Lokaljournalismus am Limit

Die NOZ findet ihr Glück beim Bachelor aus Osnabrück

Sieht aus wie alle, trägt aber Osnabrück im Herzen Foto: TV Now

Ich hatte ja keine Ahnung! Ich war nur über Weihnachten für ein paar Tage in die alte Heimat gefahren und wusste nichts von dem Aufruhr, der die Region erfasst hat, seit RTL Mitte November bekannt gegeben hatte, dass der nächste Mann, dem in der Show „Der Bachelor“ knapp zwei Dutzend paarungswillige Kandidatinnen zugeführt werden, aus Osnabrück kommt.

Aus Osnabrück!

Und es kommt noch besser: Der Mann ist nicht irgendein Osnabrücker, nein: Es ist der Sohn des Oberbürgermeisters!

Die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) beschloss damals offenkundig, aus dieser Nachrichtenlage, die ihr beschert wurde, das Beste Meiste zu machen. Doch trotz ihres heftigen Buhlens um Aufmerksamkeit sieht es bislang nicht nach einer Liebesgeschichte zwischen dem Lokalblatt und dem Lokalbatsch aus.

Das Herz am rechten Fleck

Der neue Bachelor ist der Sohn des Osnabrücker Oberbürgermeisters

Es beginnt alles ganz konventionell. Am Tag, als RTL die Personalie verkündete, klöppelte die NOZ aus dem PR-Material des Senders einen nachrichtlichen Artikel zusammen. Sie notiert, dass Niko Griesert 1,91 Meter groß und sportlich sei und „einfach immer gerne neue Sachen dazu“ lerne. Seine Wunsch-Partnerin solle „das Herz am rechten Fleck haben“ und „sich selbst nicht ganz so ernst nehmen“, das tue er nämlich auch nicht. Griesert sei Vater einer neunjährigen Tochter, die mit ihrer Mutter in den USA lebe und ihm alles bedeute.

Ein Osnabrücker als Bachelor Fünf Dinge, auf die wir uns freuen

Die Eskalation beginnt am nächsten Tag. „Fünf Dinge, auf die wir uns freuen“, formuliert Daniel Benedict. Benedict ist Online-Redakteur der Zeitung, aber ausweislich seines Autorenprofils auch „Zeitungspate des Bereichs Dschungelcamp“, was einerseits rätselhaft klingt, andererseits womöglich einiges erklärt.

Sein Text ist ein Ritt auf der Rasierklinge; eine gewagte Mischung aus Lokalstolz und Lokalverachtung, aus gut gelaunter Ironie und übertriebenem Wichtignehmen. Er fragt:

Hat Niko das Zeug zum OSfluencer? Hält die Stadt des Westfälischen Friedens den Zickenkriegen der Kuppel-Show stand? Und wird die Nation jetzt endlich begreifen, dass Osnabrück weder Oldenburg ist noch Saarbrücken?

Benedict weiß, dass RTL „traditionell“ schon in der ersten Folge an Orte führe, „die den Titelhelden prägten“:

Vor einem Millionenpublikum kann eine Stadt hier ihre schönsten Seiten zeigen. Sebastian beispielsweise, der Vorjahres-Bachelor, posierte im Münchner Wohnghetto seiner Kindheit, er zeigte die U-Bahn-Station, für die ihm wegen Jugendgewalt ein Platzverweis erteilt wurde, und die JVA, in der ihn seine Mutter besuchte.

Auch Osnabrück habe schöne Ecken:

gesellschaftliche Hotspots wie die Halle Gartlage mit ihren Zuchtviehauktionen. Naherholungsgebiete wie den Piesberg, jenen malerischen Steinbruch, in dem die Ladung von 500.000 Müllautos vergraben ist.

Bis an die Zähne bewaffnet mit einer beindruckenden, beunruhigenden Menge an Detailwissen über vergangene „Bachelor“-Staffeln malt sich der Berichterstatter aus, wie der gegen Ende der Show anstehende Besuch im Elternhaus der Auserwählten verlaufen könnte:

Erinnern Sie sich noch an Jan Kralitschka, den Bachelor des Jahres 2013?

(Hahaha, nein?)

Dessen Vater hatte RTL in seiner Heimwerkergarage empfangen – zwischen Pin-up-Fotos, die der Bachelor dann in großer Verlegenheit rechtfertigen musste. Momente für die Ewigkeit, auf die nun auch Osnabrück hoffen darf.

Auch die Welt des Fernsehens stehe einem Bachelor offen, freut sich Benedict, „vom ‚Sommerhaus der Stars‘ bis zum Dschungelcamp“:

Vielleicht tanzt sogar mal wieder ein Osnabrücker bei „Let’s Dance“? 13 Jahre, nachdem der örtliche Weltmeister Michael Hull die Jury verlassen hat, wäre das fällig.

Mittelgroße Städte, die sich chronisch unterschätzt und übersehen fühlen, sehnen sich nach örtlichen Weltmeistern, aber örtliche „Let’s Dance“-Teilnehmer tun’s zur Not auch. Und obwohl man auch in diesen Satz Ironie lesen kann, würde es mich nicht wundern, wenn die Fotostrecke „Michael Hull in der ‚Let’s Dance‘-Jury“ schon im NOZ-Redaktionssystem angelegt wäre, für alle Fälle.

Obst ernten und im Wald wandern

Vorgänger des Osnabrückers Niko Griesert: Was machen die Bachelors heute?

