Schamlos Geld verdienen

Totgeklickt: Die Bestatter von Bauers „Intouch“

Bei „Intouch“, dem Klatschmagazin aus dem Hamburger Bauer-Verlag, arbeiten keine Redakteure, sondern Bestatter. Vor langer Zeit bereits haben sie alles beerdigt, was irgendwie vertrauenswürdig wirken könnte, und seither geben sie sich Mühe, Prominente lebend unter die Erde zu bringen.

Diese Woche zum Beispiel: Dieter Thomas Heck.

Foto von Dieter Thomas Heck mit der Überschrift: "Dieter Thomas Heck: Adieu, Mr. Hitparade! Es ist so traurig"
Adieu? Aus? Vorbei? Screenshot: Intouch

Es sieht aus wie ein Nachruf auf den früheren Moderator der ZDF-Hitparade, was da seit Dienstag auf der Online-Seite von „Intouch“ steht: „Adieu, Mr. Hitparade“, ruft die Redaktion Heck hinterher, und dass es „so traurig“ sei: „Seine Stimme war einfach einzigartig im TV“, steht am Anfang des Artikels, und in der Zwischenüberschrift: „Die TV-Legende wird schmerzlich vermisst“.

Auf Facebook bewirbt „Intouch“ den Artikel so:

Facebook-Zeile: "Dieter Thomas Heck war einzigartig als Moderator. Das ist vorbei!"

Was ist vorbei?

Genau: Dass Dieter Thomas Heck auf Bühnen steht und moderiert. Aber das ist schon lange vorbei, und darum geht es „Intouch“ auch nicht. Dem Magazin geht es darum, es so aussehen zu lassen, als wäre Heck verstorben, auch wenn er noch lebt. Die Leser sollen sich erschrecken – und dann auf den Artikel klicken. Bauers „Intouch“ verdient so am vermeintlichen Tod anderer, denn viele bekannte Unternehmen und Marken werben in diesem zwielichtigen Umfeld.

Im Text steht, dass sich „Familie, Freunde, Kollegen und Fans“ schon „seit Monaten“ um den „schwerkranken 80-Jährigen“ sorgen würden. Doch alles bleibt im Vagen: 2007, heißt es, sei Hecks Frau an Krebs erkrankt. Dann sei er mit ihr nach Spanien gezogen, „wo beide ihren Lebensabend genießen wollten“. Aber selbst im letzten Satz des Artikels scheint es noch so, als wäre Heck tot: „Doch das Schicksal hat ihm nicht viele Jahre in seiner Wahlheimat gegönnt…“

Dieter Thomas Heck ist nicht der einzige, dem die Bauer-Totengräber mit der Sense winken. Sie kopieren das Geschäftsmodell immer wieder:

Nicht ganz so schamlos irreführend wie bei Heck, aber auch hier (und in etlichen anderen Fällen) spielt „Intouch“ mit dem Schockmoment: Abschied? Ist er oder sie etwa… – nein, sind sie nicht!

Hape Kerkeling hat lediglich als Kolumnist bei der „Gala“ aufgehört, Andrea Berg und Angelo Kelly lassen ihre (erwachsenen) Kinder ziehen, Karl Lagerfeld wirke „schwer gezeichnet“ und über Karel Gott spekuliert „Intouch“: „Ist der Krebs etwa zurück?“ Und: „Hat er seinen Lebensmut nun etwa verloren?“

(Bei Daniela Katzenberger ist der „traurige Abschied“ übrigens besonders schlimm: „Daniela Katzenberger (31) und Lucas Cordalis (50) trennen sich… Aber nicht voneinander, sondern von ihren alten Klamotten.“)

Und wie finden die Leserinnen und Leser das? Unter dem „Intouch“-Facebook-Post zu Dieter Thomas Heck schreiben sie:

Typisch InTouch. Wird geschrieben als wäre er gestorben. Was seid ihr nur für Schmierfinken.

Lass die Leute nicht sterben bevor sie tot sind meine Güte nur weil ihr keine Themen habt.

Also ich hab euch ja gern gelesen aber dieser Bericht ist echt eine Frechheit.

Unmögliche Überschrift. Liest sich wie ein Nachruf.

Was verbreitet ihr wieder für nen Schwachsinn?

