Alexander Raue und sein „Vermietertagebuch“

Der irre Aufstieg eines rechten YouTubers

 

Das ist Alexander Raue. Raue wurde quasi über Nacht von einem kleinen Videoblogger zu einem der einflussreichsten politischen YouTuber Deutschlands. Millionen von Menschen sehen seine Videos, in denen er von seinem Pool in Costa Rica aus über aktuelle Ereignisse in Deutschland spricht.

Dabei inszeniert er sich als mutigen Kämpfer gegen Manipulationen durch die „Mainstreammedien“ und das „linksgrüne Gesocks“. Doch wenn man sich genauer mit ihm beschäftigt, seine Videos nachrecherchiert und seine Methoden analysiert, wird deutlich, dass Raue selbst manipuliert – und wie er es geschafft hat, daraus ein Geschäft zu machen, mit dem er über 500.000 Euro im Jahr verdient.

Videos bekommen Millionen Aufrufe

Zum ersten Mal entdeckt habe ich Alexander Raue im Februar, als er (ohne jeden Beweis) behauptete, das ZDF habe einen Bauern-Protest „unterwandert“. Dabei habe ich schnell gesehen, was für eine riesige Reichweite er mit seinem Kanal „Vermietertagebuch“ hat: Sage und schreibe 300.000 Menschen haben den Kanal abonniert; jedes seiner Videos bekommt zehntausende, mitunter sogar Millionen Aufrufe.

Darin kritisiert Raue vor allem die deutschen Politiker:innen und die deutschen Medien:

 

Dabei ist es gar nicht so lange her, da sahen die Videos von Alexander Raue noch ein klitzekleines bisschen anders aus…

 

Neben seinen Urlaubsberichten postet er in den ersten Jahren seines Kanals vor allem Videos über Immobilieninvestments und seine Erfahrungen als Vermieter; darum auch der Name „Vermietertagebuch“.

 

Sein großes Ziel: Früh in den Ruhestand

Den YouTube-Kanal betreibt er anfangs nur als Nebenprojekt. Hauptberuflich arbeitet er zu dieser Zeit noch als SAP-Entwickler. Doch schon damals hat er ein anderes Ziel vor Augen:

„Mein Job, den ich gerade habe, der ist eigentlich ziemlich gut. Ich bin ja Spezialist im SAP-Bereich, das ist ein sehr gefragter Job und man verdient auch sehr, sehr viel Geld, also ich bin bei 140.000 Jahresgehalt. Allerdings macht mir der Job keinen richtigen Spaß mehr, respektive das Angestelltensein macht mir keinen Spaß mehr, und deswegen möchte ich wechseln. Ich möchte aus diesem Angestelltensein, auch aus diesem Hamsterrad, raus, in die Selbstständigkeit bzw. in das Privatierleben.“

(„Warum will ich finanziell frei sein? Meine Motivation für finanzielle Freiheit und Privatier sein“, 02.06.2019)

Das ist sein großes Ziel: Privatier werden. Das heißt, so viel Geld verdienen, dass er nicht mehr arbeiten muss, und nur noch Sachen tun kann, die ihm Spaß machen.

„Dann kannst du ja genau das machen, worauf du Bock hast, wann du willst und auch wo du willst. Also du kannst dort wohnen auf der Welt, wo du willst, und du kannst jetzt die ganze Woche durchschlafen oder du kannst früh aufstehen (…), du hast die komplette Freiheit, und das ist wirklich das, was mich auch am meisten motiviert, das Ganze zu machen.“

(„Darum gehe ich mit 38 in Rente – und ihr schuftet weiter!“, 12.03.2019)

Erst zieht er in die Schweiz, weil man da mehr Geld verdient. Später dann weiter nach Costa Rica, wo er auch heute noch lebt – unter anderem aus Steuergründen, wie er selbst sagt.

Dabei, seinem Traum vom frühen Ruhestand ein Stück näherzukommen, sollen ihm die Einnahmen aus seinem kleinen YouTube-Kanal helfen. Riesige Erfolge hat er damals zwar nicht, doch immerhin wächst der Kanal in drei Jahren auf etwa 25.000 Abonnenten.

Der Erfolg kommt plötzlich

Zwei bis drei Videos postet er zu dieser Zeit pro Woche; mit jedem bekommt er einige tausend Views, was ihm nach eigenen Angaben etwa 14.000 bis 15.000 Euro im Jahr einbringt.

„Mal so eben 14 oder 15.000 Euro nebenbei mit YouTube verdienen, ist schon ’ne ganze Menge, und da kommen eigentlich die wenigsten YouTuber hin. Natürlich gibt es die riesengroßen YouTuber, die damit auch Hunderte Tausend und Millionen von Euros verdienen, aber die haben auch richtig viele Abonnenten, richtig viele Klicks, und da will ich irgendwann auch mal hin. Mal schauen, wie lange das dauert.“

(„YouTube-Hammer: Meine Einnahmen mit 25000 Abonnenten“, 02.01.2022)

Spoiler: Es dauert gerade mal zwei Monate.

Denn in dieser Zeit beginnt er damit, in seinen Videos nicht nur über Immobilienthemen zu sprechen, sondern immer mehr auch über Politik. Und damit hat er schnell riesigen Erfolg.

(„Lastenausgleich kommt am 1. Januar 2025 (Immobilien, Aktien, Gold, Krypto, Bargeld)“, 20.03.2022)

„Am 1. Januar 2025 kommt ein neuer Lastenausgleich, und du wirst die Hälfte deines Vermögens verlieren! Immobilien, Aktien, Gold, Krypto, auch das Geld auf dem Konto – die Hälfte einfach weg!“

Dieses Video wird zu seinem ersten viralen Hit, über 800.000 Mal wird es angesehen (obwohl schon mehrere Faktenchecks den angeblich geplanten Lastenausgleich als Falschmeldung entlarvt haben).

In den Wochen danach folgen gleich die nächsten großen Erfolge, zum Beispiel:

… die ebenfalls hunderttausendfach gesehen werden.

Und plötzlich geht alles ganz schnell. Innerhalb weniger Monate gewinnt Alexander Raue zigtausende neue Abonnenten, und sein kleiner Immobilien-Kanal verwandelt sich in einen der am schnellsten wachsenden Politik-Kanäle im deutschen YouTube. Allein im vergangenen Dezember kommen über 20.000 neue Abos hinzu.