Als nächstes (wir sind immer noch im November) fällt eine Übersicht der früheren zehn RTL-Bachelors vom NOZ-Content-Fließband: Unter der brav lokalisierten Überschrift „Vorgänger des Osnabrückers Niko Griesert“ listet die Redaktion Ausbildungswege, Berufe und Liebesschicksale und weitere Lebensläufe auf („… lebt zurückgezogen aus der Öffentlichkeit in der Schweiz und arbeitet als Finanzberater …“, „… zu seinen Leidenschaften gehört es, alte Möbel zu restaurieren, Obst zu ernten und im Wald zu wandern …“, „… arbeitet als Immobilienmakler bei einem traditionsreichen Auktionshaus in den USA“).

Der Rosenvolontär Screenshot: noz.de

19. November, endlich Multimedia-Inhalte! Der Volontär spricht für ein Video Frauen an, zeigt ihnen ein Foto des Bachelors aus Osnabrück und fragt sie, ob sie diesem Mann aus Osnabrück eine Rose geben würden (obwohl ja eigentlich der die Rosen verteilt, aber egal). Daraus ergeben sich Dialoge entwickeln wie:

„Niko aus Osnabrück.“

„Sieht sympathisch aus.“

Die Frauen, die mitgemacht haben, bekommen natürlich alle eine Rose vom NOZ-Mann.

Unbehagen im politischen Raum

Anfang Dezember. Höchste Zeit, der Sache mal ein bisschen Fallhöhe zu geben. Schließlich ist der Vater des Bachelors aus Osnabrück Oberbürgermeister von Osnabrück, und so ein Oberbürgermeister ist immerhin Oberbürgermeister!

Die NOZ fragt also:

Sein Sohn ist der Bachelor 2021 - das sagt Osnabrücks Oberbürgermeister dazu

(…) was sagt sein Vater Wolfgang Griesert eigentlich zu der Teilnahme? Aus dem politischen Raum und im Rathaus gibt es gespaltene Reaktionen zu der Nachricht.

Sie hat vom Oberbürgermeister auf Anfrage ein ziemlich nichtssagendes schriftliches Statement bekommen, ein bisschen schmallippig, gelegentlich übertrieben optimistisch („Ich bin sehr sicher, dass mein Sohn eine sehr spannende, prägende Zeit erleben wird und wir uns später sehr gerne an diese erinnern werden“).

Die NOZ mag sich offensichtlich nicht damit abfinden, dass das alles sein soll und stellt nun die entscheidenden Fragen:

Doch was bedeutet es für Wolfgang Griesert, dass sein Sohn der nächste Rosenkavalier einer bekannten TV-Show ist? Wie prägt dies eventuell die zukünftige Arbeit des Rathauschefs? Welche Auswirkungen hat es auf sein Renommee in der Stadt?

Wem sie diese Fragen stellt, ist nicht ganz klar, aber irgendwelche Leute haben nach ihren Informationen irgendwie reagiert. Oder genauer anders: „Im politischen Raum“ habe die Nachricht „vielfach zu Unbehagen geführt“. Und nicht nur das: „Einige machen sich sogar ein wenig lustig darüber.“ Einige! Ein wenig!

Offiziell dazu äußern will sich jedoch ebenfalls niemand – weil es Privatsache ist.

Für die NOZ ist es nicht so richtig Privatsache, oder muss es zumindest nicht bleiben. Sie kann sich vorstellen, dass dank des Bachelors aus Osnabrück auch die Politik in Osnabrück … oder im Gegenteil!

Die kommende Oberbürgermeisterwahl in der Stadt – terminiert für September 2021 – ist nicht mehr weit. Ob CDU-Politiker Griesert erneut kandidiert oder nicht, dazu wollte er sich bislang nicht äußern. Erst für Ende März 2021 hatte er in der Vergangenheit ein Statement zu dieser Frage angekündigt. Liegt der Zeitpunkt günstig mit der Ausstrahlung der Bachelor-Staffel? Man kann nur abwarten.

Hält sich an Vorschriften

Osnabrücker Bachelor: Ein Irrtum verzögerte Niko Grieserts Bewerbung

Mitte Dezember. RTL hat neue Fotos vom Bachelor aus Osnabrück und ein Interview mit ihm veröffentlicht. Die NOZ-Leser erfahren, dass Griesert sich erst jetzt beworben habe, weil er dachte, man müsste mindestens 30 Jahre alt sein. (Ausgerechnet den lustigen Satz „Wenn ich Vorschriften sehe, halte ich mich daran (lacht)“, lässt die NOZ aus dem RTL-Interview weg.)

Seine Familienangehörigen, erzählt der Bachelor RTL, erzählt die NOZ, seien „überraschenderweise alle sehr stolz“ auf ihn. „Überraschend, weil ich nie weiß, wie sie reagieren.“

Leider kein Wort zu den zu erwartenden politischen Umwälzungen in Osnabrück oder wenigstens zu Michael Hull.

Ich male mir aus, dass sich in der Quantitätskontrolle des Verlages jetzt langsam eine gewisse Unzufriedenheit ausbreitete: Nur noch wenige Wochen, bis die Weltöffentlichkeit den Bachelor aus Osnabrück kennenlernen würde, und noch so wenig exklusiver Content in der Monopolzeitung aus Osnabrück! Zur Überbrückung dieses Missstandes – so vermute ich einfach mal – produzierte der uns oben schon begegnete Zeitungspate des Bereiches Dschungelcamp der NOZ ein Monumentalwerk der abgelegenen Trash-TV-Berichterstattung. Überschrieben ist es:

Bachelor-Kandidatinnen: Die geheimen Botschaften im RTL-Text

Daniel Benedict geht tatsächlich alle 22 Kandidatinnen durch, zeigt die angestrengt lasziven Portraitfotos, die RTL herausgegeben hat (ich bin sicher: der Verlag war sehr glücklich), dokumentierte ihre offizielle Beschreibung im Pressetext des Senders – und übersetzte, dechiffrierte, entlarvte sie.

