Die Kolumne
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und BILDblog. Seit vielen Jahren Autor, Blogger und Medienkritiker, früher unter anderem bei der FAS und beim „Spiegel“. In seinem Notizblog macht er Anmerkungen zu aktuellen Medienthemen.
Bei „Der Westen“, meinem Lieblingsangebot der Funke-Mediengruppe, haben sie rechtzeitig vor den Feiertagen eine große Informationsoffensive gestartet. In einer Serie von Artikeln beantwortet das Portal in bestürzender Breite und Tiefe, wann an den Feiertagen die Geschäfte geöffnet haben. Ein verblüffendes Ergebnis der Recherche:
Am Ostersonntag (31. März) werden traditionell alle Lidl-Filialen geschlossen bleiben, da er auf einen Sonntag fällt.
Bei Rewe hingegen ist es deutlich komplizierter: Da fällt der Ostersonntag in diesem Jahr nicht nur auf einen Sonntag, sondern auch auf einen Feiertag! Und das bedeutet:
Am Ostersonntag (31. März) müssen sich Kunden anderweitig orientieren, denn es ist zwar ein Sonntag, aber zugleich auch ein Feiertag und daher bleiben gewöhnlich alle Rewe-Filialen geschlossen.
Zwar ein Sonntag, aber auch ein Feiertag. Man erahnt an diesen Artikeln die Bedeutung von Journalismus, in verwirrenden Zeiten für Klarheit zu sorgen.
Bei „Der Westen“ gibt es für jede der mutmaßlich meistgegoogelten Supermarkt-Marken einen eigenen Artikel. Alle werden, wie die meisten „Der Westen“-Artikel, immer wieder neu mit frischem Datum veröffentlicht. Und jeder einzelne ist eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen der Sorge um den Ostereinkauf und der Freude über geöffnete Türen, zwischen hektischer Einkaufsnot und dem Glück, nicht einkaufen zu müssen. Im Fall von Edeka liest sich das bei „Der Westen“ so:
Wie der Name schon verrät, ist Ostersonntag ein Sonntag. Traditionell bleiben an diesem Tag alle Geschäfte geschlossen, was auch auf Edeka zutrifft. Diese Ruhepause bietet eine Gelegenheit, das Osterfest ungestört im Kreise der Familie oder Freunde zu genießen. Doch die Shopping-Pause ist nur von kurzer Dauer, denn am Ostermontag (1. April) stellen sich viele wieder die Frage nach den Öffnungszeiten.
Stefan Niggemeier ist Gründer von Übermedien und BILDblog. Seit vielen Jahren Autor, Blogger und Medienkritiker, früher unter anderem bei der FAS und beim „Spiegel“. In seinem Notizblog macht er Anmerkungen zu aktuellen Medienthemen.
Doch das Drama beginnt ja schon Tage zuvor. Bei Rewe:
Am Gründonnerstag (28. März) heißt es für alle, die noch letzte Besorgungen erledigen müssen: Auf zu Rewe!
Bei Lidl:
Für alle, die sich darauf vorbereiten, ihre Ostereinkäufe zu erledigen, bietet Lidl am Gründonnerstag (28. März) die perfekte Gelegenheit.
Bei Aldi:
Am Gründonnerstag (28. März) können Kunden bei Aldi aufatmen, denn trotz der nahenden Feiertage ist das Einkaufsverhalten nicht eingeschränkt.
Nur bei Netto fehlt irgendwie die Leidenschaft:
Am Gründonnerstag (28. März) kannst du deine Ostereinkäufe bei Netto und den meisten anderen Supermarktketten ohne Einschränkungen tätigen.
Ich hoffe, ich spoilere jetzt nicht unnötig, wenn ich verrate: an Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag haben die Läden zu. An allen anderen nicht.
Allerdings gibt es Ausnahmen – Filialen an besonderen Standorten wie Bahnhöfen oder Flughäfen können auch an Sonn- und Feiertagen geöffnet haben. Auch darüber informiert freundlicherweise „Der Westen“. Also, darüber, dass sie geöffnet haben können. Nicht, ob sie geöffnet haben. Das müsste man bitte schön selbst herausfinden.
Etwa bei Lidl:
Kunden, die eine Lidl-Filiale in Sonderlagen aufsuchen möchten, sollten sich über die Öffnungszeiten vor Ort informieren, da hier individuelle Regelungen gelten können.
