Die Kolumne
Peter Breuer ist freier Werbetexter aus Hamburg und geht für Übermedien regelmäßig zum Bahnhof, aber nicht zum Zug, sondern in den Kiosk. Dort zieht er Magazine aus den Regalen und schreibt drüber.
1999 stellte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nach 19 Jahren ihr wöchentliches „F.A.Z. Magazin“ ein. Ursprünglich gestaltet von Willy Fleckhaus und kongenial fortgeführt von Hans-Georg Pospischil war das „F.A.Z. Magazin“ eine Design- und Fotografie-Instanz. Für die Bildsprache standen legendäre Illustratoren wie Seymour Chwast und Heinz Edelmann und Fotografen wie Hermann Dornhege und Serge Cohen. Oder auch Stephan Erfurt, der nach dem Ende des Magazins sehr erfolgreich das Ausstellungshaus für Fotografie c/o Berlin mitgründete. Das „Frankfurter Allgemeine Magazin“, das seit 2013 monatlich einer Samstagsausgabe beiliegt, hat mit dem ursprünglichen Heft wenig gemein – es ist ein Mode-Uhren-Lifestyle-Supplement, das potenten Werbekunden einen Anzeigenplatz mit feinerem Druckraster auf Hochglanzpapier ermöglicht.
Seit drei Wochen gibt es nun die „Frankfurter Allgemeine Woche“ am Kiosk. Etwas weniger hoch als DIN A4 und durchgehend vierfarbig auf 68 Seiten eines zu leichten Bilderdruckpapiers gedruckt. Vielleicht ist es endlich das wahre Revival des Magazins – auch wenn es dieses Mal nicht der Zeitung beiliegt, sondern separat für 3,50 Euro verkauft wird. Aber dann klappt man das Inhaltsverzeichnis auf und fragt sich unwillkürlich: „Was ist das? Warum gibt es das? Jede einzelne dieser Nachrichten habe ich diese Woche schon gelesen – in meiner Tageszeitung, irgendwo im Netz und vielleicht sogar auf der Internetseite der F.A.Z.“
In der aktuellen Ausgabe sind das zum Beispiel die Abschaffung des 500 Euro-Scheins – eine Maßnahme, von der die EZB sagt, sie diene der Bekämpfung der Geldwäsche. Kritiker sehen darin wahlweise einen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung oder ein Druckmittel, mit dem durch die Angst vor Strafzinsen der Konsum erzwungen werden solle. Es geht um den Anti-Eliten-Verdruss der europäischen Populisten, die TTIP-Leaks, die Verschärfung der europäischen Waffengesetze und auch ein bisschen um Donald Trump. Ihm wird angesichts seiner angekündigten Zurückhaltung bei der militärischen Intervention an internationalen Krisenherden der richtige Riecher für die Wünsche des Wahlvolks bescheinigt.
Das sind keine langen Geschichten, gerade mal zwei Themen werden über zwei Doppelseiten erzählt. Es gibt nur puren Text, keine spielerischen Elemente und nur eine einzige, dafür allerdings interessante Reportage über die Porzellanherstellung in Arita, dem japanischen Meißen. An dieser Geschichte lässt sich auch das Problem des Magazins festmachen: Der Autor Stephan Finsterbusch war Anfang des Jahrtausends sechs Jahre für die F.A.Z. in Tokio, und seine Perspektive ist nicht die eines Touristen. Er schreibt seinen Text in einem abwechslungsreichen Rhythmus, bettet Informationen zu Geschichte und Kontext geschickt in seine Prosa aus kurzen Sätzen ein. Dazu spart er mit gutem Timing eine gelungene Pointe für den Schluss auf, ohne sie zu überspannen. Das ist leicht und schön – wie Porzellan.
Peter Breuer ist freier Werbetexter aus Hamburg und geht für Übermedien regelmäßig zum Bahnhof, aber nicht zum Zug, sondern in den Kiosk. Dort zieht er Magazine aus den Regalen und schreibt drüber.
Nebenbei kann Stephan Finsterbusch sehr gut fotografieren und hat das in der Porzellanmanufaktur von Arita auch getan. Leider lässt das enge Layout nur den Einsatz in Briefmarkengröße zu. Was wirklich schmerzt, ist ein aus einer Stockagentur zugekauftes, stilistisch anderes und völlig beliebiges Bild einer Töpferscheibe unter dem lapidar steht: „Eine Vase entsteht“. Die Welt ist groß und irgendwo entsteht immer gerade eine Vase.