Anna Foto: TV Now

Über Anna, 30, Flugbegleiterin aus Heidelberg etwa schreibt RTL unter anderem:

Temperament, südländisches Feuer und Rhythmus im Blut: Das alles bringt Halbitalienerin Anna mit.

Benedict weiß:

Rhythmus, Feuer, Temperament – diese Vokabeln ergänzen professionelle Schreibroboter automatisch, sobald man das Wort „Halbitalienerin“ eingibt.

Jacqueline, Nadine, Denise Fotos: TV Now

Denise, 24, Flugbegleiterin aus Braunschweig wird von der RTL-Presssestelle mit dem Satz „Ich bin chilliger Bro-Typ und liebevolle Freundin in einem“ vorgestellt, und die NOZ erkennt:

Zwei Formulierungen, um zweimal dasselbe zu sagen: Denise will auf keinen Fall mit Niko ins Bett. Das könnte was Entlastendes haben, wäre es nicht mit einer Initiativ-Bewerbung als Ulknudel verbunden. Die Deutsch-Rap trällernde Flugbegleiterin ist unübersehbar entschlossen, selbst noch aufzufallen, wenn sie allein im Bild ist.

Über Jacqueline, 32, Bankkauffrau aus Hannover, verlautbart RTL unter anderem:

Weil Jacqueline genau weiß, was sie will, sollte ihr Traummann sie nicht einengen: „Man muss sich bedingungslos vertrauen und dem anderen genügend Freiraum lassen.

Und die NOZ kommentiert:

Wie Niko hat auch Jacqueline B. bereits Familie – das wäre also schon mal ein Plus. Im Privatleben hat da jeder genug zu tun, sodass man sich im Fall einer Show-Beziehung wirklich nur auf dem roten Teppich begegnen müsste. Wenn da nicht der leidige Wohnort wäre: Sie aus Hannover und er aus Osnabrück? Da ist das Risiko natürlich groß, sich trotzdem mal anlasslos über den Weg zu laufen. Bei einer Frau mit Jacquelines Distanzbedürfnis eine schwere Bürde. Wir raten ab.

Schließlich, zur RTL-Vorstellung von Stephie, 25, Store Managerin aus Olching:

Das letzte, das man den „Bachelor“-Produzenten zugetraut hätte, ist eine soziale Ader. Bei Stephies Casting hat aber unübersehbar die nackte Barmherzigkeit regiert. Seit 25 Jahren buhlt diese Frau um Aufmerksamkeit! Sie schreibt ein kurioses „ph“ in ihren Namen, haut 44 Piercings in ihr Ohr, strampelt sich im Laientheater ab – und am Ende reicht es doch bloß zur Vollrausch-Reportage im Lokal-TV. Bis RTL kommt und den Vorhang zum Millionenpublikum aufzieht. Eine getriebene Seele findet Ruh! Vielen Dank für diese wundervolle Geste.

Viele wirklich lustige, angemessen böse, mutmaßlich treffende, erschreckend kenntnisreiche Kommentare – doch das beeindruckendste ist, dass der Kollege das wirklich über 22 Frauen durchzieht. Über 30.000 Zeichen fulminantes Nichts. Es ist eine furchtbar fehlgeleitete Fleißarbeit (wie natürlich, auf eine Art, dieser Text auch).

Perlen des beleidigten Lokaljournalismus

Andererseits – wir sind ja alle nicht zum Vergnügen hier. Und so werden der Bachelor, RTL, und die Leserinnen und Leser der NOZ schon vier Tage später rabiat aus ihren Liebesträumen gerissen.

Niko Griesert, wie haben Sie Ihrem Vater erklärt, dass Sie der RTL-Bachelor sind?

„Niko Griesert, wie haben Sie ihrem Vater erklärt, dass Sie der RTL-Bachelor sind“, lautet die Überschrift der nächsten Folge in der großen Serie, und wer daraus einen leicht vorwurfsvollen Unterton liest, irrt womöglich nicht. Im Vorspann, den man frei auf der Übersichtsseite lesen kann, heißt es:

Osnabrück. Seit Wochen rätseln wir: Wer ist Niko Griesert, der Bachelor aus Osnabrück. 13 Minuten durften wir ihn interviewen. Viel schlauer sind wir jetzt nicht.

Das ist nicht nur eine Anmoderation, die den Leser zweifeln lässt, warum man dann nicht einfach auf eine Publikation verzichtet hat. Vor allem ist es die Anmoderation für einen Text hinter einer Paywall. Die NOZ lockt mit dem Versprechen, nach dem Bezahlen und Lesen wirklich nicht viel schlauer zu sein als vorher.

Und das ist tatsächlich kein Understatement. Wer aus gutem Grund auf den Abschluss eines NOZ-Abos an dieser Stelle verzichtet, verpasst dennoch Perlen des beleidigten Lokaljournalismus. Griesert habe der Redaktion ein Interview „gewährt“, pampt es schon zum Auftakt.

Für einen Mann, der im Fernsehen mit 22 Frauen schäkert, hält der 30-Jährige sich verblüffend bedeckt. Fragen zum Vater mag er so wenig wie solche zur Vaterschaft. (…) 13 Minuten haben wir mit dem Osnabrücker Bachelor gesprochen. Ein paar Fragen gingen ins Leere, ein paar wurden gestrichen. Hier kommt der Rest.

Anscheinend sind die ortshungrigen Zeitungsleute von der desinteressierten RTL-PR-Maschine ausgebremst worden, die streng darauf achtet, dass alles schön nichts bleibt.

