Die Diskussionen reißen nicht ab: Sollen Medien geschlechtergerechte Sprache verwenden? Oder gehört das Gendern gar verboten? Wir wollten wissen: Wer gendert überhaupt – und wie? Und geht es bei dem Lärm am Ende um gar nicht so viel?
In den Sommermonaten ballte es sich. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff befand in der „Bild am Sonntag“: „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum im Fernsehen gegen die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung eine nicht den Regeln entsprechende Sprache gesprochen wird“. Und CDU-Chef Friedrich Merz sekundierte: „Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD“. Der Rat für deutsche Rechtschreibung tagte und entschied: „Diese Wortbinnenzeichen gehören nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie.“
Drumherum Aufrufe von sogenannten Wissenschaftlern, der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle neu bewerten lassen, ob das generische Maskulinum wirklich diskriminierend sei. Aber, so las man es in der FAZ: „Die Sender gendern weiter“. Die ZDF-Chefredakteurin Bettina Schausten musste gar erklären, man wolle „niemanden belehren oder erziehen“.
Was heißt „Gendern“ eigentlich?
„Gender“: ein englisches Wort, das die soziale Rolle und die individuelle Identität eines Menschen meint. Ein Wort, das eine Person nicht nur als Summe ihrer biologischen Geschlechtsmerkmale festlegt, auf Englisch „sex“. Sprache hilft, Realität abzubilden – zum Beispiel die heterogene Zusammensetzung der Gesellschaft. Etwa um zu zeigen, dass sie nicht zu 100 Prozent aus Männern besteht. Für dieses „Sprechen“ hat sich im Deutschen umgehend ein neues Wort gefunden: „gendern“ – ohne dass sich jemand groß über das Denglisch aufregt.
„Gendersprache“ hält sich konstant als Debattenthema, das seit 2022 gar noch Fahrt aufnimmt. Regelmäßig entfachen emotionsgeladene Diskussionen unter öffentlich-rechtlichen Beiträgen, sobald hör- oder sichtbar gegendert wird. Auch wir bei Übermedien erhalten regelmäßig mal wüste Beschimpfungen, mal sachliche Kritik ob der Tatsache, dass manche Person, die für uns schreibt, Formulierungen wählt, die anderen als „Gender-Gaga“, „Woke-Wahnsinn“ und „Sprachzwang“ sauer aufstoßen.
Jetzt wollten wir es genau wissen: Wie halten es Redaktionen in Deutschland eigentlich mit geschlechtergerechter Sprache? Wer verwendet sie überhaupt und in welcher Form? Stehen öffentlich-rechtliche Formate alleine da – oder wird auch im Privatradio und -fernsehen auf die inklusive Sprache gesetzt?
Um all das zu klären, baten wir 62 Verantwortliche einzelner Programme, Sendungen, Ressorts und Häuser um Antwort, knapp die Hälfte davon aus öffentlich-rechtlichen Redaktionen. Per Fragebogen haben wir sechs Wochen lang Antworten von Hörfunk, Fernsehen, Zeitungen und Magazinen gesammelt. Ein gutes Drittel der angeklagten Redaktionen meldete sich zurück. Viele Redaktionen aus den öffentlich-rechtlichen Sendern verwiesen auf die zentralen Pressestellen – die schickten ein paar Zeilen per Email, der Standardsatz: Man „bemühe“ sich um eine „Sprache, die verständlich und diskriminierungsfrei“ sei.
Überall wird gegendert – gezwungen wird niemand
Die Contra-Fraktion der Debatte will einen vermeintlichen „Gendersprach-Zwang“ verbieten. Die gute Nachricht ist: Einen Zwang gibt es offenbar gar nicht, zumindest in keiner einzigen Redaktion, die sich an unserer Umfrage beteiligt hat – aber auch kein Verbot, gendergerechte Formulierungen zu nutzen. In allen 22 Redaktionen, die unsere Fragen beantwortet haben, wird geschlechtergerechte Sprache genutzt. Mal sind es dabei „alle“ in der Redaktion, mal tun dies „Teile der Redaktion“.
So heterogen wie in der Gesellschaft ist auch im Journalismus die Debatte darüber, wie genau gegendert wird. Diese Vielfalt scheinen die von uns befragten Redaktionen von den Öffentlich-Rechtlichen bis zur „Zeit“, vom „Spiegel“ bis zur „Thüringer Allgemeinen“ auch allen zuzugestehen, die für sie berichten. Auch bei Übermedien gilt: Wir überlassen es unseren Autorinnen und Autoren, unseren Autor*innen, unseren AutorInnen und unseren Autor:innen, ob und wie sie gendern wollen.
Genau die Hälfte der befragten Redaktionen meldet, es gebe, wenn gendersensible Sprache verwendet wird, für den Gebrauch redaktionelle Regeln, Empfehlungen oder einen Leitfaden. Im NDR etwa gibt es diese bereits seit 2015, bei „Zeit Online“ seit 2018. Auch zeigt sich, dass gendersensible Sprache ein Aushandlungsprozess ist: In allen befragten Redaktionen wurde und wird über gendergerechte Sprache diskutiert.
Gendern ja – aber wie?
Das größte Missverständnis: „Gendern“ bedeutet nicht einfach und immer, großzügig Sonderzeichen in Worte zu streuen, um Männer, Frauen und nicht-binäre Personen gleichermaßen zu meinen. Ob sichtbar als Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich, oder hörbar als kleine Pause („Glottisschlag“). Oder, als Variante, das heute fast verschwundene Binnen-I, die „Erektion im Text“, die seit den 1980ern zur Alltagspraxis der taz gehörte.
Geschlechtergerechte Sprache, die alle gleichermaßen meint, muss nicht einmal den Formeln des Doppelplurals „Leserinnen und Leser“ folgen. Oder der Variante à la „Medienschaffende“ (anstelle von „Medienschaffer“), die das generische Maskulinum aufheben soll. Im Gegenteil, sie kann fast unbemerkbar sein: „Wer Steuern zahlt“, „niemand“, „Team“, „Zuhörerinnen und Zuschauer“, „Lehrkräfte“.
Es ist wichtig, sich diese unterschiedlichen Varianten geschlechtergerechter Sprache zu vergegenwärtigen. Denn wer pauschal behauptet, die Mehrheit der Bevölkerung sei gegen „die Gendersprache“, irrt. Gerade die unbemerkbare gendersensible Sprache bleibt auch oft: unbemerkt. Das zeigt etwa eine WDR-Infratest-Dimap-Erhebung aus dem Jahr 2022 (trotz unscharfer Fragestellung):
Die Befragten lehnen zwar die Sonderzeichen-Variante mehrheitlich (59 Prozent) und die gesprochene Pause (69 Prozent) noch stärker ab – aber: Genauso finden 69 Prozent die Version „Kolleginnen und Kollegen“ „gut“ oder „sehr gut“, 63 Prozent der Befragten mögen inklusive Formulierungen wie „Publikum“. Sogar geschlechtsneutrale Ausdrücke für Gruppen wie „Studierende“ statt „Studenten“ finden bei mehr als der Hälfte der Befragten Zustimmung (56 Prozent).
Dieses Bild bestätigen auch die Antworten der Übermedien-Umfrage, in der Mehrfachnennungen möglich waren:
Fast alle Redaktionen (21 von 22) nutzen etwa Formulierungen wie „Journalistinnen und Journalisten“, „Medienschaffende“ oder „Berichterstattende“.
73 Prozent der befragten Redaktionen setzen beim Gendern auf Formulierungen, die geschlechtsneutral sind und im Textfluss unbemerkbar wie „alle, die Steuern zahlen“ oder „Publikum“.
Und 41 Prozent melden, dass in ihrer Redaktion auch Sonderzeichen oder Sprechpause ohne Einschränkung okay sind. Daneben erwähnen 18 Prozent, dass diese Variante in Nachrichtensendungen weitgehend oder gar nicht gestattet sei. In über einem Viertel der Redaktionen ist sie nur in Gastbeiträgen, Kommentaren oder Formaten für bestimmte Zielgruppen erlaubt.
Ein Argument, das auch in unserer Umfrage immer wieder gegen Sonderzeichen angeführt wird: die Barrierefreiheit. Für viele Menschen mit Lesebeeinträchtigung, die Screenreader benutzen, sind die Sonderzeichen eine Hürde. Der MDR etwa lässt wissen, der „sogenannte Genderstern und andere integrierende Schreibweisen zu Bezeichnungen des dritten Geschlechts, wie Gender-Gap und Binnen-I finden im MDR keine Verwendung“ außer mal in Jugendformaten wie „Sputnik“. (Wie die Pressestelle darauf kommt, es gäbe ein „drittes Geschlecht“, ist unklar.)
Die Gender-Freiheit der Öffentlich-Rechtlichen
Die öffentlich-rechtlichen Sender stehen besonders im Fokus der Debatte, wie etwa ein Beschluss des Thüringer Landtags im Herbst 2022 zeigt: Er folgt einem CDU-Antrag („Gendern? Nein Danke! Regeln der deutschen Sprache einhalten - keine politisch motivierte Verfremdung der Sprache!“), sich „dafür einzusetzen“, dass in öffentlichen Einrichtungen inklusive des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die geltende Rechtschreibung befolgt und „auf eine Anwendung der sogenannten Gendersprache verzichtet wird“.
Daher hier ein paar extra Zahlen – die öffentlich-rechtlichen Häuser haben auch mehrheitlich auf unsere Umfrage reagiert: 64 Prozent aller Antworten kamen aus Redaktionen und Pressestellen von ZDF und ARD; wobei allein wegen des Senderföderalismus’ die ARD-Reaktionen überwogen. Nicht vertreten sind SWR, SR und Radio Bremen; die Zeilen der ARD-Hauptpressestelle haben wir für den Kontext ausgewertet, sie flossen nicht in die Statistik ein.
