Anfang der Woche meldeten fast alle großen deutschen Medien unisono denselben Erfolg der Impfungen gegen Covid-19: „WHO: Eine Million durch Impfung gerettet“, titelte „Heute“, „Corona-Impfung rettete viele Leben“, berichtete die „Tagesschau“, „Corona: Impfstoff rettete laut WHO in Europa mehr als eine Million Leben“, hieß es bei der „Welt“, „Bericht der WHO: Coronaimpfstoffe retteten in Europa mehr als eine Million Leben“, verkündete der „Spiegel“, und in Österreich wusste das Wissenschaftsportal des ORF: „WHO: Impfstoffe retteten in Europa über eine Million Leben“.
Die Nachricht stand auf den Titelseiten vieler Zeitungen; in der „Welt“ war sie prominent als „Die gute Nachricht“ des Tages auf Seite 3 aufgemacht.
Der Autor
Andrej Reisin ist freier Journalist. Er ist seit 2024 vor allem als CvD für das Content-Netzwerk funk von ARD und ZDF tätig und berichtet bei Übermedien und im Medium Magazin regelmäßig über Medienthemen sowie bei 11 Freunde über Fankultur. Er hat zuvor u.a. für die „Tagesschau“, „Panorama“ und „Zapp“ gearbeitet und für zahlreiche Publikationen (u.a. Spiegel, taz, Politik und Kultur) geschrieben, war einer der Herausgeber des Weblogs Publikative.org und erhielt mit anderen den Grimme-Preis für die „Panorama“-Berichterstattung zum Hamburger G20-Gipfel.
So weit, so befriedigend: Die Corona-Impfungen haben laut der Weltgesundheitsorganisation also zahlreiche Menschenleben gerettet, mehr als eine Million allein in Europa. Ein toller Erfolg, der manche Journalisten auch zu multiplikatorischem Triumphgeheul auf Twitter verleitete: „Corona-Impfungen retteten in Europa mehr als eine Million Leben. Eine Million!“ rief Florian Klenk, Chefredakteur des österreichischen „Falter“, seinen knapp 340.000 Followern zu. Und der „Spiegel“-Journalist Marius Mestermann nutzte die Gelegenheit, um Kritiker:innen der Corona-Maßnahmen eine mitzugeben: „Das werden einige, die sich vehement eine Aufarbeitung der Pandemie(politik) wünschen, vermutlich nicht gerne lesen.“
Kein kritisches Hinterfragen
Nun ist es bei rationaler Betrachtung keine Frage, dass die Impfungen sehr viele Menschen vor schwerer Krankheit, Spätfolgen oder gar dem Tod bewahrt haben. Auch ich bin davon persönlich überzeugt – und als Ü40-Jähriger mit Übergewicht, Asthma und vorgeschädigter Lunge besonders dankbar für deren Entwicklung innerhalb kürzester Zeit.
Aber: Das entbindet einen leider nicht davon, Zahlen, die derart frohlockend von einer Autorität (WHO) in den Raum geworfen werden, zu prüfen. Zum Beispiel darauf, wie sie sie ermittelt hat. Wozu gibt es schließlich Wissenschaftsjournalismus, der seit der Pandemie ja sogar eine gewisse Führungsrolle innerhalb der Medien beansprucht (und mich schonhäufiger enttäuscht hat)?
Doch von einem kritischen Hinterfragen kann auch in diesem Fall keine Rede sein. Die Artikel scheinen auf eine einzige Quelle zurückzugehen: eine Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa). Sie wurde mit Sperrfrist 00:01 Uhr am Montag, den 17. April, mit Ortsangabe Kopenhagen vom Londoner dpa-Korrespondenten verschickt und trug die Überschrift: „WHO: Covid-Impfstoffe retteten in Europa über eine Million Leben“.
