Das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes bleibt geheim. Im Übermedien-Podcast erklärt -Reporter Aiko Kempen, warum mehr Transparenz aus seiner Sicht „demokratiestärkend“ wäre – und warum „Frag den Staat“ zumindest ein Dossier mit Inhalten aus dem Gutachten veröffentlicht hat.
Vergangene Woche hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Auch wenn die Behörde diese Einstufung nach einem Rechtsstreit mit der Partei nun vorerst ausgesetzt hat: Es existiert weiterhin ein mehr als tausendseitiges Dokument mit Belegen für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD. Doch dieses bleibt geheim.
Das Portal „Frag den Staat“ hat am Mittwoch eine 17-seitige Sammlung mit Belegen für verfassungsfeindliche Äußerungen von AfD-Mitgliedern auf Bundesebene veröffentlicht. Das Dokument liegt offenbar auch anderen Redaktionen vor.
„Ehrlich gesagt hat mich überrascht, wie wenig mich das überrascht hat“, sagt Aiko Kempen. Der Investigativ-Reporter von „Frag den Staat“ ist diese Woche zu Gast im Übermedien-Podcast und erklärt, warum es aus seiner Sicht „demokratiestärkend“ wäre, wenn das Gutachten vollständig veröffentlicht würde. Kempen:
„Die ganze Diskussion darüber, ob dieses Gutachten fundiert ist, ob es politisch gewollt, gesteuert, in Auftrag gegeben ist, könnte man auf eine andere Ebene ziehen. Man wäre automatisch mehr in einer inhaltlichen Debatte darüber.“
Warum veröffentlichen andere Medien das Gutachten – oder zumindest die 17-seitige Sammlung – nicht? Könnte man die Veröffentlichung des Gutachtens einklagen? Und in welcher Rolle sehen sich die Journalisten von „Frag den Staat“, die selbst Belege für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD sammeln?
Korrektur, 9.5.2025: In einer früheren Version des Textes zum Podcast stand, dass „Frag den Staat“ einen 17-seitigen „Auszug“ aus dem Gutachten veröffentlicht hat. Richtig ist: „Frag den Staat“ hat eine Sammlung mit Zitaten veröffentlicht, die die Verfassungsfeindlichkeit der Partei auf Bundesebene belegen. Wir haben das im Text geändert. Im Podcast spricht unser Host Holger Klein von einem „Ausschnitt“. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)
Der Gesprächspartner
Aiko Kempen ist investigativer Journalist und seit 2022 im Investigativ-Team der Recherche- und Transparenz-Plattform FragDenStaat. Er recherchiert seit vielen Jahren zu den Themen Polizei und Rechtsextremismus. 2021 erschien sein Buch „Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei“.
In dem Beitrag taucht mindestens zweimal der Begriff „Herrschaftswissen“ auf – einmal im Zusammenhang mit Behörden, einmal mit den etablierten klassischen Medien.
Bei den Behörden führt diese unselige Praxis, den Menschen Informationen vorzuenthalten, oft dazu, dass nicht mehr in der Sache argumentiert wird, sondern die Institutionen selbst diskreditiert werden. Es entsteht so etwas wie ein ad hominem für Institutionen – nennen wir es spaßeshalber ad officium (auch wenn es diesen rhetorischen Topos formal nicht gibt). Behörden werden dann als gesteuert, gelenkt, korrupt usw. dargestellt. Solche Vorurteile fallen in der Bevölkerung oft auf fruchtbaren Boden, weil sie ohnehin schon weit verbreitet sind – und nicht immer ohne Grund.
Gerade deshalb müssten diese Stellen dringend durch größtmögliche Transparenz ihre Reputation pflegen. Doch statt dessen überwiegen häufig Arroganz, Furcht und eine gewisse Behördenbräsigkeit – mit dem Effekt, dass genau das Gegenteil erreicht wird. In der aktuellen gesellschaftlichen Lage ist das brandgefährlich.