Bei manchen hat es aber offenbar auch funktioniert: Sie meinen, Heck sei tatsächlich gestorben. Eine Leserin schreibt: „Ruhe in Frieden“ – sollte sie damit „Intouch“ meinen, schließen wir uns an.

Danke für den Hinweis an Leo Braun.

Nachtrag, 24.8.2018. Traurig, aber wahr: Nun ist Dieter Thomas Heck tatsächlich verstorben.

30 Kommentare

  1. Dem geneigten Leser sollte auffallen, daß das Bild nicht in schwarz/weiß ist, sondern farbig.

    Nach dem Abitur wollte ich mit einem Schulfreund preiswert in den Süden fliegen. Wir gingen im Flughafen zu einem Schalter des Last-Minute-Anbieters L’tur und fanden dort in den ausliegenden Angeboten ein Angebot für die kanarischen Inseln, wo beim Hotel stand „Unmittelbar an der Uferpromenade gelegen“. Mein Kumpel sagte „Wunderbar, dann sind wir ja am Strand!“. Ich mit meinem mathematischen Verständnis sagte „Das steht nicht ‚Strand‘, da steht ‚Uferpromenade‘. Geh also besser davon aus, daß vor dem Hotel die Hauptverkehrsstraße verläuft, und daß auf der anderen Straßenseite Felsbrocken sind, vor die die Brandung schlägt“. Genauso war es dann auch, wir sind mit dem Linienbus zum nächsten Strand gefahren.

    Durch das Internet haben sich die Zeiten geändert: Bei Reisebuchungen kann man heutzutage den Standort direkt auf der Karte nachschlagen, man sieht Photos und Bewertungen anderer Menschen. Das genaue Hinschauen, was irgendwo geschrieben steht und was nicht, ist dafür an anderer Stelle notwendig: Bei den Clickbait-Aktionen von Online-Magazinen oder Trollen.

    Was da geschrieben wird ist ja – rein logisch betrachtet – nicht falsch. Wenn sich jemand von alter Bekleidung trennt, dann kann das durchaus als „trauriger Abschied“ gewertet werden. Und wenn es dem Schriftsteller (alias Redakteur) Tränen in die Augen treibt, weil er sich gerade darüber bewusst wird, daß sein Kindheitsidol inzwischen zu alt ist, um im Fernsehen beispielsweise „Die Pyramide“ zu moderieren (und dabei die legendären Telephongespräche mit Schiedsrichter Josef Heindl zu führen), dann ruft er schon mal laut „Adieu!“ und weint bitterlich „Es ist so traurig“. [*]

    Dem Schriftsteller, der Zeilen für den in Heftform oder online veröffentlichten Episodenroman „InTouch“ zu produzieren hat, kann man sicherlich nicht verbieten, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen – vor allem, wenn sie derartig überwältigend sind. Aber solange er die Person, die diesen unglaublichen Emotionsschub in ihm auslöst, noch mit einem farbigen Bild illustriert, solange ist diese Person noch nicht gestorben.

    [*] Ich stelle mir das gerade bildlich vor, wie da jemand vor seiner Schreibmaschine (oder vor dem PC) sitzt und bitterlich weint – so wie in der ersten Folge von „Die Abenteuer der Maus auf dem Mars“ die Maus so bitterlich weint, daß riesige Flüsse auf dem vorher staubtrockenen Mars entstehen, und schließlich auf diesen Flüssen ein Ausflugsschiff mit Musikkapelle herumfährt. Nur fließen in diesem Fall die Wasserströme aus den Fenster eines mehrstöckigen Verlagsgebäudes und überschwemmen die Stadt. Und wahrscheinlich bekomme ich diese Vorstellung jetzt nicht mehr aus meinem Kopf.

  2. @1 Ich fürchte, Sie meinen das tatsächlich so, wie Sie es schreiben. Mit dem farbigen Bild, zum Beispiel. Und dass alle Nachrufe ausschließlich mit Schwarz-Weiß-Bildern illustriert werden. Und dass bei solcherlei Magazinen Menschen Artikel schreiben, weil sie etwas ehrlich bewegt.

    Ich glaube, Sie haben das alles nicht verstanden.