Die Vielfalt im Öffentlich-Rrechtlichen zeigt sich in den Antworten so:
50 Prozent (sieben von 14 Redaktionen) nutzen Sonderzeichen oder sprechen die Pause; über ein Viertel aller ÖR-Antwortenden (29 Prozent) allerdings dezidiert nicht in Nachrichtensendungen.
79 Prozent formulieren unbemerkbar gendergerecht („Alle, die Steuern zahlen“, „5000 Menschen demonstrierten“).
93 Prozent setzen auf Standardversionen wie „Journalistinnen und Journalisten“ oder „Medienschaffende“.
All das ist „gendergerechte Sprache“.
Was den vermeintlichen „Gendersprach-Zwang“ angeht: Selbst im Öffentlich-Rechtlichen gibt es keine allgemein bindende Regel, meist nicht einmal einen Leitfaden. Sondern nur den Ansatz, das gesamte Publikum anzusprechen, ohne zu diskriminieren. Die ARD-Pressestelle schrieb sogar explizit:
„Verpflichtende Regelungen, die den Charakter einer Dienstanweisung haben, gibt es hierzu in der ARD nicht.“
In vielen Häusern laufe es ohne Sonderzeichen, ansonsten gelte die Empehlung des „Rats der deutschen Rechtschreibung“. Tenor: Alles kann, nichts muss.
Im Journalismus ist die Sichtbarkeit von Frauen schon lange Thema. Das Lobby-Netzwerk „Journalistinnenbund“ gibt es seit 1987, die Gleichstellungsinitiative „Pro Quote Medien“ seit 2012. Der Text der Journalistin Laura Himmelreich im „Stern“ über ihre Sexismus-Erlebnisse mit dem FDP-Politiker Rainer Brüderle erschien 2013; er markierte den Beginn des Hashtags #aufschrei. In allen diesen Beispielen geht es darum, die Diversität der Gesellschaft im Journalismus zu zeigen – personell, strukturell, visuell, in der Berichterstattung bis hin zur Auswahl der Zitierten. Da scheint es nur konsequent, jene Heterogenität auch über die Sprache abzubilden. Sprache ist Ausdruck von Macht: Sie ist unser aller Alltagsinstrument, in ihr spiegeln sich Ideologien, Mentalitäten, Hierarchien – und eben auch gesellschaftliche Veränderungen.
„Die Menstruation ist bei jedem etwas anderes“ – dieser Satz ist das Paradebeispiel, das die Linguistin Luise Pusch immer wieder anführt, um die Absurditäten der männlich geprägten deutschen Sprache offenzulegen. Das generische Maskulinum hält sich trotz allem so hartnäckig, dass in einem „Spiegel“-Text über Hormontests für Frauen mit Wechseljahrsbeschwerden auch 2013 noch stehen konnte: „Der Leser soll davon überzeugt werden, seinen Hormonspiegel über den Speichel bestimmen zu lassen“.
Wie es speziell im Journalismus anders gehen kann, legte das praxisorientierte Portal „Genderleicht“, ein Projekt des „Journalistinnenbundes“, 2019 vor. Der Ansatz: Rollenklischees zu hinterfragen, das generische Maskulinum zu meiden und: auf Sonderzeichen schon aus Gründen der Barrierefreiheit zu verzichten. „Für uns, die wir täglich mit Sprache arbeiten, müsste es ein Leichtes sein, kreativ damit umzugehen“, formulierte es Projektleiterin Christine Olderdissen schon zu Beginn.
Dennoch ist auch in den Redaktionen, die auf gendersensible Sprache achten, nicht alles unumstritten. Schließlich antworten alle Redaktionen auf unsere Frage, ob gendersensible Sprache Gegenstand von Diskussionen innerhalb der Redaktion waren oder sind mit: Ja. Wir haben gefragt, welche Argumente in solchen Runden für und gegen das Gendern vorgebracht werden. Dafür sprechen den Antworten zufolge vor allem der Wunsch, alle, die Medien nutzen, ansprechen zu wollen, aber auch grundsätzlich die Gleichberechtigung und die Sichtbarkeit von Diversität. Gegenargumente richten sich auch in den internen Diskussionen offenbar vor allem auf das Wie: Gendersternchen könnten aus Sicht des Publikums alltagsfern wirken und werden mitunter als unästhetisch wahrgenommen.
Bei „Zeit Online“ etwa gibt es nur in Ausnahmefällen Sonderzeichen - dafür gehört es dort heute übrigens dazu, dass manche Beiträge komplett im generischen Femininum verfasst sind. Und bei der „Frankfurter Rundschau“ und im Hessischen Rundfunk gibt es, auch das eine Erkenntnis aus unserer Umfrage, nur eine Regel: Das generische Maskulinum ist tabu.
31 Kommentare
Spannende Analyse, danke! Aber kleiner Klugschiet am Rande:
„Ein gutes Drittel der angeklagten Redaktionen meldete sich zurück.“ – ich hoffe doch, ihr habt nur angefragt und nicht gleich angeklagt ;-)
Danke für diese Einsicht. Das ist m.E. eine sehr moderne, ausgewogenen Herangehensweise der Redaktionen.
Ich frage mich oft: Was nimmt gendersensible Sprache den Unsensiblen weg, außer ihrer fanatischen Deutungshoheitsbesessenheit auf jedermanns Welt?
Ich hatte lange Vorbehalte gegenüber der Partizip-1-Substantivierung, mit dem Scheinargument, dass „Studierende“ ja nicht ununterbrochen studieren, sondern auf schlafen, essen, trinken, Sport treiben und Party machen.
Insbesondere im attributiven Gebrauch hat das Partizip I aktivische Bedeutung, z. B. in ein lesendes Kind. Es sagt in einem solchen Gebrauch etwas über das Verhalten, die Tätigkeit des zugeordneten Substantivs aus und bezeichnet ein Kind, das liest. Jedoch gibt es Ausnahmen und das Partizip I in attributiver Stellung bedeutet nicht immer eine aktivische Handlung des genannten Subjekts – so bei die sitzende Arbeitsweise und die liegende Haltung, in denen das Partizip I nur attributiv gebraucht werden kann. Das Partizip gibt in diesen Fällen an, welches Verhalten mit dem im Substantiv Genannten verbunden ist, und zwar »die Arbeitsweise im Sitzen«, »die Haltung des Liegens«, aber nicht von diesem ausgeübt wird, also nicht: »die Arbeitsweise, die sitzt« bzw. »die Haltung, die liegt«.
Beim Vorstandsvorsitzenden oder Auszubildenden stellt auch niemand diese Frage.
Ich habe das in verschiedenen nach unten offenen Kommentarspalte und auch in diesem Blog wahrscheinlich schon das ein oder andere Mal erwähnt, mir gefiel immer sehr gut, wie subtil Petra Gerster gegendert hat. „Ärztinnen und Pfleger“, „Streikende“, „Feuerwehrleute“ (sic!), „Polizisten und Polizistinnen“ sowie „Verwaltungsmitarbeiter*innen“. Und das war ein einzelner Beitrag. Hach.
Oder, weniger prominent, in meiner liebsten lokalen Frühstücksradioshow Scrambled X in Radio X schaffen es zwei alte weiße Männer (I am looking at you, Mighty Veit & Lord Spenser van der Heldt) jeden Freitag den Gender-Gap so zu sprechen, dass es bereichernd ist, und in keiner Weise störend. Hachtens.
@SvenR (#2):
„Ärztinnen und Pfleger“ finde ich gut, „Streikende“ versteht sich von selbst (denn „Streiker“ oder „Streikerin“ gibt es gar nicht) und Endungen auf -leute finde ich elegant.
Formen wie „Ärzt*innen“ finde ich hingegen schwer erträglich, und sie werden unerträglich, wenn sie gehäuft auftreten: „Ärzt*innen und Pfleger*innen halfen, nachdem Sanitäter*innen zahlreiche Patient*innen eingeliefert hatten.“ Oder „Soziolog*innen, Politolog*innen und Psycholog*innen diskutierten, inwiefern Bürger*innen Vorurteile gegenüber Migrant*innen hegen.
Man hört sowas im Radio heutzutage häufig, und ich will jedes Mal schreien. Aber ich bin natürlich auch ein schlechter Mensch, der fest an den inklusiven Charakter des generischen Maskulinums glaubt…
Im Gegensatz zu KK bin ich bekanntlich ein halbwegs guter Mensch und habe zumindest nichts gegen gegenderte Sprache fast jedweder Form, auch wenn ich sie selber nur selten nutze. Aber: Der ganze Artikel bemüht sich darzustellen, dass es in Redaktionen keinen „Genderzwang“ gibt. „Einen Zwang gibt es offenbar gar nicht, zumindest in keiner einzigen Redaktion, die sich an unserer Umfrage beteiligt hat – aber auch kein Verbot, gendergerechte Formulierungen zu nutzen.“ Fein.
Aber dann liest man den letzten Satz: „Und bei der „Frankfurter Rundschau“ und im Hessischen Rundfunk gibt es, auch das eine Erkenntnis aus unserer Umfrage, nur eine Regel: Das generische Maskulinum ist tabu.“ Hä? Genau das dürften sich Menschen üblicherweise als „Genderzwang“ vorstellen. Oder ist das nur missverständlich formuliert? Oder stehe ich hier irgendwie auf dem Schlauch?
Also: Gibt es nun in manchen Redaktionen die Verpflichtung, gendergerechte Sprache welcher Form auch immer zu benutzen, oder nicht?
