„InTouch“ hat zu Daniel-Küblböck-Lüge nichts zu sagen
Normalerweise läuft das beim Presserat so: Man beschwert sich über einen Artikel und erklärt, warum man meint, dass er gegen den Pressekodex verstößt. Der Presserat prüft, ob die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist. Ist sie es nicht, bekommt die Gegenseite die Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Chefredakteur oder auch der Justiziar erklären dann, warum sie ihre Berichterstattung für presseethisch korrekt halten (oder räumen, seltener, eigene Fehler ein). Schließlich stimmen die Mitglieder des Beschwerdeausschusses darüber ab, ob ein Verstoß gegen den Pressekodex vorliegt, und wie schwerwiegend er ist.
In diesem Fall geht es um einen Online-Artikel der Frauenzeitschrift „inTouch“, die von der Bauer Media Group herausgegeben wird. Ich wurde auf ihn aufmerksam, weil deren Seite von Google für eine Nachrichtenquelle gehalten wird und die Startseite in der Google-App bei mir an einem Tag im März so aussah:
Ich beschwerte mich über den zugehörigen Artikel beim Presserat und schrieb dazu:
Ich sehe in dem Artikel, vor allem in der Überschrift, einen Verstoß gegen die Ziffern 1 und 2 des Pressekodex. Tatsächlich gibt es keinerlei Neuigkeiten zum Tod von Daniel Küblböck. Trotzdem versucht „InTouch“, mit der falschen und auch durch nichts im Artikel gedeckten Schlagzeile „Daniel Küblböck lebt“ Klicks zu generieren. [Der Screenshot] zeigt, wie dieser Artikel mit dieser Überschrift z.B. auf der Startseite der Google-App angezeigt wird und wie groß die reißerische Wirkung der Lüge in der Überschrift des Artikels ist und wie groß der Anreiz, auf diese überraschende Überschrift zu klicken. Die frei erfundene Titelzeile verstößt an sich schon gegen elementarste journalistische Grundsätze. Dass man hier mit der falschen Hoffnung spielt, dass ein verstorbener Mensch noch leben könnte, macht es noch abstoßender. Dahinter steckt ein ganzes System, wie mit irreführenden Meldungen und Schlagzeilen über Küblböck Auflage und Klicks gemacht wird, vgl. https://uebermedien.de/39202/das-schamlose-geschaeft-mit-daniel-kueblboeck/.
Der Presserat fand diese Beschwerde nicht offensichtlich unbegründet und forderte „InTouch“ zu einer Stellungnahme auf. Die wird von ihm so wiedergegeben (vollständiges Zitat):
Der Syndikusrechtsanwalt der BAUER MEDIA GROUP teilt mit, der kritisierte Artikel sei von der Homepage entfernt worden. Die Angelegenheit werde damit als erledigt betrachtet.
Ah. Ah so. Ja gut. Na dann.
„Ethisch besonders problematisch“
Man könnte dahinter ein größeres Missverständnis beim Bauer-Verlag vermuten, wozu der Presserat da ist und wie er funktioniert.
Fragen & Antworten
Frage von Übermedien, 2. Oktober 2019: „Akzeptiert Bauer den Pressekodex als Richtlinie für die journalistische Arbeit und den Presserat als Organ der Freiwilligen Selbstkontrolle der Printmedien?“
Antwort von Bauer, 18. November 2019: „[…] Sie brauchen mit Ihrem Artikel nicht auf Antworten von uns warten.“
Vor eineinhalb Jahren hatte sich ähnliches schon einmal angedeutet, als ich mich wegen einer größeren Schleichwerbesache in der „Auto-Zeitung“ beschwert hatte, die ebenfalls bei Bauer erscheint. In seiner Stellungnahme gegenüber dem Presserat damals gab sich der Verlag überaus erstaunt, dass ich mich dort überhaupt beschwert hätte – obwohl die Redaktion doch meine Fragen vorher schon ausnahmslos beantwortet habe.
Aber vielleicht sind das in Wahrheit doch keine Missverständnisse, sondern nur Ausdruck eines überaus freihändigen Umgangs mit dem Selbstkontroll-Gremium. Der Bauer-Verlag beteiligt sich zwar laut Auskunft des Presserats an den Beschwerdeverfahren des Germiums, weigert sich seit Jahren, die Selbstverpflichtungserklärung zu unterzeichnen, mit der er unter anderem versprechen würde, Rügen für Verstöße gegen den Pressekodex abzudrucken.
Rügen wie die, die der Presserat in Fall der Daniel-Küblböck-Überschrift ausgesprochen hat. Der Beschwerdeausschuss befand:
Die Berichterstattung (…) verletzt die Wahrhaftigkeit und das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 sowie die journalistische Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Die Überschrift ist nicht durch den Inhalt des folgenden Berichts gedeckt. [… Sie] spielt zudem bewusst mit der Erwartungshaltung der Leserschaft und führt sie in die Irre. Das ist ethisch besonders problematisch, da es sich um das Leben eines Menschen handelt und stellt eine Form von „Clickbaiting“ dar, die geeignet ist, das Ansehen der Presse zu beschädigen.
Der Presserat teilte mir außerdem mit, er habe die Redaktion „gebeten, ihre Nutzer bei Aufruf des Beitrags über die Rüge zu informieren“, das entspreche dem „Grundsatz fairer Berichterstattung“, aber damit hat der Bauer-Verlag ja nichts zu tun.
Es muss doch endlich Möglichkeiten geben ,in einer Zeit die immer mehr von postfaktischen Strömungen durchzogen ist, eine wirkungsvolle Kontrollinstanz zu schaffen für Presse und vor allem Boulevard Medien, die nicht an Pressezensur grenzt.
Journalistinnen müssten doch selbst großes Interesse an mehr Rechtssicherheit in ihrem Beruf haben, gerade ihren Kolleginnen und Kollegen gegenüber. Das schafft nicht nur Vertrauen in die Presse, sondern auch eine faires Spielfeld.
Manchmal denkt man sich: „Wie dummdreist kann man eigentlich noch werden?“ Und dann die Clickbait-Industrie so: „JA!“
„Journalistinnen müssten doch selbst großes Interesse an mehr Rechtssicherheit in ihrem Beruf haben“ Das sind halt click-bait Generatoren und keine Journalisten.
Bauer, Bauer,… Da habe ich doch letztens was gelesen.
[ kram, kram ]
Ja, da ist es, im FreizeitMagazin Royal: „Schädel-Schock – Yvonne Bauer – Wie lange liegt sie noch im Koma?“
[ schlag auf ]
Ja, die ehemals erfolgreiche BAUER-Chefin leidet unter totalem Kontrollverlust und ist ein menschliches Wrack. Schlimm, schlimm. Also bitte Übermedien, habt doch Verständnis für die arme Frau.
Gibt es denn keine Möglichkeit, einen Verlag zwangsweise der Landesmedienaufsicht zu unterstellen, wenn er der freiwilligen Selbstverpflichtung zur Kontrolle durch den Presserat offensichtlich nicht nachkommt?