Quelle: socialblade.com

Er ändert seine Thumbnails. Statt bunter Bilder…

…gibt es jetzt schwarz-weiß-rote Schlagzeilen:

Seit diesem Kurswechsel im September 2022 ist sein Kanal auf mehr als 300.000 Abonennten gewachsen. 160 Millionen Mal wurden seine Videos bisher gesehen, und jeden Tag – Raue postet inzwischen zwei bis drei neue Videos täglich – kommen viele Tausend Views dazu.

Die „Guten“, das ist die AfD

Um zu verstehen, wie Alexander Raue so erfolgreich werden konnte, müssen wir uns erstmal anschauen, über wen er in seinen Videos am häufigsten spricht und wer für ihn die „Guten“ und wer die „Bösen“ sind.

Die Liste der „Guten“ ist sehr kurz, denn da steht nur die AfD. Die kritisiert er manchmal zwar auch, aber grundsätzlich ist sie für Raue die mit Abstand beste Partei in Deutschland, zum Beispiel wegen ihrer Flüchtlingspolitik.

„Wir haben nun mal in Deutschland und in der EU ein massives Flüchtlingsproblem, und alle Altparteien, wirklich alle, ignorieren dieses Problem komplett! Die AfD ist die einzige Partei, die dafür eine Lösung anbietet.“

(„Wer seine freie Meinung sagt, soll enteignet werden!“, 05.10.2023)

Kein Wunder also, dass in seinem Video „ICH WÜRDE DIESE PARTEI WÄHLEN…“ am Ende die AfD rauskommt.

Die „Bösen“ sind für Alexander Raue grundsätzlich erstmal alle Parteien, die nicht rechts sind. Er nennt sie auch „dieses ganze links-grüne Gesocks“. Ganz besonders abgesehen hat er es auf den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck. Dutzende Videos hat er schon über ihn gemacht, zum Beispiel:

…und so weiter, und so weiter.

Ebenfalls sehr verhasst bei Alexander Raue ist die grüne Außenministerin Annalena Baerbock.

Und auch alle anderen Grünen sollten laut Raue am besten eingesperrt oder zumindest aus jedem politischen Amt gejagt werden:

 

Neben den Grünen gehört auch Bundeskanzler Olaf Scholz für Raue zu den „Bösen“.

…und auch der Rest der Ampel-Regierung ist laut Raue eine zerstörerische Gefahr, die unbedingt „weg muss“:

 

Die Ukraine und ihr Präsident Selensky sind Alexander Raue ebenfalls ein Dorn im Auge.

Und auch über Flüchtlinge und Migranten regt sich Raue häufig auf, obwohl er seit seiner Auswanderung selbst einer ist. Seine Videos über Migranten in Deutschland tragen Titel wie:

Zu den schlimmsten Übeltätern überhaupt gehören laut Alexander Raue die deutschen Medien, insbesondere die öffentlich-rechtlichen.

„Jeder – wirklich absolut jeder – bekommt mittlerweile mit, was bei uns abläuft und wie wir von den Medien manipuliert werden.“

(„Videobeweis: ZDF unterwandert Bauern-Proteste mit KRlEGS-Treibern!“, 14.02.2024)

„Sie verbreiten Lügen, sie stigmatisieren, sie grenzen aus und so weiter. Die Medien sind nämlich alles andere als objektiv und neutral. Sie verfolgen ihre politische Agenda der Altparteien, und mich würde es auch absolut nicht wundern, wenn die Altparteien diese Lügenpresse dafür sogar noch bezahlt (sic).“

(„Brisante Lügen der Medien: AfD bereitet Klagen vor“, 06.11.2023)

Manipulation, Lügen, Ausgrenzung

Laut Raue werden wir von den Medien am laufenden Band manipuliert, belogen und betrogen. Und auch wenn ich sehr viele Journalist:innen kenne, die einen extrem guten Job machen, auch bei den Öffentlich-Rechtlichen, gibt es tatsächlich Medien, die systematisch lügen und manipulieren. Das zeige ich hier bei Übermedien und auf meinem YouTube-Kanal selbst regelmäßig. Insbesondere die „Bild“-Zeitung und die Klatschpresse machen Übertreibungen und Lügen seit Jahrzehnten zu ihrem Geschäftsmodell.

Doch es gibt noch jemanden, der die Menschen systematisch manipuliert, der ausgrenzt, stigmatisiert und Lügen verbreitet: Alexander Raue.

Als zum Beispiel im Januar dieses Jahres Hunderttausende Menschen in Deutschland gegen die AfD und gegen Rechts demonstrierten, veröffentlichte Raue ein Video mit dem Titel:

Darin behauptet er:

„Politiker und Medien feiern die große Demo gegen Rechts. Und sogar Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock waren auf dieser Demo. Jetzt kam aber heraus, dass die Regierung offenbar extrem viele Statisten bezahlt hat, nur um die Demo größer wirken zu lassen.“

Eine ziemlich krasse Behauptung, für die Alexander Raue folgenden Beleg hat:

„Auf der Internetseite des Jobvermittlers ‚Jobwrk‘ konnte man folgende Anzeige sehen: ‚Statisten als Demo-Teilnehmer für eine Videoaufnahme gesucht. Ort: Hamburg, Spielalter: 18-35 Jahre, Gage: 60 Euro.‘ Und die Beschreibung der Aufgabe lautet wie folgt: ‚Für eine Filmsequenz suchen wir einige Statisten für ein kurzes Video. Aufgenommen wird eine kleine Demonstration. Die Statisten müssen nichts auswendig lernen und stehen nicht direkt vor der Kamera. Es geht mehr um das Wirken im Hintergrund, sodass die eigentliche Demo etwas voller wirkt, keine Nahaufnahmen.‘ Tja, meine lieben Zuschauer, wenn das mal kein Zufall ist!“

Echte Stellenanzeige, falsches Datum

Diese Anzeige ist für Alexander Raue also der Beweis dafür, dass die Teilnehmer der Demo gegen Rechts in Wahrheit Schauspieler waren und von der Regierung bezahlt wurden. Sein Fazit:

„Also wer jetzt immer noch nicht verstanden hat, was (sic) wir hier von vorne bis hinten von der Ampelregierung belogen werden, also dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.“

Die Stellenanzeige auf der Internetseite von Jobwrk gibt es tatsächlich. Was aber schnell auffällt, ist, dass in der Anzeige kein Datum zu sehen ist. Im Quelltext der Seite sehen wir, dass die Anzeige am 13.10.2022 veröffentlicht wurde…

…also mehr als ein Jahr, bevor irgendein Mensch überhaupt wusste, dass es die Demo gegen Rechts mal geben würde.