In geschriebenen Texten empfinde ich Sternchen/Doppelpunkte als störend. Ich bin daher ein großer Fan des eleganten, unbemerkbaren Genderns. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass diese Form des Formulierens viel Zeit kostet, die in Redaktionen vermutlich nicht da ist. Deadline und so.
In gesprochenen Texten liebe ich Sternchen/Doppelpunkte sehr. Vor allem, wenn der Glottisschlag zu kurz ausfällt. In dem Fall hört man nur noch die femininen Formen und ist als Mann schwer beleidigt. Man ist dann halt »mitgemeint« – nach 12.000 Jahren Patriarchat ein wunderbares Lerngeschenk. :)
@Michael Frey-Dodillet (#5):
Man ist dann halt »mitgemeint« – nach 12.000 Jahren Patriarchat ein wunderbares Lerngeschenk. :)
Das ist halt das große Missverständnis – grammatische Formen begründen nicht das Patriarchat. Es gibt Sprachen (wie die türkische), in denen es das generische Maskulinum gar nicht gibt. Die türkische Gesellschaft ist trotzdem patriarchal.
Nächstes Missverständnis: „Mitgemeint“. Das generische Maskulinum ist per se geschlechtsneutral – es meint nicht in erster Linie Männer, und Frauen dann irgendwie „mit“. Es meint alle Leute. Damit ist es eigentlich viel offener als komplizierte Formeln, bei denen dritte, vierte oder diverse Geschlechter durch Sonderzeichen dargestellt werden müssten.
Dass man sich unter Formen wie „Philosoph“ oder „Pilot“ bislang vor allem männliche Philosophen und Piloten vorstellte, hat weniger mit der Grammatik zu tun, als mit der patriarchalen Gesellschaft. Das ändert sich, wenn sich die Gesellschaft ändert. Wenn man aber versucht, die Gesellschaft zu ändern, indem man der Sprache künstliche Formen aufnötigt, wird es krampfhaft. Man merkt es ja…
Ich bleibe dabei: Der Zweck des Genderns liegt vor allem im Distinktionsgewinn (frei nach Bourdieu) – man darf sich als besserer Mensch fühlen, weil man durch seinen Sprachgebrauch signalisiert, dass man ein besserer Mensch ist. Und alle, die nicht mitmachen, sind schlechter. An den realen Verhältnissen ändert die Nummer nicht das Geringste.
@KK / #6: „Dass man sich unter Formen wie „Philosoph“ oder „Pilot“ bislang vor allem männliche Philosophen und Piloten vorstellte, hat weniger mit der Grammatik zu tun, als mit der patriarchalen Gesellschaft. Das ändert sich, wenn sich die Gesellschaft ändert.“
Aha. Und warum stellt man sich dann bei „Erzieher“, „Lehrer“ oder „Arzt“ auch erstmal Männer vor?
@KK / #6: „Das generische Maskulinum ist per se geschlechtsneutral – es meint nicht in erster Linie Männer, und Frauen dann irgendwie „mit“. Es meint alle Leute. “
Das ist bestenfalls ein frommer Wunsch. Ich bin kein Bürger und kein Journalist, das sind Beschreibungen, die mich meinen sollen, es aber nicht tun. Dass diese vermeintliche Geschlechtsneutralität beim generischen Maskulinum einfach nur behauptet wird, zeigt sich auch daran, dass sein Gegenteil – das generische Femininum – keine Geschlechtsneutralität erzeugt, sondern maximal irritierte Rückfragen. Warum nun das generische Maskulinum können soll, was dem generischen Femininum nicht gelingt, erschließt sich mir nicht. Wir können das Gendern sofort lassen und verwenden ab sofort nur noch das generische Femininum. Dann sehen wir ja, was da so los ist in den Köpfen.
#6
»Das ist halt das große Missverständnis – grammatische Formen begründen nicht das Patriarchat. «
Hat ja keiner behauptet, dass sie das täten. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Das Patriarchat begründet grammatische Formen. Flammende Verteidungsreden für das generische Maskulinum aus Männermunde sind das beste Beispiel dafür.
Ich bin bei „Philosophen“ und „Piloten“ eh nicht mitgemeint.
Bei „Zimmerleuten“ stelle ich mir Männer vor. Wer kennt ohne zu googeln die weibliche Form? Das Wort gibt es schon länger, und dank der geschlechtsneutrale Pluralform liegt der Frauenanteil jetzt wohl immerhin im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
@Earendil: wer ist „man“?
Bei „Erzieher“, „Lehrer“ oder „Arzt“ stelle ich mir je nach Kontext eine konkrete Person vor, die dann männlich ist, oder ein generisches Mitglied der jeweiligen Berufsgruppe.
Auf einem Parkplatz bspw., der als „Arzt“ gekennzeichnet ist, dürfte also auch ein weiblicher Arzt parken.
Oder „Die Sozialarbeiter gingen über den Bahnhof“ vs: „Sozialarbeiter gehen über Bahnhöfe.“ Ersteres beschreibt eine konkrete Gruppe, zu der möglicherweise auch weibliche Sozialarbeiter gehören oder auch nicht, letzteres beschreibt eine Tätigkeit im Bereich der Sozialarbeit, die demnach auch Sozialarbeiterinnen ausüben.
Wer möchte sich mal an der bis heute gebräuchlichen Bezeichnung „Bauherr“ abarbeiten? Ich bin gespannt.
Mir fällt beim Hören das generische Maskulinum auf als irgendwie aus der Zeit gefallen. Ganz automatisch.
Findet das noch jemand sehr witzig, wie Haseloff das formuliert hat:
„[…] gegen die Empfehlungen des Rates für deutsche RechtSCHREIBUNG eine nicht den Regeln entsprechende Sprache geSPROCHEN wird.“
@ #9 Da schiebe ich mal den „Blaumann“ nach.
@#9, Döhmann-Rohwold:
Ich habe hier einige statische Berechnungen aus den 50ern stehen, darin zu lesen:
„Bauherrin: Finanzbauamt [Nachbarstadt]“
Wieso _das_ Amt eine Frau ist, weiß ich nicht, aber ein Mann ist _es_ genausowenig. Für solche Situationen existiert der Begriff „Bauherrschaft“, der alle männlichen, weiblichen, diversen und juristischen Personen erfasst, sowohl alle denkbaren Kombinationen aus mehr als einer männlichen, weiblichen, diversen oder juristischen Person, die bei einem konkreten Bauvorhaben als Bauherr(m/w/d/j) auftritt.
Juristische Personen werden beim Gendern selten mitgedacht.
@10, Peter Sievert: Ja, das ist m.E. ein beachtlicher Kategoriefehler.
„Warum nun das generische Maskulinum können soll, was dem generischen Femininum nicht gelingt, erschließt sich mir nicht.“ Das ist so, weil Sprache unlogisch ist.
Warum sind „die eigenen vier Wände“ dasselbe wie „das eigene Dach“, obwohl ein Dach nicht dasselbe wie vier Wände ist? Warum kann man auch nicht „die eigenen Fundamente und Fenster“ sagen, um dasselbe auszudrücken UND dabei auch verstanden zu werden? Ist doch alles pars pro toto.
Weil das der unlogische Sprachgebrauch ist.
@Kritischer Kritiker #3: Sie sind kein „schlechter Mensch“, weil Sie „fest an den inklusiven Charakter des generischen Maskulinums“ glauben, sondern höchstens, weil sie gesprochene Gendersternchen „hingegen schwer erträglich,“ bis „unerträglich, wenn sie gehäuft auftreten“ finden, und dann „jedes Mal schreien“ wollen und gleichzeitig den anderen vom generischen Maskulinum inklusive mitgemeinten aber das Recht absprechen, sich nicht so zu fühlen und anders kommunizieren zu wollen. Und die Empirie gibt den anderen Recht.
@Döhmann-Rohwold #11: Die „Bauherrin“ haben wir ja schon geklärt, die deshalb weit häufiger vorkommt, weil alle Gesellschaften weiblich („die Firma“, „die GmbH“, „die Partnerschaftsgesellschft mit beschränkter Berufshaftung“, „die KGaA“) sind und Gesellschaften häufiger bauen, als Privatleute. Der Rechtsanwalt spricht auch zumeist von „der Mandantin“. Und wie oft haben wir schon gelesen oder gehört, dass beispielsweise die Staatsanwaltschaft „jetzt die Herrin des Verfahrens“ ist?
@Dieter B. #13: Overall, oder (nicht nur) beim Monteur die Montur.
@Mycroft #14: Weil das Finanzamt die Behörde ist. Und Sie täuschen sich: juristische Personen werden beim Gendern sehr wohl mitgedacht. Ich beschäftige mich seit Jahren mit juristischer Dokumentautomation, und da wird penibelst darauf geachtet. Früher nur im Deutschen, unsere britischen Freunde haben das in den letzten Jahren aber auch für sich entdeckt („they/them“ ist dort auch nicht jedem recht).
„Weil das Finanzamt die Behörde ist“ FinanzBAUamt, aber ja, das mag die Begründung gewesen sein.
„juristische Personen werden beim Gendern sehr wohl mitgedacht.“
Von Ihnen, oder von der Allgemeinheit? Juristische Dokumentautomation kommt mir mehr wie etwas vor, was die Mehrheit der Deutschen, einschließlich der deutschen Redaktionen, nicht auf dem Schirm haben.
@SvenR (#17):
Und die Empirie gibt den anderen Recht.
Die in #6 verlinkte Vorlesung setzt sich mit der Empirie ausführlich auseinander. Sie kommt zu anderen Ergebnissen. Und der Vortragende ist kein alter, böser Rechtspopulist, sondern ein junger, linksliberaler Philosoph.
