Holger ruft an (211)

Wann ist es sinnvoll, dass Medien die Herkunft eines Täters nennen?

Seit kurzem nennt auch die Bayerische Polizei in ihren Pressemitteilungen grundsätzlich die Nationalität von Tätern und Opfern. Kommunikationswissenschaftlerin Christine Horz-Ishak kritisiert das als „Zeitgeistphänomen“ und weitere Verschiebung des Diskurses nach rechts. Holger ruft an.
Kommunikationswissenschaftlerin Christine Horz-Ishak
Kommunikationswissenschaftlerin Christine Horz-IshakFoto: privat

Seit dem 1. Oktober nennt auch die Bayerische Polizei in ihren Pressemitteilungen „grundsätzlich aktiv“ die Nationalitäten von Tätern und Opfern. In anderen Bundesländern, wie etwa Nordrhein-Westfalen, gilt die Regelung schon länger. Ob Medien diese Informationen übernehmen, müssen sie eigentlich sorgfältig prüfen, um keine Vorurteile gegen Minderheiten zu schüren. Der Pressekodex hat dafür genaue Leitsätze formuliert. Dennoch kommt es immer öfter vor, dass auch Medien die Nationalität von Tätern nennen.

Laut dem Bayerischen Innenministerium soll dadurch eine „unbeeinflusste und sachliche Meinungsbildung in der Öffentlichkeit“ ermöglicht werden. Innenminister Joachim Herrmann begründete die Entscheidung in einer Anweisung an die Polizei damit, dass die Nationalität von Tatverdächtigen „zunehmend in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit“ rücke. „Bild“ hatte zuerst darüber berichtet.

Mit einer solchen Regelung sei „niemandem geholfen“ – außer jenen, „die den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts verschieben wollen“, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Christine Horz-Ishak, die in dieser Woche bei Holger Klein im Übermedien-Podcast zu Gast ist. Das öffentliche Interesse an der Herkunft von Tätern entstehe vor allem durch die Berichterstattung selbst, so Horz-Ishak.

Aber wie sollten Redaktionen mit dem Vorwurf umgehen, sie würden Informationen bewusst verheimlichen, wenn sie die Herkunft eines Täters nicht nennen? Was sagt der Pressekodex zu diesem Thema eigentlich genau? Und wann ist die Nennung der Herkunft tatsächlich sinnvoll? Darüber sprechen Holger Klein und Christine Horz-Ishak in der neuen Folge von „Holger ruft an…“:

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13 Kommentare

  1. „Wann ist es sinnvoll, dass Medien die Herkunft eines Täters nennen?“ Wer so eine sinnlose Frage stellt, zeigt bereits, dass er den Beruf des Journalisten mit dem eines Aktivisten oder Ideologen verwechselt hat. Bei schweren Straftaten will ich alles über die Umstände und das Umfeld der Täter und der Opfer wissen. Ich brauche keine Journalisten, die mir etwas verschweigen, weil sie mich für zu dumm halten, die Dinge richtig einzuordnen. Ich will keine Überschriften wie „Mensch von Mensch irgendwie, irgendwo, irgendwann getötet.“

  2. Man will bei einer Straftat wissen, ob die eigenen Vorurteile bestätigt werden. Und wenn nicht, dann ignoriert man die kognitive Dissonanz und wenn doch, dann hat man’s eh schon immer gewusst.
    Für mich ist es befreiend, es endlich mal so ehrlich zu hören, wie in #1.

  3. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Wird die Herkunft des Täters verschwiegen, wird ein Ausländer vermutet. Wird die Herkunft des Opfers verschwiegen, wird ein Deutscher vermutet. So denken alle Rechte. Und wie denken Linke und Grüne? Genauso. Nur sie wollen es nicht sagen, weil es den Falschen in die Hände spielen könnte.

  4. Vielleicht sollte man nur noch über Verbrechen berichten, die allgemeinen Vorurteilen widersprechen.
    Hund beißt Mann und so.