Das hat das Jobvermittlungsportal inzwischen auf seiner Seite auch nochmal explizit deutlich gemacht:

Also entweder hat Alexander Raue das vollkommen missverstanden oder er hat ganz bewusst gelogen. So oder so: Er verbreitet etwas, das nicht stimmt.

Und das macht er in sehr, sehr vielen seiner Videos. Nehmen wir zum Beispiel dieses hier:

„Das, was Steinmeier jetzt sagt, das ist einer (sic) der übelsten Beleidigungen und hat wirklich nichts mehr mit irgendwelcher Menschelnwürde (sic) zu tun!“

Raue meint einen Satz – oder genauer: ein Wort – aus einer Rede, in der Steinmeier sagte: „… wir stehen zu unserer Demokratie, wir verteidigen dieses Deutschland, und wir lassen uns dieses Land nicht von extremistischen Rattenfängern kaputtmachen.“

Das kann Raue einfach nicht fassen:

„Ja, ihr habt richtig gehört! Steinmeier spricht hier von Rattenfängern und meint damit die AfD-Partei. (…) Und was machen Rattenfänger? Richtig: Ratten fangen! Und was fangen Parteien normalerweise? Richtig: Wähler! (…) Und jetzt können wir eins und eins zusammenzählen: Wenn Parteien also auf Wählerfang gehen, und Steinmeier denn bei der AfD von Rattenfängern spricht, dann sind für Steinmeier also alle AfD-Wähler Ratten. Und das ist wirklich absolut krank! (…) Das ist wirklich die allerschlimmste Gossensprache und eines Bundespräsidentens (sic) völlig unwürdig.“

Beschimpft Raue uns ALLE als RATTEN?

Was Raue nicht erwähnt: Wenn (gerade im politischen Kontext) von einem „Rattenfänger“ die Rede ist, meint das nicht wortwörtlich jemanden, der Ratten fängt. Wie man ganz einfach im Duden nachlesen kann, bezeichnet das Wort vielmehr einen „Volksverführer“. Also eine Person, „die das Volk irreführen will, es verleiten will, gegen die eigenen Interessen zu handeln“. Den Ursprung hat das Wort in der Sage des Rattenfängers von Hameln.

Es ist also einfach ein sprachliches Bild. Daraus abzuleiten, dass Steinmeier „alle AfD-Wähler als Ratten“ beschimpft, ist Quatsch. In einem älteren Video sagt Alexander Raue selbst mal:

„… und demzufolge hat dieses demographische Problem, was wir in Deutschland ganz speziell haben, einen riesengroßen Rattenschwanz, der zu weiteren Problemen führt.“

(„Erste Arzt-Praxen schließen wegen hohen Energiekosten!“, 16.10.2022)

Ja, Sie haben richtig gelesen! Er spricht hier von einem Rattenschwanz, er bezeichnet also ALLE DEUTSCHEN als RATTEN!

Auch das ist natürlich Quatsch, es ist halt ein sprachliches Bild. Im Fall von Steinmeier kann oder will Alexander Raue das wohl nicht verstehen.

„Horror“-Meldungen aus aller Welt

Eine andere Methode, die er häufig anwendet: aus Einzelfällen, die irgendwo auf der Welt passieren und gar nichts mit Deutschland zu tun haben, ein völlig übertriebenes Horrorszenario zu fabrizieren und dann auf Deutschland zu beziehen.

Raue behauptet, dass wir jetzt quasi eingesperrt würden und uns nur noch 15 Minuten pro Tag bewegen dürften:

„Also meine lieben Zuschauer, das ist schon wirklich echt harter Tobak und ein massiver Angriff auf unsere Freiheit! Du darfst dich quasi in deiner eigenen Stadt nicht mehr frei bewegen, und du brauchst die Erlaubnis der Behörden. Und wenn du vielleicht eine andere Meinung als die Behörden oder die Politiker hast, dann steht in den Sternen, ob du diese Erlaubnis bekommst oder nicht.“

Was wirklich hinter diesem „Gefängniskonzept“ steckt, wie Raue es nennt, erfährt man erst am Ende des Videos. Und zwar geht es hier erstens nicht um Deutschland, sondern um die Stadt Oxford in England. Und zweitens wurden auch da die Leute nicht eingesperrt, sondern:

„Straßensperren hindern die meisten Autofahrer am Durchfahren von Oxford. Die Stadt wird das Stadtzentrum in sechs 15-Minuten-Viertel aufteilen, sagte der Verkehrsminister des Bezirks.“

Das Konzept der 15-Minuten-Viertel bezieht sich auf die Idee, dass Städte so geplant sein sollten, dass man alles, was man braucht, innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann. Dieses Modell wurde hier in Oxford getestet, und dafür wurden bestimmte Straßen zeitweise für Autos gesperrt. Mit dem Fahrrad oder zu Fuß durfte man sich aber weiter überall frei bewegen.

Das ist alles. Und daraus wird beim Vermietertagebuch: „Du darfst dich nur noch 15 Minuten frei bewegen pro Tag!“

Solche maßlosen Verzerrungen gibt es auf Alexander Raues YouTube-Kanal permanent:

Hier kann man gut die Strategie erkennen, die hinter dem großen Erfolg von Alexander Raue steckt, und die dermaßen effektiv und zugleich so simpel ist, dass man sie mit zwei Wörtern zusammenfassen kann: Angst und Wut. Fast alle seine Videos sind darauf ausgelegt, diese beiden Emotionen zu wecken.

Alles ist immer schlimm, schlimmer und noch viel schlimmer; ein Problem ist kein Problem, sondern sofort die „maximale Katastrophe“ oder die „größte Pleite der Menschheit“.