@Michael Frey-Dodillet (#9):
Flammende Verteidungsreden für das generische Maskulinum aus Männermunde sind das beste Beispiel dafür.
Mag sein. Ich bin aber keine „Männerrunde“, sondern nur ein Typ, der an der Sprache leidet.
Ich bin kein Bürger und kein Journalist, das sind Beschreibungen, die mich meinen sollen, es aber nicht tun.
Warum nicht? Ernstgemeinte Frage. Denn die Beschreibungen tun es. Beispiel: Es gibt ein Interview mit Hanna Arendt, wo sie sinngemäß sagt, sie sei kein Philosoph, sondern ein politischer Theoretiker. Ich glaube nicht, dass Arendt sich selbst ihre Weiblichkeit abgesprochen hat. Sie hat nur die grammatische Form als inklusive verwendet. Auch meine Mutter (Feministin, Jg. 1950) hat auf die Frage nach ihrem Beruf immer „Lehrer“ geantwortet, obwohl sie natürlich „Lehrerin“ war – das war für sie kontextabhängig und unproblematisch,
@Earendil (#7):
Aha. Und warum stellt man sich dann bei „Erzieher“, „Lehrer“ oder „Arzt“ auch erstmal Männer vor?
Tut man das? Im Singular natürlich schon. Aber glaubt jemand wirklich, dass bei einem Satz wie „Die Lehrer und Erzieher in Deutschland kritisieren die Bildungspolitik“ lauter Männer gemeint seien?
Was ich zugestehen muss: Je mehr der Sprachgebrauch sich hin zu gegenderten Formen ändert, desto weniger inklusiv klingt das generische Maskulinum. Nehmen wir als Beispiel einen harmlosen Satz wie: „Die Franzosen haben mehrheitlich Macron gewählt“. Noch vor zehn Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, es hätte sich dabei nur um die Männer gehandelt.
Inzwischen ist die Form „Die Französinnen und Franzosen haben mehrheitlich Macron gewählt“ aber so verbreitet, dass man tatsächlich meinen könnte, mit „Franzosen“ sei nur der männliche Teil des Wahlvolks gemeint.
Viele mögen das für einen Fortschritt halten. Ich nicht. Und das hat, wie gesagt, nichts damit zu tun, dass ich ein – wie auch immer geartetes –Patriarchat verteidigen wollte. Das läge mir fern.
@Mycroft #16: Das hatte ich nicht klar genug benannt: Die Juristinnen und Juristen legen da sehr viel Wert darauf, weil die Mandantin, Gegner und Verfahrensbeteiligten sehr viel Wert darauf legen. Es ging mir ja um juristische Texte, Journalismus ist nicht das Zentrum der Sprachverwendung.
@Kritischer Kritiker #17: Ich schrub mit voller Absicht „die Empirie“ und nicht „die Wissenschaft“.
Huebl ist sehr sympathisch, und sagt ganz viel schlaues und richtiges, widerlegt aber in seinem Vortrag häufig, was sowieso keiner behauptet. Ich jedenfalls nicht.
Natürlich versteht jeder bei „Die Ärzte streiken, hier ein Interview mit Neurologinnen“, dass in den Ärzten die Ärztinnen mitgemeint sind. Weil die Neurologen gegendert wurden, weil es eben ausschließlich Frauen sind.
Die Frage nach den drei Lieblingsschauspielern bekommt andere Antworten als die nach den drei Lieblingsschauspieler:innen.
Dann kritisiert er, dass die Stichproben der Studien zu viele Frauen beinhalten. Das es die Männer weniger oder viele gar nicht stört ist ja wohl offensichtlich.
Sprache hat die Stereotype nicht kreiert, sondern die Stereotype manifestieren sich in der Sprache.
Dann kommen natürlich die schlafenden Studierenden, die nicht funktioniert sollen. Siehe oben. Bäuer*innengenoss*innenschaftsvorsitzende. Und so weiter und sofort.
Und noch mal: Niemand zwingt Sie, so zu sprechen. Sie müssen es nur ertragen, das andere so sprechen und schreiben, und dass das immer mehr werden. Und das machen die nicht, um Sie zu ärgern, sondern weil sie es für gerechter halten. Sprache verändert sich permanent, manches bleibt, manches verschwindet auch wieder. Petra Gerster.
„Die Frage nach den drei Lieblingsschauspielern bekommt andere Antworten als die nach den drei Lieblingsschauspieler:innen.“
Ja, das ist eine Stelle, wo zwar nach konkreten Personen gefragt wird, aber generisch formuliert wird, was natürlich irritierend ist.
Wenn Sie eine konkrete Mandantin(m/w/d/j) gegen eine konkrete Gegenseite verteidigen, ist das ja grundsätzlich _nicht_ generisch, d.h., sie bräuchten nicht mit „*“, „:“, „_“ oder „(m/w/d/j)“ zu gendern, sondern verwenden einfach die passende Form und zugehörigen Pronomina. Sie verteidigen also etwas, was auch von Befürwortern der generischen Maskulinums nicht kritisiert wird.
Zum Beispiel oben, was wäre gegen die Formulierung „Wer sind Ihre insgesamt drei liebsten Schauspielerinnen oder -spieler?“ einzuwenden? Hier kommt manchmal der Einwand, dass nicht-binäre Personen nicht gemeint oder jedenfalls nicht mitverstanden seien, aber, ehrlich gesagt, selbst wenn man gezielt nach nicht-binären Schauspielern fragen würde, kämen meist keine drei Personen zusammen, insofern ändert das kaum etwas am Ergebnis.
@SvenR (#20):
Sprache hat die Stereotype nicht kreiert, sondern die Stereotype manifestieren sich in der Sprache.
Das stimmt. Aber gerade deshalb neigt der Versuch, die Welt durch Sprachregelungen zu ändern, dazu, in Wahnwitz auszuarten.
Niemand zwingt Sie, so zu sprechen. Sie müssen es nur ertragen, das andere so sprechen und schreiben, und dass das immer mehr werden.
Das stimmt natürlich nicht. Würde ich mich im Beruf dem Gendern verweigern, wäre ich ich meinen Job los. Argumente egal. Die Behauptung, das Gendern sei bloß eine freundliche Empfehlung, ist in vielen Bereichen der Gesellschaft inzwischen eine Lüge.
(In vielen anderen Bereichen der Gesellschaft wird übrigens gar nicht gegendert, aber auf diese Bereiche blickt man gerne herab, auch wenn man sich das Herabblicken – da „klassistisch“ – niemals eingestehen würde.)
Argh, sorry. Der erste Absatz in #22 ist ein Zitat von SvenR. Da habe ich wohl falsch formatiert…
@Kritischer Kritiker, #22:
Vielleicht ist das Gendern in einigen Bereichen der Gesellschaft genauso (nicht nur) eine freundliche Empfehlung, wie es andere Formen von Etikette sind: nicht staatlich angeordnet und durchgesetzt, aber durch ein Übereinkommen der Beteiligten oder durch andere Vorgaben als so selbstverständlich vorausgesetzt, dass sich eine Person, die diese Übereinkunft nicht teilt, „unmöglich macht“. Zum Gendern gezwungen würde man dann in etwa so, wie man auch dazu gezwungen wird, „guten Morgen“ zu sagen, wenn man ‚reinkommt – nicht rechtlich, aber faktisch.
In manchen Branchen war, oder mag es noch immer sein, für die Karriere hinderlich, beim Essen den Ellenbogen auf die Tischplatte zu stützen oder das Glas am Kelch statt am Stil zu fassen, eine promovierte Person ohne den Zusatz „Doktor“ anzureden, die in einem Raum Anwesenden nicht in der „korrekten“ Reihenfolge zu begrüßen usw.
Und auf diese Weise ist es in manchen Branchen/Kreisen dann wohl inzwischen mit dem Nicht-Gendern: „das macht mensch nicht (mehr)“.
Beides ist in anderen Gesellschaftsteilen irrelevant oder sogar Zeichen für „Abgehobenheit“ („Das Volk nutzt das generische Maskulinum und lässt sich [von denen da oben/im Elfenbeinturm] nicht sagen, wie es das Glas zu halten hat“).
Dann wäre Gendern also etwas ähnliches wie andere Manieren: Der Versuch, sich an Übereinkommen zu halten, Ausprägung von respektvollem Miteinander, rücksichtsvollem Umgang, und zu einem gewissen Grade Zeichen von Eingeweihtsein. Mit dem Unterschied, dass die eine Art von Manieren häufig Unterschiede/Rangstufen betont (die Älteste Person zuerst, „Frau Doktor“), und die andere Art Unterschiede/Rangstufen planieren möchte.
Manche empfinden es als positives Aufbegehren, sich gegen solche Konventionen verwahren, und Andere sind durch die Verweigerung der „korrekten Anrede“ (sei es „sehr geehrte Frau Doktor“ oder „guten Tag, Alex Weber“) indigniert oder sorgen sich um den Ruf des Hauses.
Tl;dr: Zwang ist ein großes Wort, aber in jeder Gesellschaft ist Vieles für Einzelne in manchen Situationen nicht ganz freiwillig bzw. kommt der Verzicht nur um einen Preis.
@KK:
Ich höre immer wieder davon, dass Menschen ihren Job verlören, wenn sie sich weigerten zu „gendern“ ( was natürlich per definitionem schon falsch sein muss, da die Floskel „Meine Damen und Herren“ zur Kündigung führen müßte ).
Mir ist ehrlich kein konkreter Fall bekannt, wo das belastbar zuträfe.
Sie gendern also gezwungen im Berufsleben fortwährend, weil Sie sonst ihren Job verlören / keine Aufträge bekämen?