Die Meldung bezieht sich auf einen „Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO, der am Montag veröffentlicht wurde“. Die Zahl von mehr als einer Million sei „auf Grundlage von Todeszahlen und verabreichten Impfdosen in 26 Ländern“ berechnet worden. „Die Wirksamkeit der Impfstoffe wurde je nach vorherrschender Corona-Variante für die jeweiligen Wellen der Pandemie unterschiedlich gewichtet. Indirekte Auswirkungen der Impfungen seien nicht berücksichtigt worden“, heißt es weiter. Und: „Die meisten Menschen (96 Prozent), die durch die Impfstoffe gerettet wurden, waren laut dem Bericht älter als 60 Jahre. Besonders viele Todesfälle konnten während der Omikron-Welle verhindert werden.“
Doch diesen „Bericht“ verlinkt die Agentur nicht, auch nicht in den Notizen, die nur für ihre Kunden sichtbar sind. Auch die Medien, die ihn übernahmen, haben sich offenbar nicht die Mühe gemacht, danach zu suchen, um sich die Quelle der Million Geretteten einmal selbst anzuschauen. Auf Anfrage von Übermedien stellt die dpa zwei Links zur Verfügung, die als Quelle ihrer Meldung dienten. Dabei handelt es sich zum einen um eine Pressemitteilung des „European Congress of Clinical Microbiology & Infectious Diseases“ in Kopenhagen, wo die WHO-Epidemiologin Margaux Meslé die Zahlen präsentierte. Und um eine Kurzzusammenfassung des Berichts.
Noch unveröffentlicht
An dieser Stelle halten wir einmal fest: Der „Bericht“ ist tatsächlich ein Vortrag, der mündlich auf einem Kongress in Kopenhagen gehalten wurde, zu dem es bislang keine veröffentlichte wissenschaftliche Studie gibt, deren Methodik man sich im Detail anschauen könnte. Obwohl in der verlinkten Pressemitteilung ausdrücklich darum gebeten wird, auf den Kongress zu verweisen, unterließ der dpa-Korrespondent das, von der Ortsmeldung „Kopenhagen“ einmal abgesehen.
Auf Twitter wiesen zahlreiche User:innen auf die opake Quelle hin, unter anderem der Ökonom Oliver Beige, der sich selbst mit mathematischer Modellierung beschäftigt.
1. Es gibt im Artikel keine Verlinkung zu einem Paper. 2. Wenn man ein bisschen rumsucht, erfährt man, dass es noch keinen Artikel gibt, nur einen Konferenz-Abstract. https://t.co/IOZ0pfhF0u 3. Der Abstract behauptet, die meisten Leben wären während Omicron gerettet worden. 🤔
Doch Reaktionen der Medienhäuser auf entsprechende Kommentare unter ihren Posts scheint es bis heute nicht gegeben zu haben.
All das, was sich – teils ausgeschmückt – in „Wissens“-Portalen und Rubriken deutschsprachiger Medien fand, beruht also auf einer dpa-Meldung, die ihrerseits auf einer Übernahme einer WHO-Pressemeldung im Zuge des Kopenhagener Kongresses beruht. Ausdrücklich verweist die Quelle – anders als dpa – darauf, dass der Vortrag zwar vom Auswahlkomitee der Konferenz begutachtet (peer-reviewed) wurde, es aber noch keine Publikation gibt, die in einem Wissenschaftsjournal veröffentlicht worden sei.
Ein Fakt-Checking dazu lässt sich so also nicht umstandslos betreiben, es wurde aber vor allem auch gar nicht erst versucht.
Frühere Modellrechnung
Immerhin aber lässt sich von derselben Autor:innen-Gruppe eine andere, frühere Publikation in der europäischen Zeitschrift für Infektionskrankheiten, Epidemiologie, Prävention und Kontrolle, „Eurosurveilance“, finden. Auch darin ging es bereits um die Zahl der durch Impfungen vermiedenen Todesfälle, zum damaligen Publikationszeitpunkt im November 2021 noch ausschließlich bei den Über-60-Jähringen.