„Dann gucke ich halt, ob ich das negativ konnotieren kann“

Als er darauf mal in einem Interview angesprochen wurde, gab er zu, dass es ihm darum gehe, möglichst viele Klicks zu generieren:

„Also wenn man eine neutrale Nachricht hat – wenn man die positiv verpackt, dann bekommt die nur zehn Prozent von den Aufrufen wie wenn man sie negativ verpackt. Und mein Ziel ist es ja, Informationen in die Welt rauszugeben. Und ich will ja so viele Leute wie möglich mit diesen Informationen erreichen. Und wenn ich merke, okay, die Leute klicken die Videos dann nicht an, weil die positive Headline hat (sic), dann gucke ich halt, ob ich das negativ konnotieren kann.“

Er gibt also zu, dass er genauso arbeitet wie die Lügenpresse, wie er sie nennt:

„Und wenn halt die Leute die Videos halt nur anklicken, wenn die negative Headlines haben, dann ist das halt so. So funktioniert unsere Gesellschaft. So funktioniert auch die Bild-Zeitung schon seit fuffzig Jahren. Und das kann man jetzt scheiße finden und sich darüber beschweren, oder man kann einfach akzeptieren, dass unsere Gesellschaft so ist.“

Den Medien wirft er also ständig vor, tendenziös zu berichten, aber wenn er das macht, ist es total in Ordnung, weil „unsere Gesellschaft“ nun mal „so funktioniert“.

Immer geht es um Angst und Wut

Dass es ihm primär darum gehe, Panik zu verbreiten, streitet Raue ab:

„Und natürlich sagen die Leute dann: ‚Das ist nur Panik und du sagst die Sachen nur negativ‘, und mir geht’s ja nicht darum jetzt primär Panik zu verbreiten, sondern mir geht’s darum, Informationen zu vermitteln über die aktuelle Lage unser (sic) Landes.“

Aber das stimmt nicht. Wenn es ihm darum ginge, Informationen zu vermitteln, dann würde er nicht diese ganzen falschen Dinge behaupten, wie dass Steinmeier alle AfD-Wähler als Ratten bezeichnet hätte oder dass wir keine Erdbeeren mehr essen dürften. Aber solche Falschbehauptungen verbreitet er trotzdem immer und immer wieder.

Und natürlich baut die Ampel-Regierung manchmal Mist, natürlich machen Medien Fehler, natürlich laufen in diesem Land viele Dinge falsch, die schleunigst geändert werden müssen. Aber Alexander Raue spricht eben oft keine realen Probleme und Missstände an – er verbreitet vielmehr Sachen, die einfach nicht stimmen, um Angst und Wut zu schüren und dadurch Klicks zu generieren.

Zum Beispiel kündigt er immer wieder katastrophale Dinge an, die dann aber nie eintreten:

Ein anderes Mittel, das Raue einsetzt, um Angst und Wut zu verbreiten, sind Fragen.

Das ist ein ganz alter Trick von Medien. Man nennt es auch „Betteridges Gesetz der Überschriften“, das besagt: „Jede Überschrift, die mit einem Fragezeichen endet, kann mit einem Nein beantwortet werden.“

Oder wie Journalist Andrew Marr (u.a. „The Independent“, BBC) schon vor 20 Jahren schrieb:

„Eine Schlagzeile mit einem Fragezeichen am Ende bedeutet in den allermeisten Fällen, dass die Geschichte tendenziös oder übertrieben dargestellt ist. Oft handelt es sich um eine Angst-Geschichte oder um den Versuch, eine gewöhnliche Meldung zu einer nationalen Kontroverse und besser noch zu einer nationalen Panik zu machen.“

Das trifft auf ganz viele Videos von „Vermietertagebuch“ zu.

Immer wieder arbeitet Alexander Raue auch unsauber oder macht Fehler, indem er Zusammenhänge nicht versteht oder Sachen falsch übersetzt. Zum Beispiel behauptete er vor ein paar Wochen:

„Ex-Präsident Trump hat es offiziell auf einer Pressekonferenz bestätigt: Es gab keine Angriffe auf das World Trade Center. Die ganze 9/11-Geschichte ist eine einzige Inszenierung. Und damit sind auch die ganzen nachfolgenden Kriege und auch die Migrationskrise eine riesengroße Lüge!“

Als vermeintlichen Beweis dafür zeigte Raue eine Aussage von Donald Trump, der auf einer Pressekonferenz gesagt hatte: „…we had no attacks, we didn’t have a World Trade Center, we didn’t have the attacks like you’ve seen, and certainly that you see in other countries…“

Korrekturen? Eher selten

Was Raue allerdings nicht verstanden oder bewusst ignoriert hat: Trump sprach hier nur über seine eigene Amtszeit, er meinte also bloß, dass es während seiner Amtszeit keine Anschläge wie den auf das World Trade Center gegeben habe.

Und daraus wurde im „Vermietertagebuch“ dann die Behauptung, 9/11 habe es nie gegeben, und auch die Flüchtlingskrise sei eine komplette Lüge.

Nachdem mehrere Faktenchecker und andere YouTuber darauf hingewiesen hatten, dass das kompletter Bullshit ist, löschte Alexander Raue das Video und veröffentlichte eine Entschuldigung.

Das ist ein Punkt, den ich ihm trotz aller Kritik zugutehalte: Die Falschmeldung zu löschen und eine Korrektur zu veröffentlichen, war der richtige Weg, mit diesen selbst produzierten Fake News umzugehen.

Nur leider ist so etwas bei Alexander Raue die absolute Ausnahme. Ich habe auf seinem kompletten Kanal nur zwei Beispiele für von ihm korrigierte Falschmeldungen gefunden. Alle anderen bleiben unkorrigiert auf seinem Kanal stehen. Auch das Video zu den angeblichen Schauspielern bei der Demo gegen Rechts, das immer noch von sehr vielen Leuten gesehen, geglaubt und voller Wut und Hass kommentiert wird.

Fans fantasieren von Kopfschüssen und Gaskammern

Und damit kommen wir zum vielleicht wichtigsten und schlimmsten Punkt an dieser ganzen Sache: Zu dem, was Alexander Raue mit seinen Videos auslöst.

So sehen die Kommentare unter den Videos von Alexander Raue aus. Insgesamt sind seine Inhalte auf YouTube bisher schon rund 2 Millionen Mal kommentiert worden. In vielen davon malen sich die Fans von Alexander Raue aus, wie sie Politiker:innen, Journalist:innen, Klimaaktivist:innen und Ausländer:innen am liebsten jagen, foltern und totprügeln oder an Straßenlaternen aufhängen oder anzünden oder ertränken oder mit Kopfschüssen hinrichten oder in der Gaskammer ermorden würden.