Oder könnte das auch vorauseilender Gehorsam sein, weil Sie das Ergebnis erwarten?
Ich bin ehrlich neugierig und überrascht, weil das bedeuten würde, dass Sie Zwängen unterliegen, die ich nicht einmal in Plenen von autonomen Projekten erlebe, die doch angeblich berüchtigt für so etwas sind.
Auch dieses mitschwingende Elitenbashing.
Die angebliche Elite, die da vom Elfenbeinturm andere nötigt, empfinde ich derzeit eher als ausgelutscht lächerliches Narrativ, sehr häufig von den Zinnen eines Elfenbeinturms orchestriert.
Diejenigen Akademiker, die vorgeblich wissen, was das Volk will ( während natürlich zeitgleich die volksnahen|populistischen Kanäle eifrigst mit Anti-Gender-Kampagnen geflutet werden).
Am lustigsten ist dabei sicher die Variante, in der nach strikten Verboten gerufen wird, weil man sich von diesen Tugendwächtern vom Elfenbeinturm nichts verbieten lassen möchte.
Ich vermute sehr stark, ohne diese Merz, Ploß oder Kubicki Figuren, würde es den Menschen nicht einmal besonders auffallen, dass es so eine Sprachregelung zunehmend gibt, geschweige denn das „Sprachgefühl“ der Massen irgendwie beleidigt reagieren.
Was ich nicht verstehe:
Wir leben ja immer noch im Kapitalismus. Ist es tatsächlich so, dass Ihre Auftraggeber am Bedarf der Kunden vorbei reglementieren, oder richtet sich das Angebot an Kunden, die gender gerechte Sprache vorziehen?
Dann wäre das allerdings eine Einschränkung, die es in anderer Form im Berufsleben andauernd gibt.
Ich habe hier konsequent auf das bewußte Gendern verzichtet, auch weil ich mir sicher bin, dass ich deshalb keine Kritik zu lesen bekommen werde. Der Elfenbeinturm liest hier also anscheinend nicht mit.
Schade, ich hätte von der Autorin oder sonst jemandem aus der Redaktion ja gerne eine Antwort auf meine Frage aus #4 gehabt…
@Frank Gemein, #25:
„Wir leben ja immer noch im Kapitalismus. Ist es tatsächlich so, dass Ihre Auftraggeber am Bedarf der Kunden vorbei reglementieren,…“
Einerseits gebe ich Ihnen Recht, andrerseits macht der Disney-Konzern anscheindend genau das, wenn auch nicht in Bezug aufs Gendern.
@JeanC, #24:
„Dann wäre Gendern also etwas ähnliches wie andere Manieren:“ Gendern mit *;_ oder Knacklaut ist nicht dasselbe wie Manieren. Bei Manieren ist die Begründung: weil DU begrüßt werden willst, soll(te)st Du andere begrüßen.
Beim Gender* und Knacklaut wäre die Begründung: _obwohl_ DU beides als störend empfindest, musst Du es hinnehmen, wenn andere es tun, denn Deine Gefühle sind nicht so wichtig, und Du darfst kritisiert werden, weil Du es nicht praktizierst.
Nebenbei war das ursprüngliche Argument pro-Gendern, dass man dazu gebracht werden soll, nicht-männliche Personen mitzudenken, was man – angeblich oder tatsächlich – sonst nicht täte, und was wichtig wäre, um gewisse Stereotypen zu bekämpfen. Also ganz klar eine pädagogische Zielsetzung und keine Frage der Höflichkeit auf Augenhöhe.
@Mycroft:
Glauben Sie, dass Disney andere Motive als Umsatzsteigerung für Businessentscheidung haben könnte, oder halten Sie die Manager des Konzerns für sehr dumm?
Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass jemand ein Interesse daran hätte, Sie mit „Knacklauten“ zu disziplinieren. Tatsächlich sind Sie wahrscheinlich gar nicht in der Zielgruppe für irgendetwas in der Art.
Speziell junge Mädchen und Frauen sollen dazu gebracht werden, keine Optionen für ihr Leben mehr einfach aus dem Grund
auszuschliessen, dass sie diese für eindeutig männlich halten.
Ob Sie mit dem Ausdruck „Zimmerleute“ auch Frauen in Arbeitskleidung assoziieren, wäre maximal ein „nice to have“, kein „must have“.
„Glauben Sie, dass Disney andere Motive als Umsatzsteigerung für Businessentscheidung haben könnte, oder halten Sie die Manager des Konzerns für sehr dumm?“ Die letzten künstlerischen Entscheidungen bei Disney waren kaufmännisch eher schlecht in letzter Zeit, von daher wird eine dieser beiden Möglichkeiten wohl zutreffen.
„Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass jemand ein Interesse daran hätte, Sie mit „Knacklauten“ zu disziplinieren.“
Und weil Sie sich etwas nicht vorstellen können, kann es nicht sein? Aber gut, wenn ich gar nicht damit diszipliniert werden soll, fühlt sich das so an, als müsste ich für etwas nachsitzen, was ich nicht verbockt habe.
„Speziell junge Mädchen und Frauen sollen dazu gebracht werden, keine Optionen für ihr Leben mehr einfach aus dem Grund
auszuschliessen, dass sie diese für eindeutig männlich halten.“ Wenn man mit Hilfe von Sonderzeichen und Knacklauten Lebensentscheidungen anderer Leute beeinflussen könnte, wären diese Leute aber sehr leicht zu manipulieren, oder?
„Ob Sie mit dem Ausdruck „Zimmerleute“ auch Frauen in Arbeitskleidung assoziieren, wäre maximal ein „nice to have“, kein „must have“.“ Zunächst einmal, warum denken Sie, ich könne mir keine Frauen in Zimmermannskluft vorstellen? Zweitens, wo käme bei „Zimmerleute“ der Knacklaut oder das Gender* hin? Drittens, der Begriff „Zimmerleute“ wurde nicht erst im Zuge der Genderdebatte eingeführt, sondern ist ein paar Generationen älter. Wenn Mädchen und Frauen durch Gendern, also geschlechtsneutrale Formulierungen, dazu gebracht werden sollen, auch Optionen zu berücksichtigen, die sie sonst als „eindeutig männlich“ betrachten würden, warum ist der Frauenanteil bei Zimmerleuten immer noch knapp über vernachlässigbar gering? Vor allem, wenn man ihn mit dem Frauenanteil bei „Bankkaufleuten“ vergleicht?
Jetzt kommt gleich der Einwand, dass der pädagogische Ansatz ja gar nicht der Grund fürs Gendern sei, sondern man täte dies aus reiner Höflichkeit, aka „Manieren“, also immer, wie man’s braucht.
Übrigens: Wen verschlägts die Sprache, wenn schon wieder so ein Knacklaut mitten im Wort auftaucht, nämlich im häufig gehörten Wort „Ukra-knack-ine“? Bisher haben sich da mE noch keine Nackenhaare aufgestellt.
Ich bin dafür, den Erregungslevel auf das diesem Thema Angemessene herunterzufahren, das darüberhinaus wirkt doch nur lächerlich.
Die „Ukra’ine“ wird nicht so ausgesprochen, um Dritte zu „disziplinieren“. Herr Gemeins Wortwahl, nicht meine.
Und das Hauptwort zu „montieren“ wird genauso geschrieben wie die Mehrzahl von „Montag“, aber das „g“ wird unterschiedlich ausgesprochen. Warum? Weil Sprache historisch gewachsen und daher oft unlogisch und kontraintuitiv – zwei Knacklaute, jaja – ist.
Und diese Logikbugs der Sprache nerven mich, seit der Zeit meiner ältesten Erinnerungen, aber wenn ich mich darüber beschwerte, hieß es immer: „Das heißt halt so (nerv nicht)!“ Niemand mag Klugscheißer. Aber jetzt will man angeblich dagegen vorgehen? Wollen Sie mich vereimern?
Noch ein Beispiel?
Auf dem Bau könnte man bspw. sagen: „Morgen kommt der Dachdecker und montiert die Regenrinnen.“
Ok, obwohl die Handlung definitiv in der Zukunft liegt, wird das Präsens verwendet, und niemand beschwert sich, obwohl vermutlich mehr als eine Person da arbeiten wird, wird der Singular verwendet, und niemand beschwert sich, aber wegen des seltenen Falles, dass eine der beteiligten Personen eine Frau sein könnte, oder – je nach Begründung – weil man mehr Frauen in Dachdeckerwesen arbeiten lassen will, soll man „Dachdecker’innen“ sagen? Nebenbei könnte man mit „Dachdecker“ auch den „Dachdeckerbetrieb als juristische Person, vertreten durch dessen Mitarbeiter(m/w/d)“ meinen, aber egal.
Einerseits sollen Gender-Zeichen und Knacklaute also eine Präzision der Sprache erzeugen oder vortäuschen, auf die sonst _nie_ Wert gelegen wird, oder man verfolgt andrerseits pädagogische Ziele, bei denen zweifelhaft ist, dass man sie so erreichen kann. Selbst wenn man der Ansicht wäre, dass das die Aufgabe der Medien sei.
Spannende Analyse, danke! Aber kleiner Klugschiet am Rande:
„Ein gutes Drittel der angeklagten Redaktionen meldete sich zurück.“ – ich hoffe doch, ihr habt nur angefragt und nicht gleich angeklagt ;-)
Danke für diese Einsicht. Das ist m.E. eine sehr moderne, ausgewogenen Herangehensweise der Redaktionen.
Ich frage mich oft: Was nimmt gendersensible Sprache den Unsensiblen weg, außer ihrer fanatischen Deutungshoheitsbesessenheit auf jedermanns Welt?
