Günther Lachmann

Die „Welt“ vergleicht sich mit „einem der bestinformierten AfD-Journalisten“

Am Ende haben sie sich dann geeinigt – mit einem Vergleich. Günther Lachmann, früher Redakteur der Tageszeitung „Die Welt“ und im Februar fristlos gekündigt, wird nicht wieder für seinen Arbeitgeber tätig sein. Sein Vertrag endet rückwirkend zum 31. Mai 2016, bis dahin bekommt er noch Gehalt und Urlaubsgeld. Und damit ist dann Schluss.

Verhandlung: Günther Lachmann gegen WeltN24
Verhandlung: Günther Lachmann gegen WeltN24

Nach einer rund 45-minütigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Berlin war das naheliegend. Lachmann hatte gegen seine Kündigung geklagt. Doch die Justiziarin von WeltN24 machte schnell deutlich: „Wir können keinen weiteren Tag mit Herrn Lachmann zusammenarbeiten. Er sieht nicht ein, was er getan hat – und er ist auch nicht unabhängig.“ Die Richterin ließ ebenfalls durchscheinen, dass seine Klage wohl wenig Erfolg haben werde.

Die Auseinandersetzung zwischen dem Redakteur und seiner Zeitung hatte im Januar begonnen. Der AfD-Politiker Marcus Pretzell behauptete damals, Journalist Lachmann habe sich der AfD als Berater angeboten. Von der „Welt“ damit konfrontiert, widersprach Lachmann mit einer Eidesstattlichen Versicherung. Die „Welt“ sicherte ihm daraufhin juristischen Beistand zu. Doch dann tauchten belastende E-Mails auf, die Lachmann an Pretzells Sekretärin geschrieben hatte.

Lachmann räumte ein, dass die Mails von ihm stammen. Das war der Grund für „Welt“-Chefredakteur Stefan Aust, den Redakteur zu feuern. Doch noch heute scheint Lachmann, wie die Verhandlung zeigte, überzeugt davon zu sein, nichts getan zu haben, was man als Journalist besser nicht tun sollte.

In den Mails hatte er offenbar vorgeschlagen, die AfD zu einer „Partei der verantwortungsvollen Demokratie zu entwickeln“, er verfasste auch ein Konzept für ein Manifest, das er mitschickte, und anlässlich eines Artikels, in dem es um die Pfändung des AfD-Kontos in Nordrhein-Westfalen ging, soll Lachmann geschrieben haben: „Wollen wir da nicht dagegenhalten?“ Vor allem um dieses „Wir“ in seiner Anfrage drehte sich die Verhandlung.

WeltN24 warf dem Ex-Redakteur vor allem vor, eine falsche Eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben: „Über Hintergrund und Umfang seiner AfD-Kontakte ließ er uns im Unklaren“, so die WeltN24-Justiziarin. Sie betonte, es sei nicht legitim, als Journalist im der „Welt“ einen so engen Kontakt zu einer Partei wie der AfD zu suchen. Es widerspreche dem Standpunkt der Publikationen, die im Springer-Verlag erscheinen, zu dem WeltN24 gehört: „Die Zeitungen stehen nicht rechtsaußen und sie verbreiten auch kein antisemitisches Gedankengut.“ So etwas werde in den Reihen der AfD aber zumindest geduldet.

Lachmanns Anwalt führte zur Verteidigung an, es gebe höchstens Indizien, aber keine Tatsachen, die belegen würden, dass Lachmann tatsächlich die AfD – gegen Geld – habe beraten wollen. Auch sei bisher keiner der Zeugen in Erscheinung getreten, die AfD-Politiker Pretzell angekündigt habe.

Aber wozu dienten die Mails dann? Lachmann sagt: „Ich bin einer der bestinformierten Journalisten in Sachen AfD, mit guten Kontakten.“ Dies habe man bei der „Welt“ auch stets geschätzt, „und jeder wusste, wie ich arbeite“. Seine Artikel seien immer „einwandfrei“ gewesen, und solche Mail-Anfragen seien „journalistischer Alltag“ – ob er da nun „Wir“ schreibe oder „Sie“. In seiner Darstellung klingt es, als hätte er die Mails nur verfasst, um das Vertrauen einzelner AfD-Politiker zu gewinnen. Die Partei ist zersplittert. Indem er den einen den Bauch pinselte, wollte er offenbar an Informationen über andere ran. So sagt er es zumindest.

Nur – schreibt man dann „Wir“ in einer Mail-Anfrage? Und schreibt man ein Konzept für eine Partei, über die man sonst, als Journalist, unabhängig berichten soll? Das blieb undurchsichtig in der Verhandlung: Das Konzept habe er für einen Verlag geschrieben, als Ghostwriter, so Lachmann. Als er erfahren habe, dass es für die AfD sei, habe er den Auftrag wieder abgesagt.

