Die Gesprächspartnerin

Jana Fischer ist freiberufliche Comedy- und Satire-Autorin und schreibt regelmäßig für die „heute show“ im ZDF, die „Carolin Kebekus Show“ in der ARD und Satire-Beiträge für WDR 5.
Woche für Woche bringen Oliver Welke oder Carolin Kebekus in ihren Sendungen die Menschen im Studio und zuhause zum Lachen. Die Witze denken sie sich aber meistens nicht selber aus. Sie werden dabei von Gagautorinnen und -autoren unterstützt. Eine von ihnen ist Jana Fischer. Im Gespräch mit Übermedien erklärt sie, wie sie Witzerschreiberin wurde, wie ihr Alltag aussieht und wie man Erwartungen des Publikums bricht.
Jana Fischer ist freiberufliche Comedy- und Satire-Autorin und schreibt regelmäßig für die „heute show“ im ZDF, die „Carolin Kebekus Show“ in der ARD und Satire-Beiträge für WDR 5.
Frau Fischer, Sie schreiben hauptberuflich Witze. Woher wissen Sie, dass ein Witz nicht nur in Ihrem Kopf lustig ist?
So ganz weiß ich das nie. Es ist eine Mischung aus Erfahrung und Bauchgefühl. Trotzdem passiert es, dass ein Witz in meinem Kopf lustig ist und im Publikum total versandet.
Und wie finden Sie das dann?
Wenn mir der Witz selbst gefällt und ich damit im Reinen bin, finde ich das nicht tragisch. Aber ich muss ihn ja auch nicht performen. Fernsehshows sind am Ende auch nur eine kurze Momentaufnahme, bei der ein sehr kleines Publikum entscheidet, ob das jetzt lustig war. Da ist es oft schwierig, abzuwägen, ob der Witz tatsächlich handwerklich nicht funktioniert hat oder ob er bei einem anderen Publikum mehr gezündet hätte.
Sie schreiben unter anderem für die „heute show“ und die „Carolin Kebekus Show“ – beide haben unterschiedliche Zielgruppen. Ist das schwierig?
Nur, weil man Witze für eine Sendung einreicht, muss man ja nicht 100 Prozent der Witze komplett fühlen. Aber es ergibt schon Sinn, dass man den Humor der Sendung mag, für die man schreibt. Obwohl die „heute show“ und die Kebekus-Show von der Humorfarbe relativ unterschiedlich sind, geht die politische Haltung bei beiden in eine ähnliche Richtung, zumindest empfinde ich das so. Sie unterscheiden sich eher in den Themenschwerpunkten und den Referenzen: Also Oliver Welke würde nicht unbedingt auf Gilmore Girls Bezug nehmen und Carolin Kebekus würde wohl keine Wortspiele mit Filmen aus den Achtzigern machen. Daran muss ich beim Schreiben denken.
Kann man witzig sein lernen?
Ich glaube, jeder kann humortechnisch dazulernen. Selbst wenn man eine Grundaffinität dafür mitbringt, wacht man nicht auf und kann auf Kommando gute Witze raushauen. Man muss das üben. Bestimmt haben manche trotzdem bessere Voraussetzungen dafür: Selbst, wenn ich jetzt ganz viel Mathe üben würde, würde aus mir keine Mathematikprofessorin mehr werden.
Wie funktioniert ein Witz?
Witze spielen immer mit einer Form von Erwartungsbruch: Der Satz geht auf eine Art weiter, mit der man nicht rechnet. Zum Beispiel, indem man einfach das Gegenteil von dem sagt, was erwartet wird. Oder eine überraschende Analogie bringt. Während der Corona-Pandemie habe ich für die Sendung „Kroymann“ (ARD) zum Beispiel mal eine „Mathe-Leugnerin“ erfunden, die analog zu den Querdenker-Protesten die Grundrechenarten angezweifelt hat. Oder ein Wortspiel. Wenn zum Beispiel Boris Pistorius einen „Bad Heer Day“ hat. Der gemeinsame Nenner ist die Überraschung. Aber weil alle natürlich den ganzen Tag lang Witze auf Social Media konsumieren, ist es gar nicht so leicht, noch zu überraschen. Oft ahnt man schon, was gleich die Punchline sein wird. Es gibt aber auch Lacher, die aus einem Tabu-Gefühl herauskommen. Nach dem Motto: Oh Gott, hat er das jetzt wirklich gesagt? Oder man lacht, weil etwas einfach nur absurd ist, wie bei Monty Python.
Wie schafft man es, dass dieser Erwartungsbruch auch wirklich überraschend kommt?
Auf der sprachlichen Ebene gibt es im Grunde zwei Regeln. Erstens: Der überraschende Teil muss möglichst spät im Witz kommen. Das ist erstmal relativ logisch, die Pointe kommt zum Schluss. Aber nach der Pointe sollten keine lästigen Füllwörter oder restliche Teile des Satzes kommen. Alles, was danach noch an Satz-Rattenschwanz kommt, lässt die Spannung wieder abfallen.