Bei den sogenannten klassischen Medien sieht es leider nicht besser aus. Unter anderem aus dem verzweifelten Wunsch heraus, dem Trend der Entprofessionalisierung der Nachrichtenvermittlung (durch neue Medien) etwas entgegenzusetzen, werden Informationen oft zurückgehalten, um sich einen Informationsvorsprung zu sichern. Dabei werden die Kundinnen und Kunden teils entmündigt – mit dem Ergebnis, dass schnell der Eindruck entsteht, es herrsche eine allgemeine Kumpanei zwischen Regierenden und klassischen Medien.
Die Begründung zur Authentizität des Dokuments finde ich schwach. Bloss weil andere Medien das gleiche Dokument haben? Denen kann ja die gleiche Fälschung zugespielt werden.
Damit will ich auf keinen Fall sagen, dass es eine Fälschung ist, absolut nicht. Ich denke auch es ist echt, aber die Begründung macht doch keinen Sinn.
„Die ganze Diskussion darüber, ob dieses Gutachten fundiert ist, ob es politisch gewollt, gesteuert, in Auftrag gegeben ist, könnte man auf eine andere Ebene ziehen. (…)“
Oder, man geht auf das „politisch gesteuert“ gegackere der AFD nicht ein, weil man weiß, dass es nur unaufrichtige Marketingkommunikation ist.
Aber die Schlagzeilen sind so saftig …
In dem Beitrag taucht mindestens zweimal der Begriff „Herrschaftswissen“ auf – einmal im Zusammenhang mit Behörden, einmal mit den etablierten klassischen Medien.
Bei den Behörden führt diese unselige Praxis, den Menschen Informationen vorzuenthalten, oft dazu, dass nicht mehr in der Sache argumentiert wird, sondern die Institutionen selbst diskreditiert werden. Es entsteht so etwas wie ein ad hominem für Institutionen – nennen wir es spaßeshalber ad officium (auch wenn es diesen rhetorischen Topos formal nicht gibt). Behörden werden dann als gesteuert, gelenkt, korrupt usw. dargestellt. Solche Vorurteile fallen in der Bevölkerung oft auf fruchtbaren Boden, weil sie ohnehin schon weit verbreitet sind – und nicht immer ohne Grund.
Gerade deshalb müssten diese Stellen dringend durch größtmögliche Transparenz ihre Reputation pflegen. Doch statt dessen überwiegen häufig Arroganz, Furcht und eine gewisse Behördenbräsigkeit – mit dem Effekt, dass genau das Gegenteil erreicht wird. In der aktuellen gesellschaftlichen Lage ist das brandgefährlich.
Bei den sogenannten klassischen Medien sieht es leider nicht besser aus. Unter anderem aus dem verzweifelten Wunsch heraus, dem Trend der Entprofessionalisierung der Nachrichtenvermittlung (durch neue Medien) etwas entgegenzusetzen, werden Informationen oft zurückgehalten, um sich einen Informationsvorsprung zu sichern. Dabei werden die Kundinnen und Kunden teils entmündigt – mit dem Ergebnis, dass schnell der Eindruck entsteht, es herrsche eine allgemeine Kumpanei zwischen Regierenden und klassischen Medien.
Die Begründung zur Authentizität des Dokuments finde ich schwach. Bloss weil andere Medien das gleiche Dokument haben? Denen kann ja die gleiche Fälschung zugespielt werden.
Damit will ich auf keinen Fall sagen, dass es eine Fälschung ist, absolut nicht. Ich denke auch es ist echt, aber die Begründung macht doch keinen Sinn.
„Die ganze Diskussion darüber, ob dieses Gutachten fundiert ist, ob es politisch gewollt, gesteuert, in Auftrag gegeben ist, könnte man auf eine andere Ebene ziehen. (…)“
Oder, man geht auf das „politisch gesteuert“ gegackere der AFD nicht ein, weil man weiß, dass es nur unaufrichtige Marketingkommunikation ist.
Aber die Schlagzeilen sind so saftig …