  3. Ich habe früher Intouch öfter mal in meinen Pausen gelesen, schon seit mind. 1 Jahr nicht mehr! Nie mehr…
    Nicht nur würdeloses wird geschrieben, sondern auch Lügen, anfangs dachte ich noch ach ja, da haben die sich mal wieder vertan, aber immer und immer wieder solche Lügen und Spekulationen über Prominente in der inTouch zu lesen ist für mich nicht mehr und nicht weniger als ein echtes „Schmierblatt“.
    Der Leser wird richtig schön „veräppelt“. Frag mich für wie blöd die uns halten…so blöd, daß es leider immer noch Frauen gibt, die den „Müll“ weiterhin kaufen. Schade.

  4. Herr Rosenkranz, nun mache ich mir aber Sorgen darüber, was Sie als „so gemeint“ betrachten und was nicht – und was für Sie „ehrlich bewegt“ bedeutet. Sie haben neulich in einem Videobeitrag gesagt, Till Schweiger habe es für eine gute Idee gehalten, daß sein Nachbar Jan Ulrich eine Medientherapie machen solle. Muß ich fürchten, daß Sie das tatsächlich so gemeint haben, wie Sie das gesagt haben? Und glauben Sie, daß bei derlei Magazinen (in dem Fall: „Bunte“) Menschen arbeiten, weil sie etwas „ehrlich bewegt“ – die sich selbst also tatsächlich als Therapeuten verstehen?

    Ich habe in meinem Kommentar sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, was ich meine. Darin ziehe ich den Vergleich mit den sorgsam zu lesenden Formulierungen in Reiseprospekten, ich bezeichne die Mitarbeiter bei „InTouch“ konsequent als „Schriftsteller“ und das Magazin selbst als „Episodenroman“, und schließlich beschreibe ich die bildliche Vorstellung, wie die Tränen den „InTouch“-Mitarbeiters als reißender Wasserfall aus den Fenstern des Verlagsgebäudes auf die Straße fließen – wie kann man mich da überhaupt noch mißverstehen?

    Aber eigentlich geht es mir auch gar nicht darum, ob der Mitarbeiter diese Emotionen wirklich hat, sondern daß er sie prinzipiell haben könnte (deshalb habe ich nicht geschrieben „Es treibt Tränen in die Augen“, sondern „Wenn es Tränen in die Augen treibt, …“ und auch nicht „Er lässt seinen Emotionen freien Lauf“, sondern „Man kann es ihm nicht verbieten, seinen Emotionen freien Lauf zu lassen“). Welche Emotionen der Schreiber tatsächlich hatte, können wir beide nicht belegen. Solange es die prinzipielle Möglichkeit gibt, daß der Schreiber tatsächlich so gefühlt hat, ist der Artikel nicht als falsch oder gar als gelogen anzusehen.

    Das ist der Punkt, wo ich die Analogie zu den Reiseprospekten der 80er sehe: Es wird die Wahrheit geschrieben. Das Geschriebene ist nicht angreifbar. Und doch soll es im Kopf des Lesers Assoziationen auslösen, die nicht mehr der Wahrheit entsprechen.

    Sowohl das Reiseunternehmen „L’tur“, das ich in meinem Beispiel aufführe, als auch die Redaktion „InTouch“ sind keine Wohltäter. Sie sind auch keine öffentlich-rechtlichen Anstalten, die ein Aufsichtsgremium haben, das den Bevölkerungsquerschnitt widerspiegeln soll. Sondern sie agieren rein privatwirtschaftlich. Sie sind Marktteilnehmer. Sie wollen Geld verdienen. Sie sind ihren Eigentümern oder Aktionären verpflichtet, sonst niemandem.

    Ich habe als Analogie das Beispiel der Reiseprospekte aus den 80ern gewählt, als von vor 30 Jahren. Denn dieses Prinzip, die Wahrheit zu sagen und doch einen unwahren Eindruck zu erwecken, ist nicht neu. Und vor allem ist es allgemein bekannt. Darüber, daß man die Formulierungen in Reiseprospekten exakt wörtlich nehmen muß, wurde seinerzeit intensiv berichtet. Und das Prinzip taucht ja auch in anderen Bereichen auf, beispielsweise in Arbeitszeugnissen oder in Geschäftsbedingungen von Mobilfunk-Resellern. Es ist doch mittlerweile Allgemeinwissen, daß beispielsweise die Formulierung „Er zeigte Verständnis für die anfallenden Arbeiten“ im Arbeitszeugnis kein Lob ist.