Und die zweite Regel?
Der Weg zur Pointe muss möglichst kurz sein. Wenn der Witz fertig ist, prüfe ich nochmal: Brauche ich wirklich jedes Wort in dem Satz? Oft fallen Zusatzinformationen auf, die den Weg bis zur Pointe verlängern und die Ungeduld des Publikums vergrößern.
Und dann muss man den Witz noch gut erzählen.
Das ist nochmal eine ganz andere Baustelle. Ich könnte dieselben Witze wie Oliver Welke oder Carolin Kebekus erzählen und würde dafür nicht annähernd so viele Lacher bekommen. Es wird unheimlich viel über die Perfomance rausgeholt. Schon oft sind Witze von mir in der Show gelandet, von denen ich nicht ganz so begeistert war. Bei der Sendung ist das Publikum dann aber trotzdem richtig abgegangen – weil die Witze von den Hosts so gut performt wurden.
Witz ist ja nicht gleich Witz. Was sind die Unterschiede zwischen Comedy und Satire?
Comedy ist der Überbegriff für alles, was uns zum Lachen bringt. Satire ist eine bestimmte Spielform von Humor, die sich auf einen realen Gegenstand bezieht und eine kritische Haltung dazu hat. Aber es ist nicht immer so, dass jede Sendung nur Comedy oder nur Satire ist. Die „heute show“ arbeitet sich grundsätzlich satirisch an den Nachrichten ab. Trotzdem haben wir da zwischendurch einzelne Witze drin, die isoliert betrachtet keine Haltung transportieren.
Zur Zeit werden oft Witze über das Haarbüschel von Friedrich Merz gemacht. Ist das wirklich originell?
Stimmt, das war auch mal bei der Kebekus-Show Thema, bei der wir eine Badekappe mit dem Haarbüschel von Friedrich Merz designt haben. Ich würde nicht behaupten, dass da eine tiefere satirische Botschaft dahintersteckt, auf die ich besonders stolz bin. Es ist einfach Quatsch. Aber ich musste darüber lachen. Ich verstehe natürlich trotzdem jeden, der sagt, sowas ist mir zu flach. Und bei Frauen wäre man bei Frisurenwitzen auch nochmal deutlich kritischer. Trotzdem ändert das nichts daran, dass ich darüber lachen musste. Also, ist das originell? Ich würde sagen, das Thema an sich nicht – und ob der konkrete Witz an sich dann originell ist, kommt auf den Einzelfall an.
Gab es schon mal Gags, die so verletzend waren, dass sich die Chefetage oder die Rechtsabteilung eingeschaltet hat?
Die witzigen Teile sind von einer juristischen Bewertung im Normalfall nicht betroffen. Satire ist juristisch von der Kunstfreiheit geschützt – da muss man schon recht heftig austeilen, damit etwas nicht mehr erlaubt ist. Die Grenzen sind erst da, wo etwas als Schmähkritik eingestuft wird oder die Privats- oder Intimsphäre von Menschen verletzt. Wenn rechtliche Einschätzungen eingeholt werden, geht es eher um journalistische Tatsachenbehauptungen. Zum Beispiel: Welche Begriffe dürfen gerade im Zusammenhang mit der AfD verwendet werden? Ob ein Witz zu gemein ist, versuche ich immer beim Schreiben direkt zu checken, indem ich mich frage: Ist das ein Witz, den ich der Person auch guten Gewissens ins Gesicht sagen könnte?
Wie sind Sie eigentlich Witze-Autorin geworden?
Ich habe schon immer gerne Quatsch geschrieben, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass mir jemand Geld dafür zahlen könnte. Ich habe beim WDR volontiert und eine meiner Stationen war in der Unterhaltungsredaktion von WDR5. Mein erster Satire-Beitrag dort war eine Songparodie, bei der ich „MfG“ von den „Fantastischen 4“ auf „AfD“ umgetextet habe. Ich weiß noch, dass ich an dem Tag nach Hause gegangen bin und gedacht habe: Ach so, ich könnte auch solche Texte schreiben! Nach dem Volo habe ich dann also in dieser Redaktion als freie Autorin angefangen. Ich sage immer: Die Gaga-Texte, die ich im Schulunterricht aus Langeweile unterm Tisch geschrieben habe, haben mit meinem heutigen Job wahrscheinlich mehr zu tun als das meiste, was vorne an der Tafel erzählt wurde.
Wie sieht Ihr Alltag aus?