Er selbst spricht sich aber von der Verantwortung frei:

„…und demzufolge machen wir die Videos so, wie sie sind, um einfach auf die aktuelle Lage aufmerksam zu machen, um die Informationen zu transportieren – und wie die Leute das dann aufnehmen, wie sie damit umgehen, das ist ja sobieso (sic) jedem seine eigene Sache.“

(„Christian Bubeck: Banken & Staaten manipulieren unsere Wirtschaft! (Alexander Raue)“, 05.01.2024)

Über 500.000 Euro Einnahmen in einem Jahr

Viele Fans von Alexander Raue sehen sich selbst als diejenigen, die sich niemals manipulieren lassen, die niemandem blind vertrauen und alles hinterfragen. Doch von Alexander Raue lassen sie sich jeden Tag aufs Neue manipulieren. Ihm vertrauen sie blind und hinterfragen nichts von dem, was er sagt. Stattdessen verbreiten sie seine Falschmeldungen ungeprüft überall – in sozialen Medien, in Telegram- und Whatsapp-Gruppen, wo sie dann noch mehr Menschen in die Irre führen und noch viel mehr Hass und Angst schüren.

Allerdings hat Alexander Raue auch ein großes Interesse daran, möglichst viele Menschen mit seinen Fake News aufzustacheln. Denn er verdient nach eigener Aussage wahnsinnig viel Geld damit.

Insgesamt hatte ich im Jahr 2023 mit YouTube 502.124 Euro verdient. Also über eine halbe Million Euro nur mit den YouTube-Werbeeinnahmen. Alter Schwede. Das ist echt krass.

(„Transparent: Soviel habe ich 2023 mit YouTube verdient!“, 03.01.2024)

Dank der krassen YouTube-Einnahmen konnte Raue inzwischen sogar seinen gut bezahlten Job kündigen und lebt jetzt als Vollzeit-YouTuber in Costa Rica. Und mit jedem neuen Video rückt er seinem Traum ein Stückchen näher, nämlich:

„Wir gehen mit 38 in Rente. Der Plan ist, nicht mehr arbeiten zu müssen und trotzdem monatlich viel Geld zu Verfügung zu haben.“

(„Wir gehen mit 38 in Rente“, 12.01.2022)

Genau das muss man bei den Videos von Alexander Raue immer im Hinterkopf behalten: dass es ihm darum geht, möglichst viel Geld zu verdienen. Dafür sind ihm all die Mittel recht, die er anderen so gerne vorwirft – weil ihm das offenbar über 40.000 Euro im Monat einbringt.

YouTube: „Nicht gegen Community-Richtlinen verstoßen“

Die großen Verlierer sind zum einen seine Zuschauer, die ihm vertrauen und denken, dass er im Gegensatz zu den verhassten Mainstreammedien vernünftig arbeitet, aber von ihm genauso oder sogar noch viel mehr betrogen werden.

Verlierer sind auch die Politiker:innen, Journalist:innen, Migrant:innen und anderen Menschen, denen Alexander Raue falsche Sachen anhängt, und die als Konsequenz nicht für Fehler kritisiert werden, die sie wirklich gemacht haben, sondern attackiert, verteufelt und mit Mordfantasien überzogen werden für Dinge, die sie nicht gesagt oder gemacht haben.

Was kann man dagegen tun? Ein Weg wäre, die Videos, in denen Raue Falschinformationen verbreitet, bei YouTube zu melden. Genau das hat ein Übermedien-Leser vor ein paar Monaten gemacht, wie er mir schrieb. Er meldete das Video zu den angeblichen Demo-Schauspielern bei YouTube als Fehlinformation, doch YouTube kam nach einer „sorgfältigen Überprüfung“ zu dem Schluss, dass das Video nicht gegen die Community-Richtlinien verstoße und es weiter auf YouTube verfügbar bleibe.

Der Zuschauer wandte sich danach an das Justizministerium, das ihn an die EU-Kommission verwies Korrektur am 12. Mai 2024: Der Zuschauer suchte daraufhin nach Behörden, bei denen er sich über YouTube beschweren könnte, und las auf der Website des Bundesamts für Justiz, dass für die Aufsicht über „sehr große Online-Plattformen“ wie YouTube neuerdings die EU-Kommission zuständig sei. Als er sich dort per Mail beschwerte, bekam er eine automatische Antwort, wonach die EU nicht für einzelne Streitfälle zuständig sei, sondern nur „systemische Probleme angehen kann“. Danach hörte er nie wieder etwas. Das Video („DEMO GEGEN RECHTS WAREN SCHAUSPIELER!“) ist auch heute noch unverändert online.

Keine Reaktion auf unsere Anfrage

Manchmal kommt es aber doch vor, dass ein Video von Raue gelöscht oder demonetarisiert wird, er dafür also von YouTube kein Geld mehr bekommt. Er bezeichnet solche Fälle dann sofort als „Zensur von politisch Andersdenkenden“ oder als „Säuberungsaktion gegen ‘Rechts’“. Wie hier:

„Das Video von Steinmeier, wo er über die AfD als Rattenfänger gesprochen hatte, auch das wurde mir zensiert, obwohl ich ja nur unseren Bundespräsidenten zitiert hatte. Also das ist wirklich unglaublich!“

(„Unbedingt schauen: Große Änderung für meine YouTube Videos!“, 01.04.2024)

Nein. Unglaublich ist, dass Alexander Raue aus dem Fall immer noch Falschmeldungen produziert und zu Kohle macht.

Ich habe Alexander Raue übrigens mit meinen Recherchen konfrontiert, ihm einige Fragen geschickt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Antwort habe ich nicht bekommen.

Er könnte natürlich einfach mal im Duden nachschlagen, was eine Metapher ist. Und er könnte auch generell mal überlegen, ob er es eigentlich cool findet, dass er seine Fans schon so weit aufgeheizt hat, dass sie Kopfschüsse und Gaskammern fordern, oder ob er doch mal einen Gang zurückschalten und in seinen Videos weniger verzerren und lügen sollte.

„Aber was bringt mir das, wenn danach keine Sau die Videos anschaut? Nix!“

28 Kommentare

  1. Der Mann ist anscheinend der fleischgewordene Zynismus. Für das doppelte Geld würde er wahrscheinlich auch sofort direkt ab morgen täglich drei Liebeserklärungen an die Grünen senden…

  2. Vielleicht sollte ich mir einen Account beim Drecks-Google anlegen und den Kanal Mietertagebuch starten, um möglichst skandaliert seinen Kram aufzuarbeiten. Blöd nur, dass ich Familie und einen Fulltime-Job habe, der mir gefällt. Debunken ist ja leider aufwendiger als behaupten. Und mit dem Gegenwind muss man ja auch noch umgehen.