Ob ein freundlich-plauderiger Einstieg im Nachhinein gestrichen wurde, oder die beiden Interviewer von der NOZ tatsächlich unmittelbar im inquisitorischen Investigativ-Journalisten-Tonfall begonnen haben, ist unklar, jedenfalls geht es so los:

NOZ: „Niko, in Ihrer Abi-Zeitung werden Sie als Liebhaber romantischer Komödien beschrieben. Wie prägt das Ihre Staffel? Wird es romantisch oder lustig?“

Griesert: „Ob das irgendwas prägt, weiß ich nicht. Ich mag schließlich nicht nur romantische Komödien. (…)“

Ich würde sagen: An dieser Stelle war schon nichts mehr zu retten. Und tatsächlich:

NOZ: „Beschreiben Sie doch mal die Situation, in der Sie Ihren Eltern erklärt haben: Ich bin der neue Bachelor.“

Griesert: „Ich habe die einfach angerufen. (…)“

NOZ: „Sie geben mal Minden, mal Osnabrück als Heimat an. Wo leben Sie im Moment? Wie viel Osnabrück tragen Sie im Herzen mit in die ‚Bachelor‘-Staffel?“

Griesert: „Ich trage sehr viel Osnabrück im Herzen. Ich fühle mich dort sehr wohl.“

Die Interviewer bitten ihn, doch mal seine letzte Dating-„Bauchlandung“ zu schildern, die ihn zu RTL gebracht hat. (Macht er aber nicht.) Sie fragen ihn, ob er Vorbilder in der Bachelor-Welt hat. (Nee.) Sie fragen ihn, ob er sich eine Kandidatin aus einer anderen Staffel in seine Staffel gewünscht hätte. (Ach nee.)

Das Finale geht so:

NOZ: „Kein Mensch geht wirklich nur für die Liebe ins Fernsehen. Was wollen Sie nach Ihrer Staffel mit dem Ruhm anfangen?“

Griesert: „Wieso geht kein Mensch nur für die Liebe ins Fernsehen?“

NOZ: „Na, immerhin stellen Sie sich bei RTL nicht nur den 22 Kandidatinnen vor, sondern auch mehreren Millionen Zuschauern. Sie werden gefilmt, das wissen Sie schon, oder?“

(Kurze Pause Respekt für diese Frage, bitte.)

Griesert: „Ganz ehrlich: Ich kann mir noch gar nicht so richtig vorstellen, wie es ist, in der Öffentlichkeit zu stehen. (…) Aktuell bin ich superhappy mit meiner Arbeit als IT-Projektmanager. Ich freue mich auch wirklich unheimlich, wenn ich nach dem „Bachelor“ wieder zur Arbeit zurückkomme.“

Irritationen um Gruppenfoto

RTL verschiebt Sendestart für den Osnabrücker Bachelor Niko Griesert

Es ist ein kleines Wunder, dass die NOZ nach diesem Debakel überhaupt die Berichterstattung wieder aufnimmt, aber Chronistenpflicht und alles. Und es gab ja Dinge zu vermelden: Die Tatsache etwa, dass RTL den Sendestart „für den Osnabrücker Bachelor“, für „Niko Griesert aus Osnabrück“, den „Sohn von Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert“ um eine Woche verschiebt.

Irritationen um Gruppenfoto mit dem Osnabrücker Niko Griesert - hat RTL gespoilert?

Oder die „Irritationen“ um ein „Gruppenfoto mit dem“, jawohl: „Osnabrücker Niko Griesert“. Die NOZ zählt auf dem Bild nur 17 der 22 Teilnehmerinnen neben dem, und jetzt alle zusammen: „Osnabrücker Niko Griesert“, und fragt sich: „Hat RTL gespoilert?“ (Auflösung: Nein. Der „30-Jährige aus Osnabrück“ konnte wegen Corona-Quarantäne fünf Frauen nicht sofort treffen.)

Prächtige Luftaufnahmen

Homestory: OB Wolfgang Griesert plaudert beim "Bachelor" aus dem Nähkästchen

Vergangene Woche dann endlich: Premiere! Der NOZ-Redakteur guckt vorab auf TV Now, und hat seinen Artikel über die erste Folge konsequent der Frage gewidmet, die wir alle uns stellen:

Wie viel Osnabrück steckt in der „Bachelor“-Staffel mit Niko, dem Sohn von Osnabrücks OB Wolfgang Griesert?

Nicht genug, lautet die Antwort, vor allem weil die Folge mit dem Osnabrücker Bachelor einfach unfassbarerweise mit Bildern aus Berlin beginnt, aus fucking Berlin!

Daniel Benedict hat der lokaljournalistischen Besessenheit nun nur noch ein sehr dünnes Mäntelchen der Ironie umgehängt. Er hat eine sehr akribisch wirkende und womöglich vollumfassende Dokumentation der Osnabrückhaftigkeit der ersten Folge angefertigt. (Ich hab die nicht geguckt. Ich hab die ganzen NOZ-Artikel darüber gelesen, das muss wirklich reichen.)

Er notiert, dass der Bachelor aus Osnabrück oft von „Zuhause“ sprach, ohne je Osnabrück zu meinen. Er meckert, dass der Bachelor aus Osnabrück „einen Tacken zu schnell“ geantwortet habe, dass er für die Liebe auch umziehen würde. Und er seufzt erleichtert, dass der Bachelor aus Osnabrück einmal gleich am Anfang die „Erlösungsformel“ (sic!) spreche: „Ich wohne in der wunderschönen Stadt Osnabrück“, und ein Kameraschwenk „Osnabrücks Schönheit dann in prächtigen Luftaufnahmen“ belege, „vom Rathaus ganz bis hin zu St. Marien“.