Dabei entpuppt sich die Methodik der Studie als mathematische Modellierung. Die Autor:innen benutzten nach eigenen Angaben „Daten aus 33 Ländern, die sowohl altersspezifische Covid-19-Impfdaten als auch nach Alter zusammengefasste Covid-19-Sterblichkeits-Daten für Über-60-Jährige berichteten“. Diese wurden dann in Beziehung zur in den Zulassungsstudien angenommen Effektivität der Impfstoffe gesetzt. Dabei gingen die Autorinnen im „Basisszenario“ von einer Effektivität von 60 Prozent für die erste und 95 Prozent für die erste und zweite Impfung zusammen aus. Modellhaft rechneten sie außerdem auch noch mit zwei anderen Szenarien, einem unteren und einem oberen, die von 50-70 Prozent Effektivität, bzw. 70- 97,5 Prozent Effektivität ausgingen. Dies sollte in etwa die Wirksamkeit der unterschiedlichen Impfstoffe repräsentieren.
Einfach gesagt: Die Autor:innen maßen keine real verhinderten Todesfälle, indem sie zum Beispiel anhand klinischer Daten auswerteten, wie viele Patient:innen mit und ohne Impfung in einem bestimmten Zeitraum an Covid-19 verstorben waren (und diese Daten dann auf Europa hochrechneten). Sie setzten auch nicht die Sterblichkeit und Übersterblichkeit in Beziehung zu Covid-19-Toten. Sondern sie gingen den umgekehrten Weg, indem sie die gemeldeten Covid-19-Toten mit der Anzahl der Impfdosen in Verbindung setzten – und daraus errechnen, wie viele Tote verhindert worden seien, unter der Annahme, dass die Impfstoffe die angegebene Effektivität hatten.
Dabei fallen einige Limitierungen auf, die von den Autor:innen zum Teil selbst thematisiert wurden: So habe man im publizierten Basisszenario nicht zwischen den unterschiedlichen Herstellern und Impfstoffen unterschieden. Da die Datenlage limitiert gewesen sei, sei man (zum damaligen Zeitpunkt) davon ausgegangen, dass die Alpha- and Delta-Varianten des Virus dieselbe Sterblichkeit gehabt hätten. Zudem sei man davon ausgegangen, dass es kein Nachlassen (waning) der Schutzwirkung vor einem schweren Krankheitsverlauf gegeben habe. Dass die einzelnen Länder ihre Todesfälle unterschiedlich meldeten und berechneten, sei eine weitere mögliche Limitierung; man sei aber davon ausgegangen, dass diese „vergleichbar“ seien.
Auffällig ist zudem, dass in der im November 2021 publizierten Studie Deutschland nicht enthalten ist. Damit fehlte der damals hochgerechneten Zahl das bevölkerungsreichste Land Europas. Warum das so war, sagten die Autor:innen nicht; der berüchtigte deutsche Zahlenschlammassel von per Fax übermittelten Daten von Gesundheitsämtern könnte die Ursache sein, aber das ist reine Spekulation.
Das wär doch mal was für Wissenschaftsjournalisten
Fest steht dagegen, dass eine solche Modellrechnung grundsätzlich hilfreich zur Abschätzung der verhinderten Todesfälle sein mag, aber so vielen Limitierungen unterliegt, dass ihre Aussagekraft begrenzt ist. Es wurden offenbar schablonenhafte Annahmen zugrunde gelegt: So blieb zum Beispiel die Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme in den unterschiedlichen Ländern unberücksichtigt, obwohl sich diese erheblich voneinander unterscheidet. Auch der allgemeine Gesundheits- und Versorgungsstatus der (vor allem älteren) Bevölkerung fand keine Berücksichtigung.
Mittlerweile sind zusätzliche Limitationen bekannt, so dass sich der methodische Ansatz der aktuellen Studie in Teilen eigentlich verändert haben muss, denn die Letalität („Tödlichkeit“) der einzelnen Virus-Varianten war bekanntermaßen nicht gleich. Auch ist anzunehmen, dass der Schutz vor schweren Verläufen mit der Zeit nachlässt, vor allem bei älteren Menschen und anderen mit einem geschwächten Immunsystem Unter anderem deswegen kam es zur Empfehlung eines Boosters.