Auch bei Netto:
Informiere dich am besten direkt vor Ort.
Und natürlich Edeka:
Es empfiehlt sich, direkt bei der Filiale in der Nähe nachzufragen.
Und bei Aldi sowieso:
Es ist ratsam, sich bei den jeweiligen Supermärkten und Discountern rechtzeitig über die genauen Öffnungszeiten zu informieren, damit die Osterfeiertage entspannt genossen werden können.
Bitte informieren Sie sich, nur halt nicht beim „Westen“.
Autorin all der Artikel ist die „Der Westen“-Redakteurin Daline West, das Pseudonym für eine künstliche angebliche Intelligenz, deren Artikel „dank der Nachbearbeitung durch menschliche Lektoren“ eine „einzigartige Kombination aus Technologie und menschlichem Feingefühl“ bieten sollen. Und, keine Sorge, sie unterliegen „einer gründlichen Qualitätsprüfung“.
Unter mehreren Artikeln steht das sogar doppelt, vermutlich als Ausweis besonderer Gründlichkeit.
Manche Themen werden aber auch bei „Der Westen“ sicherheitshalber noch von Menschen (mit)geschrieben, zum unerschöpflichen Thema Ladenöffnungszeiten an Ostern zum Beispiel diese:
Dort erfährt man in einzelnen Fällen sogar konkret, welche Supermärkte an Flughäfen oder Bahnhöfen wann geöffnet haben. Allerdings konnte nicht einmal die redaktionelle Zusammenarbeit des NRW-Chefs von „Der Westen“ mit seiner KI-Kollegin Daline West dieses Unglück verhindern:
So schreibt das Ladenöffnungsgesetz auch Geschäften an Verkehrsknotenpunkten vor, an Feiertagen, die auf einen Sonntag fallen, den Betrieb einzustellen. Deshalb bleibt die Rewe-Filiale am Flughafen Düsseldorf am Ostermontag geschlossen.
Das klingt, als würde Ostermontag in diesem Jahr auf einen Sonntag fallen, was doppelt unglücklich wäre, weil darauf ja schon, wie wir dank „Der Westen“ wissen, Ostersonntag fällt. Aber die Wirklichkeit ist noch verwirrender: Das Ladenöffnungsgesetz in Nordrhein-Westfalen besagt zwar tatsächlich, dass auch Geschäfte wie Kioske, Bäckereien und Blumenläden, die eigentlich sonn- und feiertags ein paar Stunden öffnen dürfen, an Ostermontag, Pfingstmontag und 2. Weihnachtstag geschlossen bleiben müssen. Für Geschäfte an Verkehrsknotenpunkten gilt diese Ausnahme von der Ausnahme allerdings nicht. Sie können also öffnen. Tun es aber nicht immer.
Und bevor Sie fragen: Dass man durch das Lesen von „Der Westen“-Artikel nicht nur nicht schlauer, sondern aktiv dümmer wird, scheint mir ein beabsichtigter Effekt zu sein.
(Apropos: Bitte klicken Sie nicht auf den „Der Westen“-Artikel mit der Überschrift „Rewe, Aldi und Co: Eier-Alarm vor Ostern – es droht eine böse Überraschung“. Die einzige „böse Überraschung“, die droht, ist, dass Sie herausfinden könnten, dass er weder von Rewe, Aldi und Co handelt noch von irgendeinem Alarm.)
Neben der Dummheit nervt die Duzerei.
Auf welchen Wochentag fällt in diesem Jahr eigentlich Gründonnerstag? Und gilt da der Lange Donnerstag auch an Verkehrsknotenpunkten? Im Sinne erholsamer Feiertage hoffe ich für alle Leser:innen von „Der Westen“, dass Daline West hier unter sorgfältiger Prüfung der Redaktion ebenfalls fundierte Hilfestellung geben kann. Frohe Ostern!
Das ist so unglaublich…. Das tut schon richtig weh!
Und jetzt stellen wir uns kurz vor, in den Terminator Filmen hätte nicht Skynet die Weltherrschaft an sich gerissen, sondern die KI Daline West.
@Mario (#4):
Etwa so?