Detailliert wird dann noch die „Homestory“ nacherzählt, der Drei-Minuten-Blick von RTL in „Grieserts gute Stube“ (hatte ich erwähnt, dass der Vater des Bachelors Oberbürgermeister von Osnabrück ist?). Und der NOZ-Redakteur macht sich ein bisschen lustig über die Reality-TV-Naivität des Papas, attestiert ihm aber, sehr sympathisch zu sein. In einer Szene mit seiner Frau sogar so sympathisch, so schrecklich unwiderstehlich sympathisch, dass der Bericht mit dem Gedanken endet, dass er bei einer möglichen Kandidatur bei den Kommunalwahlen, die in gerade mal neun Monaten stattfinden, unschlagbar sein könnte. (Hatte ich erwähnt, dass der Vater des Bachelors Oberbürgermeister von Osnabrück ist?)

Liebe und Aufmerksamkeit

Ich würde mich dann jetzt langsam von der „Bachelor“-Berichterstattung-Berichterstattung verabschieden (schon weil mein kostenloses 30-Tage-Probeabo bei der NOZ morgen ausläuft). Aber wenn Sie heute Abend oder in den nächsten Wochen da mal einschalten, denken Sie daran: Dieser 30-jährige Mann und die 17 bis 22 Frauen sind nicht die einzigen, die auf etwas unangenehme Weise Liebe suchen oder vielleicht auch nur Aufmerksamkeit, die sie damit verwechseln. Auch diese Stadt zwischen Teutoburger Wald und Wiehengebirge, die eigentlich wirklich sehr okay ist, wenn sie nicht gerade neidisch auf die unverdiente größere Prominenz von Hannover oder Münster schaut, tut genau das.

Von ihrer Lokalzeitung ganz zu schweigen.

Offenlegung, natürlich: Ich habe vor rund 30 Jahren für die „Neue Osnabrücker Zeitung“ über Kaninchenzüchter, Karneval und Kommunalpolitik berichtet.

26 Kommentare

  1. Unfassbar, dass ich jetzt quasi durch den Bachelor (aus Osnabrück!) erfahren durfte, dass Stefan Niggemeier mal bei der NOZ gearbeitet hat. ;)

    Danke für den unterhaltsamen Artikel. Ich als ehemaliger Osnabrücker und (unerlaubter) Mitnutzer eines NOZ-Premium-Digital-Zugangs (die NOZ ist wie ein Verkehrsunfall, man will nicht hinschauen, tut es dann aber doch immer wieder mal) habe mich schon selber köstlich über die Berichterstattung in dieser Zeitung amüsiert. Aber hier wurde das Spektakel noch einmal sehr schön zusammengefasst.

  2. Armer Herr Niggemeier! Dafür haben Sie nicht nur ein Fleißbienchen, sondern auch Schmerzensgeld verdient. Wenn sich der Lokaljournalismus auf diese Weise aus der Krise arbeiten will, sehe ich schwarz.

    Wobei: Hat nicht Armin Laschet einen hauptamtlichen Schönling zum Sohn? Falls der mal bei sowas auftreten sollte, werden wir sehen, ob es die Bundespresse wirklich besser macht als die Provinzkollegen…

  3. dieser beitrag hat mir körperliche schmerzen bereitet. ich weiss tatsächlich nicht, warum ich ein abonnement dafür bezahle, dass ein redakteur trash-sendungen protokolliert.

  4. Ja, dieser provinzielle Lokaljournalismus, der es vielen erst ermöglicht, endlich ein Berliner Hauptstadtjournalist zu werden, um dann über die Piefigkeit von Lokaljournismus zu berichten.
    Den Artikel hätte sich man sparen können. Nach unten treten ist einfach immer ein Arschlochmove.
    War die Rügenrecherche so anstrengend?

    Da ich nicht lache, stelle ich mal die Frage, die man bei auch x-istischen Witzen stellen soll: Wo genau ist hier der Witz?

    Ja, wir ländliches Volk sind ein leichtes Ziel. Hier züchtet man Karnickel und berichtet drüber. Jeden Tag 3 Seiten Kreisligafußball. Lokalteile, die von Redaktionen in >200km Entfernung zusammengeklöppelt werden (übermedien berichtete). Onlineauftritte die aussehen, wie aus 2001. Überteuerte Paywall für den Artikel über Karnickelzüchten. Der eine Lokalredakteur, der sich tatsächlich Mühe gibt. Der nach 1-2 Jahren aber in die Firmen-PR wechselt, weil er keinen Lokaljournalismus mehr machen will.
    Viele strukturelle, individuelle und systembedingte Mechanismen.
    Und übermedien tritt noch mal nach; die Berliner Gintonic Connoisseure kriegen sich vor Lachen kaum noch ein.
    Und jetzt kommentiert auch noch so ein Landei beleidigt. Es wird immer besser. Schon wieder Schluckauf. Es ist einfach so unglaublich lustig.

    Achja und: Bachelor doof. Unterschichtenfernsehen doof. Warum man es dennoch unironisch mit Sarah Kuttner schaut. Oder zumindest den NOZ Artikel darüber liest, weil das gratis-Abo noch nicht abgelaufen ist.

    „(…) nicht die einzigen, die auf etwas unangenehme Weise Liebe suchen oder vielleicht auch nur Aufmerksamkeit (…)“
    Die Ironie brennt in den Augen.

  5. @Anderer Max: Puh, da sind so viele Unterstellungen drin, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Vielleicht nur kurz: Mir ging es in dem Text weder um Stadt gegen Land noch um Oben gegen Unten.