Interessant wäre natürlich auch, ob die aktuelle Studie Deutschland erneut gar nicht als Datenbasis enthält. Das wäre ein besonderer medialer Treppenwitz, wenn man die Ergebnisse einer Modellrechnung insbesondere hierzulande als faktische Realität verkauft.
Vor allem aber handelt es sich mutmaßlich, wie gesagt, um keinen empirischen Ansatz, der beispielsweise die Todesfälle pro nachgewiesener Infektion vor und nach den Impfungen vergleicht, sondern um eine Modellrechnung, die nicht einmal die real gemeldete Über- oder Untersterblichkeit in den entsprechenden Ländern berücksichtigt. Da es sich beim vorliegenden Text aber nicht um einen wissenschaftskritischen, sondern einen medienkritischen handelt, können und sollen diese und zahlreiche andere Fragen an diesen „WHO-Bericht“ hier nicht geklärt werden. Das wäre Aufgabe des Wissenschaftsjournalismus.
Zu konstatieren ist allerdings erneut ein Medienversagen im Umgang mit solchen „Berichten“. Wer damit hausieren gehen will, wie viele Tote in Europa durch Impfstoffe verhindert wurden, möge sich doch bitte ein wenig mehr Mühe geben, das interessierte Publikum darüber aufzuklären, um was für Zahlen es sich hier handelt – und wie diese (nicht) entstanden sind. Alles andere ist lediglich Wasser auf die Mühlen von grundsätzlichen Impfskeptikern und Wissenschaftsgegner:innen.
5 Kommentare
Es ist kontraproduktiv, wie sehr so viele Medien beweisen WOLLEN, dass die Corona-Politik und – wie hier – speziell die Impfung angemessen und wichtig waren.
Das zieht sich seit Beginn der Pandemie durch. Spätestens jetzt, wo sie in ihrer großen Gefährlichkeit vorbei ist, sollten sie wieder zurückkehren und auf Distanz zu den Quellen und Sorgfalt achten.
Das wäre gesellschaftlich so wichtig.
Vielen Dank für diesen eindrucksvollen Artikel!
Wenn man schon gerne gute Nachrichten bringt, dann könnte man ja immerhin schreiben „nach vorläufigen Zahlen“ oder so.
Bricht einem keinen Zacken aus der Krone.
Welcher Wissenschaftsjournalismus ??? Spätestens seit dem unsäglichen „Spiegel“ Interview mit Drosten (was zur umgehenden Abbestellung des Blattes bei mir führte) empfinde ich diesen Journalismus als nicht mehr existent. Wie schlampig mit Daten umgegangen wird, beweist ja einmal mehr genau dieser Vorfall.
„Einfach gesagt: Die Autor:innen maßen keine real verhinderten Todesfälle, indem sie zum Beispiel anhand klinischer Daten auswerteten, wie viele Patient:innen mit und ohne Impfung in einem bestimmten Zeitraum an Covid-19 verstorben waren (und diese Daten dann auf Europa hochrechneten). Sie setzten auch nicht die Sterblichkeit und Übersterblichkeit in Beziehung zu Covid-19-Toten.“
Was ja auch in beiden Fällen mindestens ebenso kritikwürdig wäre.
Bei einer Impfquote von locker >80% bei den besonders vulnerablen Altersgruppen, mit der Tendenz gegen 100% je vulnerabler die Person war/ist, macht die Gegenüberstellung verstorben „mit/ohne Impfung“ wenig Sinn.
Betrachtungen der Übersterblichkeit haben fast noch einen größeren Bias. Schweden bspw. war auf einem kontinuierlichen Abwärtstrend, sprich, es starben mehrere Jahre in Folge ø weniger Menschen. Was aber bedeutet, dass eine Zunahme eigentlich größer ausfällt, als die Zahl das suggeriert. Wenn ein weiteres Minus zu erwarten war, dann bräuchte es die Differenz zur extrapolierten Zahl, denn nur die zeigt einigermaßen exakt die Änderung.
