So manches scheinbare Live-Gespräch in Radio oder Fernsehen wird schon vor der Sendung aufgezeichnet – und oft erfährt das Publikum davon nichts. Der Journalist Florian Bauer erklärt, welche Formate wirklich in Echtzeit ausgestrahlt werden und welche Herausforderungen das mit sich bringt.
Direkt nach diesem Interview stand DFB-Kapitän Joshua Kimmich schon auf dem Spielfeld – das Gespräch wurde vorher aufgezeichnetScreenshot: Sportschau/ARD
Wenn Caren Miosga sonntagabends Politiker befragt, passiert das in Echtzeit. Auch ein Interview mit einem Nationalspieler wirkte live, wurde aber schon vorher aufgezeichnet. Ist das ein Problem? Nicht, solange journalistische Standards eingehalten werden, findet Florian Bauer. Mit dem Journalisten, Fernsehmoderator und Medientrainer haben wir darüber gesprochen, welchen Reiz und welche Risiken Liveformate haben und warum man sich Live-Situationen freiwillig antut.
Übermedien: Herr Bauer, wenn Sie sich entscheiden müssten: Von nun an nur noch live oder nur noch aufgezeichnet – was würden Sie wählen?
Florian Bauer: Auf jeden Fall live.
Was macht für Sie den Reiz aus?
Live im Fernsehen und Radio ist extrem ehrlich: Alles, was wir da machen, machen wir tatsächlich in dieser Sekunde. Ich rate immer, nicht auswendig zu lernen. Live heißt, spontan zu sein, bei guter Vorbereitung. Auf Dinge zu reagieren, die so vielleicht nicht geplant waren; die vielleicht vorhersehbar waren, sich aber in dieser Sekunde trotzdem anders ergeben oder anfühlen. Deswegen muss man schlagfertig sein, schnell nachdenken und umsetzen. Und dabei immer das Publikum und vor allem den Inhalt und die Richtigkeit von allen Informationen im Blick haben.
Zur Person
Florian Bauer ist selbstständiger Journalist. Als Investigativ-Reporter für die ARD hat er aus über 50 Ländern berichtet, zuletzt als Vertretung im ARD-Studio Israel. Seit 2017 ist er auch Moderator bei Phoenix, dem politischen Ereigniskanal von ARD und ZDF. Zu seinem Job gehören u.a. gesellschaftspolitische Live-Interviews sowie teils stundenlange Live-Berichterstattung bei Großereignissen. Bauer hat hunderte Live-Schalten und -Reportagen für Fernsehen und Hörfunk gemacht. Außerdem coacht er auch andere Journalist*innen für Auftritte vor der Kamera und Interviews – unter anderem für die ARD-ZDF-Medienakademie. Florian Bauer ist Träger des Grimme-Preises und des Deutschen Fernsehpreises.
Ist wirklich alles live, wo live draufsteht?
Es gibt immer wieder Situationen beim Hörfunk und beim Fernsehen, in denen etwas nicht live in dieser Sekunde passiert, aber vom Publikum als live wahrgenommen werden kann. Zum Beispiel bei ganzen aufgezeichneten Sendungen. Bei Interviews, die am Abend aber nicht live geführt wurden. Oder jetzt vor Kurzem beim Länderspiel Deutschland gegen Luxemburg, da gab es ein Interview mit dem Kapitän der Nationalmannschaft, bei dem nicht eindeutig war, ob das jetzt gerade ist, oder ob es vor drei Minuten war oder vor einer Stunde. Man sieht dieses Interview und am Ende kommt der Schnitt aufs Live-Bild und da steht Joshua Kimmich auf dem Platz. Das wurde natürlich absichtlich so gedreht, aber als Publikum kann man sich hier auch schnell verlieren, weil man denkt: „Joshua Kimmich stand doch gerade erst in den Katakomben beim Interview. Wie kann der denn jetzt schon wieder auf dem Platz stehen?“
Live on tape nennt man das auch, oder? Das klingt erst einmal wie ein Widerspruch: live und gleichzeitig aufgenommen.
Live on tape heißt: Ein journalistisches Produkt, zum Beispiel ein Interview, wird ungeschnitten aufgezeichnet, als wäre es live, und dann genau so hinterher ausgestrahlt.