Ich hatte lange Vorbehalte gegenüber der Partizip-1-Substantivierung, mit dem Scheinargument, dass „Studierende“ ja nicht ununterbrochen studieren, sondern auf schlafen, essen, trinken, Sport treiben und Party machen.
Aus: Gesellschaft für deutsche Sprache – Müssen Studierende pausenlos studieren? Über substantivierte Partizipien
Beim Vorstandsvorsitzenden oder Auszubildenden stellt auch niemand diese Frage.
Ich habe das in verschiedenen nach unten offenen Kommentarspalte und auch in diesem Blog wahrscheinlich schon das ein oder andere Mal erwähnt, mir gefiel immer sehr gut, wie subtil Petra Gerster gegendert hat. „Ärztinnen und Pfleger“, „Streikende“, „Feuerwehrleute“ (sic!), „Polizisten und Polizistinnen“ sowie „Verwaltungsmitarbeiter*innen“. Und das war ein einzelner Beitrag. Hach.
Oder, weniger prominent, in meiner liebsten lokalen Frühstücksradioshow Scrambled X in Radio X schaffen es zwei alte weiße Männer (I am looking at you, Mighty Veit & Lord Spenser van der Heldt) jeden Freitag den Gender-Gap so zu sprechen, dass es bereichernd ist, und in keiner Weise störend. Hachtens.
@SvenR (#2):
„Ärztinnen und Pfleger“ finde ich gut, „Streikende“ versteht sich von selbst (denn „Streiker“ oder „Streikerin“ gibt es gar nicht) und Endungen auf -leute finde ich elegant.
Formen wie „Ärzt*innen“ finde ich hingegen schwer erträglich, und sie werden unerträglich, wenn sie gehäuft auftreten: „Ärzt*innen und Pfleger*innen halfen, nachdem Sanitäter*innen zahlreiche Patient*innen eingeliefert hatten.“ Oder „Soziolog*innen, Politolog*innen und Psycholog*innen diskutierten, inwiefern Bürger*innen Vorurteile gegenüber Migrant*innen hegen.
Man hört sowas im Radio heutzutage häufig, und ich will jedes Mal schreien. Aber ich bin natürlich auch ein schlechter Mensch, der fest an den inklusiven Charakter des generischen Maskulinums glaubt…
Im Gegensatz zu KK bin ich bekanntlich ein halbwegs guter Mensch und habe zumindest nichts gegen gegenderte Sprache fast jedweder Form, auch wenn ich sie selber nur selten nutze. Aber: Der ganze Artikel bemüht sich darzustellen, dass es in Redaktionen keinen „Genderzwang“ gibt. „Einen Zwang gibt es offenbar gar nicht, zumindest in keiner einzigen Redaktion, die sich an unserer Umfrage beteiligt hat – aber auch kein Verbot, gendergerechte Formulierungen zu nutzen.“ Fein.
Aber dann liest man den letzten Satz: „Und bei der „Frankfurter Rundschau“ und im Hessischen Rundfunk gibt es, auch das eine Erkenntnis aus unserer Umfrage, nur eine Regel: Das generische Maskulinum ist tabu.“ Hä? Genau das dürften sich Menschen üblicherweise als „Genderzwang“ vorstellen. Oder ist das nur missverständlich formuliert? Oder stehe ich hier irgendwie auf dem Schlauch?
Also: Gibt es nun in manchen Redaktionen die Verpflichtung, gendergerechte Sprache welcher Form auch immer zu benutzen, oder nicht?
In geschriebenen Texten empfinde ich Sternchen/Doppelpunkte als störend. Ich bin daher ein großer Fan des eleganten, unbemerkbaren Genderns. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass diese Form des Formulierens viel Zeit kostet, die in Redaktionen vermutlich nicht da ist. Deadline und so.
In gesprochenen Texten liebe ich Sternchen/Doppelpunkte sehr. Vor allem, wenn der Glottisschlag zu kurz ausfällt. In dem Fall hört man nur noch die femininen Formen und ist als Mann schwer beleidigt. Man ist dann halt »mitgemeint« – nach 12.000 Jahren Patriarchat ein wunderbares Lerngeschenk. :)
@Michael Frey-Dodillet (#5):
Das ist halt das große Missverständnis – grammatische Formen begründen nicht das Patriarchat. Es gibt Sprachen (wie die türkische), in denen es das generische Maskulinum gar nicht gibt. Die türkische Gesellschaft ist trotzdem patriarchal.
Nächstes Missverständnis: „Mitgemeint“. Das generische Maskulinum ist per se geschlechtsneutral – es meint nicht in erster Linie Männer, und Frauen dann irgendwie „mit“. Es meint alle Leute. Damit ist es eigentlich viel offener als komplizierte Formeln, bei denen dritte, vierte oder diverse Geschlechter durch Sonderzeichen dargestellt werden müssten.
Dass man sich unter Formen wie „Philosoph“ oder „Pilot“ bislang vor allem männliche Philosophen und Piloten vorstellte, hat weniger mit der Grammatik zu tun, als mit der patriarchalen Gesellschaft. Das ändert sich, wenn sich die Gesellschaft ändert. Wenn man aber versucht, die Gesellschaft zu ändern, indem man der Sprache künstliche Formen aufnötigt, wird es krampfhaft. Man merkt es ja…
Ich bleibe dabei: Der Zweck des Genderns liegt vor allem im Distinktionsgewinn (frei nach Bourdieu) – man darf sich als besserer Mensch fühlen, weil man durch seinen Sprachgebrauch signalisiert, dass man ein besserer Mensch ist. Und alle, die nicht mitmachen, sind schlechter. An den realen Verhältnissen ändert die Nummer nicht das Geringste.
Eine in meinen Augen fundierte Analyse dazu findet sich hier: https://www.youtube.com/watch?v=yvMGFeQ1gsI
@KK / #6: „Dass man sich unter Formen wie „Philosoph“ oder „Pilot“ bislang vor allem männliche Philosophen und Piloten vorstellte, hat weniger mit der Grammatik zu tun, als mit der patriarchalen Gesellschaft. Das ändert sich, wenn sich die Gesellschaft ändert.“
Aha. Und warum stellt man sich dann bei „Erzieher“, „Lehrer“ oder „Arzt“ auch erstmal Männer vor?
@KK / #6: „Das generische Maskulinum ist per se geschlechtsneutral – es meint nicht in erster Linie Männer, und Frauen dann irgendwie „mit“. Es meint alle Leute. “
Das ist bestenfalls ein frommer Wunsch. Ich bin kein Bürger und kein Journalist, das sind Beschreibungen, die mich meinen sollen, es aber nicht tun. Dass diese vermeintliche Geschlechtsneutralität beim generischen Maskulinum einfach nur behauptet wird, zeigt sich auch daran, dass sein Gegenteil – das generische Femininum – keine Geschlechtsneutralität erzeugt, sondern maximal irritierte Rückfragen. Warum nun das generische Maskulinum können soll, was dem generischen Femininum nicht gelingt, erschließt sich mir nicht. Wir können das Gendern sofort lassen und verwenden ab sofort nur noch das generische Femininum. Dann sehen wir ja, was da so los ist in den Köpfen.
#6
»Das ist halt das große Missverständnis – grammatische Formen begründen nicht das Patriarchat. «
Hat ja keiner behauptet, dass sie das täten. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Das Patriarchat begründet grammatische Formen. Flammende Verteidungsreden für das generische Maskulinum aus Männermunde sind das beste Beispiel dafür.
Ich bin bei „Philosophen“ und „Piloten“ eh nicht mitgemeint.
Bei „Zimmerleuten“ stelle ich mir Männer vor. Wer kennt ohne zu googeln die weibliche Form? Das Wort gibt es schon länger, und dank der geschlechtsneutrale Pluralform liegt der Frauenanteil jetzt wohl immerhin im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
@Earendil: wer ist „man“?
Bei „Erzieher“, „Lehrer“ oder „Arzt“ stelle ich mir je nach Kontext eine konkrete Person vor, die dann männlich ist, oder ein generisches Mitglied der jeweiligen Berufsgruppe.
Auf einem Parkplatz bspw., der als „Arzt“ gekennzeichnet ist, dürfte also auch ein weiblicher Arzt parken.
Oder „Die Sozialarbeiter gingen über den Bahnhof“ vs: „Sozialarbeiter gehen über Bahnhöfe.“ Ersteres beschreibt eine konkrete Gruppe, zu der möglicherweise auch weibliche Sozialarbeiter gehören oder auch nicht, letzteres beschreibt eine Tätigkeit im Bereich der Sozialarbeit, die demnach auch Sozialarbeiterinnen ausüben.
Wer möchte sich mal an der bis heute gebräuchlichen Bezeichnung „Bauherr“ abarbeiten? Ich bin gespannt.
Mir fällt beim Hören das generische Maskulinum auf als irgendwie aus der Zeit gefallen. Ganz automatisch.
Findet das noch jemand sehr witzig, wie Haseloff das formuliert hat:
„[…] gegen die Empfehlungen des Rates für deutsche RechtSCHREIBUNG eine nicht den Regeln entsprechende Sprache geSPROCHEN wird.“
@ #9 Da schiebe ich mal den „Blaumann“ nach.
@#9, Döhmann-Rohwold:
Ich habe hier einige statische Berechnungen aus den 50ern stehen, darin zu lesen:
„Bauherrin: Finanzbauamt [Nachbarstadt]“
Wieso _das_ Amt eine Frau ist, weiß ich nicht, aber ein Mann ist _es_ genausowenig. Für solche Situationen existiert der Begriff „Bauherrschaft“, der alle männlichen, weiblichen, diversen und juristischen Personen erfasst, sowohl alle denkbaren Kombinationen aus mehr als einer männlichen, weiblichen, diversen oder juristischen Person, die bei einem konkreten Bauvorhaben als Bauherr(m/w/d/j) auftritt.
