstützt diese bunten Blättchen nicht und lasst sie in den Ladenregalen liegen.
Kritik an dem Artikel kam aber nicht nur von Kaiser selbst, sondern auch von einer Seite, von der wir es gar nicht erwartet hätten: von Schlager.de.
„Natürlich ist es normal, dass Schlagzeilen manchmal etwas aufgebauscht sind. Ein wahrer Kern sollte jedoch immer vorhanden sein. Geschichten, die einfach frei erfunden werden, sind wahrlich ein Armutszeugnis für ein Medium“, schrieb das Portal und betonte abschließend in fettgedruckt:
Wir von Schlager.de distanzieren uns ganz klar von derartiger Berichterstattung und freuen uns, dass wir Euch auch in Zukunft mit echten News versorgen können, denn Fantasiegeschichten gibt es woanders!
Schlager.de — die mit den echten News! Wie hier, am vergangenen Wochenende:
Im Artikel stellt sich dann heraus, dass nicht Heino tot ist, sondern ein Freund von ihm:
Seine dunkle Stimme zittert vor Schmerz. „Ich bin so traurig, ich kann es nicht in Worte fassen“, sagt Heino (80) leise. Sein ältester Freund Dieter Wolf († 82) nahm sich im letzten Jahr mit seiner Frau Heidi († 77) das Leben. Ein furchtbares Selbstmord-Drama!
(Daraufhin nennt die Autorin die genaue Suizidmethode, stellt den Suizid als romantischen Akt „aus Liebe“ dar und als „Erlösung“ von „Qualen“, es gelingt ihr also, innerhalb eines halben Absatzes all das zu machen, was man nicht machen sollte, wenn man Nachahmungstaten vermeiden will, aber das nur am Rande.)
Der Artikel ist ein Gastbeitrag der „Neuen Post“ aus dem Bauer-Verlag. Mit dem kooperiert Schlager.de seit zwei Jahren, denn mit wem sollte man sonst zusammenarbeiten, wenn einem journalistische Sorgfalt am Herzen liegt.
So findet man am Ende auch diesen Hinweis:
Ihr möchtet mehr lesen?
Den ganzen Artikel gibt es in der ‚Neue Post‘. Jetzt am Kiosk!
Am Kiosk sucht man den Artikel dann aber vergeblich. Tatsächlich druckte die „Neue Post“ ihn bereits vor einem halben Jahr, und auch damals erschien er schon als Gastbeitrag auf Schlager.de. Überschrift damals: „Heino: Selbstmord-Drama!“
Solche Klatschgeschichten mit irreführenden Drama-Schlagzeilen machen aber nur einen kleinen Teil von Schlager.de aus. Hin und wieder gibt es mal eine „Blitz-Trennung!“ (… vom Management) oder einen „Traurigen Schicksalsschlag!“ (Filmhund gestorben), doch die eigentliche Spezialität des Portals ist etwas anderes.
Dazu hier mal ein Blick auf die Startseite in dieser Woche:
Wirkt im ersten Moment wie ein klassisches Klatschportal, doch schaut man sich die drei Artikel genauer an, zeigt sich, worum es bei Schlager.de in Wirklichkeit geht.
Erster Artikel: „Überraschung – Tanja Lasch hat ne Neue!“
… Single veröffentlicht!
Diese läuft in renommierten DJ Pools erfolgreich und kommt gut an. Kein Wunder, es ist ein wunderschöner Titel, mit schönem Discofox-Sound (es gibt 6 Versionen davon!) mit einem Text, der echt Gänsehaut verursacht!
Und ihr neues Album kommt auch bald, ihr „lang ersehntes drittes Album mit dem vielversprechendem Titel ‚Zwischen Lachen und Weinen’“, und dann ist sie ja auch noch auf der „legendären ‚Schlagernacht in Weiß‘ in Döckingen!“ Und nicht nur das!
Nun hat sie noch eine der legendärsten Managerinnen der Branche an ihrer Seite: Veronika Jarzombek, die auch Jay Khan unter Vertrag hat.
Wow.
Da kann man nur sagen: Läuft bei ihr! Wir wünschen der sympathischen, hübschen und authentischen Künstlerin viel Erfolg und Freude auf ihrem künftigen Weg. Verdient hat sie es allemal!
Mit Adjektiven haben sie es also auf Schlager.de. Mit journalistischer Distanz eher nicht so.
Zweiter Artikel: Thomas Anders. „Süße Liebeserklärung – Ohne seine Frau hätte er es nie geschafft“. Der Artikel beginnt wie folgt:
Charismatisch, glaubhaft und authentisch: Thomas Anders ist einer dieser Künstler, die mit zunehmendem Alter immer besser werden. Das neue Album “Ewig mit Dir” ist von einer Botschaft geprägt, die gleichzeitig eine von Thomas Anders gelebte Gewissheit ist: Alles ist möglich, Träume können wahr werden, wenn man auf sein Herz hört. Thomas Anders Lebensweg hat ihm immer wieder neue Türen geöffnet und Fährten gewiesen, die er aufgeschlossen beschritt – weil er wusste, dass Erfahrungen gesammelt werden wollen, bevor Lebenserfahrungen in Songs fließen können.