    Und der Ironie bin ich mir durchaus bewusst, wie vielleicht dieser Satz hier andeutet: „Es ist eine furchtbar fehlgeleitete Fleißarbeit (wie natürlich, auf eine Art, dieser Text auch).“

  6. @ Anderer Max (#7):

    Mit dem falschen Fuß aufgestanden? Osnabrück ist kein Dorf, sondern eine Großstadt (mit einem Sterne-Restaurant, in dem man sicher auch guten Gin Tonic bekommt). Der VfL spielt nicht Kreis-, sondern 2. Bundesliga. Und die NOZ ist kein Amateurblatt, sondern eine Regionalzeitung mit Vollredaktion, 154.000 verkauften Exemplaren (inkl. lokalen Ablegern) und einem topaktuellen Online-Auftritt.

    Ich denke, die NOZ braucht weder Welpenschutz noch Mitleid (jedenfalls nicht mehr als jede andere Zeitung in der Printkrise). Wenn sie sich nicht entblödet, den Auftritt des OB-Sohnes in einer Kuppelshow über Wochen zum Top-Thema aufzublasen, dann finde ich das durchaus glossenwürdig.

    Ich habe 10 Jahre Lokaljournalismus gemacht (in Göttingen), und ich fand damals schon, man macht sich unnötig klein, wenn man versucht, mit solchem Quatsch große, weite Welt zu simulieren. Ich glaube, ich habe gelernt, wie guter Lokaljournalismus aussieht – so jedenfalls nicht.

    Was „Bachelor doof“ betrifft: Ja, doof. Publikumsverarsche mit Rollenbildern aus 50ern. Das nicht sagen zu sollen, erinnert mich an das Argument, man dürfe die Bild nicht kritisieren, weil man sich damit über „den Mann auf der Straße“ erhebe. Ich lese weder die Bild noch gucke ich den Bachelor – ob ironisch oder unironisch.

  7. Das ist schon alles sehr meta-meta. Aber mir hat das Lesen wirklich Spaß gemacht, Stefan. Und ich finde Daniel Benedicts Bemühen sehr sympathisch. Und sogar Niko Griesert kommt besser weg, als es ein Bachelor-Kandidat eigentlich verdient.

    Das mag an meiner eigenen Piefigkeit und Befindlichkeit als Bürger einer kleinen Schlfastadt im Kreis Offenbach, der hässlichen kleinen Stiefschwester Frankfurts, der kleinsten Großstadt der Welt…

  8. @ Kritischer Kritiker: Den Kommentar hatte ich gestern bereits in anderer Form verfasst, ihn wieder gelöscht und mir gedacht: „Ne, lass das mal sacken, morgen früh lachst du da auch drüber.“ War aber nicht der Fall.

    Dass die NOZ keine össelige Lokalpostille ist, ok. Der Text selbst enthält jedoch 4x das Wort „Lokaljournalismus“. Bei mir entsteht der Eindruck (er mag falsch sein), dass die NOZ hier als Symbol hierfür herhalten muss. Die Kritik, dass die NOZ eigentlich keine Lokalpostille ist (und daher als Beispiel ungeeignet) geht also eher in Richtung Autor, meine ich.
    „(…) man macht sich unnötig klein, wenn man versucht, mit solchem Quatsch große, weite Welt zu simulieren (…)“
    Ist die NOZ eine unwichtige Lokalpostille mit Karnickelzüchtern (Anspielung auf die Offenlegung, die ich bestimmt auch nur falsch verstanden habe) oder nicht? Ist die Großstadt Osna nun groß genug, um große weite Weltsimulation betreiben zu dürfen oder ist es eine kleine Lokalpostille, die sich unnötig klein macht damit? Und wer legt fest, ab wann man über Kurzzeit-Provinzprominenz berichten darf, ohne sich den Spott aus der hochgradig wichtigeren Hauptstadt einzufangen?

    „Was „Bachelor doof“ betrifft: Ja, doof. “
    Ja, natürlich doof. Da würde sogar Andreas Müller zustimmen.
    Das war aber nicht mein Punkt, sondern die Ambivalenz zu den älteren Kuttner-Artikeln, die das als guilty pleasure framen. Hier wird dann aber, sorry, großkotzig raushängen gelassen, dass man das ja eh nicht guckt (SN, nicht Sie).
    Außerdem kritisiert der Artikel nicht die Sendung „Bachelor“.

    Aber gut, war alles gar nicht so gemeint, ich verstehe nur die Ironie nicht und daher sind meine subjektiven Eindrücke Unterstellungen.
    Also, weiterlachen!
    Ich schlage vor, im Februar ein launiges Stück über die Berichterstattung zum Provinzkarneval in Pusemuckel seitens der Pusemuckeler Sonntagszeitung zu machen. Weil das in Berlin so wichtig ist.

  9. Vielleicht kann ich wenigstens das mit der Offenlegung klären. Ich habe geschrieben, dass ich damals für die „Neue Osnabrücker Zeitung“ über Karneval, Kaninchenzüchter und Kommunalpolitik geschrieben habe, weil ich damals für die „Neue Osnabrücker Zeitung“ über Karneval, Kaninchenzüchter und Kommunalpolitik geschrieben habe.

    Es hat keine tiefere Bedeutung, es ist nicht der Versuch, irgendetwas abzuwerten, und nichts davon ist irgendwie ehrenrührig, im Gegenteil. (Okay, der Karneval wäre nochmal ein anderes Thema.)

    Und der Bachelor: Ja, andere Artikel von anderen Autoren framen das hier womöglich als guilty pleasure. Es ist aber nicht mein guilty pleaure. Mein guilty pleasure ist es, auf der Meta-Meta-Ebene über die lokaljounalistische Hyper-Berichterstattung über den Bachelor zu schreiben.