Juristische Personen werden beim Gendern selten mitgedacht.
@#9, Döhmann-Rohwold: Das Landesrecht von NRW ist jedenfalls nicht mehr beim generischen Maskulinum, siehe etwa § 52 der Bauordnung: „Bei der Errichtung […] von Anlagen [ist] die Bauherrin oder der Bauherr […] dafür verantwortlich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden“ (https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_detail?sg=0&menu=0&bes_id=39224&anw_nr=2&aufgehoben=N&det_id=636310).
@10, Peter Sievert: Ja, das ist m.E. ein beachtlicher Kategoriefehler.
„Warum nun das generische Maskulinum können soll, was dem generischen Femininum nicht gelingt, erschließt sich mir nicht.“ Das ist so, weil Sprache unlogisch ist.
Warum sind „die eigenen vier Wände“ dasselbe wie „das eigene Dach“, obwohl ein Dach nicht dasselbe wie vier Wände ist? Warum kann man auch nicht „die eigenen Fundamente und Fenster“ sagen, um dasselbe auszudrücken UND dabei auch verstanden zu werden? Ist doch alles pars pro toto.
Weil das der unlogische Sprachgebrauch ist.
@Kritischer Kritiker #3: Sie sind kein „schlechter Mensch“, weil Sie „fest an den inklusiven Charakter des generischen Maskulinums“ glauben, sondern höchstens, weil sie gesprochene Gendersternchen „hingegen schwer erträglich,“ bis „unerträglich, wenn sie gehäuft auftreten“ finden, und dann „jedes Mal schreien“ wollen und gleichzeitig den anderen vom generischen Maskulinum inklusive mitgemeinten aber das Recht absprechen, sich nicht so zu fühlen und anders kommunizieren zu wollen. Und die Empirie gibt den anderen Recht.
@Döhmann-Rohwold #11: Die „Bauherrin“ haben wir ja schon geklärt, die deshalb weit häufiger vorkommt, weil alle Gesellschaften weiblich („die Firma“, „die GmbH“, „die Partnerschaftsgesellschft mit beschränkter Berufshaftung“, „die KGaA“) sind und Gesellschaften häufiger bauen, als Privatleute. Der Rechtsanwalt spricht auch zumeist von „der Mandantin“. Und wie oft haben wir schon gelesen oder gehört, dass beispielsweise die Staatsanwaltschaft „jetzt die Herrin des Verfahrens“ ist?
@Dieter B. #13: Overall, oder (nicht nur) beim Monteur die Montur.
@Mycroft #14: Weil das Finanzamt die Behörde ist. Und Sie täuschen sich: juristische Personen werden beim Gendern sehr wohl mitgedacht. Ich beschäftige mich seit Jahren mit juristischer Dokumentautomation, und da wird penibelst darauf geachtet. Früher nur im Deutschen, unsere britischen Freunde haben das in den letzten Jahren aber auch für sich entdeckt („they/them“ ist dort auch nicht jedem recht).
„Weil das Finanzamt die Behörde ist“ FinanzBAUamt, aber ja, das mag die Begründung gewesen sein.
„juristische Personen werden beim Gendern sehr wohl mitgedacht.“
Von Ihnen, oder von der Allgemeinheit? Juristische Dokumentautomation kommt mir mehr wie etwas vor, was die Mehrheit der Deutschen, einschließlich der deutschen Redaktionen, nicht auf dem Schirm haben.
@SvenR (#17):
Die in #6 verlinkte Vorlesung setzt sich mit der Empirie ausführlich auseinander. Sie kommt zu anderen Ergebnissen. Und der Vortragende ist kein alter, böser Rechtspopulist, sondern ein junger, linksliberaler Philosoph.
@Michael Frey-Dodillet (#9):
Mag sein. Ich bin aber keine „Männerrunde“, sondern nur ein Typ, der an der Sprache leidet.
Warum nicht? Ernstgemeinte Frage. Denn die Beschreibungen tun es. Beispiel: Es gibt ein Interview mit Hanna Arendt, wo sie sinngemäß sagt, sie sei kein Philosoph, sondern ein politischer Theoretiker. Ich glaube nicht, dass Arendt sich selbst ihre Weiblichkeit abgesprochen hat. Sie hat nur die grammatische Form als inklusive verwendet. Auch meine Mutter (Feministin, Jg. 1950) hat auf die Frage nach ihrem Beruf immer „Lehrer“ geantwortet, obwohl sie natürlich „Lehrerin“ war – das war für sie kontextabhängig und unproblematisch,
@Earendil (#7):
Tut man das? Im Singular natürlich schon. Aber glaubt jemand wirklich, dass bei einem Satz wie „Die Lehrer und Erzieher in Deutschland kritisieren die Bildungspolitik“ lauter Männer gemeint seien?
Was ich zugestehen muss: Je mehr der Sprachgebrauch sich hin zu gegenderten Formen ändert, desto weniger inklusiv klingt das generische Maskulinum. Nehmen wir als Beispiel einen harmlosen Satz wie: „Die Franzosen haben mehrheitlich Macron gewählt“. Noch vor zehn Jahren wäre niemand auf die Idee gekommen, es hätte sich dabei nur um die Männer gehandelt.
Inzwischen ist die Form „Die Französinnen und Franzosen haben mehrheitlich Macron gewählt“ aber so verbreitet, dass man tatsächlich meinen könnte, mit „Franzosen“ sei nur der männliche Teil des Wahlvolks gemeint.
Viele mögen das für einen Fortschritt halten. Ich nicht. Und das hat, wie gesagt, nichts damit zu tun, dass ich ein – wie auch immer geartetes –Patriarchat verteidigen wollte. Das läge mir fern.
@Mycroft #16: Das hatte ich nicht klar genug benannt: Die Juristinnen und Juristen legen da sehr viel Wert darauf, weil die Mandantin, Gegner und Verfahrensbeteiligten sehr viel Wert darauf legen. Es ging mir ja um juristische Texte, Journalismus ist nicht das Zentrum der Sprachverwendung.
@Kritischer Kritiker #17: Ich schrub mit voller Absicht „die Empirie“ und nicht „die Wissenschaft“.
Huebl ist sehr sympathisch, und sagt ganz viel schlaues und richtiges, widerlegt aber in seinem Vortrag häufig, was sowieso keiner behauptet. Ich jedenfalls nicht.
Natürlich versteht jeder bei „Die Ärzte streiken, hier ein Interview mit Neurologinnen“, dass in den Ärzten die Ärztinnen mitgemeint sind. Weil die Neurologen gegendert wurden, weil es eben ausschließlich Frauen sind.
Die Frage nach den drei Lieblingsschauspielern bekommt andere Antworten als die nach den drei Lieblingsschauspieler:innen.
Dann kritisiert er, dass die Stichproben der Studien zu viele Frauen beinhalten. Das es die Männer weniger oder viele gar nicht stört ist ja wohl offensichtlich.
Sprache hat die Stereotype nicht kreiert, sondern die Stereotype manifestieren sich in der Sprache.
Dann kommen natürlich die schlafenden Studierenden, die nicht funktioniert sollen. Siehe oben. Bäuer*innengenoss*innenschaftsvorsitzende. Und so weiter und sofort.
Und noch mal: Niemand zwingt Sie, so zu sprechen. Sie müssen es nur ertragen, das andere so sprechen und schreiben, und dass das immer mehr werden. Und das machen die nicht, um Sie zu ärgern, sondern weil sie es für gerechter halten. Sprache verändert sich permanent, manches bleibt, manches verschwindet auch wieder. Petra Gerster.
„Die Frage nach den drei Lieblingsschauspielern bekommt andere Antworten als die nach den drei Lieblingsschauspieler:innen.“
Ja, das ist eine Stelle, wo zwar nach konkreten Personen gefragt wird, aber generisch formuliert wird, was natürlich irritierend ist.
Wenn Sie eine konkrete Mandantin(m/w/d/j) gegen eine konkrete Gegenseite verteidigen, ist das ja grundsätzlich _nicht_ generisch, d.h., sie bräuchten nicht mit „*“, „:“, „_“ oder „(m/w/d/j)“ zu gendern, sondern verwenden einfach die passende Form und zugehörigen Pronomina. Sie verteidigen also etwas, was auch von Befürwortern der generischen Maskulinums nicht kritisiert wird.
Zum Beispiel oben, was wäre gegen die Formulierung „Wer sind Ihre insgesamt drei liebsten Schauspielerinnen oder -spieler?“ einzuwenden? Hier kommt manchmal der Einwand, dass nicht-binäre Personen nicht gemeint oder jedenfalls nicht mitverstanden seien, aber, ehrlich gesagt, selbst wenn man gezielt nach nicht-binären Schauspielern fragen würde, kämen meist keine drei Personen zusammen, insofern ändert das kaum etwas am Ergebnis.
@SvenR (#20):
Sprache hat die Stereotype nicht kreiert, sondern die Stereotype manifestieren sich in der Sprache.
Das stimmt. Aber gerade deshalb neigt der Versuch, die Welt durch Sprachregelungen zu ändern, dazu, in Wahnwitz auszuarten.
Das stimmt natürlich nicht. Würde ich mich im Beruf dem Gendern verweigern, wäre ich ich meinen Job los. Argumente egal. Die Behauptung, das Gendern sei bloß eine freundliche Empfehlung, ist in vielen Bereichen der Gesellschaft inzwischen eine Lüge.