„2029: Deutschland versinkt im Chaos. Niemand weiß mehr, welcher Tag gerade ist, und wann Rewe geöffnet hat. Vor den Supermärkten sammeln sich verzweifelte Kunden, trommeln mit den Fäusten gegen verschlossene Automatiktüren und schreien ‚Karfreitag ist Heiligabend, ihr Schweine!‘
Das Ende scheint nahe, doch die Rebellen um John Niggemeier, den letzten menschlichen Lektor, haben einen Plan – sie wollen den Taschenkalender Moleskine-800 in die Vergangenheit zurückschicken, um Daline West zu stoppen.“
Oder die KI scheitert einfach an diesem Wahnsinn – man hört geradezu, wie die gequälte Maschinenseele schreit: „Was ist das für ein Gott, der dieses Chaos zulässt?!“
Die KI hat vermutlich nur die Aufgabe, die Namen der Discounter mit den Begriffen “Öffnungszeiten” und “Ostern” zu kombinieren, und das macht sie doch gut. Leser:innen kommen in diesem Kalkül nicht vor.
Ich hoffe, Sie, Herr Niggemeier, werden nicht dümmer durch das Lesen der Artikel von „Der Westen“ etc. Wir brauchen Sie doch noch!
Ich opfere mich für Sie!
Ich werde mal beim Presserat anregen, in den Pressekodex eine Ziffer 1.4 einzufügen, die sich der Wahrhaftigkeit der Autorenzeile widmet. Ein Pseudonym ist eine Sache, ein Name für eine gar nicht existente Person eine andere – nämlich eine Verarschung der Leser:innen*. Bei Ippen heißt Daline übrigens Klara. Vom Nachnamen weiß ich nur noch, dass die Initialen KI ergaben.
* Bei der Münchner Abendzeitung gab es zu Friederike von Unruhs Zeiten Ähnliches: Kollagen aus Agenturmeldungen wurden John Pritt und Jean Klebèr zugeschrieben, je nachdem, ob sie aus dem angelsächsischen oder frankophonen Sprachraum kamen. Die AZ-Leser:innen wurden also behandelt wie schimmerlose Babys.
Bei etlichen dieser läppischen “Der Westen“-Artikel samt großformatig darübermontiertem Lidl- oder Aldi-Logo drängt sich tatsächlich die Vermutung auf, die wären entweder von einer KI oder einem Elfjährigen verfasst worden – obwohl der Typ auf dem Verfasserfoto weder einem noch dem anderen von beidem ähnlich sieht:
https://www.derwesten.de/panorama/vermischtes/lidl-kunde-kasse-x-news-d-id300896050.html
Ich hab mich sehr amüsiert – besten Dank!
@nömix: Ja, es wäre ein Missverständnis zu glauben, die schlimmsten/dümmsten/irreführendsten Artikel bei „Der Westen“ würden von der KI geschrieben.
Und was ist mit der Zeitumstellung? Die hat „Der Westen“ bei den Osteröffnungsen anscheinend unterschlagen. Wenn ich nicht einkaufen kann, will ich schließlich nicht zu spät kommen.
Wenn es nicht so traurig wäre…. Mental „Möblierte“ könnten ihren Spaß haben.
Eine Schippe drauflegen kann man in den „Ferienregionen“, z. B. an der Ostsee.
Zusätzlich zu der Verwirrung um Wochentage, Wochenenden und Feiertagen kommt die „Bäderregelung“, die Ausnahmegenehmigung in Urlaubsorten, auf Campingplätzen, etc.
Und „Der Westen“ denkt, er hätte Probleme :-)
Seit Jahren frequentiere ich in Ausnahmezuständen ausschließlich die Büttel der Mineralölindustrie: Tankstellen.
Immer da, immer offen und immer ein paar leckere Bockwürste im Warmhaltekessel.
Rauchwaren, das „Weltkriegsmagazin“, eine Papp-Pizza und Sternburger Pils.
Supermärkte und Discounter sind was für Weicheier.
In diesem Sinne
Haltet durch.
Ich bin beruflich dazu gezwungen den Microsoft Edge Browser zu verwenden (fragen Sie nicht!). Wenn man dort einen neuen Tab öffnet, befindet man sich in der gleichen Klickbait-Hölle.
Mittlerweile glaube Ich dass ein nicht geringer Anteil der Artikel auch auf die Leser wie mich abzielen, die wissen, dass das Mist ist, was sich da hinter der Überschrift verbirgt und es genau deswegen auch anklicken. Es ist wie ein Autounfall, man kann einfach nicht wegsehen…