  3. Auweia, was gibt’s für Leute. Und wie viele, die das anklicken… Aus seiner Sicht sind links-Grüne extrem moralisierend, und das stimmt in seinem Fall auch – denn er verhält sich komplett unmoralisch. Möglichst wenig zur Gesellschaft beitragen, schnell „Privatier“ werden und nix mehr leisten wollen. Ein Kleinkind im Erwachsenen-Körper. Echt hässlich. Und pathologisch. Leider wird sowas finanziell belohnt.
    Nun gut, viel Spaß in Costa Rica und komm bloß nie wieder zurück!

  4. Das Traurige ist ja auch, dass YouTube das weiter verbreitet und das offenbar niemand zuständig ist oder sich zuständig fühlt, die Weiterverbreitung zu überprüfen und zu verhindern, weder das Justizministerium noch die EU-Kommission.

    Mal ne doofe Frage: Gibt es nicht genau dafür, den Digital Service Act? Sollte der nicht genau das schaffen, eine Stelle, die zuständig ist?

  5. Leider haben wir ein Bildungsproblem, dergestalt, daß die Aussagen Raues (und ähnlicher Gestalten in den sozialen Medien, die damit möglicherweise nicht ganz so viel Kohle generieren, aber darauf kommt es letztlich nicht an) nicht hinterfragt und keine eigenen Recherchen auf Plausibilität angestellt werden, und so einen eklatanten Mangel an Medienkompetenz, aber auch an kritischem Denken – und zwar in jede Richtung! – belegen. Das ist das eigentlich Gefährliche an solchen Clowns.

  6. Ja, nee, klar, Bildung ist wichtig. Aber ich dachte tatsächlich, dass der Leser von Übermedien sich vielleicht nicht ans Justizministerium oder die EU-Kommission wenden sollte, sondern an die Bundesnetzagentur.

  7. @Peter Sievert (#1):

    Für das doppelte Geld würde er wahrscheinlich auch sofort direkt ab morgen täglich drei Liebeserklärungen an die Grünen senden…

    Ich vermute eine Mischung aus Zynismus, Geschäftssinn und Neigung. Er wird den Quatsch, den er verzapft, schon halbwegs glauben. Aber ich glaube auch, dass seine emsige Agitations-Arbeit vor allem dem Profit dient. (Womit er nicht der einzige ist. Kolja Barghoorn von „Aktien mit Kopf“ z.B. ist von halb-seriöser Anlageberatung auf Bullshit-Propaganda umgeschwenkt und hat damit seine Reichweite vervielfacht.)

    @Mats Schönauer:

    Was Raue nicht erwähnt: Wenn (gerade im politischen Kontext) von einem „Rattenfänger“ die Rede ist, meint das nicht wortwörtlich jemanden, der Ratten fängt.

    Stimmt. Den Kniff hat er sich allerdings bei der „sprachsensiblen“ Gegenseite abgeschaut. Stichwort „Schwarzfahrer“. Und auch die zeitweise gehypte Elisabeth Wehling würde wohl darauf beharren, dass das Wort „Rattenfänger“ einen Frame aktiviere, der das Publikum automatisch an Ungeziefer denken lasse (ihre Meinung, nicht meine).

    Vielleicht ein Anlass für einschlägig aktive Progressive, mal kurz innezuhalten, wenn die eigene Sensibilität für Sprache ins Magische zu kippen droht.

  8. Nachtrag @Mats Schönauer:

    Das ist ein Punkt, den ich ihm trotz aller Kritik zugutehalte: Die Falschmeldung zu löschen und eine Korrektur zu veröffentlichen, war der richtige Weg, mit diesen selbst produzierten Fake News umzugehen.

    Da bin ich skeptisch: Es könnte sich um eine Masche handeln. Der Mann verbreitet in einer Tour Behauptungen, die entweder Quatsch, fehlerhaft oder zumindest falsch interpretiert sind. Indem er die größten Unwahrheiten im Nachhinein korrigiert, vermittelt er den Eindruck, seriös zu arbeiten – was dem nicht-korrigierten Unfug ex negativo den Schein von Korrektheit verleiht.

    Absicht oder Nebeneffekt? Keine Ahnung. Jedenfalls dürfte es seine Glaubwürdigkeit bei der Zielgruppe steigern.

  9. tja…ganz ehrlich, ich sehe da irgendwie bei jedem eine Mitschuld. Bei allen Social Media Plattformen, welche ihn nicht sperren. Bei allen Zuschauen den, welche nicht bereits nach dem ersten Klick seinen Content melden. Bei den Medien, welche die Zuschauer quasi auf seine Praxis hin erzogen haben.

  10. Bei dem Wahrheitsgehalt seiner Beiträge: warum soll es ausgerechnet mal stimmen, dass er 500.000 Euro in 2023 auf YouTube verdient hat?

  11. Demonetarisierung einzelner Videos ist halt zu wenig. Gerade, wenn es nur bei jedem x-ten Falschmeldungsvideo überhaupt dazu kommt. Damit lohnt es sich ja immer noch. Strafen/Ordnungswidrigkeiten müssen schon weh tun. Vielleicht sollte man dazu mal ein wenig den Rechtsrahmen erweitern. Für jede von einem Gericht festgestellte Falschmeldung 30 Tagessätze oder besser ein Monatsbruttoumsatz. Direkt als Spende an Faktenchecker. Dazu „Three Strikes“: Bei der dritten gleichartigen Verurteilung ein Jahr Demonetarisierung des gesamten Kanals/Angebots.

    Noch ein anderer Punkt: mich erinnern diese Thumbnails an ein gewisses Youtube-Kanal eines Internetangebotes eines ehemaligen Bild-Chefredakteurs…

  12. Eigentlich müsste sich Herr Raue bei Herrn Schönauer für die kostenlose Werbung bedanken.

  13. @KK
    „Und auch die zeitweise gehypte Elisabeth Wehling würde wohl darauf beharren, dass das Wort „Rattenfänger“ einen Frame aktiviere, der das Publikum automatisch an Ungeziefer denken lasse (ihre Meinung, nicht meine).

    Niemand „hyped“ Frau Wehling so ausgiebig wie Sie, das ist mal sicher. Aber das konjunktivisch benutzte „würde“ und die Behauptung
    „(ihre Meinung, nicht meine)“ in einem Satz untergebracht, würde ich mal als extrem gewagt werten wollen.