  5. @3:
    In 12.1 geht es um das „Risiko einer diskriminierenden Verallgemeinerung“.
    https://www.presserat.de/leitsaetze-zur-richtlinie-12-1.html
    Auch reicht „reine Neugier“ (#1) nicht zur Berichterstattung aus.
    Wozu soll denn die Nennung der Herkunft dienen, wenn nicht zur Bestätigung von Vorurteilen, sprich der „diskriminierenden Verallgemeinerung“?
    Und was soll das projizierte „den Falschen in die Hände spielen“ überhaupt bedeuten? Ja, ich möchte nicht, dass rassistische Politiker die Taten Einzelner benutzen, um daraus Stimmung gegen eine bestimmte Gruppe anzuheizen. Weil es einfach immer falsch und sinnlos ist.
    Ich stelle mir immer vor, ich bin ausgewandert nach Kanada, dort verübt ein deutschstämmiger, den ich nicht kenne, einen Mord und ich stehe nun als Deutscher unter Generalverdacht, weil ich aus dem gleichen Land komme, wie der Täter. Was hat eine Straftat mit der Herkunft desjenigen zu tun?
    „Herkunft“ heißt ja in der rechten Bubble auch nicht nur Nation, da wird man mit dem gleichen Hautteint, der gleichen Sprache oder Religion in einen Sack mit vielen vielen Nationen gesteckt. Auf Basis von: Nichts, außer angstvollen Vorurteilen vor „anderen“. Nafris, Araber, Schwattköppe, Ölaugen und Schlimmeres. Alles Wörter, die mehr über denjenigen sagen, der sie benutzt, als über denjenigen, der damit diskriminiert werden soll.
    An den eigenen Vorurteilen zu arbeiten, das wäre es. Sie zu überprüfen und in Frage zu stellen. Aber das erfordert die Beschäftigung mit dem eigenen Fehlverhalten, statt mit dem von anderen. Das Paradoxe: am eigenen Fehlverhalten könnte man tatsächlich etwas ändern.
    Tatsächliche Lösungsansätze sind immer der Feind von denjenigen, die von den Problemen profitieren. Angst ist die Währung der Scharfmacher. Messermänner, Kalifat, Umvolkung, Bereicherer. Vokabeln, die in Meinungsartikeln gelehrt und in Kommentarspalten abgefragt werden. Oft von denen vorgetragen, die anderen im gleichen Atemzug eine Herdenmentalität attestieren. Gegen Ironie ist man schon lange immun.
    Vieles gilt auch hier für linke Meinungsbubbles, die oft zum Selbstzweck und im Namen von Menschen oder Gruppen handeln, die nie von dieser Bubble vertreten werden wollten.
    Streit ist Demokratie. Der Rückzug in die eigenen Vorurteile ist das Gegenteil von Streit.

  6. Es fehlen noch die Nationalitäten der letzten 10 Generationen (mindestens), deren Glaubensbekenntnis, deren Haarfarbe (Rothaarige waren schon immer suspekt), ob die Veganer, Frutarier, Flexitarier, Carnivore u.ä. sind (vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Wurst/Schnitzel Diskussion).
    Dann noch welches Handybetriebssystem die bevorzugen und welche Spiele die spielen.
    Ach ja, wenn Deutscher, dann unbedingt das Bundesland bzw. die Region in der derjenige geboren wurde.
    Denn schließlich sind es ja, laut kriminologischer Forschung, genau diese Merkmale die nun so gar nichts damit zu tun haben ob jemand kriminell ist/wird.

  7. Das ist ein klassischer Fall, in dem gern mit dem sogenannten gesunden Menschenverstand argumentiert wird.
    Wie, so heißt es dann, könnte es verkehrt sein, mehr Informationen zu liefern? Information kann doch nur gewinnen.
    Doch möchten die so Argumentierenden tatsächlich mehr über den Täter erfahren, oder eher über die Gruppe, um damit den eigenen Confirmation Bias zu füttern?