Und warum machen Redaktionen sowas?
Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel. Beim Hörfunk haben wir etwas, das nennen wir „Kolleg*innengespräch“, etwa zwischen einer Moderatorin im Studio während einer Live-Sendung und einer Reporterin vor Ort. Die Kollegin soll etwas einordnen, kann aber in dem Moment der Live-Sendung nicht oder sie hat vielleicht schlechtes Internet oder eine schlechte Telefonleitung. Da möchte man nicht riskieren, dass Aussetzer die Qualität des Gesprächs beeinträchtigen. Das hat also technische oder logistische Gründe und keinen Einfluss auf den Inhalt.
Wie wichtig ist es, das transparent zu machen?
Wenn wir ein Interview mit einem Politiker führen, dann ist es elementar, dass wir darauf hinweisen, dass dieses Interview aufgezeichnet wurde. Damit das Publikum diese Information hat und auch damit wir uns absichern können. Es könnte ja gut sein, dass in der Zwischenzeit doch noch etwas passiert ist und die Person ihre Antwort später anders gegeben hätte. Aber beim Kolleg*innengespräch halte ich es für redlich, nicht zu veröffentlichen, dass es aufgezeichnet war – wenn dadurch keinerlei journalistische Standards verletzt werden und wir das Publikum nicht in die Irre führen.
Gibt es bei Live-Sendungen eigentlich einen Zeitversatz? Kann man im Zweifel noch abbrechen oder etwas retten?
Live heißt: Das passiert jetzt, in diesem Moment. Aber es gibt einen Versatz. Wenn ich beispielsweise bei Phoenix als Moderator im Studio eine Frage stelle, vergeht die eine oder andere Sekunde, ehe das im Fernsehen ausgestrahlt wird. Das hat mit der Technik zu tun. Aber ich kann nichts wieder zurückholen. Wenn ich merke, dass etwas nicht passt, dann könnte ich zwar sagen: „Das machen wir nochmal neu.“ Aber dieser Satz würde dann auch so live ausgestrahlt werden.
Wieso ist das so?
Es gibt keine dummen Fragen, nur schlecht recherchierte Antworten! Schreiben Sie uns, was Sie über Journalismus und Medien schon immer wissen wollten – wir finden Leute, die Ihnen das Ganze erklären (und uns gleich mit). Alle Interviews aus dieser Serie finden Sie hier.
Ich hätte Sorge, im entscheidenden Moment nicht scharf genug nachzufragen. Erleben Sie sowas auch? Sind sie manchmal hinterher frustriert oder hätten doch gern mehr Zeit gehabt?
Das Live-Interview in Hörfunk und Fernsehen ist eine der schwierigsten journalistischen Formen, eine absolute Stresssituation. Es kommt vor, dass man mal etwas liegen lässt. In Interviewtrainings sage ich immer: Das ist die Normalität. Man kann nicht alles vorhersehen und das ist auch das Spannende am Live-Interview: in Echtzeit zu erleben, wie sich ein journalistisches Interview und ein Inhalt ergeben. Dabei spielt Zeit gar keine so große Rolle. Bei Phoenix haben wir, anders als bei anderen Formaten, zum Beispiel Interviews von sieben, manchmal neun Minuten Länge. Mehr Zeit zu haben, heißt nicht, dass Sie deshalb mehr laufen lassen können. Sie können vielleicht mehr in die Tiefe gehen. Der Druck bleibt also derselbe.
Heute kann ja jeder live streamen – technisch ist das so einfach wie nie. Ist live dadurch im professionellen Journalismus leichter geworden, oder sogar schwieriger?
Auch wir Journalist*innen nutzen intensiv Live-Formate auf Social Media. Gerade weil viele Nicht-Journalist*innen ebenfalls live gehen, ist es umso wichtiger, journalistische Standards sichtbar zu machen: zu erklären, was wir wissen – und was nicht. In Live-Situationen bedeutet das, vorsichtig zu formulieren und Unsicherheiten offen anzusprechen. Ein Beispiel aus der vorletzten Woche: Wenn etwa unklar ist, wie viele israelische Geiseln gerade freigelassen werden, sagen wir das genau so.