Das Problem: All das hat Lachmann offenbar seinem Arbeitgeber verschwiegen, als der von ihm die Eidesstattliche Erklärung forderte. Lachmann habe sich, so die Richterin, in eine „Grauzone“ begeben, „wo man zumindest hinterfragen kann, ob er unabhängig ist“; in der Eidesstattlichen Versicherung habe er es aber „weißzeichnen“ wollen. Weshalb die WeltN24-Justiziarin fragte: „Wenn das alles angeblich so unproblematisch war, was Herr Lachmann gemacht hat – wieso hat er es dann nicht offengelegt“?

Lachmann beklagte seinerseits, dass die „Welt“ ein Gespräch mit ihm erst zehn Tage nach Bekanntwerden der Vorwürfe gesucht habe. Was offenbar auch daran lag, dass „Welt“-Chefredakteur Stefan Aust zu diesem Zeitpunkt noch im Urlaub weilte. Wieder zurück, soll er Lachmann mit den Worten begrüßt haben: „Soll ich sie gleich rausschmeißen?“

Später kam dann noch etwas ans Licht, das WeltN24 Lachmann vorhält: Er habe in etlichen Online-Texten der „Welt“ nachträglich Links zu einer Seite namens geolitico.de eingefügt – in eigenen Beiträgen und in Beiträgen seiner Kollegen, ohne deren Wissen. Die Rede war von 94 Verlinkungen. Sie würden Texten „einen anderen Spin“ geben, so die WeltN24-Justiziarin. Was auch daran liegt, wie besagte Seite ausgerichtet ist.

„Geolitico“ wird offiziell von Lachmanns Ehefrau betrieben. Bis vor einiger Zeit stand Lachmann noch selbst im Impressum; er schrieb auf Geolitico auch selbst. Nach einer Anfrage von Übermedien im Frühjahr verschwand sein Name allerdings aus dem Impressum. Geolitico wird vor allem von Autoren der Neuen Rechten bespielt, auch von AfD-Politkern. So schrieb beispielsweise, bis zu Lachmanns Kündigung bei der „Welt“, der ehemalige AfD-Sprecher Konrad Adam regelmäßig Texte für Geolitico.

Am Ende der Verhandlung schlug die Vorsitzende Richterin vor, ob sich beide Parteien nicht gütlich einigen, also vergleichen wollten. Daraufhin wurde die Verhandlung für mehr als eine halbe Stunde unterbrochen; Kläger und Beklagte verhandelten auf dem Flur weiter – und einigten sich schließlich, unter anderem auch darauf, sich über eine knappe Pressemitteilung hinaus nicht mehr über die Angelegenheit zu äußern. „Nicht, dass Herr Lachmann über uns schimpft“, so eine der WeltN24-Justiziarinnen in der Verhandlung.

Geschimpft hat er nicht. Lachmann verließ rasch das Gericht. Und twitterte:

3 Kommentare

  1. Wie heißt es schon im zerbrochenen Krug von Kleist so richtig:
    Adam
    Wenn ich freimütig reden darf, Ihr Gnaden,
    Die Sache eignet gut sich zum Vergleich.

    Walter
    Sich zum Vergleich? Das ist nicht klar, Herr Richter.
    Vernünft’ge Leute können sich vergleichen;
    Doch wie Ihr den Vergleich schon wollt bewirken,
    Da noch durchaus die Sache nicht entworren,
    Das hätt ich wohl von Euch zu hören Lust.
    Wie denkt Ihrs anzustellen, sagt mir an?
    Habt Ihr ein Urteil schon gefaßt?

  2. Da darf sich der Kopp-Verlag wohl auf einen weiteren Überläufer aus der Lügenpresse freuen, der das geneigte Publikum mit brisantem Insiderwissen versorgen wird.

  3. Schwarze Schafe gibt es überall. Selbst wenn es einen investigativen bericht ermöglicht hätte, so währen die „Bauchpinsel-Methoden“ doch zumindest äußerst fragwürdig gewesen, selbst für das Niveau der meisten dem Springerverlag zugehörigen Printmedien.

    Ein Journalist darf gerne seine eigene Meinung haben und diese auch vertreten, das schließt solche „Beratungen“ mit ein. Aber dann muss er zu diesen Dingen auch offen stehen und mit den Konsequenzen auskommen.

    Eine Zukunft beim Koppverlag oder dem COMPACT-Magazin dürfte ihm wie oben erwähnt bereits sicher sein. Dort kann er sich dann als Opfer einer hinterhältigen Lügenkampagne profilieren und das vertrauen in „saubere“ Journalisten weiter schmälern. Hoffen wir mal das er klug genug ist und das nicht tut, denn noch mehr Öl ins Feuer ist nie gut.

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