  10. @Anderer Max (#12):

    Der Text selbst enthält jedoch 4x das Wort „Lokaljournalismus“. Bei mir entsteht der Eindruck (er mag falsch sein), dass die NOZ hier als Symbol hierfür herhalten muss.

    Hm, ich weiß gar nicht, was Sie an dem Begriff „Lokaljournalismus“ so empört. Ist doch einfach der Journalismus, der sich mit örtlichen Belangen beschäftigt. Das macht die NOZ nicht nur (siehe Vollredaktion), aber natürlich auch. Ebenso wie die Berliner Zeitungen, die nicht nur über Kanzleramt und Staatsoper berichten, sondern auch über neue Radwege oder einen Kleingartenverein, der einem Wohngebiet weichen soll.

    Ich finde guten, kritischen Lokaljournalismus wichtig. Es ärgert mich, dass er in seiner professionellen Variante vielerorts vom Aussterben bedroht ist. Gerade deshalb kann ich mich über den Bachelor-Kram der NOZ auch nur aufregen: Diese Zeitung hat die Ressourcen und das Personal für guten Journalismus. Warum nutzt sie ihn für sowas? Warum macht sie Osnabrück klein, indem sie so tut, als sei ein Trash-TV-Teilnehmer aus der Nachbarschaft für die Stadt eine große Sache? Das hat sie nicht verdient.

    Ich kenne das auch aus Göttingen (dort war es, glaube ich, eine DSDS-Kandidatin). Klar kann man sowas mal erwähnen – aber wenn es über Tage und Wochen zum beherrschenden Thema wird, dann entsteht der Eindruck: Wir machen das, weil es hier sonst nichts zu berichten gibt. Und das ist a) falsch und b) ein Armutszeugnis.

    P.S.: Auf den Kaninchenzüchterverein hätte Herr Niggemeier verzichten können. Der ist ein Klischee, selbst wenn er wirklich drüber geschrieben hat.

  11. „Schon wieder Schluckauf. Es ist einfach so unglaublich lustig.“
    Ja, ich fand’s ehrlich lustig. (Schluckauf kriege ich nur von sehr viel Lachen). Nicht wegen Bachelor, nicht wegen Osnabrück, sondern weil ein, zwei Artikel über einen angehenden Bachelor, dessen Vater irgendwas in der osnabrücker Politik macht oder so, gereicht hätten, oder meinetwegen zwei und ein Interview.
    Und weil die Artikel tatsächlich zwischen Selbstironie und zerknacksten Stolz hin und her schwanken.

    Was soll ich denn sagen? Ich komme aus der Stadt der Fern-Uni. Das Tollste an der Stadt ist also sogar so toll, dass man deswegen die Stadt nicht besuchen muss.
    Immerhin muss ich nicht in Berlin wohnen.

  12. @Anderer Max: Mir ist grundsätzlich nicht ganz klar, weshalb Spott über Provinzialität problematisch sein soll. Als Klischee steht dem Landei ja der weltfremde Städter gegenüber, der sich aus drei Bäumen nicht herausfindet und keinen Nagel grade in die Wand bekommt. Sollen Prenzlauer-Berg-Witze ok sein, Kleinkleckersdorf-Witze aber nicht – und wenn, warum? Frage von (Ex-)Landei zu Landei.

    Sie betrachten das ja anscheinend als „Treten nach unten“, also (Groß-)Stadt=oben und Dorf=unten (mit Osnabrück ja irgendwo dazwischen). Ist das so? Ich denke, da könnte man dicke Bücher drüber schreiben (hat man sicher auch), und am Ende würde ich sagen: in gewisser Weise ja, aber nicht so, dass sich Spott und Witze verbieten würden. Nur zwei Aspekte: Großstadt ist alles von Blankenese bis Wilhelmsburg, von der Millionenvilla bis zum Obdachlosentreff, also von ganz oben bis ganz unten. Land ist deutlich weniger differenziert, aber auch mit deutlichen Unterschieden von Frankfurter Speckgürtel bis Niederlausitz. Was also vergleicht man?

    Zweiter Aspekt: Es gibt eine Art natürlicher Inferiorität des Landes gegenüber der Stadt. Weniger im Sinne von oben und unten als eher von vorn und hinten, von progressiv und konservativ. „Natürlich“ in dem Sinne, dass es nicht Resultat von Diskriminierung ist, sondern in der Struktur von Stadt und Land selbst angelegt ist.

    Ein Beispiel für gelungenen ironischen Umgang mit Stadt-Land-Klischees ist für mich Rainald Grebe. Vom bösen „Brandenburg“ über „Auf’s Land“ bis zur spöttischen Liebeserklärung an die provinzielle Heimat „Frechen“. Und um mal wieder ein bisschen aufs Thema zurückzukommen: Ich finde auch diesen Text irgendwo zwischen spöttisch und liebevoll, aber nirgendwo bösartig. Ja, und auch witzig.

    Und im Übrigen hat der Kritische Kritiker recht.

  13. Uni-Stadt ohne Uni und Zwieback-Stadt ohne Zwieback. Bitter. Was sagt die Westfalenpost – könnte ein Bachelor helfen?

  14. @earendil und andere: Ich habe mich damit abgefunden, dass das nur in meinem Kopf ist, da anscheinend niemand anderes ähnliche Emotionen beim Lesen des Texts empfunden hat.

    Sicher „darf“ man Witze über Provinzialität machen – in seinem eigenen Blog darf generell Alles, was auch gut so ist. Die (Haupt)zielgruppe hier fand das ja auch lustig, von daher, Ziel getroffen. Ich habe geschildert, wie der Artikel auf mich wirkte. Und kann -ich habs mir eben zum dritten oder vierten Mal durchgelesen- nicht darüber lachen. Das geht bei der Einleitung los. Für mich liest sich das, wie ein Zoobesuch im 19. Jahrhundert. Guckt euch nur diese verrückten Landeier an, nix zu tun, als sinnlos über den Quatschelor zu berichten. Das Ziel des Spotts ist m. E. nicht das richtige.

