Er hat sich stets bemüht, auch AfD-kritisch zu sein
Auf „sehr zweifelhafte Weise“ habe er sich mit Politikern der AfD eingelassen, schrieb Stefan Aust damals. Und dass so etwas, fügte er an, „weder geduldet, noch vertuscht oder beschönigt“ werde bei der „Welt“. Es bleibe deshalb nichts anderes übrig, „als den Fall lückenlos aufzuklären und die Vorgänge so offenzulegen, wie es arbeitsrechtlich irgend möglich ist.“ Das sei man den Leserinnen und Lesern und den journalistischen Kollegen schuldig.
Das war Mitte Februar. Aust, „WeltN24“-Chefredakteur, hatte zuvor den Redakteur Günther Lachmann entlassen, nachdem Mails aufgetaucht waren, in denen sich dieser sehr eng mit der AfD gezeigt und angeblich angeboten hatte, für sie als Berater zu arbeiten. Die Sache ist arbeitsrechtlich inzwischen geklärt: Lachmann hatte mit seiner Klage gegen die Kündigung keinen Erfolg; sie endete mit einem Vergleich.
Aber Aust hatte damals ja noch geschrieben, dass zur lückenlosen Aufklärung auch gehöre, „Herrn Lachmanns Berichterstattung über die AfD nachträglich kritisch zu hinterfragen“, sie also auszuwerten. Das war immerhin auch eine der vielen Fragen: Wie hatte der Mann, der so gute Kontakte in die AfD pflegte, in der „Welt“ über sie berichtet? Wohlwollend? Einseitig? Oder kritisch?
Der Publizist und Soziologe Andreas Kemper hatte in einem Gastbeitrag auf Übermedien analysiert, die „Welt“ habe mit die wohlwollendsten Artikel über die AfD veröffentlicht, und Lachmann habe die Partei protegiert, auch wenn er zuweilen kritisch über sie schrieb. Die „Welt“ selbst kommt jetzt nun zu einem etwas positiveren Schluss, für sie und ihren ehmaligen Redakteur.
Obwohl die Untersuchung abgeschlossen ist, werden die Leser der „Welt“ davon nichts weiter erfahren. Der Verlag hat sich dagegen entschieden, das Ergebnis in der Zeitung oder Online zu veröffentlichen. Dabei ist das Fazit, das „WeltN24“ Übermedien zur Verfügung gestellt hat, durchaus interessant und trägt dazu bei, das Bild vom rätselhaften so genannten Fall Lachmann zu komplettieren, wenngleich es sich um eine interne Aufarbeitung handelt.
„Um die 100 Artikel“ hat „WeltN24“ untersucht, alles Beiträge, die Lachmann seit Oktober 2012 über die AfD und deren Vorgänger-Organisation getippt hat. Zum Vergleich habe man die AfD-Berichterstattung anderer „Welt“-Kollegen und weiterer überregionaler Medien herangezogen. Bei der Auswertung ging es dann unter anderem darum, inwieweit die Partei oder „bestimmte führende Figuren“ eher positiv, negativ oder neutral dargestellt wurden.
Die Analyse habe ergeben, schreibt „WeltN24“, dass Lachmann „keineswegs unkritisch über die AfD berichtet hat“. Offenbar erschien die AfD vor allem dann in einem schlechten Licht, wenn Lachmann über das „AfD-Innenleben“ berichtete, was häufiger vorkam, er hatte ja Kontakte. Vor allem Beiträge „über Streitereien zwischen führenden Köpfen“ der AfD seien „alles andere als eine Wahlempfehlung“. Insgesamt befinde sich seine Darstellung „im Spektrum dessen, was auch andere Medien über die Partei veröffentlicht haben“.
Im Überblick kommt „WeltN24“ aber auch zu dem Ergebnis, „dass Lachmann das Aufkommen der AfD grundsätzlich begrüßt“. Im Laufe der Zeit lasse sich eine „wechselnde Unterstützung für verschiedene AfD-Führungspositionen ausmachen“, was auch deshalb spannend ist, weil es Marcus Pretzell war, der NRW-Vorsitzende der AfD, der Lachmann ans Messer lieferte.
Einer seiner Vorwürfe: Lachmann habe oft abschätzig über Frauke Petry geschrieben. Petry ist das Gesicht, die Chefin der Partei – und die Lebensgefährtin von Pretzell. Sie hat Lachmann offenbar nicht unterstützt.
