Eines Tages wird es klingeln, und vor der Tür werden zwei Leute stehen und sagen: „Guten Tag, wir kommen von ‚Merkur.de‘ und würden gern mal mit Ihnen über Ihr Kartoffelwasser reden.“ Sie werden sich zur Küche durchschieben und dort streng fragen: „Wann haben Sie zum letzten Mal Kartoffeln gekocht? Und was haben Sie danach mit dem Kartoffelwasser gemacht?“ Und wenn man dann zögert, werden sie mit großem Nachdruck hinzufügen: „Sie haben es doch wohl nicht weggeschüttet? Sie werden doch nicht etwa den Fehler gemacht haben, das Kartoffelwasser einfach wegzuschütten?“
Denn wenn es ein Thema gibt, das den Leuten von „Merkur.de“ und der Münchner Ippen-Gruppe wirklich am Herzen liegt, dann ist es Journalismus die Wiederverwertung von Kartoffelwasser. Mit beeindruckender Hartnäckigkeit versuchen sie, ihre Leser immer wieder wachzurütteln, dass es ungefähr überall hin gehört – nur nicht in den Ausguss.
„Kartoffelwasser eignet sich als Geheimwaffe für Pflanzen, beim Putzen und sogar für Haare und Gesundheit“, klärt „Merkur.de“ auf. Man könne damit kochen, backen, Blumen düngen, Schädlinge vernichten, Unkraut bekämpfen, Fett und Schmutz von Küchengeräten entfernen, Silber reinigen, rissige Haut beruhigen, Haare stärken und beruhigen, graue Haare verschwinden lassen, Sodbrennen lindern, einen Reizdarm beruhigen, Husten dämpfen, Hülsenfrüchte einweichen – im Grunde alles außer den Nahen Osten befrieden! Theoretisch helfe heißes Kartoffelkochwasser sogar bei einem verstopften Abfluss – aber dann würde man es ja extra nicht wegschütten, um es wegzuschütten, das finden die „Merkur.de“-Leute nachvollziehbarerweise schwierig.
Erstaunlicherweise kann die Kartoffelstärke im Wasser anscheinend sogar gute von schlechten Pflanzen unterscheiden: Bei den einen funktioniert sie angeblich als „idealer natürlicher Dünger“, bei den anderen verstopft sie die Pflanzenporen.
Noch nützlicher als im Haushalt ist Kartoffelwasser in der Contentproduktion. Auch hier kann alles wiederverwertet werden, prinzipiell sogar endlos.
Wenn Sie mal schauen wollen:
Das ist nicht immer derselbe Artikel; teilweise haben sich die Autorinnen und Autoren erkennbar Mühe zu eigenen Herangehensweisen gegeben. Da gibt es den sachlich-nüchternen Einstieg:
Die Kartoffel – egal ob im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, kommt bei vielen Deutschen in den verschiedensten Formen und Zubereitungsmethoden auf den Tisch.
(Das schöne Schimmern ist womöglich aber nur dem Einsatz von KI geschuldet. Später heißt es nämlich in unverkennbarer Wir-fangen-bei-Null-an-Haftigkeit: „Kartoffeln sind ein sehr beliebtes, heimisches Gericht. Besonders als Beilage werden gekochte Kartoffeln sehr gerne verspeist. In Wasser gekocht schmecken Kartoffeln ausgesprochen gut.“)
Nudeln! Gurken!
Nun sind Kartoffeln nicht die einzigen Lebensmittel, bei deren Zubereitung heißes Wasser anfällt. Wie ist denn das mit … ah ja:
Und manche Lebensmittel bringen ihr eigenes Wasser gleich mit! Auch das ist im Zweifel, natürlich, ein „Wundermittel“. Gurken zum Beispiel:
„Merkur.de“ empfiehlt Gurkenwasser unter anderem für Salatsoßen, zum Einlegen von Gemüse, zum Marinieren von Fleisch, zum Cocktailmixen, zum Reinigen von Kupferoberflächen, zum Trinken nach dem Sport, zum Bekämpfen eines Katers.
