Geht doch! (2)

Ein sehr kluges Quiz (mit einzigartigen Regeln)

Das deutsche Fernsehen ist voller Quiz-Sendungen, die alle weitgehend gleich ablaufen. Dabei geht es ja auch anders: lustiger, kreativer, chaotischer – wie ProSieben beweist.
Teddy Teclebrhan bei "Wer stiehlt mir die Show?"
Keiner stiehlt ihm die Show: Teddy Teclebrhan Foto: Joyn/Florida TV/Julian Mathieu

Man kann kaum durchs Fernsehprogramm zappen, ohne vier Antwortmöglichkeiten gezeigt zu bekommen. Das Erste zeigt täglich „Wer weiß denn so was?“. Die Dritten Programme senden alte Folgen von „Gefragt – Gejagt“ oder dem „Quizduell-Olymp“ oder beidem. Außerdem laufen diese Woche „Wer wird Millionär?“ (RTL), „Das 1% Quiz – Wie clever ist Deutschland?“ (Sat.1), „Der Quiz-Champion“ (ZDF) und „Die NDR-Quizshow“.

Vollformatiert und durchgecastet

Die Sendungen sind im Grunde alle gleich. Bei „Wer wird Millionär?“ ähneln sich sogar die Geschichten, die die Kandidat:innen zwischen den Fragen erzählen. Eine „schlüpfrige“ oder „pikante“ Anekdote, über die nach der Sendung möglichst medial berichtet wird, scheint inzwischen Voraussetzung für die Teilnahme zu sein: Beliebt sind Erlebnisse im Sexshop, versehentliche Nackt-Auftritte in einer Videokonferenz, und zuletzt referierte eine Kandidatin, huch, über die Orgasmen von Schweinen.

Echte Überraschungen verhindert das Casting zuverlässig, und die starren Fragenbäume lassen keine Experimente zu – eigentlich. Denn im März sorgten gleich zwei Quiz-Sendungen auf ProSieben für Irritation im besten Sinn.

„Ein sehr gutes Quiz“ an einem geheimen Ort

Am Samstag lief die erste Folge von „Ein sehr gutes Quiz (mit hoher Gewinnsumme)“, eines der klügsten Quizformate im deutschen Fernsehen. Die Idee stammt aus dem „24h Programmtag“, den die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf 2024 bei „Joko & Klaas gegen ProSieben“ gewonnen hatten. Dort zeigten sie unter anderem diese Formatidee, die so gut ankam, dass sie nun vier Wochen lang samstags bei ProSieben in der Primetime läuft.

Die Regeln sind komplexer als im klassischen Quizfernsehen: Drei Kandidat:innen bekommen Fragen gestellt. Bei einer richtigen Antwort bleiben alle drei im Panel, bei einer falschen muss die Person die Runde verlassen, die auf den Buzzer gedrückt hat. Wenn niemand buzzert, fliegen alle drei raus. Man spielt also nicht (nur) für sich. Zwar gab es bisher schon Shows, in denen Teams antreten, aber diese soziale Ebene – am Ende gewinnt schließlich nur eine:r – ist einzigartig.

Joko und Klaas stehen an der Tankstelle des Autohofs „Bad Rappenau Nord“.
Joko und Klaas, die zwei von der Quizstelle Foto: Joyn

Die Show wird live gesendet, von wo, weiß vorher nur, wer in den Tagen davor zufällig die Aufbauarbeiten mitbekommt, in diesem Fall auf dem Autohof „Bad Rappenau Nord“ bei Heilbronn. Mitmachen darf, wer gerade vorbeikommt. Die Kandidat:innen der ersten Folge waren deshalb herrlich ungecastet und stellten sich ganz ohne schlüpfrige oder sonstige medienwirksamen Anekdoten vor. Was zeigt, dass man die Menschen hinter dem Buzzer ohnehin viel besser ohne Stichwortzettel kennenlernt.

Wen interessieren schon die Fragen?

In Ratesendungen geht es grundsätzlich weniger ums Faktenabfragen als um die Unterhaltung drumherum. Ob jemand weiß, wie die (drei!) Andreasse in der Band Die Toten Hosen mit Nachnamen heißen oder welches Team zuletzt den Super Bowl gewonnen hat, ist am Ende ein bisschen egal.

Spannend ist, was drumherum passiert. In diesem Fall: wie die Kandidat:innen verhandeln, wer für die Gruppe ins Risiko geht oder auf seinem Platz beharrt. Und ob einer schwach wird, wenn Winterscheidt in einer Spezialrunde sogar sein (Leasing-)Auto setzt, um das Panel zu spalten: Wenn eine:r zugreift, müssen alle ihre Plätze räumen und verlieren die Chance auf 100.000 Euro Gewinn.