    Und doch fallen wieder Menschen darauf herein, sobald dieses altbekannte Prinzip von einem anderen Marktteilnehmer mit etwas anderem Inhalt angewandt wird. Warum? Warum fallen immer noch Menschen darauf herein? Warum erzeugt so etwas Klicks?

  5. Tja, wie es aussieht, kam der „Nachruf“ nur ein paar Tage zu früh, jetzt kann man die Anführungszeichen streichen!

  6. Soo oft habe ich im Fernsehen
    Schauspieler,Sänger Moderator über sein Leben und der Tod von Thomas Heck
    bleibt Unvergessen.
    Abschied ist ein leises Wort. ????????????
    Seine Frau Hilde das Leben geht weiter u.alles Gute. ????????????????????????

  7. Ach Mensch! Alle sterben sie weg, die Entertainer, mit denen ich aufgewachsen bin: Hans Rosental, Wim Thoelke, Joachim Fuchsberger, Elmar Gunsch, Walter Giller, Rudi Carrell, Dieter Hildebrandt, Karl-Heinz Köpcke, Loriot, Kurt Felix, Eduard Zimmermann. Und jetzt noch Dieter Thomas Heck. Immerhin: Frank Elstner, Joachim Bublath und Michael Schanze leben noch.

    Mir fällt bei dieser Aufzählung gerade auf: Habe ich eigentlich gar keine Erinnerungen an Frauen im Fernsehen zur Zeit meiner Kindheit? Mir fällt aber jetzt wirklich niemand dazu ein.

  8. Herr Rosenkranz, spitzen Sie den Griffel, im ZDF läuft gerade jetzt (Fr. 23 Uhr) eine Sendung ‚Erinnerungen an Dieter Thomas Heck‘, die ebenfalls einem Nachruf sehr ähnelt. Sie dürfen sich also wieder aufregen!

  9. @Daniel: Ist jetzt nicht das gleiche Kaliber, aber in meiner Kindheit (wohl etwas später) gab es Linda de Mol, Ulla Kock am Brink und Marijke Amado. :-)

  10. Jetzt war ich doch mal neugierig und wollte wissen: Was schreibt die „InTouch“ jetzt anläßlich des tatsächlichen Todes von Dieter Thomas Heck? Bleibt der Artikel, über den wir hier lesen und diskutieren, stehen und durch einen weiteren ergänzt, oder wird er ausgetauscht?

    Auf der Facebook-Seite haut die „InTouch“ im Stundentakt Meldungen raus. Vor drei Stunden eine Meldung über Neuigkeiten von Sarah Connor, vor zwei Stunden eine Meldung über einen Menschen namens „Pascal Behrenbruch“, vor einer Stunde eine Meldung über Schauspielkunst bei einer Sendung namens „Promi Big Brother“. Dieter Thomas Heck kommt in den Meldungen nicht vor. Die Facebook-Beiträge von „InTouch“ sind also vermutlich fertig vorbereitet und werden nun automatisiert im Stundentakt veröffentlicht.

    Auf der Webseite intouch.wunderweib.de (ein HTTP-Aufruf zu http://www.intouch-magazin.de leitet dorthin weiter) steht auch nichts über den Tod von Dieter Thomas Heck. Statt dessen erfahre ich vom Tod eines Stars namens „Frank Mons“. Im alphabetischen Register kann ich gezielt zu allen Artikeln über Dieter Thomas Heck springen. Der aktuellste Artikel ist der, über den wir hier bei den Übermedien gerade lesen und diskutieren.

    Ich sach ja: Der Verlag ist ein ganz gewöhnlicher Marktteilnehmer. Er ist alleine seinen Eigentümern verpflichtet, sonst niemandem. Deshalb agiert er so, daß möglichst große Profitabilität herauskommt. Das Ankündigen von Artikeln mit effektheischender Überschrift gehört offensichtlich dazu, ebenso das kontinuierliche Veröffentlichen fertiger Artikel im Facebook-Profil zur Vortäuschung von Aktualität, nicht dagegen gehört dazu das Bereithalten einer Redaktion (oder eines Bereitschaftsdienstes), die (der) auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten noch auf überraschende Ereignisse reagieren könnte.