    Und nein, es „wäre“ auch gar nicht dasselbe. Für Menschen, die sich fortwährend gegen ang. „wokeism“ und Sprachpolizei äußern, die jede Kampagne gegen einen inklusive Sprache mit allergrößtem Eifer unterstützen, verbietet es sich natürlich schon aus diesem Grund übergroße Sensibilitäten an den Tag zu legen.

    Aber so ist es halt heutzutage: Die, die am meisten von einer ang. „Lügenpresse“ schwafeln, sind die größten Lügner, die, die eine vorgebliche Zensur beklagen, verbieten die meisten Bücher. Die, die überall eine Cancel Culture am Werk sehen, canceln selber alles, was nicht in ihre Streichholzschachtelwelt passt.

    Verbote gegen eine vorgebliche Verbotskultur sind kein Witz, sonder Realität.

    Übrigens, fragen Sie mal ältere Linkshänder, was die seit der Kindheit bzgl. des Begriffes „Links“ gehört haben und fragen Sie sich, ob das wohl auch an einem Framing gelegen haben könnte.

  14. @Frank Gemein:

    Wenn es einen Preis für böswillig-projektives Missverstehen gäbe, Sie würden ihn gewinnen. Jedes Jahr, immer wieder.

  15. Danke für den guten Bericht. Doch leider ist Tim Raue nicht der einzige, der solchen Content auf YouTube seit rund 2 Jahren produziert. Erstaunlicherweise gibt es einige der sogenannten früheren „Finfluencer“, die vor einiger Zeit plötzlich von Content zur Finanzbildung (wie eben Vermietertagebuch oder – genauso schlimm – „Aktien mit Kopf“ von Kolja Barghoorn) auf hetzerische und rechte Inhalte umgeschwenkt sind.
    Ich habe über viele Jahre den Content dieser sogenannten Finfluencer angeschaut, da ich mich für Aktien etc. interessiere. Plötzlich haben mehrere plötzlich auf die rechte Hetze umgeschwenkt.
    Meine Mutmaßung ist hier im übrigen, dass die das in der Schlagzahl und Machart nicht ohne Unterstützer im Hintergrund hinkriegen. Es gibt sogar Gerüchte, das hier Unterstützung aus russischen Kanälen erfolgt. Hierzu wäre eine weitergehende Recherche wirklich interessant.
    Was ich im übrigen noch weiter erschreckend finde: die frühere „Szene“ der Finfluencer und Finanzbranche distanzieren sich teilweise nicht oder nur halblebig von diesen Hetzern. So war z.B. Kolja Barghoorn erst vor 2 Wochen für Finanzmesse „Invest“ in Stuttgart als Redner eingeladen.
    Als ich die Messeveranstalter bereits im letzten Jahr darauf angesprochen habe – verbunden mit dem Hinweis, dass ich die Messe nicht besuchen werde wenn solche Leute auftreten – wurde mir nur mitgeteilt, dass man das Agieren der Personen genau beobachten wird. Das war 2023. Und 2024 wurden diese Leute wieder eingeladen …
    Also: ich fände es klasse, wenn Ihr da weiter recherchiert. Und was ich nie verstehen werde: dass Menschen die von „manipulierte Medien“ sprechen selbst solch einen Mist verzapfen, konsumieren und sich bei Tim Raue, Kolja Barghoorn und Co. neutral informiert fühlen. Ich verstehe es nicht …

  16. Alexander Raue ist wohl eine der hässlichsten Fratzen eines bestens funktionierenden Systems der billigen Empörungsökonomie. Sein Zynismus ist bodenlos, seine rechte Hetze widerlich und selbst seine offensichtlichsten Lügen scheinen jede Menge Zuspruch bei einer Klientel zu finden, die sich schon lange von jedem auch nur leisesten Anspruch an Faktizität verabschieded hat.
    Inzwischen hat er sich mit „Alexander Raue Klartext“ schon einen zweiten Kanal auf YouTube geschaffen, den er problemlos weiter bespielen kann, sollte YouTube das „Vermietertagebuch“ tatsächlich irgendwann mit mehreren Verwarnungen belegt haben.

  17. @Marcel (#16):

    Tim Raue

    Tim Raue ist ein Sternekoch aus Berlin und meines Wissens noch nie mit rechten Äußerungen aufgefallen. Der YouTube-Raue heißt Alexander. :-)

  18. @KK:
    „Wenn es einen Preis für böswillig-projektives Missverstehen gäbe, Sie würden ihn gewinnen. Jedes Jahr, immer wieder.“

    Wenn das Sie dazu ermutigte, ein wenig mehr über Ihre Sentenzen zu reflektieren, hätte ich mein Ziel erreicht.
    ( Meine Meinung, nicht Ihre! )(xoxo)

    Und ja, ich finde Ihren Beitrag tatsächlich in diesem Kontext komplett unangebracht.
    Nicht dasselbe Spiel, nicht dasselbe Stadion.

    Im übrigen scheint niemandem aufzufallen, dass der Rattenfänger nur deshalb negativ gesehen wurde, weil er letztlich die Kinder auf immer entführte.

  19. „Im übrigen scheint niemandem aufzufallen, dass der Rattenfänger nur deshalb negativ gesehen wurde…“
    Warum sonst sollte der Rattenfänger negativ gesehen werden? Wegen der toten Ratten etwa? Oder weil man ihn um seinen Lohn prellte?
    Dass _Raue_ die Redensart mit Absicht falsch versteht (anstatt, weil er die Geschichte dazu nicht zu kennt) kommt mir zwar auch wahrscheinlicher vor, aber wenn nicht, wäre er einer der wenigen, der _nicht_ verstanden hat, warum der Rattenfänger negativ gesehen wird.
    Aber um Steinmeier persönlich was zu unterstellen, müsste er die Redensart bis dato nie gehört haben, sonst wüsste er ja, dass der sie nicht erfunden hat.

  20. Wer auf Rattenfänger reinfällt, ist ein Kind, ist naiv. Der Bundespräsident hält also die Rechten, die Rechtspopulisten, die Rechtsextremen, die AfD-Wähler für dumm. Er bezeichnet sie nicht als Ratten, sondern als Idioten. Kann man als Linker, als Linkspopulist, als Linksextremist, als Wähler linker, linksgrüner Parteien so sehen. Der Bundespräsident ist aber der Bundespräsident aller Deutschen. Sollte er nicht versöhnen, anstatt zu spalten?