Eier! Kaffee! Spargel!
Vielleicht lässt sich, um das hier etwas abzukürzen, folgende Faustregel formulieren: Wenn es eine Flüssigkeit ist, die Sie normalerweise wegschütten würden, SCHÜTTEN SIE SIE AUF GAR KEINEN FALL WEG! Es handelt sich bestimmt um ein Wundermittel.
Okay, das letzte ist gar kein Wundermittel, sondern soll nur nicht in den Ausguss. Na gut.
Wurst?
Bislang erstaunlich ungenutzt ist nur das Potential von Wurstwasser, aus dem sich bestimmt, jede Wette, nicht nur Cocktails, sondern auch Hausmittel gegen Krebs gewinnen ließen.
Das Kartoffelwasser hingegen ist nicht nur eine Obsession von „Merkur.de“, sondern war auch schon Thema einer dpa-Meldung, die sich noch im „Merkur.de“-Archiv finden lässt. Sie warnt:
Oh.
Die Kolumne
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und „BILDblog“. Seit vielen Jahren Autor, Blogger und freier Medienkritiker, früher unter anderem bei der FAS und beim „Spiegel“.
In seinem Notizblog macht er Anmerkungen zu aktuellen Medienthemen.
16 Kommentare
Und dabei würde sich Wurstwasser auch noch so wunderbar für schönstes Alliterationsbingo eignen. Wunderwaffe Wurstwasser weiterverwenden!
Was ist mit Weihwasser, Wasser in Brandblasen, Köllnisch Wasser, Tauwasser an Eisbehältern oder kalten Getränkeflaschen, das Wasser, das sich unten im Kühlschrank sammelt, Kühlwasser aus Atommeilern, Wischwasser, Bügelwasser, Wasser aus dem Ultraschallbad, Badewasser, Wasser in Konservendosen und natürlich Abflusswasser?
Wir sollten die Ippen-Leute wirklich nicht noch auf Ideen bringen!
Lustig. Erinnere mich an den Hinweis eines Ernährungsberaters im Fernsehen: Man solle Kartoffelwasser keinesfalls verzehren, da wegen seines Solanin-Gehalts irgendwie ungesund. Anders als Nudelwasser (zum Abbinden von Soßen) oder Gemüsewasser (Brühe!). Nun weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll, und mache sicherheitshalber Fritten.
@Nils (#2):
Weihwasser, in dem man Abendmahls-Oblaten einweicht, ergibt einen heiligen Fugenkitt für undichte Kirchenfenster. Das Kühlwasser aus Reaktoren, abgefüllt in Gläsern in der Wohnung verteilt, hilft beim Stromsparen, weil es im Dunkeln so hübsch leuchtet. Und Abflusswasser sollte man keinesfalls wegschütten – es ist ein wahres Wundermittel, in dem man zum Beispiel Kartoffeln kochen kann!
0,25l Kartoffelwasser, 0,1l Gurkenwasser, einen Schuss Reiswasser und fertig ist ein erfrischender Cocktail für sommerliche Tage. Im Winter heiß genießen als labende Diätsuppe, perfekt.
Und so viele Redakteure (oder heißen die jetzt Content-Manager?), die auf diese Weise ihr täglich Brot, ähh, sorry … Wasser verdienen.