Auf der anderen Seite sind durch Maßnahmen viele andere Krankheiten zurückgedrängt worden. Ebenso wie bestimmte Effekte am Ende der Pandemie wiederum zusätzliche Opfer brachten. ( Zu viele Kinder haben bspw. erstmals gleichzeitig Kontakt mit RSV gehabt, nachdem Beschränkungen aufgehoben wurden. Das überforderte die versorgende Infrastruktur mit teils fatalen Folgen ).
Was sicher bliebe ist die Kritik an der WHO und ihrer Öffentlichkeitsarbeit, an der dpa und an dem kritiklosen Abschreiben einiger Medienarbeiter.
Mal wieder.
Ich erinnere wie die WHO 2020 die Zahlen des Herrn Yoannidis verbreitete, die mit „fahrlässig“ noch euphemistisch bezeichnet wären. U.a. flossen dort ein die Zahlen eines gewissen Dr. Streeck und dessen Heinsberstudie, neben vielen anderen Werten. So wurde dann ein globaler Durchschnitt aus statistischem Datenmüll zur, von der WHO kolportierten Mortalitätsrate von Covid-19.
Ich glaube Wissenschaftsjournalisten werden bei dieser Art der Berichterstattung nur selten involviert.
Danke für diesen kritischen Bericht. So sehr ich auch persönlich „pro Impfung“ bin, so sehr meine ich auch, dass man der Diskussion um die Impfung (die ja erfreulicherweise abgeflaut ist) mit solchen Schnellschüssen einen Bärendienst erweist.
Ich hatte meine Meinung schon fertig, als ich lass, dass es sich um ein „peer-reviewtes Konferenzabstract“ handelte. Ich komme auseiner anderen Wissenschaft mit Berührungspunkten zur Medizin, es mag Unterschiede geben… aber Konferenzabstracts sind üblicherweise kurz, mal eine halbe, mal eine ganze DIN A4-Seite. Der Reviewprozess dient an dieser Stelle dazu, sicherzustellen, dass der Beitrag ein Minimum an logischer oder formaler Richtigkeit hat. Wie anders wäre es auch möglich, in kurzer Zeit zwischen Einreichung und Bekanntgabe eine dreistellige Zahl von Abstracts pro Konferenz zu begutachten? Eine Prüfung der inhaltlichen Aussagen oder der methodischen Feinheiten ist hier in der Regel gar nicht intendiert. Denn dazu dient ja eben der Vortrag auf der Konferenz mit anschließender live-Diskussion.
Es war ein Fehler, auf Basis eines solchen Materials irgendetwas zu veröffentlichen. Als Wissenschaftler kann es einem nur eine Lehre sein, zumal ein einschränkender Hinweis offensichtlich völlig wirkungslos war. Das ist auch frustrierend, weil man denkt, dass man besser gar nichts mehr sagt. Aber das ist ja auch nicht im Sinne einer Steuergeld-finanzierten Forschung.
Es ist kontraproduktiv, wie sehr so viele Medien beweisen WOLLEN, dass die Corona-Politik und – wie hier – speziell die Impfung angemessen und wichtig waren.
Das zieht sich seit Beginn der Pandemie durch. Spätestens jetzt, wo sie in ihrer großen Gefährlichkeit vorbei ist, sollten sie wieder zurückkehren und auf Distanz zu den Quellen und Sorgfalt achten.
Das wäre gesellschaftlich so wichtig.
Vielen Dank für diesen eindrucksvollen Artikel!
Wenn man schon gerne gute Nachrichten bringt, dann könnte man ja immerhin schreiben „nach vorläufigen Zahlen“ oder so.
Bricht einem keinen Zacken aus der Krone.
Welcher Wissenschaftsjournalismus ??? Spätestens seit dem unsäglichen „Spiegel“ Interview mit Drosten (was zur umgehenden Abbestellung des Blattes bei mir führte) empfinde ich diesen Journalismus als nicht mehr existent. Wie schlampig mit Daten umgegangen wird, beweist ja einmal mehr genau dieser Vorfall.