Abschließend stellt sich die Frage, ob „WeltN24“ nun etwas ändert. Vor dem Arbeitsgericht war kürzlich auch bekannt geworden, dass Lachmann in viele Artikel, auch in die von Kollegen, nachträglich Links zu einer Website eingebaut hat, die offiziell von Lachmanns Frau betrieben wird. Im Fazit ist davon keine Rede. „Welt24“ schreibt lediglich:
Auch mit Blick auf die Veröffentlichungen von Günther Lachmann haben sich die redaktionellen Abläufe und Kontrollmechanismen – also Redigatur, Prüfung durch Ressortleitungen, finale Abnahme etc. – für die Qualität der Gesamtberichterstattung der WELT zur AfD bewährt.
Damit dürfte der Fall Lachmann nun endgültig abgeschlossen sein.
Der Umgang mit der Affäre, vor allem die Recherchen im Nachgang, zeugen von keiner guten und transparenten Fehlerkultur und entspricht ja dann m.E. auch nicht den großspurigen Ankündigungen …
Schade … so gewinnt man kein Vertrauen (zurück), bleibt auch diese Zeitung auf meiner schwarzen Liste … irgendwann schwenk ich noch auf Micky Maus (mangels ernsthafter Nachrichtenalternativen) :)
Ich finde die Entlassung richtig. Wo kämen wir denn da hin, wenn Journalisten sich mit Parteien einlassen würden. Könnte ja Jeder kommen.
Günther Lachmann hat sich in seinen Beiträgen auf WELTonline auf die widerlichste Weise jahrelang über die AfD ausgelassen, um sich ihr dann anzubiedern.
Seine Entlassung war richtig.
Hm …
Also, der „Verlag hat sich dagegen entschieden, das Ergebnis in der Zeitung oder Online zu veröffentlichen“, einerseits, aber andererseits stellt er „das Fazit, […] Übermedien zur Verfügung“?
Ihr habt das also nicht zufällig in einem Redaktionspapierkorb gefunden o.ä., sondern (semi-)offiziell bekommen? Komische Informationspolitik – da wäre dann der Übermedien-Leser besser informiert über die Umtriebe der Welt als der Welt-Leser. Verstehe einer die Herren Aust und Döpfner.
@4 Hendrik: Nein, wir waren nicht am Papierkorb. Es hat auch niemand nachts einen Koffer am Hafen stehen lassen. Die „Welt“ möchte es einfach nicht veröffentlichen. Und, ja, schwer zu verstehen.
„Lachmann hatte mit seiner Klage gegen die Kündigung keinen Erfolg; sie endete mit einem Vergleich.“
Die Mehrzahl der Kündigungsschutzklagen hat nicht die Weiterbeschäftigung sondern eine als angemessen empfundene Abfindung zum Ziel und auf die einigt man sich dann oft im Rahmen eines Vergleichs. Dass die Klage bei so einem Ergebnis „keinen Erfolg“ hatte, ist Quatsch.
@6 Jochen
Du schreibst selber : „Mehrzahl“, schon von daher wäre ich mit „Quatsch“ vorsichtig. Fakt ist, die Kündigungsschutzklage richtet sich – wie der Name schon sagt – de jure gegen die Kündigung selber und nicht a priori auf den goldenen Handschlag. Und es soll ja schon durchaus Verfahren gegeben haben – das wäre dann deine „Minder“zahl – die genau damit, einer Aufhebung der Kündigung geendet haben. Von daher ist die Aussage völlig korrekt: Die Kündigungsschutzklage hatte keine Erfolg, weil sie die Kündigung nicht aufhob.
Ich denke mit der Annahme, dass es hier nicht wirklich um eine Abwendung der Kündigung ging, ist man auf der sicheren Seite. Vielleicht weiß Boris ja mehr als wir. Wenn nicht, finde ich, dass die Formulierung Lachmann unnötig schlecht dastehen lässt.
Ein Hinweis, weil hier nochmals der Text von Andreas Kemper genannt wird: Das Stück geht vielleicht als Thesenpapier durch, liefert aber erstaunlich wenig Fakten und lässt es eher unwahrscheinlich scheinen, dass der Autor Ahnung von Redaktionsabläufen im Allgemeinen und vom Betrieb der „Welt“ im Speziellen hätte. Dafür wird ein Bild von Medien und ihrer Wirkung gezeichnet, das mit „oldschool“ zuvorkommend beschrieben wäre. Ich finde das deshalb so ärgerlich (sorry for being a bit off topic), weil die Buchstabensuppe hier bei Übermedien steht und nun erneut geadelt wird. Ein enorm konstruiertes Stück, das es trotz seines Umfangs nicht schafft, die These (= der Titel) zu belegen.