Sehr unterschiedlich. Es kommt darauf an, für welches Format ich schreibe, und auf den Wochentag. Bei der „heute show“ ist es ein bisschen wie bei der Referatsvergabe in der Schule. Anfang der Woche legt Oliver Welke als Head-Autor die Themen fest, die in der nächsten Sendung vorkommen sollen. Wir Autoren werden in Teams eingeteilt und beugen uns dann zu zweit oder zu dritt über einen Bildschirm und denken uns Witze aus. Bei der Kebekus-Show sucht jede Autorin nach möglichen Themen für den Stand-Up der Show und der Head Autor trifft eine Vorauswahl, zu der wir dann alle Gags runterschreiben, die uns einfallen. Wir schreiben immer viel mehr Witze, als dann tatsächlich genommen werden. Über 90 Prozent fliegen meistens raus.
Wer entscheidet, was rausfliegt?
Bei der „heute show“ hat Oliver Welke das letzte Wort, weil er sowohl Moderator als auch einer der zwei Head Autoren ist. Bei der Kebekus-Show trifft Claudius Pläging als Head Autor eine Vorauswahl, überarbeitet und kürzt Skripte und schreibt schon mal einen ersten Entwurf für den Stand-Up. Dann überarbeitet und ergänzt Carolin Kebekus das Ganze um ihre Witze. Es gibt auch persönlichere Moderationsparts, die dann direkt von ihr kommen – da ergäbe es wenig Sinn, dass wir schon mal Ideen vorlegen.
Schreiben die Gäste bei der „heute show“ ihre Einspieler selbst oder macht das auch das Autorenteam?
Es gibt Leute, die das selbst schreiben, zum Beispiel Friedemann Weise oder Till Reiners. Die meisten Gäste sind aber Schauspieler:innen, für die dann die beiden Head Autoren Oliver Welke und Morten Kühne die Witze schreiben.
Bekommen Sie für Ihre Arbeit auch redaktionelle Unterstützung?
Ja, zum Glück! Bei der „heute show“ haben wir eine journalistische Redaktion, die in der Vorwoche immer ein sehr langes Dossier mit Themenvorschlägen erarbeitet. Wirklich sehr lang – rein von der Länge her haben wir da jede Woche eine Bachelorarbeit liegen. Auf der Grundlage wählt Oliver Welke dann aus, welche Themen er in der Show sieht. Und wir können die Redaktion jederzeit fragen, wenn wir konkrete Details schnell wissen müssen und zum Beispiel nicht mehr durchsteigen, wer was bei den Taurus-Lieferungen genau versprochen hat.
Sie müssen den ganzen Tag über witzig sein – haben Sie nach der Arbeit auch privat noch Freude an Comedy?
Ich habe zum Glück keinen beruflichen Comedy-Overkill. Wenn das so wäre, müsste ich mir über meine Berufswahl Gedanken machen, weil mir das für mein Privatleben zu traurig wäre. Zum Abschalten konsumiere ich aber schon lieber Darstellungs- oder Humorformen, die nicht so viel mit meiner Arbeit zu tun haben. Wenn ich eine Woche lang nur Politsatire geschrieben habe, schaue ich mir abends lieber eine Sitcom an. Aber ich hatte noch nie in meinem Leben das Gefühl: Jetzt hab ich genug gelacht.
Johanna Bernklau studiert Journalismus in Leipzig und war Autorin für die Medienkolumne „Das Altpapier“ beim MDR. In den Journalismus hat sie durch ein Volontariat bei der „Passauer Neuen Presse“ gefunden. 2022 und 2023 war sie Mitglied in der Jury des Grimme Online Awards. Für Übermedien betreut sie die Serie „Wieso ist das so?“. Wenn Sie ein Thema haben, dem wir nachgehen sollten, dann schreiben Sie Johanna Bernklau eine Mail.
Mein Traum: „Ich wollt, ich wär ein Huhn*
Ich hätt nicht viel zu tun
Ich legte täglich nur ein Ei und sonntags auch mal zwei“.
*Huhn durch Gagschreiber ersetzen.
Zitat von Hans-Fritz Beckmann.
Sehr interessanter Einblick – danke!
@ #1: Total sympathisch, anderer Leute Profession als simpel abzuqualifizieren. Werden Sie halt selber Gagschreiber, wenn Sie sich nach einem einfachen Hühnerjob sehnen. Es herrscht freie Berufswahl.
Wirklich interessante Einblicke. Danke!
Spannender Beitrag. Interessant wäre noch die Frage, ob in der Heute Show auch Lacher eingespielt werden. So kommt es mir zumindest oft vor, weil so witzig ist das da dann doch nicht. Aber das fällt vermutlich unters Betriebsgeheimnis.
Spannender Beitrag. Interessant wäre noch die Frage, ob in der Heute Show auch Lacher eingespielt werden. So kommt es mir zumindest oft vor, weil so witzig ist das da dann doch nicht. Aber das fällt vermutlich unters Betriebsgeheimnis.j