Holger ruft an (131)

Warum wird es immer so emotional, wenn es um den Nahost-Konflikt geht?

Podcast-Logo (Kopfhörer auf dem Übermedien-Ü) und die Flagge Israels

Es gibt viel Hass dieser Tage, mal wieder und von allen Seiten. Die Diskussion über den Krieg zwischen Israel und den Palästinensern ist so emotional aufgeladen wie wohl kein anderer Konflikt. Das erlebt die Journalistin und Nahost-Expertin Gilda Sahebi auch selbst, wenn sie die aktuellen Geschehnisse einordnet. Im Übermedien-Podcast sagt sie: 

„Sobald man etwas schreibt über Israel oder über Jüdinnen und Juden, ist man sofort gegen Palästinenser. (…) Wenn ich schreibe, dass es gerade sehr viele Tote im Gazastreifen gibt durch die Angriffe der Israelis, dann kommt von der anderen Seite: du Antisemitin. Das ist das unfassbar Toxische an diesem Konflikt.“ 

Im Vergleich zu früheren Eskalationen der Gewalt im Nahen Osten habe sich bei Berichterstattung über die aktuelle Lage aber auch etwas verbessert, sagt Sahebi. Was ist diesmal anders? Was sollten Journalistinnen und Journalisten beachten, die über den Nahost-Konflikt berichten? Und warum ist es nicht gut, von der einen und der anderen Seite zu sprechen?

Darüber reden Holger Klein und Gilda Sahebi in der neuen Folge von „Holger ruft an …“: 


(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

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17 Kommentare

  1. Starkes Interview, Danke.

    Nur eines, Holger:
    „Das ist, als wären 10.000 Menschen in Deutschland ermordet worden.“
    Ernsthaft?
    Denke diese Art Vergleiche bitte mal konsequent zu ende. Und dann vielleicht doch lieber lassen.

  2. Und um dem zu ende-denken auf die Sprünge zu helfen, wie wär’s mit: „Das ist, als wären 70 Menschen in Luxemburg ermordet worden.“

  3. „Warum wird es immer so emotional, wenn es um den Nahost-Konflikt geht?“
    Weil andere Konflikte hierzulande eher unter „ferner liefen“ betrachtet werden?

  4. ich schließe mich #1 an.
    #2: beim „zu ende denken“ geht es doch nicht um die Prozentrechnung, in der die Zahl ermordeter Menschen ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gesetzt werden.
    Hörenswert und berührend (im Sinne von: ich denke mal über meine eigenen Denkreflexe in Diskursen nach, wenn es um dieses heikle Thema geht). Erst langsam dämmert mir die Tragweite der Folgen der Ermordung von Jitzak Rabin 1995.
    Und was die Hamas betrifft, scheint es ihren deutschen Anhängern nichts auszumachen, dass sie – abgesehen davon, dass die Vernichtung Israels ihr Programm ist – ein islamistischer patriarchalischer Haufen ist.

  5. #4:
    Rabins Ermordung habe ich quasi Love mitbekommen, denn ich war 95 das ganze Jahr in Israel. Das (von jüdischer Seite aus verübte) Attentat teilte die von mir mitbekommene Stimmung in der Bevölkerung ganz klar in ein “davor” und “danach”. Mit Rabin wurden auch alle Hoffnungen der damaligen Jugend auf eine friedliche Lösung beerdigt. Danach wurde die Knesset langsam aber sicher auf rechts gedreht.

    Was ich nicht verstehe in dem ganzen Diskurs: USA-Politik kann man kritisieren, man kann dazu eine differenzierte Meinung haben und sie gut oder schlecht finden (wenn ein Obama Kuba Sanktionen lockert oder wenn ein Trump versucht, die Wahl zu torpedieren. Ich habe das Gefühl dass man mit Israel als (rechtskonservativ geführtem) Staat mich in gleichem Maße ins Gericht gehen darf, ohne pauschal von irgend jemandem als Antisemit abgestempelt zu werden. Das ist die Erfahrung die ich gemacht habe.