    Ein Beispiel noch, dann habe ich echt keine Lust mehr:
    „Anscheinend sind die ortshungrigen Zeitungsleute von der desinteressierten RTL-PR-Maschine ausgebremst worden, die streng darauf achtet, dass alles schön nichts bleibt.“
    Hier schwingt im Unterton mit, dass man gegen so eine RTL PR Maschinerie nichts machen kann. Das haben die doofen Landeier aber halt noch nicht kapiert. Das Problem ist m. E., dass hier über die doofen Landredakteure gelacht wird, die nichts verstehen und nicht über die Pudding-an-die-Wand PR-Maschine von RTL. Das Opfer des Spotts ist gleichzeitig das Opfer des Systems, das er anscheinend nicht versteht.

    Und sowas steht dann meiner Meinung nach in Kontrast zu solchen starken aussagen aus dem Artikel von einem Tag vorher:
    „“Bild“ besteht hingegen regelmäßig darauf, aus Opfern von Unfällen und Straftaten auch Opfer von „Bild“ zu machen.“
    Meines Erachtens einer der stärksten Sätze, die SN jemals geschrieben hat.
    Wahrscheinlich sehe ich das zu eng, okay. Aber warum müssen hier die Opfer der RTL PR Maschine auch zu Opfern von übermedien-Spott werden? Quantitativ sicherlich nicht vergleichbar, qualitativ aber schon, finde ich.
    Ich hatte bis hierhin übermedien anders verstanden.
    Aber ich bin auch nicht die Humorpolizei.

    „wie natürlich, auf eine Art, dieser Text auch“
    „Mein guilty pleasure ist es, auf der Meta-Meta-Ebene über die lokaljounalistische Hyper-Berichterstattung über den Bachelor zu schreiben.“

    Wie gesagt, es scheint Alles nur in meinem Kopf zu sein, denn es war ja nicht so gemeint, wie es bei mir ankam. Mal sehen, ob das zukünftig als Argument durchgeht, wenn z. B. die Bildzeitung oder AfD mal wieder etwas nicht rassistisch gemeint hat.
    Dann kommt der überaus weise Andreas Müller und wird hierauf verweisen und sagen „Wieso, wenn jemand sagt es war nicht so gemeint, war es nicht so gemeint, sagen Sie doch selber!“

    Die Menge an Zeit, die ich hier zum Kommentieren reingesteckt habe ärgert mich viel mehr, als der Artikel selbst.
    Schönes Wochenende

  15. @Anderer Max: Auf machen Plattformen werden einem zwei Bewertungen ausgewählt: Beste Positive und Beste Negative. Ihre war für mich die (bisher) nützlichste Negative, denn ich kann ein paar Punkte mitfühlen.

    Aus meiner Sicht: Das Traurige an der NOZ und deren wirklich großen Probleme sind nicht der Versuch mit diesem Thema zu unterhalten, sondern die politischen Kommentare und die Abbau der eigenen Qualität durch mehr Aufmerksamkeitsheische bei ernsten Themen.

    Andererseits lese ich Übermedien auch zur Unterhaltung. Oft schaffen es die Artikel überraschende Aspekte, die unterhaltend sind, so darzustellen, dass sie ernste Einsichten ermöglichen. Bei diesem Artikel fand ich das zu sehr im Ungleichgewicht, obwohl ich manche Passagen dann doch sehr unterhaltend fand.

    @Stefan Niggemeier #2: Ja, reichte schon lange. ;) Strukturell zeigte der Artikel auf, wie diese Wiederholung zuviel wird und das Thema den Exzess befördert. Darin ist er auf der zweiten Meta-Ebene gelungen. Und er ist wohl aus einer persönlichen Verbundenheit entstanden. Finde ich alles in Ordnung, wünsche mir aber weniger Artikel dieser Art.

  16. Moin moin,

    bei dem Titel musste ich leider an den Song „Das große Glück im Zug nach Osnabrück“ denken. Hoffentlich nur dem Zufall geschuldet, das Glück sich nun mal auf Osnabrück reimt.

    Also insgesamt finde ich, dass die Qualität der NOZ in den letzten Jahren eher nicht gestiegen ist….

    Ansonsten ein interessantes Stück über die NOZ aus Osnabrück.

    VG TJ

  17. Also für mich war dieses Niggemeier-Porträt eigentlich sehr schön. Die Aufregung war noch größer als bei der Amazon-Doku zur „Bild“, wo alle gesimst haben, weil einmal meine Autorzeile in die Nahaufnahme gerät. Beim „Bachelor“ war es jetzt noch viel spannender, weil wirklich alles dabei war: Empörung, Trost und erregte Gratulantionen. Die RTL-Sprecherin hat persönlich kondoliert. Besonders freue ich mich, dass meine Provinzialität noch überzeugt. Ich wohne für diese Staffel ja eigentlich schon viel zu lang in Charlottenburg. Manche Witze trau ich mir gar nicht mehr, wegen der Aktualität. Danke also für alles. Wenn ich trotzdem ein kritisches Wort sagen darf? Stefan Niggemeier ist – Wolfgang Griesert selbst vielleicht ausgenommen – wirklich der einzige Mensch, der die Kritik von Folge 1 für einen positiven Bericht über den Oberbürgermeister hält. Fellow-Osnabrücker, lest ihn selbst; er ist lustig und liegt, glaube ich, sogar vor unserer Paywall. Ich brauche die Klicks.

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