Nach „ZDF Magazin Royale“

Burda: Böhmermann geht „weit über die Grenzen des guten Geschmacks“

Der Burda-Verlag findet, dass die ZDF-Sendung von Jan Böhmermann „weit über die Grenzen des guten Geschmacks“ geht. Das schreibt der Verlag in einem Intranet-Beitrag, der heute erschienen ist und Übermedien vorliegt.

Böhmermann hatte vergangenen Freitag im „ZDF Magazin Royale“ gezeigt, welche Grenzen Burda und andere deutsche Klatschblatt-Verlage regelmäßig übertreten. (Wir haben die Kolleg*innen bei der Recherche unterstützt.)


Burda hat die Sendung offenbar sehr getroffen. Unter der Überschrift „Stolz auf unsere Produkte“ schreibt der Verlag an seine Mitarbeiter*innen:

„Am Freitagabend hat das ZDF in seiner Satire-Sendung ‚ZDF Magazin Royale‘ das Segment der unterhaltenden Frauenzeitschriften aufs Korn genommen und am Samstag ein Satiremagazin mit dem Titel ‚Freizeit Magazin Royale‘ in den Handel gebracht. Dabei wurden auch wir teilweise diskreditierend angegriffen.“

Zu „dieser Attacke des öffentlich-rechtlichen Fernsehens auf die unterhaltenden Magazine der Verlage“ zitiert Burda ein Statement von Kay Labinsky, „Chief Publishing Officer Popular“ des Verlags. Er schreibt:

„Die Satire-Sendung mit Jan Böhmermann im ZDF lebt von der Provokation, vom Übertreiben weit über die Grenzen des guten Geschmacks. Der Komödiant genießt Narrenfreiheit, und deswegen kommentieren wir seine Geschichten in der Öffentlichkeit nicht und nehmen die Sache mit der uns eigenen Souveränität.“

Labinsky betont, wie stolz der Verlag auf seine „erfolgreichen Produkte“ sei. Die Journalistinnen und Journalisten im Entertainmentbereich von Burda produzierten „mit großer Sorgfalt unterhaltenden Journalismus“, schreibt der „Chief Publishing Officer“, um dann zum eigentlichen Kern vorzudringen: Geld. Auch darum ging es in der Böhmermann-Sendung: Mit welchen fragwürdigen Mitteln die Verlage in diesem Segment Gewinne machen.

Burda: Wir stehen „extrem stabil“

Die „Freizeit Revue“ sei „eine der erfolgreichsten Marken und Produkte unseres Hauses“ und „unter allen über 2.000 deutschen Zeitschriften einer der Top-5-Umsatzbringer im Einzelhandel“, freut sich Labinsky. Leserinnen und Leser würden bei der Lektüre so gut unterhalten, „dass sie das Heft regelmäßig in hoher Frequenz kaufen – die Schwankungen im Abverkauf sind minimal“. Auch in einem „Wettbewerb mit über 25 Kopien“ stehe der Verlag „extrem stabil“.

Als Erfolgsrezept und „Voraussetzung für die Treue unserer Leserinnen und Leser“ macht Labinsky vor allem eins aus: „die Glaubwürdigkeit unserer redaktionellen Arbeit“.

(Beispiele: „Freizeit Revue“ bringt Herzogin Camilla in Verbindung mit einem Mord. „Freizeit Revue“ titelt über Michael Schumacher: „Die Sensation! Er ist über den Berg“. „Freizeit Revue“ macht aus einer erfolgreichen Operation vor vielen Jahren eine „Dramatische OP“, als wäre sie gerade gewesen. Burda-Magazine titeln, der verstorbene Sänger Daniel Küblböck lebe „als Frau in Kanada“. Der Presserat rügt Burdas „Freizeit Spaß“ für eine Fake-Story über einen angeblich heimlich gestohlenen Embryo von Lady Di. Usw.)

Kay Labinsky beteuert gegenüber seinen Mitarbeiter*innen:

„Unsere Redaktionen berichten hoch professionell im Sinne der unterhaltenden Zeitschriften und im Rahmen der strengen Gesetzgebung über prominente Persönlichkeiten, weshalb es in den letzten Jahren nur sehr vereinzelt Fälle gab, in denen im Rahmen der engen rechtlichen Vorgaben Gegendarstellungen von Prominenten veröffentlicht werden mussten.“

(Beispiele: „Freizeit Revue“ musste im Mai 2017 eine Gegendarstellung des Fußball-Bundestrainers Jogi Löw auf dem Titel drucken. 2019 erwirkte die Sängerin Helene Fischer eine Gegendarstellung im Burda-Blatt „Freizeit Spaß“. Fischers Lebensgefährte, der Akrobat Thomas Seitel, gewann 2020 einen langen Rechtsstreit, in dem sich Burda zu wehren versuchte; „Freizeit Revue“ musste seine Gegendarstellung dann auf dem Titel drucken – gleich zweimal. Ebenfalls 2020 erwirkte der Moderator Florian Silbereisen eine Gegendarstellung in der „Freizeit Revue“. Auch 2020 erwirkte die Moderatorin Andrea Kiewel eine Gegendarstellung auf dem Titel der „Neuen Woche“. Usw.)