  11. „Alle sterben sie weg, die Entertainer, mit denen ich aufgewachsen bin: Hans Rosental, Wim Thoelke, Joachim Fuchsberger, Elmar Gunsch, Walter Giller, Rudi Carrell, Dieter Hildebrandt, Karl-Heinz Köpcke, Loriot, Kurt Felix, Eduard Zimmermann. Und jetzt noch Dieter Thomas Heck. “

    Man darf annehmen, dass das über einen Zeitraum von 30 Jahren (Rosenthal *1987) schon mal vorkommt.

  12. @12Rehbein
    Vivi Bach hat mit Dietmar Schönherr schon 69 moderiert, als Frauen ansonsten diese Kerle nur ansagen oder als „meine charmante Assistentin“ die Punkte zusammenzählen oder Spielkulissen hereinschieben durften.

  13. Wenn ich mir die diversen Nachrufe so betrachte, lese ich immer das gleiche: Hitparade, Hitparade, Hitparade!
    Für mich bleibt Heck jedoch als genialer Moderator Thilo Uhlenhorst im Millionenspiel in Erinnerung. Dieser vorausschauende und hellsichtige Fernsehfilm von 1970 wird z.B. im oben verlinkten Nachruf von tagesschau.de gar nicht erwähnt.
    Bezeichnend!

  14. @15 Stefan Pannor
    Ein wenig brutal – Ihr Umgang mit der Betroffenheit des anderen Kommentators.
    Man schämt sich auch ein klein wenig ob des eigenen Auflachens beim Lesen dieser nüchternen Zusammenfassung.

  15. Ach ja, was die Frauen im Showgeschäft angeht habt ihr natürlich die unvergleichliche Sigi Harreis mit den Montagsmalern von 1980-1996 vergessen.

  16. Ja, es sind Todesfälle über einen Zeitraum von 30 Jahren, die ich da aufzähle. Aber es sind für mich alles Fernsehmenschen (ja, diese Miniatur-Menschen, die in diesem eckigen Kasten leben), die ich in den 80ern gesehen habe (die Zeit, als „Verstehen Sie Spaß?“ noch keine Samstagabend-Show war, sondern eine halbstündige Sendung in den Regionalprogrammen der ARD). Sigi Harreis mochte ich nicht, an Marijke Amado erinnere ich mich als Moderatorin neben Jürgen von der Lippe und dem Roboter Bruno im WWF-Club. An die anderen genannten Frauen habe ich keine Kindheitserinnerungen.

    Daß man sich in Nachrufen auf eine wesentliche Fernsehsendung des gestorbenen konzentriert, hat mich neulich auch bei Peer Augustinski gestört. Dessen Fernsehserie „Fiktiv – Das einzig wahre Magazin“, die ich Ende der 90er mit Begeisterung gesehen habe, ist völlig vergessen worden.

    Und jetzt bei Dieter Thomas Heck die Rolle als Thilo Uhlenhorst. Ich habe mich schon zu seinen Lebzeiten gefragt, warum er in Interviews nicht mal dazu befragt worden ist, wie er diese Rolle heute sieht. Er hat als Thilo Uhlenhorst ja genauso jovial moderiert wie später in der ZDF-Hitparade. Aber diese Darstellung in einer Gesellschaftssatire, die die Entwicklung des Privatfernsehens kritisch vorwegnahm, passte meine Einschätzung nach nicht so recht zu seiner politisch konservativen Überzeugung.

    Ich erinnere mich an ein Interview mit Dieter Thomas Heck aus den 80ern, wo er auf den Musiktitel „Besuchen Sie Europa, solange es noch steht“ der Gruppe „Geier Sturzflug“ [*] Bezug nimmt. Er äußert darin sein Unverständnis dafür, daß man einen Atomkrieg lustig besingen und beklatschen würde. Satire und Sarkasmus war Dieter Thomas Heck also offensichtlich fremd. Da habe ich mich gefragt: Hat er den Inhalt von „Das Millionenspiel“ überhaupt verstanden? Was denkt er, was die Aussage dieses Films ist? Wie sieht er den Film aus heutiger Sicht, wo Privatfernsehen und Reality-Shows tatsächlich existieren? Schade, wir werden ihn dazu nicht mehr befragen können.