    Ein großer Teil der Kriminalität wird, damals wie heute, überwiegend von ärmeren Menschen begangen. Das war schon im Berlin der Weimarer Republik so, das sicher nicht gesetzestreuer war als das heutige. Die wirksamste Kriminalitätsbekämpfung war immer Armutsbekämpfung, und das gilt überall.

    Fragen diejenigen, die wissen wollen, woher ein Täter kam, auch nach dessen sozialem Status? Wohl kaum, denn der Confirmation Bias interessiert sich dafür nicht.
    Frauen sind seltener delinquent, ältere Menschen ebenfalls. Fragt jemand, der die Herkunft wissen möchte, auch nach der demografischen Zusammensetzung einer Gruppe? Viele junge Männer prägen ein soziales Umfeld anders als viele Rentner, doch auch das bleibt unbeachtet.

    Ist eine Gruppe – etwa Ausländerinnen und Ausländer – erst einmal ausreichend gebrandmarkt, wird das Stigma leicht an die nächste Generation weitergegeben.
    Wer eingebürgert wird, braucht ein aktuelles Führungszeugnis und ein gesichertes Einkommen. Dadurch verlassen die Erfolgreichen die Gruppe der Ausländerinnen und Ausländer, was den durchschnittlichen sozialen Status senkt und die beschriebenen Mechanismen verstärkt.
    Trotzdem werden Eingebürgerte und ihre Kinder oft strukturell benachteiligt, sobald Name oder Aussehen ihre Herkunft verraten. So entstehen Erwartungen, die sich selbst bestätigen, ein Phänomen, das Pädagoginnen und Pädagogen gut kennen.

    Das ist nur ein Ausschnitt jener Dinge, die wir lieber nicht wissen wollen, wenn ein Täter genannt wird.
    Der Grund dafür liegt so klar auf der Hand, dass jede Ausrede nur noch beleidigend wirkt.

  8. Warum über Mord und Totschlag berichten? Das Opfer ist tot. Der Täter ist das Opfer der ungerechten Verhältnisse. Verteilt lieber die Millionen der Milliardäre an die armen Armen. Wenn die genug Geld haben, müssen sie niemanden töten. Wird der Täter stigmatisiert, ist auch niemandem geholfen.

  9. „Dann noch welches Handybetriebssystem die bevorzugen und welche Spiele die spielen.“ Also, Killerspielspielerdebatte geht doch grundsätzlich immer.

    Dass die Medien keine Vorurteile gegen Ausländer schüren sollen, ist das ja nett, aber die finden schon andere Sündenböcke.

  10. „Ach ja, wenn Deutscher, dann unbedingt das Bundesland bzw. die Region in der derjenige geboren wurde.“

    Achja, ganz vergessen – wenn es ein Ostdeutscher ist, wird das schon irgendwo erwähnt werden.
    Speziell bei ausländerfeindlicher Motivlage.

  11. @Florian Blechschmied:
    Warum seine wahren Motive vertuschen, wenn Ihnen doch gar nicht daran gelegen ist, die Kriminalität zu bekämpfen?
    Solange Ihr confirmation bias getriggert wird, haben Sie ja alles, was Sie suchen.

  12. Er hier ist auch gut:
    https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/merz-aussage-stadtbild-interview-kriminologe-100.html

    Wir bekämpfen nur noch gefühlte Kriminalität.
    Um die harte Statistik zu verschleiern (Fluchtmigration führt nicht zu einer erhöhten Kriminalität), führt man neue, politisch korrekte Formulierungen wie „Kriminalitätsbelastung“ ein.
    Da ist auch die Polizei dann direkt schon als Opfer mitgedacht und man hat so zwei kommunikative Fliegen mit einer Klatsche erwischt.

    Und der Kriminologe sagt dann:
    „Nun, indem man tatsächlich das differenziert auch anspricht und auch klar macht, was man nun genau meint und nicht sehr pauschalisierend und vielleicht sogar sich nebulös ausdrückt. Sondern die Dinge klar benennt, so wie sie sind und wie es die Datenlage hergibt.“
    Ironie ist tot.

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