Aus Zuschauer*innenperspektive ist es manchmal unfreiwillig komisch, wenn Journalist*innen auf sämtlichen Kanälen erzählen, dass sie noch nicht sagen können, was gerade passiert. Welchen Mehrwert hat aus Ihrer Sicht Live-Berichterstattung in unklaren Lagen?
Ehrlich gesagt können wir alle froh sein, solange das Publikum, das heißt die Bevölkerung in Deutschland, Europa, in der Welt, überhaupt noch ein Informationsinteresse hat. Denn wenn die Menschen gar nicht mehr wissen wollen, was um sie herum oder in der Welt passiert, dann können Autoritäten leichter machen, was sie wollen. Ich finde, es ist unsere journalistische Verantwortung und Pflicht, dieses Informationsinteresse zu stillen – beziehungsweise proaktiv zu schaffen. Es gibt Ereignisse, wie beispielsweise die Freilassung der israelischen Geiseln nach über zwei Jahren, da will man keine Sekunde verpassen. Weil jede Sekunde eine Bedeutung haben könnte, vielleicht sogar eine historische. Und diese Momente will man sich nicht nur abends um 20 Uhr in der Tagesschau in der Zusammenfassung angucken, sondern eben gerne auch live, gerne bei uns bei Phoenix.
Bei diesem Beispiel leuchtet das ein. Wie ist es aber etwa bei einem Amoklauf? Inwiefern müssen Journalist*innen hier proaktiv ein Informationsinteresse schaffen?
Da gibt es aus meiner Sicht eine ganz dünne Linie zwischen Sensationsjournalismus und Informationspflicht. Ist der Täter noch aktiv? Müssen wir gegebenenfalls die Bevölkerung informieren? Oder möchte das Publikum nur seine Lust auf Sensation befriedigt wissen? Das ist nicht unsere Aufgabe.
Gibt es etwas, das Sie in einer Live-Sendung bei Phoenix nie tun würden – ein absolutes Tabu?
Zu den journalistischen Standards gehört, abzuwägen, welche Bilder wir zeigen. Wir würden beispielsweise keine Kampfhandlungen zeigen, keine Toten. Wir würden auch keine verbale Gewalt zeigen. Wenn sich Leute zu lange anschreien, würden wir wahrscheinlich runtergehen vom Live-Bild. Dann muss ich überbrücken. Das heißt, ich muss selbst über mehrere Minuten sprechen und inhaltlich Mehrwert bieten können. Für solche Fälle möchte ich immer vorbereitet sein. Von mir würden Sie eher nicht die Frage an die Regie hören, was als nächstes kommt. Weil ich davon ausgehe, dass die Redaktion eh schon am Rödeln ist und mit mir sprechen wird, sobald eine Lösung gefunden ist.
Können Sie ein Beispiel aus Ihrer Laufbahn nennen, bei dem live besonders gut oder schwierig war?
Ich hatte mal eine Live-Schalte für die Deutsche Welle aus Katar, wo der Geheimdienst Katars drei Meter entfernt stand und mitgehört hat. Die Live-Schalte ging etwa 15 Minuten. Während der gesamten Zeit war unklar, ob der Geheimdienst nicht vielleicht jeden Moment eingreift und mich da wegzieht. Oder einmal saß ich als Gast zusammen mit einem Vertreter der FIFA in der politischen Talkshow von Günther Jauch. Es ging um den Korruptionsskandal beim Weltfußballverband. Und ich habe live im Studio versucht, die FIFA zu überführen und falsche Aussagen richtigzustellen. Solche Situationen sind außergewöhnlich.
In den USA hat der Journalist George Stephanopoulos kürzlich dem Vize-Präsidenten J.D. Vance während eines Live-Interviews für die Sendung This Week das Wort abgeschnitten und das Gespräch vorzeitig beendet – weil dieser wiederholt nicht auf seine Frage geantwortet hat. Haben Sie so etwas auch schon gemacht?
Es ist wichtig zu verstehen, dass ein Interview unser Interview ist. Wir Journalist*innen führen das Interview und wir geben die Richtung vor. Ich hatte vor vielen Jahren als Reporter eine Situation mit einem Minister. Der hat immer wieder ausweichend geantwortet. Irgendwann habe ich gesagt: „Wir haben jetzt zwei Optionen. Entweder Sie antworten auf die Frage, die ich Ihnen gestellt habe, oder Sie antworten auf die Frage, die Sie gerne hören möchten – dann aber nicht in mein Mikro.“ Das war allerdings kein Live-Interview. Trotzdem geht einem in so einer Situation natürlich die Pumpe.