    [*] Das ist der Musiktitel, an den ich denken muß, wenn ich Venedig besuche. http://www.bilderbein.de/kohl-witze.html

  17. @Rehbein, #21:
    Das „Millionenspiel“ versteht sich ja nicht direkt als witzig, „Besuchen Sie Europa“ schon; oder Heck zumindest macht einen Unterschied zwischen dem Humorlevel von Geier Sturzflug und dem vom „Millionenspiel“.
    Das muss nicht heißen, dass er es nicht verstanden hat, sondern vllt. nur, dass das eine seinen Geschmack trifft, das andere eher nicht.

    Traurig ist es allemal: „Die blinden Hühner von InTouch haben einen Korn gefunden – die Wahrheit hinter dieser Linkstrecke wird Ihnen die Tränen in die Augen treiben.“

  18. Ich verstehe diesen Hype um sein „Lebenswerk“ überhaupt nicht. Er, der frühere Autoverkäufer, war immer ein stramme CDU-Soldat, ein Pionier des Konservatismus und Deutschtümelns auf dem Schlagersektor. Für sein Wirken in der ZDF-Hitparade hätte er den Fernsehpreis für die Entpolitisierung der Zuschauer verdient. Nur, weil er jetzt tot ist, wird er posthum kein besserer Mensch.

    DER SPIEGEL schrieb bereits 1972: „Er preist auch die dümmlichsten Texte, die einfältigsten Melodien und die dünnsten Stimmchen so überzeugend, wie es nur ein Künstler kann, der über die Naivität dritten Grades verfügt. Ob Heino, Ramona, Manuela oder Randolph Rose — für ihn sind sie alle „absolute Stars“, „prima“. „wahnsinnig gut“ oder Entertainer „par excellence“.

    Vielleicht hätte ihm mal jemand den Unterschied zwischen Radio Luxemburg und Rose Luxemburg erklären sollen.

  19. @Gerdos: Ich habe als Jugendlicher stets „disco“ und „ZDF-Hitparade“ gesehen. Irgendwann ist mir aufgefallen, wie viele sexuelle Anspielungen Dieter Thomas Heck macht. Und auch, wie häufig er auf die Bild-Zeitung verweist, daß er z.B. zu Stars gesagt hat „Hast Du heute schon den Artikel über Dich in der ‚Bild‘ gelesen?“.

    Deswegen verstehe ich das nicht so recht, daß er in dem gesellschaftskritischen Film „Das Millionenspiel“ mitgespielt hat. Es passt gar nicht zu dieser Linie.

    Die „Deutschtümelei“ sehe ich nicht so. Er wollte den deutschsprachigen Texten, die jeder Zuschauer verstehen kann, zum Erfolg verhelfen. Das bezog sich aber tatsächlich nur auf die deutsche Sprache, nicht auf irgendwelche deutschen Werte oder so etwas. Es war auch nicht alles so altbacken und schnulzig, beispielsweise sang Ted Herold über den Rock’n’Roll und Peter Petrel durfte über seine angebliche Bescheidenheit herumblödeln. Mir ist auch nicht bekannt, daß Dieter Thomas Heck sich in irgendeiner Form negativ über andere Sprachen oder über Ausländer geäußert hätte.

    Interessant wäre aber doch zu wissen, wie Dieter Thomas Heck über die Affaire um Bernd Clüver und seinen Titel „Mike und sein Freund“ gedacht hat. In diesem Musiktitel ging es um einen Mann, der einen anderen Mann liebt, und der sich gegen die Ablehnung in der Gesellschaft behaupten muß. Obwohl der Titel Erfolg in den Charts hatte, durfte Bernd Clüver ihn nicht in der ZDF-Hitparade (allerdings auch nicht in „disco“) vortragen. Verglichen mit den (allerdings heterosexuellen) sexuellen Anspielungen, die Dieter Thomas Heck manchmal machte, war der Liedtext total bieder und harmlos.

  20. Vielleicht kann mir bei Gelegenheit mal jemand den Unterschied zwischen Rose Luxemburg und Tulpe Liechtenstein erklären.
    Wahrscheinlich hat Heck die Rolle im Millionenespiel bekommen, weil er zu der Zeit einfach der beste Mann für den Charakter war. Heinz Schenk oder Lou van Burg hätte ich auch nur bei einer Absage Hecks in Betracht gezogen!