    Was die Hamas da gerade abgeliefert hat ist ein ekliges Verbrechen das man nicht in Worte fassen kann. Es lässt mich komplett verstört zurück. Aber retrospektiv irgend wie nicht überrascht.

  6. Berichterstattung und Reaktkionen auf den inklusive vorgeschichte fast 170 Jahre alten Konflikt zwischen den Juden und den Arabern dieser Region sind meines Erachtens vor allem so emotional weil:
    – Es die Geschichte des Antisemitismus in Deutschland und anderen europäischen Staaten direkt berührt.
    – Es auch zumindest hierzulande der Geschichte des Holocaust zusätzlich berührt.
    – All die alten antisemitischen Reflexe leider immer noch sehr stark vertreten sind, wie dem „Bösen Jud“ alle Schuld für alles Übel in die Schuhe zu schieben und dann kommen heutzutage vielleicht auch aus eigenem Erleben im Umfeld Erfahrungen mit einigen Muslimen hinzu.
    – Weil man vor allem hier in Deutschland vor lauter aus den Schrecken der verbrecherischen NS-Zeit gelernt haben wollen ausländische, hier muslimische Rassisten und Antisemiten viel zu lange, viel zu duldsam hatte gewähren lassen. Und weil es für die Linken bequem war, die Muslime die Drecksarbeit des Antisemitisch-sein machen zu lassen und den eigenen linken, im Sinn einer antikolonialistischen Ideologie, entstandenen Antisemitismus gut kaschieren zu können.
    – Von den Rechtsextremen mal ganz zu schweigen. Deren Antisemitismus ist ohnehin schon so traurig wie altbekannt.

    an #5:
    Betreff Israelkritik = Antisemitismus.
    wie Israelkritik richtig geht, zeigten beispielsweise die massenweise Demonstrationen gegen die Netanjahsche Justizreform direkt im eigenen Land Israel. In meiner Familie haben wir Bekannte, gute Freunde, in Israel und deren Kinder waren Tagelang gegen Netanjahu auf der Straße.

    Wie Israelkritik nicht zu gehen hat sind folgende Arten dieser dann nur „Kritik“.
    Doppelstandards anlegen, also von Israel verlangen, was man von keinem Land in der Region so vehement verlangen würde (Beispielsweise Verzicht auf eigene Verteidigung oder strikteste Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit).
    Delegitimationsversuche, in dem man Israels Existenzrecht abspricht beispielsweise über die Behauptung, die Juden „hätten den Arabern das Land gestohlen“ (In Wahrheit haben zum Beispiel die ersten jüdischen Einwanderer das Land nach osmanischem Recht käuflich erworben, da Judäa und Samaria und Umgebung Teil des Osmanischen Reichs war).
    Dämonisierungen, in dem man Israel zum Beispiel mit Nazideutschland gleichsetzt oder in dem alte antisemitische Klischees neu aufgewärmt wurden wie Israelis als Brunnenzerstörer (in schlechter Tradition vom Juden als „Brunnenvergifter“ abgeleitet).

  7. #6:
    Wer will denn Israelis die Israelkritik absprechen? Niemand. Ich finde dennoch, dass man als Nichtisraeli fundierte Kritik am israelischen Staat und seinem Vorgehen haben können sollte, ohne gleich als Antisemit abgestempelt zu werden, denn das hilft keiner Seite.

  8. Meine Generation (Boomer) – respektive ich – bin damit groß geworden, dass man über die KZs und den II. WK aufgeklärt wurde – zeitgemäß eben – und eben im Kontext der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse, also summa summarum unterbelichtet. Judenwitze haben wir uns auch erzählt – in der Straßenbahn – auf dem Weg zur Schule. Da war man zwischen 14 und 16 Jahre alt. Da hat sich niemand eingemischt. Von einem Fritz Bauer und seinem Engagement hat man in der Schule nichts gehört.
    Das hat vielleicht nur peripher mit dem hier präsentierten Thema was zu tun. Was ich sagen will: Ich fange erst an zu verstehen was Antisemitismus bedeutet, seit ich auf die Befindlichkeiten der jüdischen Stimmen höre.