Das Layoutraster ist so simpel und starr, als hätte jemand nicht sehr viel Zeit gehabt: Die jeweilige Rubrik ist in roten Versalien in einer News Gothic gesetzt, darunter steht in derselben Type und ebenfalls in Großbuchstaben die Headline. Dann kommt ein kurzer Vorspann in einem leicht größeren Schriftgrad als der Fließtext. Kleine Fotos sitzen über der Headline, große Fotos gibt es auf der Einzelseite oder der Doppelseite im Anschnitt. Damit ist gestalterisch schon fast alles erzählt. Es ist nicht unansehnlich, aber das ist das „fondsmagazin“ der DekaBank auch nicht.
Leider wirkt die „Frankfurter Allgemeine Woche“ in der Zusammenstellung von Texten, Bildern und Typografie mutlos. Johannes Pennekamp zum Beispiel entkräftet das Gejammer der über Vierzigjährigen über die angeblich hedonistische und allein auf ihre Work-Life-Balance bedachte Generation Y. Sein Text stellt sich gegen einen Trend, was gut ist, aber wer steigt schon freiwillig in eine Geschichte ein, die mit einem Foto in Bewegungsunschärfe verwischter Menschen in irgendeiner Unterführung aufmacht? Dazu die schlappe Bildunterschrift: „Immer auf dem Sprung: Die Zahl der Berufspendler unter den Jungen hat stark zugenommen.“ Das zweite illustrierende Bild ist übrigens eine Hängematte, unter der steht: „Von wegen Hängematte: Die Jungen sind fleißig.“
Die Frage, was dieses Wochenmagazin sein soll, beantwortet die F.A.Z. in den Mediadaten zum Magazin: „Das Magazin ist auf die spezifischen Ansprüche der jungen Elite zugeschnitten, einer Zielgruppe, die ‚always on‘ ist. Sie hat den Wunsch nach einer regelmäßigen Zwischenbilanz im Nachrichtenstrom.“ Das klingt nach Satire, scheint aber als Werbung gemeint zu sein. Und Dr. Nikolaus Busse, der verantwortliche Redakteur, sieht die bis 49-Jährigen – seit einigen hundert Jahren die einzig wahre werberelevante Gruppe – als Newsfeedleser, die keine Zeitung mehr lesen. Deshalb fasse die „F.A.Z. Woche“ die letzten Tage zusammen und zwar, wie er es sagt: „eben nicht in der epischen Breite wie der Wettbewerb, sondern wie man es aus der Zeitung kennt“. Damit hat er gleich zum Start das Problem in zwei Sätzen zusammengefasst: Ein Magazin für Leute, die aufgrund veränderter Lesegewohnheiten keine Zeitung mehr lesen, im Stil einer Zeitung zu machen – das klingt so widersprüchlich, wie es sich schließlich anfühlt.
*) Wechseljuicer gehören zu einer urbanen, jungen Elite, die „always on“ ist und Wert auf Ernährung von Märkten legt. Der Begriff ist relativ neu und wurde von einer in Berlin lebenden Flexitarierin erfunden. Möglicherweise wird er sogar das Bionade-Biedermeier auf Dauer ablösen.
Frankfurter Allgemeine Woche, 6. Mai 2015
68 Seiten, 3,50 Euro
Verlag: Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH
Hat sich ja das Übermedien Abo fast wieder gelohnt, fehlen noch 49 Cent die ich verlesen muss.
Nur: die Briefmarkengröße im FAZ Magazin mokieren, nur hier lassen sich die Fotos auch nicht anklicken und vergrößern.
Was ist denn das für 1 Life?
Geht es nur mir so? Die Titelillustration arbeitet doch mit antisemitischen Stereotypen …
Wieder sehr knorke!
Tolle Kolumne, freu mich immer.
Schließe mich aber Vorposter an: dass man die Bilder nicht anklicken und besser aufgelöst vergrößern kann….
Ts Ts Ts.
( vermute Urheberrechtliches)
Trotzdem. Immer wieder gern.
Die Kolumne ist für mich immer wieder ein Highlight. Klasse!
Meine Lieblingskolumne. Ich habe mich sehr gefreut, daß ich auf den Hinweis hin seinerzeit das Hohe Luft- Magazin gekauft habe!
Verstehe ich zwar. Aber zwei Einwände:
Ich empfinde das „langweilige“ Layout als angenehm und schätze das! Bei einem Roman kann man doch genauso seitenweise dem selben Blocksatz lesen ohne sich Einschüben, Einrückungen oder Fotos zu wünschen.
Es ist kein Widerspruch, dass jemand statt täglich zur Tageszeitung einmal wöchentlich zur FAW greift. Wer sonst wenig Zeit hat und sich flüchtig am Smartphone informiert, mag vielleicht das abgeschlossene Format auf Papier.
Ich selber bin dessen ungeachtet nicht von der FAW überzeugt, da es lediglich viele (wenn auch interessante) Artikel zusammenführt, die so auch in der FAZ stehen könnten. Da lese ich lieber andere Wochen-Periodika.