Da kommt mir doch das Rammstein-Parodie-Lied „Wurstwasser“ von Badesalz in den Sinn
ach nee, Mundstuhl war das…
„Solanin ist vor allem in Nachtschattengewächsen (Solanaceae) – wie Kartoffeln – enthalten. “
„Solanin zerfällt beim Kochen nicht, sondern geht in das zum Kochen verwendete Wasser über, da es bei hohen Temperaturen wasserlöslich ist. Deshalb sollte das Kochwasser nicht weiterverwendet werden.“
„Pharmakologische Effekte wurden für viele Solanum-Alkaloide beschrieben, insbesondere wirken viele der Verbindungen fungizid, antiviral oder entzündungshemmend. Zudem wurden für viele der Alkaloide (z. B. Tomatidin und Solasodin) Wirkungen gegen bestimmte Krebsarten beschrieben, z. B. Darm- und Leberkrebs.“
-> also doch lieber Tomaten( Tomatidin)- und Auberginen (Solasodin)-Wasser ….?!
@Bernhard E. Reiter: Sie haben nicht auf den letzten Link im Artikel geklickt, oder?
Werter Kritischer Kritiker, sei bedankt! Your Fugenkitt made my Freitagsfeierabend. Jetzt bin ich entspannt im Wochenende und stell mein Reaktorkühlwasserglas bereit.
… und vielleicht könnte mit sehr viel Kochwasser durch sehr viel Kochen sogar der Nahost-Konflikt gelöst werden – wenn keiner mehr Zeit hat zu kämpfen, weil alle kochen und Abflüsse reinigen?
@Stefan Niggemeier: Stimmt, den hatte ich nicht angeklickt. Irgendwie hatte ich mir dahinter etwas Anderes vorgestellt und lieber bei einer seriöseren Quellen nachgeschaut. ;-)
Dieser Notizblock-Artikel ist lustig, weil er die Absurdität des Schrotts zeigt der gemeldet wird. Da es sich bei Soanin um ein Gift handelt, frage ich mich, ob die Kritik nicht deutlicher hätte werden sollen- der Schwachsinn kann schließlich krank machen (Gut, jeder Stoff ist in der richtigen Menge „giftig“, im Umkehrschluss ist sogar Leitungswasser ein Wundermittel.)
Aber was ist denn nun mit dem Kartoffelwasser???Ihr könnt doch nicht einfach nur die Überschriften nennen! Hilft es nun gegen Flecken oder nicht?
Made my week (mindestens).
Im Selbstversuch habe ich nach dem Lesen dieses Artikels in einer Mischung aus Kartoffel-, Nudel-, Reis- und Wurstwasser gebadet.
Ich nickte kurz ein und als ich meine Augen wieder öffnete standen plötzlich zwei Herren von Merkur.de vor mir und wollten mich zu einem Interview mit in die Redaktion nehmen.
Aufgrund der im Badewasser enthaltenen Stärke konnte ich aus ihrem schraubzwingenartigen Griff
heraus flutschen und entkommen. Vorerst.
Und dabei würde sich Wurstwasser auch noch so wunderbar für schönstes Alliterationsbingo eignen. Wunderwaffe Wurstwasser weiterverwenden!
Was ist mit Weihwasser, Wasser in Brandblasen, Köllnisch Wasser, Tauwasser an Eisbehältern oder kalten Getränkeflaschen, das Wasser, das sich unten im Kühlschrank sammelt, Kühlwasser aus Atommeilern, Wischwasser, Bügelwasser, Wasser aus dem Ultraschallbad, Badewasser, Wasser in Konservendosen und natürlich Abflusswasser?
Wir sollten die Ippen-Leute wirklich nicht noch auf Ideen bringen!
Lustig. Erinnere mich an den Hinweis eines Ernährungsberaters im Fernsehen: Man solle Kartoffelwasser keinesfalls verzehren, da wegen seines Solanin-Gehalts irgendwie ungesund. Anders als Nudelwasser (zum Abbinden von Soßen) oder Gemüsewasser (Brühe!). Nun weiß ich nicht mehr, was ich glauben soll, und mache sicherheitshalber Fritten.