Am Ende seines Statements hat Labinsky noch eine Frage, sie richtet sich offenbar an das Zweite Deutsche Fernsehen:

„Natürlich sollte man fragen, warum das mit Gebühren-Milliarden finanzierte ZDF eine Satiresendung nutzt, um mehr als 11 Millionen Menschen in Deutschland herabzusetzen, die die unterhaltenden Frauenzeitschriften von uns Verlagen Woche für Woche lesen und lieben. Erklärbar ist es nicht, befremdlich ist diese Überheblichkeit aber auf jeden Fall.“

Dabei ging es im „ZDF Magazin Royale“ gar nicht so sehr um die Leser*innen, sondern um die Methoden der Macher*innen dieser Blätter.

11 Kommentare

  1. Boah, diese Zynik ist ja furchtbar. Lügen auf dem Titel nach Strich und Faden, inhaltslose und fadenscheiniger Inhalt drinnen im Heft und dann intern das ganze so schön reden. Oder kann der Herr Labinsky wirklich so verblendet sein, dass er glaubt, was er da sagt?
    Burda behandelt die 11 Millionen Leser:innen Woche für Woche mit ihren Mistblättern unwürdig als quasi analoges Klickvieh, nicht diejenigen, die das so beim Namen benennen.
    Kann man nicht wenigstens in Würde still sein, wenn man nichts Ehrliches zu sagen hat, Herr Labinsky?

  2. Nun, es geht bei beiden, Labinsky u n d Böhmermann
    a u c h um die Verachtung der Leser. Ersterer preist die hilflose Sehnsucht nach Glamour und menschlichem Drama in seine zynische Geldmaschinen mit ein und kann sich die Prozesse, die Rufgemordete gegen ihn anstrengen nur leisten, weil seine Kriegskasse gut gefüllt wird von denen, die nichts haben als die dreckige heisse Luft aus dem Hause Burda.
    Und der offizielle Regierungssatiriker Böhmermann verachtet bekanntlich alle, die sein wokes Weltbild nicht teilen. Ausnahmsweise nudelt er hier mal nicht seine abgedroschene pseudopolitische Platitüdennummer ‚Alles Nazis ausser Mutti‘ ab, aber die dichotomisch simple Zielrichtung ist dieselbe: Die Bösen müssen bestraft und an den Pranger gehämmert werden. Das bedarf natürlich keiner Denkanstrengung im Sinne eines Karl Kraus, sondern ist schlicht die heute übliche elitäre linke Massenverachtung. Die satirische Methode ist simples Spiessumdrehen. Soll doch mal der Burda klagen, statt die Fischer. Nun, der Holzhammer wird sich gut verkaufen und die üblichen schon seit jeher Geretteten stehend Beifall klatschen. Interessant wird das alles nur, wenn die von Böhmermann mit Jauche Bekübelten sich juristisch zu wehren wagen sollten. Dann würde ein wirkliches Licht geworfen auf die nervtötenden Anstrengungen, derer sich die Familie von Michael Schumacher seit Jahren unterziehen muss. Ansonsten hilft heisse Luft nicht gegen heisse Luft. Ein Pressegesetz, das persönliche Diffamierung von Nichtpolitikern aus der journalistischen Schutzzone herausnähme, wäre das einzige Mittel dagegen. Und das wird nicht kommen. Pressefreiheit ist eine heilige Kuh und intelligente Differenzierung des deutschen Gesetzgebers Primärtugend nicht. Übermedien möge sich allerdings überlegen, ob uneingeschränkt positive Berichterstattung über eine Aktion, bei der man so sehr involviert war, wirklich eine gute Idee ist. Wenn es schon um die Glaubwürdigkeit der Presse geht. Pro domo ist halt immer Scheisse. Auch eine Voreingenommenheit, die man offenlegt, i s t eine Voreingenommenheit.

  3. @ #3 Mit dem verwenden von geframten Kampfausdrücken wie woke und der Unterstellung, öffentlich rechtliche Medien seien regierungskontrolliert gepaart mit einem Vakuum an Argumenten haben Sie sich gerade klassisch selbst disqualifiziert. Nebenbei haben Die es noch geschafft, die Hufeisentheorie auf Medien umzumünzen: damit haben sie sich – unbewusst – wieder qualifiziert: vielleicht gibt es im Burda Verlag Verwendung für solcherlei Gehirnakrobatik.

  4. „der offizielle Regierungssatiriker Böhmermann“ […] „wokes Weltbild“ …
    Marcel und „seine abgedroschene pseudopolitische Platitüdennummer “ at it’s best.