  9. Vielleicht ist einfach auch ein Problem, dass vorwiegend nicht der Antisemitismus bekämpft wird und im Fokus steht, sondern irgendeine gerade missliebige Gruppe von Menschen.
    Die Rechte, die Linke, die Muslime, die Migranti:innen …, aber nicht
    der Antisemitismus.
    Und dann schaut mensch „Lanz & Precht“ und weiß wieder, dass dieser Antisemitismus nicht importiert werden muss. Dass er nicht in Politgruppen oder Moscheen/Kirchen/Tempeln gelehrt werden muss, weil er sowieso immer noch mit der Muttermilch aufgesogen wird.

    Er ist nicht die Zugabe irgendeiner unliebsamen Ideologie, er ist ein substantieller Bestandteil abendländischen Denkens.

    Das bedeutet nicht, dass rechtsextremer- , linksextremer- oder fundamental-religiöser Antisemitismus nicht abscheulich wäre.
    Die Shoah aber war möglich, weil dieser Antisemitismus die Massen bewegte, weil er ebenfalls die gesamte Mitte durchzogen hat.

    Wie beim Rassismus ändert sich erst wirklich etwas, wenn der einzelne nicht mehr glaubt, es sei nur ein Problem der anderen. Etwas, was man gegen seine Gegner benutzen kann und ansonsten am besten ignoriert.
    Etwas, wie ein peinlicher Onkel, der debile Opa oder der Skinhead-Cousin.

  10. @Alex (#5):

    Was die Hamas da gerade abgeliefert hat ist ein ekliges Verbrechen das man nicht in Worte fassen kann. Es lässt mich komplett verstört zurück. Aber retrospektiv irgend wie nicht überrascht.

    Heißt das: Ist halt eine Widerstandsbewegung, die eigentlich nur das Gute wollte, aber irgendwann an den bösen Israelis verzweifelte? Kaum – für die Hamas war das Scheitern des Friedensprozesses und waren die (zahlreichen) Fehler Israels ein Geschenk. Denn ihr ging es von Anfang an um nichts anderes als die Vernichtung Israels.

    Zitat aus der Hamas-Charta von 1988 (!): Die Stunde wird kommen, da die Muslime gegen die Juden solange kämpfen und sie töten, bis sich die Juden hinter Steinen und Bäumen verstecken. Doch die Bäume und Steine werden sprechen: „Oh Muslim, oh Diener Allahs, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt. Komm und töte ihn!“

    Stammt aus einem Hadith, aber natürlich sind nicht alle historischen Quellen des Islam derart judenfeindlich. Die Hamas hat sich nur die passenden ausgesucht und sie gemischt mit ganz viel „Protokolle der Weisen von Zion“.

    Was ich nicht verstehe ist, wie man diesen barbarischen, antisemitischen Hintergrund ausblenden kann und immer wieder zu der Haltung kommt: Das sind halt Opfer einer bösen Macht, die müssen sich ja irgendwie wehren! (Eine Haltung, die ich Ihnen nicht unterstelle, die mir aber derzeit täglich mehrfach um die Ohren fliegt.)

  11. Würde „man“ (also bspw. die BDS-Bewegung) China nach denselben Maßstäben kritisieren wie Israel, käme China schlechter weg. Insofern ist Israel-Kritik entweder im Schnitt unfair hart, oder sonstige Kritik umgekehrt viel zu nachsichtig.
    Jetzt könnte man das „positiv“ interpretieren dahingehend, als das man von Juden irgendwie „mehr“ erwartet als von Chinesen, aber positive Diskriminierung ist immer noch Diskriminierung.

    Wenn man vorgebliche Intellektuelle wie Lanz und Precht zum Maßstab nimmt, sind dumme Vorurteile über Juden in D. immer noch im Umlauf, dumm deshalb, weil man nicht nur wissen könnte, wie die Vorurteile entstanden sind, sondern warum sie in der dargestellten Form keinen Sinn ergeben, wenn man drei Sekunden darüber nachdenkt.
    Jetzt ist es der Hamas vermutlich hochgradig wumpe, was selbsternannte dt. Intellektuelle übers ultra-orthodoxe Judentum denken, aber in diesem aufklärungsfeindlichen Halbwissen gedeihen Emotionen natürlich am besten.