@Nils (#2):
Weihwasser, in dem man Abendmahls-Oblaten einweicht, ergibt einen heiligen Fugenkitt für undichte Kirchenfenster. Das Kühlwasser aus Reaktoren, abgefüllt in Gläsern in der Wohnung verteilt, hilft beim Stromsparen, weil es im Dunkeln so hübsch leuchtet. Und Abflusswasser sollte man keinesfalls wegschütten – es ist ein wahres Wundermittel, in dem man zum Beispiel Kartoffeln kochen kann!
0,25l Kartoffelwasser, 0,1l Gurkenwasser, einen Schuss Reiswasser und fertig ist ein erfrischender Cocktail für sommerliche Tage. Im Winter heiß genießen als labende Diätsuppe, perfekt.
Und so viele Redakteure (oder heißen die jetzt Content-Manager?), die auf diese Weise ihr täglich Brot, ähh, sorry … Wasser verdienen.
Da kommt mir doch das Rammstein-Parodie-Lied „Wurstwasser“ von Badesalz in den Sinn
ach nee, Mundstuhl war das…
„Solanin ist vor allem in Nachtschattengewächsen (Solanaceae) – wie Kartoffeln – enthalten. “
„Solanin zerfällt beim Kochen nicht, sondern geht in das zum Kochen verwendete Wasser über, da es bei hohen Temperaturen wasserlöslich ist. Deshalb sollte das Kochwasser nicht weiterverwendet werden.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Solanin#Toxizit.C3.A4t
SCNR
… und
„Pharmakologische Effekte wurden für viele Solanum-Alkaloide beschrieben, insbesondere wirken viele der Verbindungen fungizid, antiviral oder entzündungshemmend. Zudem wurden für viele der Alkaloide (z. B. Tomatidin und Solasodin) Wirkungen gegen bestimmte Krebsarten beschrieben, z. B. Darm- und Leberkrebs.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Solanum-Alkaloide#Pharmakologische_Eigenschaften
-> also doch lieber Tomaten( Tomatidin)- und Auberginen (Solasodin)-Wasser ….?!
@Bernhard E. Reiter: Sie haben nicht auf den letzten Link im Artikel geklickt, oder?
Werter Kritischer Kritiker, sei bedankt! Your Fugenkitt made my Freitagsfeierabend. Jetzt bin ich entspannt im Wochenende und stell mein Reaktorkühlwasserglas bereit.
… und vielleicht könnte mit sehr viel Kochwasser durch sehr viel Kochen sogar der Nahost-Konflikt gelöst werden – wenn keiner mehr Zeit hat zu kämpfen, weil alle kochen und Abflüsse reinigen?
@Stefan Niggemeier: Stimmt, den hatte ich nicht angeklickt. Irgendwie hatte ich mir dahinter etwas Anderes vorgestellt und lieber bei einer seriöseren Quellen nachgeschaut. ;-)
Dieser Notizblock-Artikel ist lustig, weil er die Absurdität des Schrotts zeigt der gemeldet wird. Da es sich bei Soanin um ein Gift handelt, frage ich mich, ob die Kritik nicht deutlicher hätte werden sollen- der Schwachsinn kann schließlich krank machen (Gut, jeder Stoff ist in der richtigen Menge „giftig“, im Umkehrschluss ist sogar Leitungswasser ein Wundermittel.)
Aber was ist denn nun mit dem Kartoffelwasser???Ihr könnt doch nicht einfach nur die Überschriften nennen! Hilft es nun gegen Flecken oder nicht?
Made my week (mindestens).
Im Selbstversuch habe ich nach dem Lesen dieses Artikels in einer Mischung aus Kartoffel-, Nudel-, Reis- und Wurstwasser gebadet.
Ich nickte kurz ein und als ich meine Augen wieder öffnete standen plötzlich zwei Herren von Merkur.de vor mir und wollten mich zu einem Interview mit in die Redaktion nehmen.
Aufgrund der im Badewasser enthaltenen Stärke konnte ich aus ihrem schraubzwingenartigen Griff
heraus flutschen und entkommen. Vorerst.