  21. @25 Frank Reichelt
    Wenn Sie für eine Rolle jemanden finden, der die Darstellung meistert, weil er nicht schauspielern muss, sondern sich einfach nur so geben muss, wie er ist, wird er immer der beste Mann für den Charakter sein.
    Das sagt dann aber auch was über den Charakter des Darstellers aus.

  22. @ 25
    Wenn man für eine bestimmte Rolle jemanden finden kann, der die Darstellung meistert, weil er nicht schauspielern muss, sondern sich einfach nur so gibt, wie er ist, wird er immer die beste Besetzung sein.
    Ob die künstlerische Leistung des Betreffenden dann auch durch ein gutes Gesamtwerk damit aufgewertet wird, ist fraglich.
    Ansonsten überwiegen bei Rose Luxemburg und Tulpe Liechtenstein die Gemeinsamkeiten vor allem im direkten Vergleich zu Kaktus Kanada.

  23. Eine Freundin machte mich darauf aufmerksam, daß am vergangenen Samstag kurzfristig ein Interview von Joachim Fuchsberger mit Dieter Thomas Heck ins Programm genommen wurde.

    Tatsächlich kann ich mir auf der Homepage der ARD das komplette Fernsehprogramm der letzten Tage auflisten lassen. Für Samstag, den 25.08.2018, steht dort „23:55 Heut‘ abend – zu Gast Dieter Thomas Heck“.

    Zu der Sendung kann ich einen Reiter „Service“ anklicken und finde den Hinweis „Video on demand zum Abruf unter http://www.daserste.de/mediathek (abrufbar nur in Deutschland) Verweildauer 7 Tage“. Der vermeintliche Link zur Mediathek führt zu einer Fehlerseite, weil in die verlinkte Adresse auch die öffnende Klammer und das Wort „abrufbar“ aufgenommen wurde. Welches Content Management System verwendet die ARD, das derartig kaputte Links erzeugt?

    In der Mediathek der ARD endet das Programm des vergangenen Samstag allerdings mit der Sendung „Das Wort zum Sonntag“ um 23:50 Uhr. Eine Suche in der ARD-Mediathek nach „Dieter Thomas Heck“ führt mich lediglich zu Filmschnipseln der Todesmeldung, die maximal drei Minuten lang sind.

    Kann irgendjemand das Interview „Heut‘ abend – zu Gast Dieter Thomas Heck“ in der ARD-Mediathek finden? Unter welcher Adresse kann ich das ansehen?

    Ich hatte gestern abend schon nach der Sendung gesucht, und dann habe ich die bei der Sendung angegebene E-Mail-Adresse des Hessischen Rundfunks angeschrieben und nach der Webadresse der Sendung in der ARD-Mediathek gefragt. Ich habe aber noch keine Antwort bekommen. Und die Zeit läuft. Am Samstag laufen die 7 Tage ab, die die Sendung in der Mediathek aufbewahrt wird.

  24. Danke für diesen Hinweis. Ich habe mir das Interview nun vollständig angesehen. Dieter Thomas Heck wirkt da sehr reflektiert, von der in #23 behaupteten Deutschtümelei kann ich dort nichts finden.

    Interessant ist auch, wie selbstverständlich damals noch auf der Bühne geraucht wurde. Ich erinnere mich auch, daß ich damals in Volker Lechtenbrink habe rauchen sehen, während er in der ZDF-Hitparade aufgetreten ist.

    In diesem Interview spricht Dieter Thomas Heck den Titel „Besuchen Sie Europa, solange es noch steht“ von Geier Sturzflug an, aber auch den Titel „Tschernobyl, das letzte Signal“ von Wolf Maahn. Letzteres ist ja nicht gerade ein besonders lustig gehaltener Titel zum Mitklatschen.

    Interessant ist auch, daß kurz vor Schluß dann doch noch über das Fernsehspiel „Das Millionenspiel“ gesprochen wird. Dieter Thomas Heck berichtet, wie er in der Rolle des Thilo Uhlenhorst aufgegangen ist. Er sagt auch, wie toll er die Geschichte findet und wie sehr er den Autor Wolfgang Menge und den Regisseur Tim Toelle schätzt, er wird aber inhaltlich nicht weiter darauf eingegangen. Schade.

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