  21. Jesses nee – was für ein Meinungsschlamm, den diese Type von sich gibt. Könnte man es in sensorische Kategorien erlebbar machen, würde es ziemlich stinken. Leider gibt es diese sensorischen Warnmelder, die der Mensch sich in seiner Evolution angeeignet hat, nicht. Und Youtube ist voller solcher Beiträge – und dann gibt es noch die anderen Kanäle. Der Hammer ist, dass sich damit erhebliches Geld verdienen lässt.
    Interessant und informativ, das in homöopathischen Dosen hier bei Übermedien mal plakativ nahegebracht zu bekommen.

  22. Was hier exemplarisch an Alexander Raue aufgezeigt wird, scheint ein Muster zu sein, das auf viele rechte youtuber zutrifft und den medialen Erfolg der AfD begleitet. Reichelt, Hoss + Hopf und zahlreiche andere funktionieren ganz ähnlich: Rechte Inhalte haben Konjunktur und dann passt es ganz gut, das monetär Nützliche mit der Ideologie zu verbinden. Soweit ich es beurteilen kann, sind die Mehrzahl der AfD-affinen yt-Kanäle keine, die direkt von der Partei gesteuert sind, sondern genau solche Trittbrettfahrer. Bemerkenswert ist im konkreten Fall schon, wieviel Sympathie jemandem entgegenschlägt, der sich selbst das nicht unumstrittene Etikett „Vermieter“ anhängt, schwer vorzustellen, dass die ganzen KommentatorInnen entweder alle ebenfalls Immobilienbesitzer sind oder mit ihren VermieterInnen durchwegs positive Erfahungen gesammelt haben.

  23. Kann man nicht in Costa Rica mal eine dortige rechtsextreme Hetzdemo genau vor dem Grundstück von Alexander Raue veranstalten? (1)
    Dass nämlich die Costa-Ricaner dem „feinen“ Herrn Alexander Raue zeigen, wie es sich anfühlt, als Ausländer derart beschimpft zu werden.

    Dass solche Finanztypen wie Raue oder der von „Aktien mit Kopf“ schon lange ihr rechsextremes und verschwörungstheoretisches Unwesen treiben (2), hatte ich schon in den späten 2000- und frühen 2010er Jahren selbst im Internet gesehen, ist also nicht gerade Breaking News.

    Jedes Mal, wenn irgendwelche rechtsextremen, von Hass, Neid und abgrundtiefer Missgunst gezeichneten Typen ihren auch im vorliegenden Artikel in Auszügen angekündigten Aktionen in die Tat umsetzen, sollten die Bundesnetzagentur, die Staatsanwaltschaft und alle anderen dafür zuständigen auch die Medienhosting-Plattformen der modernen Welt der (A)Sozialen Medien entsprechend saftigst verurteilen und das in Multi-Milliardenhöhe, damit diese Konzerne solche Strafen auch wirklich spüren im Gegensatz zu den verglichen mit ihren Vermögen heute so lächerlich geringen Strafen. Vielleicht kämen deren Überprüfer dann auch mal in die Puschen und würden solche braunen Kanäle viel eher auch sperren und demonetarisieren.

    Alexander Raue soll gefälligst arbeiten wie er es von den in Deutschland lebenden Immigranten fordert.
    ——-
    Anhang:

    (1) Disclaimer: Alles unter der Hand und ohne große Information auf Webseiten von Statisten durchgeführt, die auf den Straßen aufgelesen werden und natürlich in ihren echten Leben keine Rechtsradikalen sind.

    (2) Damals schon (Stand etwa 2008 bis 2010) hieß es, so im Sinn aus meinem Gedächtnis rezitiert:
    – „Der Euro bricht gleich zusammen!!! Der Staat betrügt euch!!!“
    – „Immigration kostet so viel Geld!!!“
    – „Der Finanzzusammenbruch ist geplant, investieren Sie in Gold!!!“
    – „Der Staat ist eine Räuberbande, Steuern sind Raub!!!“
    – „Werte des Abendlandes in Gefahr!!!“
    – „Der Mensch ist unfähig schlechte Nachrichten zu verarbeiten!!!“
    – „Die Grünen wollen die Gesellschaft zerstören!!!!!“
    Und all der ganz ähnliche, verglichen mit heute jedoch harmlos erscheinende und noch nicht gar so wüst extrem formulierte Nonsense.
    Das mit den schlechten Nachrichten sollte wohl als Aufruf gedacht sein, dass die Leser solcher Blogs die anderen Menschen permanent it der auf diesen Seiten veranstalteten Propaganda fluten sollen.

  24. „Wer auf Rattenfänger reinfällt, ist ein Kind, ist naiv.“ Eigentlich nicht, bzw., nicht ausdrücklich.
    Normalerweise „fangen“ Rattenfänger keine Ratten, sie bringen sie um mit Fallen und vergifteten Ködern.
    Der sagenhafte Rattenfänger benutzt jedoch keine Köder oder sonstige Materialien, sondern eine magische Flöte, die Ratten und Kinder gleichermaßen in ihren Bann zieht, aber keinerlei materielle Versprechungen oder Verlockungen bietet.
    Insofern bezieht sich der Vorwurf doch mehr auf den Rattenfänger selbst als auf seine Opfer: die metaphorischen Rattenfänger haben nichts konkretes anzubieten, sondern nur schöne Töne. Wer darauf hereinfällt, mag vllt einfach nur Musik.
    Oder, man sollte solche Redewendungen in beide Richtungen nicht überinterpretieren, weil Redewendungen selten so schlau durchdacht sind, wie sie vllt klingen.

  25. Soweit ich weiß, hat er seinen SAP-Job schon früher an den Nagel gehängt, schon zu der Zeit, als er seinen Privatier-Traum noch mit Immobilienerwerb zu erreichen versuchte. Das scheint mir eine kleines, aber falsches Detail in diesem ansonsten sehr gut recherchierten Text zu sein. Ich meine mich zu erinnern, dass ich vor Jahren einmal ein Video von ihm gesehen habe, wo er genau das erzählt hat. Ich hatte da ein paar seiner Videos über seine Immobilienerwerbe gesehen, und war jetzt verwundert, nach Jahren zu erfahren, in welche Richtung sich sein Kanal entwickelt hat.

  26. Ich dachte zuerst nur: „FUCK, wenn Julian Reichelt diesen Artikel liest, wird er vor Neid erblassen!“ :-D

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