Zum Drumherum gehört auch der Einspieler, in dem Florian Silbereisen als „Traumschiff“-Kapitän über den „wunderschönen Autohof“ schwärmt, der „malerisch“ an der A6, Ausfahrt 35, liegt und „seit 2012 kein Unesco-Welterbe ist“, seine „atemberaubende Auffahrt“ und die „landestypischen Speisen im Restaurant“, unter anderem: Dönerteller. Diese Selbstironie versöhnt mit der Bräsigkeit des deutschen Fernsehens.

Die Show ist ein Experiment, und daran mangelt es gerade in der Primetime, wo man meistens die Wahl hat zwischen Krimi, Casting-Show oder irgendwas mit Stefan Raab. In herkömmlichen Quiz-Shows geht höchstens mal jemand ohne Gewinn nach Hause, hier sind echte Plot-Twists möglich: In der ersten Folge stieß eine Kandidatin erst bei der letzten Frage dazu und holte sich dann den Gewinn.

Florian Schroeder und Tara-Luise Wittwer beim "Heimatquiz" des Browser Ballets
Etwas andere Frage-Kategorien gibt es beim satirischen „Heimatquiz“ von ZDFneo Screenshot: YouTube/ZDF

Es gab in der Vergangenheit schon Versuche, Quizformate neu zu interpretieren. Zum Beispiel satirisch: Im „Browser Ballett Heimatquiz“ (ZDFneo) stellten Anna Dushime und Schlecky Silberstein bitterböse Fragen aus zeitgeistigen Kategorien wie „Boomer“, „Cancel-Culture“ und „Gendergaga“.

Die kreativsten Quiz-Kategorien hat seit ein paar Jahren „Wer stiehlt mir die Show?“, ebenfalls auf ProSieben, gehostet von Joko Winterscheidt. Dort müssen die Kandidat:innen teilweise das Publikum einbinden und Antworten singen, Lückentexte vom Teleprompter füllen oder Rätsel lösen, die eine Band musikalisch performt.

Die Kandidat:innen spielen nicht um Geld, sondern darum, wer die nächste Sendung moderiert. Dadurch wird eine durchformatierte Sendung, wie Quiz-Shows es nun mal sind, plötzlich individuell, zugeschnitten auf den oder die Gastgeber:in. Anke Engelke zum Beispiel präsentierte, nachdem sie die Sendung gewonnen hatte, eine Hommage an den Eurovision Song Contest, und Sarah Connor verwandelte das Studio in eine Unterwasserwelt, um auf den Schutz der Meere aufmerksam zu machen.

Mitte März übernahm der Comedian, Schauspieler und Musiker Teddy Teclebrhan die Sendung. „So eine Quizshow besteht eigentlich nur aus zwei Zutaten: ganz vielen Regeln und ganz vielen Fragen“, kommentierte Teclebrhan das formale Korsett an einer Stelle. Die gut zwei Stunden Show mit ihm waren dann aber so etwas wie „sturmfrei“ im Fernsehen.

Scheitern am Teleprompter

Am Anfang seiner Show kündigte er Dinge an, „die geplant sind“, und Dinge, „die nicht geplant sind“. Er sang, tanzte und ließ Pyrotechnik abfeuern. Er scheiterte immer wieder am Teleprompter, erklärte mal ein Spiel falsch (und ließ dann die Kandidatin Heike Makatsch die Regeln erläutern) oder vergaß, Punkte zu vergeben. Auf die Regiekommentare antwortete er salopp „Du hältst die Fresse“, bevor er, im Nebel am Boden liegend, Whitney Houstons „I Will Always Love You“ schmetterte.

Joko Winterscheidt und Teddy Teclebrhan bei "Wer stiehlt mir die Show?"
Teddy Teclebrhan als eher chaotischer Showmaster Foto: Joyn/Florida TV/Julian Mathieu

Teclebrhan verfügt über eine ganze Reihe von Alter Egos, mit denen er in seinen Live-Shows Stereotype auf die Spitze treibt. Was nach Klamauk aussieht, konfrontiert das Publikum tatsächlich immer wieder mit eigenen Vorurteilen – die Show war also nicht nur extrem unterhaltsam, sondern auch intelligent gemacht.

Eine Frau, die er am Anfang als seine Tante aus Eritrea vorgestellt hat, die kein Deutsch spreche, war dann doch die Schauspielerin Martha Fessehatzion, mit der er vor ein paar Jahren einen Film gedreht hat. „Bis eben war sie meine Tante, und das hat mir gutgetan“, sagte Teclebrhan dazu nur.

Die Kritik ist überfordert

Nun ist das Fernsehpublikum grundsätzlich nicht für seine Lust an progressivem Programm bekannt. Die Kritik übrigens oft auch nicht. Wenn sonntagabends im „Tatort“ nicht innerhalb weniger Minuten eine Leiche gefunden wird und danach die Kommissar:innen Verdächtige abklappern, liest man montags vom „Plem-Plem“- oder „Gaga-Tatort“. Auch bei Teclebrhans Show war es so. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ zum Beispiel kritisierte „Teddys allgemeine Unkonzentriertheit“ und die „zunehmend enervierende Unfähigkeit, einfache Moderationstexte fehlerfrei vorzutragen“.