„Einfach gesagt: Die Autor:innen maßen keine real verhinderten Todesfälle, indem sie zum Beispiel anhand klinischer Daten auswerteten, wie viele Patient:innen mit und ohne Impfung in einem bestimmten Zeitraum an Covid-19 verstorben waren (und diese Daten dann auf Europa hochrechneten). Sie setzten auch nicht die Sterblichkeit und Übersterblichkeit in Beziehung zu Covid-19-Toten.“
Was ja auch in beiden Fällen mindestens ebenso kritikwürdig wäre.
Bei einer Impfquote von locker >80% bei den besonders vulnerablen Altersgruppen, mit der Tendenz gegen 100% je vulnerabler die Person war/ist, macht die Gegenüberstellung verstorben „mit/ohne Impfung“ wenig Sinn.
Betrachtungen der Übersterblichkeit haben fast noch einen größeren Bias. Schweden bspw. war auf einem kontinuierlichen Abwärtstrend, sprich, es starben mehrere Jahre in Folge ø weniger Menschen. Was aber bedeutet, dass eine Zunahme eigentlich größer ausfällt, als die Zahl das suggeriert. Wenn ein weiteres Minus zu erwarten war, dann bräuchte es die Differenz zur extrapolierten Zahl, denn nur die zeigt einigermaßen exakt die Änderung.
Auf der anderen Seite sind durch Maßnahmen viele andere Krankheiten zurückgedrängt worden. Ebenso wie bestimmte Effekte am Ende der Pandemie wiederum zusätzliche Opfer brachten. ( Zu viele Kinder haben bspw. erstmals gleichzeitig Kontakt mit RSV gehabt, nachdem Beschränkungen aufgehoben wurden. Das überforderte die versorgende Infrastruktur mit teils fatalen Folgen ).
Was sicher bliebe ist die Kritik an der WHO und ihrer Öffentlichkeitsarbeit, an der dpa und an dem kritiklosen Abschreiben einiger Medienarbeiter.
Mal wieder.
Ich erinnere wie die WHO 2020 die Zahlen des Herrn Yoannidis verbreitete, die mit „fahrlässig“ noch euphemistisch bezeichnet wären. U.a. flossen dort ein die Zahlen eines gewissen Dr. Streeck und dessen Heinsberstudie, neben vielen anderen Werten. So wurde dann ein globaler Durchschnitt aus statistischem Datenmüll zur, von der WHO kolportierten Mortalitätsrate von Covid-19.
Ich glaube Wissenschaftsjournalisten werden bei dieser Art der Berichterstattung nur selten involviert.
Danke für diesen kritischen Bericht. So sehr ich auch persönlich „pro Impfung“ bin, so sehr meine ich auch, dass man der Diskussion um die Impfung (die ja erfreulicherweise abgeflaut ist) mit solchen Schnellschüssen einen Bärendienst erweist.
Ich hatte meine Meinung schon fertig, als ich lass, dass es sich um ein „peer-reviewtes Konferenzabstract“ handelte. Ich komme auseiner anderen Wissenschaft mit Berührungspunkten zur Medizin, es mag Unterschiede geben… aber Konferenzabstracts sind üblicherweise kurz, mal eine halbe, mal eine ganze DIN A4-Seite. Der Reviewprozess dient an dieser Stelle dazu, sicherzustellen, dass der Beitrag ein Minimum an logischer oder formaler Richtigkeit hat. Wie anders wäre es auch möglich, in kurzer Zeit zwischen Einreichung und Bekanntgabe eine dreistellige Zahl von Abstracts pro Konferenz zu begutachten? Eine Prüfung der inhaltlichen Aussagen oder der methodischen Feinheiten ist hier in der Regel gar nicht intendiert. Denn dazu dient ja eben der Vortrag auf der Konferenz mit anschließender live-Diskussion.
Es war ein Fehler, auf Basis eines solchen Materials irgendetwas zu veröffentlichen. Als Wissenschaftler kann es einem nur eine Lehre sein, zumal ein einschränkender Hinweis offensichtlich völlig wirkungslos war. Das ist auch frustrierend, weil man denkt, dass man besser gar nichts mehr sagt. Aber das ist ja auch nicht im Sinne einer Steuergeld-finanzierten Forschung.