Live-Formate stehen immer wieder in der Kritik, zum Beispiel Polit-Talkshows. Falschaussagen oder irreführende Behauptungen laufen mitunter zur besten Sendezeit über die Bildschirme. Der Faktencheck im Anschluss erreicht dann nur noch die wenigsten. Was würde ein Format wie etwa „Caren Miosga“ verlieren, wenn es nicht mehr live wäre?
Im besten Fall haben wir Journalist*innen die Fakten parat. Ich nenne das Schachspielen. Das heißt, ich versuche mir vorzustellen, welche Antworten kommen könnten – und bereite mich entsprechend mit Zahlen und Fakten und möglichen Rückfragen vor. Die Frage ist aber auch: Was gewinnen wir dadurch, wenn eine Sendung wie „Caren Miosga“nicht mehr live ist? Die Politiker*innen haben ja trotzdem nur eineinhalb Stunden Zeit. Zu wenig, um ihre Aussagen sofort gegenzuchecken. Wenn, dann müsste man sagen: „Hallo, Politiker*in, du musst fünf Stunden Zeit mitbringen und wir strahlen davon eine Stunde aus. Aber nach jeder deiner Antworten machen wir Breaks.“ Sie werden wenig Leute finden, die so viel Zeit mitbringen können oder wollen. Das wäre allerdings ein Format, über das ich nachdenken würde.
Die Autorin
Foto: Hella Wittenberg
Laura Lucas ist freie Journalistin. Sie ist im Ruhrgebiet aufgewachsen und hat in Dortmund und Berlin studiert, unter anderem Journalistik, Politik und Kultur- und Medienmanagement. Sie ist Autorin bei Deutschlandfunk Kultur und regelmäßig im feministischen „Lila Podcast“ zu hören. Gemeinsam mit Lena Sindermann und Katrin Rönicke hat sie das Buch „Resist – Weich bleiben in harten Zeiten“ geschrieben.
Es wäre natürlich interessant gewesen, bei den einzelnen Sendern mal nachzufragen, wie sie es handhaben. Eigentlich ist die Sache klar: wenn man es für live halten könnte, es aber nicht live ist, muss das klargestellt werden. Ein einfaches „mein Kollege hat vor der Sendung…“ würde da schon viel helfen.
Ein besonders krasses Fehlverhalten ist ausgerechnet vom öffentlich-rechtlichen SWR überliefert, als dieser 2014 ein Interview kurzerhand schon mehrere Tage zuvor aufgezeichnet hatte und seine Redakteure hier über etwas reden (i.d.F.: lügen) ließ, was sie noch gar nicht wissen konnten, weil es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht stattgefunden hatte.
Der „Nicht-Live-Hinweis“ gerade auch bei Radio-Interviews ist wichtig, aber schön, dass es bei einigen Sendern auch zum guten Ton gehört, darauf hinzuweisen. Lustig wirds nur, wenn in der Abmoderation eines Beitrags dann gesagt wird, „und jetzt sind wir wieder live“ und dann kommt ein Musikstück aus dem Rechner. ;-)
Interessant fand ich vor vielen Jahren ein Interview bei einem Radiosender, bei dem ein bekannter Promi im Studio war. Da ich diesen damals auch sehr schätzte, dachte ich mir: „Schauste doch mal auf die Webcam im Studio.“ Aber irgendwie „hakte“ die seit Beginn der Sende-Stunde, wo das Gespräch stattfinden sollte, und zu Beginn der nächsten Stunde lief sie wieder. Da kann man dann auch mal drüber nachdenken.
Apropos Webcam im Studio. Es wird Gründe haben, warum diese Mode in der letzten Zeit arg zurückgefahren wurde. Man würde vermutlich viele, lange leere Studios sehen, verbunden mit der Erkenntnis, dass im Radio viel mehr nicht live ist, als man denkt. Voicetrack lässt grüßen.
Das live gesendete regionale Radio-Bremen-Fernsehmagazin „buten un binnen“ erwähnt bei jedem vorab aufgenommenen Interview: „Dieses Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.“ Oft finde ich das lästig, aber eigentlich ist es korrekt.
