Ein Rückwärtsparkverbot, das es nicht gibt, und zwei Politiker, die es nicht gibt
Die Begriffe „die Grünen“ und „verbieten“ sind ja bekanntlich ein Power Couple, das in jeder Schlagzeile verlässlich für Aufregung sorgt. Und nachdem die Ökopartei angeblich schon Einfamilienhäuser, Welpen, Kantinenschnitzel, Autofahren und andere Kulturgüter auf die Verbotsliste gesetzt hat, will sie den Menschen nun offenbar ihre allerletzte Ausdrucksmöglichkeit individueller Freiheit nehmen: Rückwärtsparken. Das zumindest lassen Schlagzeilen in der vergangenen Woche vermuten:
Äh, wie bitte?!
Alle, die jetzt empörungstechnisch so richtig in Fahrt kommen, können gleich wieder einen Gang runter schalten. Denn, Überraschung, es ist nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick erscheint. Es geht um einen Vorschlag, den die Kieler Mobilitätsdezernentin, eine Grünen-Politikerin, in den Stadtrat einbringen wollte. Demnach sollten neue Stellplätze und Garagen mit mehr als vier Parkplätzen nur noch dann genehmigt werden, wenn man vorwärts auf das Grundstück fahren und es auch vorwärts wieder verlassen kann. So sollen Unfälle beim Einfahren von und Ausfahren auf Straßen vermieden werden. Die „Kieler Nachrichten“ berichteten am 31. Oktober als erste über die Idee.
Doch für den Vorschlag der Dezernentin gab es schnell sehr viel öffentlichen Gegenwind, sodass sie ihn vorerst zurückzog, wie die „Kieler Nachrichten“ einen Tag später, am 1. November, berichteten. Man wolle sich „als Verwaltung mit den Akteuren, zum Beispiel mit der Verkehrswacht, der Polizei und der IHK abstimmen, um zu einem optimalen Ergebnis für die Verkehrssicherheit und für alle Beteiligten zu gelangen“, heißt es aus dem Kieler Rathaus.
Man kann sicher darüber streiten, wie gut der Vorschlag umsetzbar oder wie flächensparend er zum Beispiel ist. Wenn man aber bedenkt, dass es sich um einen Antrag handelt, der noch nicht einmal im zuständigen Ausschuss diskutiert wurde, der nicht alle bestehenden Parkplätze in der Stadt betroffen hätte, sondern nur die neu zu genehmigenden – und davon auch nicht alle, denn Kleingaragen und kleinere Flächen mit maximal vier Parkplätzen sollen ausgenommen sein –, dann ist die Erzählung vom Rückwärtspark-Verbot ziemlich zugespitzt, wenn nicht irreführend. Denn erstens ist es den Befürwortern der Idee vermutlich egal, ob jemand auf seinem Grundstück vorwärts oder rückwärts in der Parklücke steht. Es geht, wie gesagt, darum, in welcher Richtung man auf das Grundstück bzw. wie man von dort auf die Straße fährt. Und mal abgesehen davon: Angenommen ein Parkplatz ist so gestaltet, dass einem das Vorwärtsfahren leichter gemacht wird. Wer fährt dann freiwillig rückwärts und hat das Gefühl, dass ihm das Rückwärtsparken verboten wird?
Doof klickt gut
Aber solche Schlagzeilen klicken halt gut. Und so schaffte es das Lokalthema aus Kiel auf die überregionale Bühne. Am Morgen des 1. November, kurz nach dem ersten Bericht der „Kieler Nachrichten“, machte „Bild“ den Aufschlag und vergaß vor lauter Empörungsfreude, bei den Fakten zu bleiben.
Unter der Überschrift: „In erster deutscher Großstadt – Grüne will Rückwärtsparken verbieten!“ zeigte sie das Foto eines vorwärts eingeparkten Autos in einer Garag…
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