  12. #10: Das habe ich weder behauptet noch lasse ich mir das in den Mund legen.
    Die Hamas ist keine Freiheitsbewegung und ebensowenig an echter Freiheit für das Volk interessiert wie einer ihrer Hauptgeldgeber Iran (über den anderen namens Quatar wird erstaunlich wenig geschrieben die Tage). Die Hamas ist auch nur eine der Optionen die das Palästinensische Volk hatte/hat, aber das sie machmäßig zu dem Wurde was sie ist, ist auch nicht im luftleeren Raum passiert: Die vornehmlich rechts orientierte israelische Politik seit 1996 hat einen entscheidenden Anteil dazu beigetragen, den Nährboden für das erstarken der Hamas zu schaffen.

  13. @Alex:
    Beim Lesen des Kommentars muss ich an das denken, was Tobias Rapp heute zu Slavoj Žižek kontroverse Rede auf der Frankfurter Buchmesse schrieb.
    Sinngemäß etwa:
    Die Hamas will Israel vernichten, nicht dessen rechte Regierung und Israel will die Hamas zerstören, nicht die Palästinenser.
    „Dieser Streit muss sein – aber nicht so“
    Spiegel Kultur.

    Ich glaube, das bringt es sehr gut auf den Punkt.

  14. @Frank Gemein:
    Das bringt überhaupt nichts auf den Punkt. Das simplifiziert. Zu einem Konflikt gehören immer zwei und nur die eine Seite zu kritisieren ist meines Erachtens nach zu kurz gesprungen.

  15. @Alex: Ich bin im Gegenteil der Meinung, dass der Reflex, die Lage schlicht in einen postkolonialen Kontext zu stellen und dann daraufhin zu werten, über alle Maßen simplifiziert.

    David gegen Goliath, die Sympathien sind verteilt. Das hakt schon daran, dass ein Sieg Davids die komplette Vernichtung Goliaths impliziert.

    Zunächst fehlt leider oft eineReflektion, wie unzureichend mitunter der eigene Informationsstand ist. Zumindest fühle ich mich da schnell überfordert.

    Mir haben zur Auffrischung 2 aktuelle Podcasts geholfen, mich wieder etwas zu orientieren:
    https://www.spiegel.de/ausland/israel-gaza-krieg-wie-der-konflikt-zwischen-juden-und-palaestinensern-entstand-a-ca315206-81a1-4616-ab39-c33d5a5b8d89
    „Wie der Konflikt zwischen Juden und Palästinensern entstand“
    und
    https://piratensenderpowerplay.podigee.io/170-new-episode
    „Was jetzt mit Israel passiert – ein Gespräch mit Richard C. Schneider“

  16. @Frank Gemein:
    Es geht mir hier nicht um eine “David gegen Goliath” Verklärung. Und als Reflex artig empfinde ich eher in der Öffentlichkeit getätigte Aussagen wie “Wir stehen bedingungslos zu Israel.” Heißt für mich im Umkehrschluss dass da auf der einen Seite mehrere Augen zugedrückt werden. Halte ich für falsch und aus israelischer Perspektive betrachtet sogar für Kontraproduktiv.

  17. Dass jede terroristische Tat der Hamas eine unverzeiliche ist, ist und bleibt eine Tatsache; Das die Stärkung dieser Organisation und Unterdrückung der Region durch die Isrelische Regierung wissentlich betrieben wurde, auch.

    Der Staat Israel hat eigene finanzielle und politische Interessen regelmäßig über die Stabilisierung der Region gestellt, dabei hat er durchgehend getroffene Absprachen und Völkerrechts verletzt, dabei hätte er dies unterlassen können oder sogar aktiv Bildung, Sicherheit und Infrastruktur fördern. Dieses Staatliche Verhalten war (und ist) in jedem Fall rücksichtslos und kurzsichtig.

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