Viel schlimmer als nicht offenbarte Vorab-Aufzeichnungen finde ich es, wenn in aufgezeichneten Fernsehshows der falsche Eindruck erweckt wird, es handele sich um Livesendungen. Besonders peinlich war das bei der Ausstrahlung von Jauchs „Wer wird Millionär?“ am Rosenmontag 2025: Tagsüber war ein Amokfahrer in die Mannheimer Fußgängerzone gerast. Abends war dann zu sehen, wie Jauch gut gelaunt das Publikum im karnevalsmäßig geschmückten Studio zur angeblichen Rosenmontagssendung begrüßte. Dabei betonte er mehrfach, dass ja heute Rosenmontag sei. Natürlich wissen die meisten, dass die Sendung weit im Vorhinein aufgezeichnet wird. Aber warum dann diese Publikumsverarschung, auf die ja vielleicht doch der eine oder die andere hereinfällt?
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Es wäre natürlich interessant gewesen, bei den einzelnen Sendern mal nachzufragen, wie sie es handhaben. Eigentlich ist die Sache klar: wenn man es für live halten könnte, es aber nicht live ist, muss das klargestellt werden. Ein einfaches „mein Kollege hat vor der Sendung…“ würde da schon viel helfen.
Ein besonders krasses Fehlverhalten ist ausgerechnet vom öffentlich-rechtlichen SWR überliefert, als dieser 2014 ein Interview kurzerhand schon mehrere Tage zuvor aufgezeichnet hatte und seine Redakteure hier über etwas reden (i.d.F.: lügen) ließ, was sie noch gar nicht wissen konnten, weil es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht stattgefunden hatte.
https://www.radioforen.de/threads/swr-faelscht-redaktionellen-radiobeitrag-zwecks-eigenwerbung.38224/
Der „Nicht-Live-Hinweis“ gerade auch bei Radio-Interviews ist wichtig, aber schön, dass es bei einigen Sendern auch zum guten Ton gehört, darauf hinzuweisen. Lustig wirds nur, wenn in der Abmoderation eines Beitrags dann gesagt wird, „und jetzt sind wir wieder live“ und dann kommt ein Musikstück aus dem Rechner. ;-)
Interessant fand ich vor vielen Jahren ein Interview bei einem Radiosender, bei dem ein bekannter Promi im Studio war. Da ich diesen damals auch sehr schätzte, dachte ich mir: „Schauste doch mal auf die Webcam im Studio.“ Aber irgendwie „hakte“ die seit Beginn der Sende-Stunde, wo das Gespräch stattfinden sollte, und zu Beginn der nächsten Stunde lief sie wieder. Da kann man dann auch mal drüber nachdenken.
Apropos Webcam im Studio. Es wird Gründe haben, warum diese Mode in der letzten Zeit arg zurückgefahren wurde. Man würde vermutlich viele, lange leere Studios sehen, verbunden mit der Erkenntnis, dass im Radio viel mehr nicht live ist, als man denkt. Voicetrack lässt grüßen.
Das live gesendete regionale Radio-Bremen-Fernsehmagazin „buten un binnen“ erwähnt bei jedem vorab aufgenommenen Interview: „Dieses Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.“ Oft finde ich das lästig, aber eigentlich ist es korrekt.
Viel schlimmer als nicht offenbarte Vorab-Aufzeichnungen finde ich es, wenn in aufgezeichneten Fernsehshows der falsche Eindruck erweckt wird, es handele sich um Livesendungen. Besonders peinlich war das bei der Ausstrahlung von Jauchs „Wer wird Millionär?“ am Rosenmontag 2025: Tagsüber war ein Amokfahrer in die Mannheimer Fußgängerzone gerast. Abends war dann zu sehen, wie Jauch gut gelaunt das Publikum im karnevalsmäßig geschmückten Studio zur angeblichen Rosenmontagssendung begrüßte. Dabei betonte er mehrfach, dass ja heute Rosenmontag sei. Natürlich wissen die meisten, dass die Sendung weit im Vorhinein aufgezeichnet wird. Aber warum dann diese Publikumsverarschung, auf die ja vielleicht doch der eine oder die andere hereinfällt?