    Wir wissen seit Böhmermanns Schmähgedicht gegen Erdogan, den Reaktionen Merkels und Böhmermanns Klage gegen die Kanzlerin, dass er natürlich der „offizielle Regierungssatiriker ist“… so weit, so absurd.
    Aber lassen wir das, bevor sich wieder die Alias Accounts des Scheidenden herzergreifend zu seiner Verteidigung auf mich stürzen. Das eigentlich Problem ist wieder der, auch nur aus Burda/Bauers Strategie kopierte, Versuch, Böhmermann und Übermedien ideologisch eine Attacke gegen die verachteten „Massen“ ( und eben nicht gegen die tatsächlichen Massenverachter in eben diesen Verlagen ) unterschieben zu wollen.
    Dümmer wirds nimmer. Und DAS haben Sie bei Karl Kraus gelernt?

  5. Na ja, Oma Erna wird es herzlich egal sein, ob sie nun echte Fake News von Burda oder falsche Fake News von Böhmermann mit Vergnügen und Interesse lesen darf. Hauptsache Klatsch und Tratsch! Und Rätsel, Rätsel, Rätsel!

  6. Ich meine, natürlich können wir Superchecker uns über den tollen Coup begiggeln und begaggeln und wie wir Burda, Welte und Bauer einen mitgegeben haben. Aber ihr glaubt doch wohl nicht ernsthaft, dass das beim Konsumenten zu mehr Sensibilität für das Thema führt. Insofern ist das schon ne Bubble-Sache und zumindest ein Hauch heiße Luft. Aber der ist ja bei den Temperaturen im Moment mal ganz angenehm.

  7. Irgendwie lässt mich dieser Artikel etwas ratlos zurück. Nette Aktion auf jeden Fall, mit dem ZDF Magazin Royale zusammenzuarbeiten und damit die BildBlog/Übermedien-Kritik vielleicht noch mehr Menschen zugänglich zu machen. Ich hatte über social Media schon vom Freizeit Magazin Royale gehört, aber ihr müsst natürlich eure Leser auch auf die Kooperation aufmerksam machen.

    Aber ansonsten ist dieser Artikel etwas substanzlos, finde ich. Das inhaltslose PR-Sprech der getroffenen Hunde blende ich aus, weil sie sowieso am Band lügen, darum geht es ja, dass sie damit ihr Geld verdienen. Und mehr bleibt im Artikel nicht.

    Außerdem ist es auf Dauer deprimierend, Jahr für Jahr diese Beispiele, zuerst auf BildBlog und jetzt hier in der Topf voll Gold Rubrik, und es ändert sich ja nichts. Böhmermann hat jetzt ein satirisches Magazin herausgebracht, was einfach kurz für Lacher sorgt, aber in einer Woche wieder vergessen ist. Vielleicht hält es sich ein wenig länger, wenn Burda und Bauer klagen und den Streisandeffekt auslösen.

    Aber Böhmermann sagt auch, so wie das hier schon oft thematisiert wurde, dass es sich für die Verlage einfach rechnet. Und es ist gefährlich, weil seriöse Medien mit diesen Lügenblättern in einen Topf geworfen werden und dadurch politisch motivierte Fake News Produkte legitimiert werden.

    Kann man da gar nichts langfristiges oder effektiveres zusammenbrainstormen? Irgendwas, was Verlage dort trifft, wo es weh tut, nämlich in ihrer Profitkalkulation? Das bloße Aufzeigen von Scheiße ohne Strategie und Ziel ist ermüdend.

  8. @erwinzk

    Ich verstehe den Frust, kommt mir auch häufiger hoch. Es passiert irgendwie nicht genug und zu langsam und sowieso. Andererseits sagt Schönauer ja im Gespräch mit Holger, dass früher noch mehr ausgedacht wurde als heute (was natürlich quantitativ gesehen nicht so wirklich zu befriedigen vermag). Letztlich muss der Druck aufrechterhalten werden, und vor allem jüngere Menschen müssen auf verschiedenen Wegen immer wieder informiert werden. Die jetzige Hauptzielgruppe mag man nicht erreichen, aber vielleicht kann man dafür sorgen, dass keine neue Zielgruppe heranwächst. Der Deutschunterricht wäre ja an sich durchaus geeignet, Medienkompetenz zu vermitteln, müsste halt nur mehr auf den Lehrplan (und die Lehrer selber müssten da auch oft fortgebildet werden). Das wäre eben eine sehr langfristige Strategie… Darüber hinaus könnte man überlegen, inwiefern man die Verlage finanziell härter treffen könnte. Ich habe aber keine Ahnung von Jura und weiß daher nicht, ob das überhaupt umsetzbar wäre.

  9. Ein weiterer Ansatzpunkt der Aufklärung könnten Organisationen sein, die Wartebereichen haben und ein seriöses Image schätzen. Z.B. in medizinischen Praxen habe ich immer wieder bunte Blätter ausliegen sehen. Ich denke das viele Mediziner:innen das überhaupt nicht selbst lesen. Hier regelmäßiges Lügen aufzudecken, ist wichtig, um Argumente zu sammeln, die dann beim Überzeugen helfen, die unseriösen Heftabos abzuschaffen.

    Vielleicht braucht es auch alternative, seriösere Unterhaltung (mit Klatsch und Tratsch), es gäbe ja genug Themen.

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