Wem es um Fragen und Antworten geht, der kann auch Quizduell am Handy spielen. Wenn es aber wild und weird sein darf, wenn Konzepte genug Platz für Ungeplantes lassen – dann ist es Unterhaltungsfernsehen im besten Sinn.

5 Kommentare

  1. Ich mag die Quizze bei WSMDS auch sehr, sowie Teddy als Gast natürlich sowieso. Was bei dieser Sendung aber wirklich nervt, ist dass halt irgendwie in den Verlauf eingegriffen wird, so dass die richtige Person gewinnt. Man weiss nur nicht wie genau. Ich sehe folgende Möglichkeiten:
    – Man passt die Fragen laufend an, im Wissen was Joko weiss, so dass er die Show zurück gewinnen kann
    – Joko antwortet absichtlich falsch oder weiss die Antwort nicht. Das passiert sehr offensichtlich im Finalspiel. Hier können auch die Fragen auf ihn zugeschnitten werden, so dass er die Show zurück gewinnt.
    Auch sonst kann man ab und zu beobachten wie Joko versucht zu schauspielern, indem er entweder so tut als ob er ratet oder schwer überlegen muss obwohl er die Antwort offensichtlich weiss.

  2. #2
    Ob berechtigt oder nicht:
    Dass solche Beobachtungen/Vermutungen/Unsterstellungen (je nach Perspektive halt) aufkommen, haben sich JuK natürlich selbst eingebrockt durch ihre nachgewiesenen Fakes in der Vergangenheit.

  3. Das würde mich interessieren, ob / wo es Belege gibt, dass bei WSMDS das Ergebnis beeinflusst wird.

    Ich war SEHR ungläubig, als Teddy von Joko die Show gewann. Das ändert allerdings nichts daran, dass Teddy die Show unfassbar gut moderiert hat – der Typ ist einfach so cool wie ganz viele gern wären (inklusive Joko). Als sein Alter Ego Percy übernommen hat, bin ich vor lachen fast vom Sofa gefallen, unfassbar, der Typ.

  4. Ich finde ja Teddy ganz schwer zu ertragen. Bevor er bei WSMDS auftrat hatte ich ihn gar nicht wahrgenommen. In der ersten Folge der aktuellen Staffel hat er gefühlt absichtlich dumm und falsch oder gar nicht auf alle Fragen geantwortet, das mich das unangenehm berührte. Ich mag nicht, wenn Menschen stolz ihr ungebildet-Sein und eine aufgesetzte Pseudo-Un-Intellektualität wie eine Monstranz vor sich her tragen. Erstaunt nahm ich wahr, dass am Ende es ihm dann doch unangenehm zu sein schien, wieder als erster ausscheiden zu müssen und er bat, selbstbestimmt jetzt gehen zu wollen.
    In der zweiten Folge war er wie ausgewechselt, gab sich mehr Mühe und überraschte mit Wissen, dass mich dann doch nicht überraschte. Joko ist m.M. einer der schlechtesten Schauspieler dieses Universums aber Teddy hat einfach clever seine Münzen gesetzt. Wenn die Herausforderer drei Münzen haben und die sinnvoll setzten können sie quasi nicht verlieren.
    Ich weiß nicht, ob das alles Fake ist und die Redaktion einen vorausbestimmten Kandidaten in die nächste Show trägt.
    Ich glaube, dass es tatsächlich sehr viel schwieriger ist, am Ende des Abends nach drei bis vier Stunden Aufzeichnung Pille-Palle-Fragen zu beantworten und dabei so zu tun, als ob man es ganz sicher weiß, wenn man gar keine Ahnung hat oder man es sicher weiß – und umgekehrt, als man sich das als Medienkonsument vorstellen mag.
    Dann war also die Teddy-Show und die war stellenweise genial. Ich liebe ihn, wenn er gut singt und unfassbar tanzt, wenn er einfach er selbst ist. Ich mag seine Alter-Egos nicht. Außer, wenn der echte Teddy durchscheint, z.B. nachdem der rappende Freund der Wildcard ziemlich gut gerappt hat und er das nicht für sich behalten kann, sondern aus seiner Rolle fällt.
    Insgesamt fühle ich mich sehr gut unterhalten.
    Man stelle sich vor, diese Show liefe live am Samstagabend im ZDF, ohne Werbeunterbrechungen, ab und zu schauten Harry Styles und Peter Fox, oder Taylor Swift und Sabrina Carpenter vorbei, und sie endete, wenn sie endet?!
    Dass das alles kein Fake ist, glaubte ich zu wissen, als die Wildcard Sven-Erik gewann. Oder wenn ich Wer weiß denn sowas? schaue und Hoëcker Fragen, die ich aus dem Stehgreif beantworten kann, falsch beantwortet – selbst nachdem drei absurde und eine einzigen sinnvolle Antwort erscheinen.

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