Klingt wie der PR-Text für sein Album und, Überraschung, ist der PR-Text für sein Album. Eigene Recherche hat Schlager.de für den Artikel aber auch noch betrieben:
Thomas Anders gilt als wahrer Gentleman in der Szene und das können wir nur bestätigen, denn wir waren für Euch beim Konzert in Oberhausen und sind restlos begeistert von dem Gesamtpaket: (…) tollen und persönlichen Bühnenshow (…) unvergesslichen Hits (…) unverwechselbare Stimme (…) Texte, die teilweise unter die Haut gehen (…) neu arrangiert und dennoch unverkennbar (…) Leider war es der letzte Tourabend, dem wir zum Glück beiwohnen durften, aber wir sind uns sicher: Die nächste Tour wird folgen!
Und wir sind uns sicher: Auch dann wird Schlager.de völlig aus dem Häuschen sein und dem legendären, wohlriechenden Thomas Anders und seinem einzigartigen, nobelpreisverdächtigen, weltfriedenschaffenden Album eine Hymne schreiben, vielleicht auch zwei oder drei Hymnen, denn worum es Schlager.de eigentlich geht, ist ganz simpel: Werbung.
Und falls es doch noch nicht offensichtlich genug war, hier noch der dritte Aufmacher von gestern: „Maximilian Arland macht sich selbst das schönste Geschenk“. Und zwar, man glaubt es kaum … ein neues Album!
Zu seinem Jubiläum veröffentlicht Maximilian Arland nun am 24. Mai ein ganz besonderes Doppelalbum: „25 Jahre Maximilian Arland & Freunde“ enthält 25 seiner schönsten Songs aus den letzten 25 Jahren und zwar alle im Duett mit Kollegen, die er besonders schätzt.
Dazu: Trailer, Albumcover, Daten seiner TV-Auftritte, vieles davon direkt aus der Feder seines Managements („Textvorlage: Kick-Media“):
Schlager.de ist kein Newsportal, wie es behauptet, sondern eine Werbeplattform, auf der es keinerlei Grenze gibt zwischen Redaktion und PR. Betrieben wird sie von der Deutsche Medienportale GmbH, Gründer und Geschäftsführer ist Gregor Nebel (der Sohn von Carmen Nebel).
Die Seite arbeitet eng mit Plattenlabels, Touristikunternehmen, Veranstaltungsfirmen und Tickethändlern zusammen. So bietet sie zum Beispiel exklusive Reisen zu Konzerten von Schlagerstars und präsentiert auch selbst immer wieder Veranstaltungen, in diesem Jahr zum Beispiel den „Schlager.de-Tanztee“ in Essen oder die „Open Air Schlagernacht“ in Köln. Sie hat sogar eine eigene Booking-Abteilung zur Vermittlung von Schlagerkünstlern. Und mit der „Neuen Post“ betreibt sie die Preisverleihung „Mein Star des Jahres“. Kuscheln ist hier das Konzept.
Halten wir also fest: Schlager.de ist eine als Klatschportal getarnte Sammelstelle für PR-Texte, die der „Freizeit Revue“ schlechten Journalismus vorwirft, mit der „Neuen Post“ aber problemlos zusammenarbeitet, die ihren Lesern „echte News“ verspricht, aber Werbebotschaften unterjubelt, weil sie so sehr mit der Schlagerindustrie verbandelt ist, dass sie sich ehrlichen Journalismus gar nicht leisten könnte.
Aber Roland Kaiser geht’s gut, das ist ja schon mal was.
Mit Dank an Alex für den Hinweis!
Kurze Bemerkung zum Tanja Lasch Artikel…
Die Headline „…hat ne Neue“ hat sich sehr wohl auf die neue Managerin bezogen und nicht wie es hier dargestellt wird, auf die neue Single.
Verdreht bitte nicht die Tatsachen, in dem ihr Artikel auseinander pflückt und falsch wiedergebt! Danke!
@Ilka Krause: Ja, Tanja Lasch hat tatsächlich eine neue Managerin (die Stelle habe ich im Artikel angepasst), „eine der legendärsten Managerinnen der Branche“, wie Sie ja im gewohnten Schlager.de-Superlativ erläutert haben. Aber eben auch eine neue Single, Verzeihung, einen „wunderschönen Titel, mit schönem Discofox-Sound (es gibt 6 Versionen davon!) mit einem Text, der echt Gänsehaut verursacht!“ Woran ist denn zu erkennen, dass sich die Überschrift auf die Managerin bezieht? Und wenn es so ist: Warum dann nicht „Tanja Lasch hat eine neue Managerin“?
„Wer ist Tanja Lasch?“
;-)
Ich bin ein alter weiser Mann…
muss ich die kennen…?!
Wenn ihr jetzt Schlagersängerinnen hypt,die ich nicht kenne…
der Untergang des Abendlandes!
in Abwandlung eines Zitats aus Henschels „Gossenreport“:
„Wer mit den Lügenblättern des Bauer-Verlags zusammenarbeitet, der ist ethisch gerichtet und hat seinen intellektuellen und moralischen Bankrott erklärt“.