(In vielen anderen Bereichen der Gesellschaft wird übrigens gar nicht gegendert, aber auf diese Bereiche blickt man gerne herab, auch wenn man sich das Herabblicken – da „klassistisch“ – niemals eingestehen würde.)
Argh, sorry. Der erste Absatz in #22 ist ein Zitat von SvenR. Da habe ich wohl falsch formatiert…
@Kritischer Kritiker, #22:
Vielleicht ist das Gendern in einigen Bereichen der Gesellschaft genauso (nicht nur) eine freundliche Empfehlung, wie es andere Formen von Etikette sind: nicht staatlich angeordnet und durchgesetzt, aber durch ein Übereinkommen der Beteiligten oder durch andere Vorgaben als so selbstverständlich vorausgesetzt, dass sich eine Person, die diese Übereinkunft nicht teilt, „unmöglich macht“. Zum Gendern gezwungen würde man dann in etwa so, wie man auch dazu gezwungen wird, „guten Morgen“ zu sagen, wenn man ‚reinkommt – nicht rechtlich, aber faktisch.
In manchen Branchen war, oder mag es noch immer sein, für die Karriere hinderlich, beim Essen den Ellenbogen auf die Tischplatte zu stützen oder das Glas am Kelch statt am Stil zu fassen, eine promovierte Person ohne den Zusatz „Doktor“ anzureden, die in einem Raum Anwesenden nicht in der „korrekten“ Reihenfolge zu begrüßen usw.
Und auf diese Weise ist es in manchen Branchen/Kreisen dann wohl inzwischen mit dem Nicht-Gendern: „das macht mensch nicht (mehr)“.
Beides ist in anderen Gesellschaftsteilen irrelevant oder sogar Zeichen für „Abgehobenheit“ („Das Volk nutzt das generische Maskulinum und lässt sich [von denen da oben/im Elfenbeinturm] nicht sagen, wie es das Glas zu halten hat“).
Dann wäre Gendern also etwas ähnliches wie andere Manieren: Der Versuch, sich an Übereinkommen zu halten, Ausprägung von respektvollem Miteinander, rücksichtsvollem Umgang, und zu einem gewissen Grade Zeichen von Eingeweihtsein. Mit dem Unterschied, dass die eine Art von Manieren häufig Unterschiede/Rangstufen betont (die Älteste Person zuerst, „Frau Doktor“), und die andere Art Unterschiede/Rangstufen planieren möchte.
Manche empfinden es als positives Aufbegehren, sich gegen solche Konventionen verwahren, und Andere sind durch die Verweigerung der „korrekten Anrede“ (sei es „sehr geehrte Frau Doktor“ oder „guten Tag, Alex Weber“) indigniert oder sorgen sich um den Ruf des Hauses.
Tl;dr: Zwang ist ein großes Wort, aber in jeder Gesellschaft ist Vieles für Einzelne in manchen Situationen nicht ganz freiwillig bzw. kommt der Verzicht nur um einen Preis.
@KK:
Ich höre immer wieder davon, dass Menschen ihren Job verlören, wenn sie sich weigerten zu „gendern“ ( was natürlich per definitionem schon falsch sein muss, da die Floskel „Meine Damen und Herren“ zur Kündigung führen müßte ).
Mir ist ehrlich kein konkreter Fall bekannt, wo das belastbar zuträfe.
Sie gendern also gezwungen im Berufsleben fortwährend, weil Sie sonst ihren Job verlören / keine Aufträge bekämen?
Oder könnte das auch vorauseilender Gehorsam sein, weil Sie das Ergebnis erwarten?
Ich bin ehrlich neugierig und überrascht, weil das bedeuten würde, dass Sie Zwängen unterliegen, die ich nicht einmal in Plenen von autonomen Projekten erlebe, die doch angeblich berüchtigt für so etwas sind.
Auch dieses mitschwingende Elitenbashing.
Die angebliche Elite, die da vom Elfenbeinturm andere nötigt, empfinde ich derzeit eher als ausgelutscht lächerliches Narrativ, sehr häufig von den Zinnen eines Elfenbeinturms orchestriert.
Diejenigen Akademiker, die vorgeblich wissen, was das Volk will ( während natürlich zeitgleich die volksnahen|populistischen Kanäle eifrigst mit Anti-Gender-Kampagnen geflutet werden).
Am lustigsten ist dabei sicher die Variante, in der nach strikten Verboten gerufen wird, weil man sich von diesen Tugendwächtern vom Elfenbeinturm nichts verbieten lassen möchte.
Ich vermute sehr stark, ohne diese Merz, Ploß oder Kubicki Figuren, würde es den Menschen nicht einmal besonders auffallen, dass es so eine Sprachregelung zunehmend gibt, geschweige denn das „Sprachgefühl“ der Massen irgendwie beleidigt reagieren.
Was ich nicht verstehe:
Wir leben ja immer noch im Kapitalismus. Ist es tatsächlich so, dass Ihre Auftraggeber am Bedarf der Kunden vorbei reglementieren, oder richtet sich das Angebot an Kunden, die gender gerechte Sprache vorziehen?
Dann wäre das allerdings eine Einschränkung, die es in anderer Form im Berufsleben andauernd gibt.
Ich habe hier konsequent auf das bewußte Gendern verzichtet, auch weil ich mir sicher bin, dass ich deshalb keine Kritik zu lesen bekommen werde. Der Elfenbeinturm liest hier also anscheinend nicht mit.
Schade, ich hätte von der Autorin oder sonst jemandem aus der Redaktion ja gerne eine Antwort auf meine Frage aus #4 gehabt…
@Frank Gemein, #25:
„Wir leben ja immer noch im Kapitalismus. Ist es tatsächlich so, dass Ihre Auftraggeber am Bedarf der Kunden vorbei reglementieren,…“
Einerseits gebe ich Ihnen Recht, andrerseits macht der Disney-Konzern anscheindend genau das, wenn auch nicht in Bezug aufs Gendern.
@JeanC, #24:
„Dann wäre Gendern also etwas ähnliches wie andere Manieren:“ Gendern mit *;_ oder Knacklaut ist nicht dasselbe wie Manieren. Bei Manieren ist die Begründung: weil DU begrüßt werden willst, soll(te)st Du andere begrüßen.
Beim Gender* und Knacklaut wäre die Begründung: _obwohl_ DU beides als störend empfindest, musst Du es hinnehmen, wenn andere es tun, denn Deine Gefühle sind nicht so wichtig, und Du darfst kritisiert werden, weil Du es nicht praktizierst.
Nebenbei war das ursprüngliche Argument pro-Gendern, dass man dazu gebracht werden soll, nicht-männliche Personen mitzudenken, was man – angeblich oder tatsächlich – sonst nicht täte, und was wichtig wäre, um gewisse Stereotypen zu bekämpfen. Also ganz klar eine pädagogische Zielsetzung und keine Frage der Höflichkeit auf Augenhöhe.
@Mycroft:
Glauben Sie, dass Disney andere Motive als Umsatzsteigerung für Businessentscheidung haben könnte, oder halten Sie die Manager des Konzerns für sehr dumm?
Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass jemand ein Interesse daran hätte, Sie mit „Knacklauten“ zu disziplinieren. Tatsächlich sind Sie wahrscheinlich gar nicht in der Zielgruppe für irgendetwas in der Art.
Speziell junge Mädchen und Frauen sollen dazu gebracht werden, keine Optionen für ihr Leben mehr einfach aus dem Grund
auszuschliessen, dass sie diese für eindeutig männlich halten.
Ob Sie mit dem Ausdruck „Zimmerleute“ auch Frauen in Arbeitskleidung assoziieren, wäre maximal ein „nice to have“, kein „must have“.
„Glauben Sie, dass Disney andere Motive als Umsatzsteigerung für Businessentscheidung haben könnte, oder halten Sie die Manager des Konzerns für sehr dumm?“ Die letzten künstlerischen Entscheidungen bei Disney waren kaufmännisch eher schlecht in letzter Zeit, von daher wird eine dieser beiden Möglichkeiten wohl zutreffen.
„Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass jemand ein Interesse daran hätte, Sie mit „Knacklauten“ zu disziplinieren.“
Und weil Sie sich etwas nicht vorstellen können, kann es nicht sein? Aber gut, wenn ich gar nicht damit diszipliniert werden soll, fühlt sich das so an, als müsste ich für etwas nachsitzen, was ich nicht verbockt habe.
„Speziell junge Mädchen und Frauen sollen dazu gebracht werden, keine Optionen für ihr Leben mehr einfach aus dem Grund
auszuschliessen, dass sie diese für eindeutig männlich halten.“ Wenn man mit Hilfe von Sonderzeichen und Knacklauten Lebensentscheidungen anderer Leute beeinflussen könnte, wären diese Leute aber sehr leicht zu manipulieren, oder?
„Ob Sie mit dem Ausdruck „Zimmerleute“ auch Frauen in Arbeitskleidung assoziieren, wäre maximal ein „nice to have“, kein „must have“.“ Zunächst einmal, warum denken Sie, ich könne mir keine Frauen in Zimmermannskluft vorstellen? Zweitens, wo käme bei „Zimmerleute“ der Knacklaut oder das Gender* hin? Drittens, der Begriff „Zimmerleute“ wurde nicht erst im Zuge der Genderdebatte eingeführt, sondern ist ein paar Generationen älter. Wenn Mädchen und Frauen durch Gendern, also geschlechtsneutrale Formulierungen, dazu gebracht werden sollen, auch Optionen zu berücksichtigen, die sie sonst als „eindeutig männlich“ betrachten würden, warum ist der Frauenanteil bei Zimmerleuten immer noch knapp über vernachlässigbar gering? Vor allem, wenn man ihn mit dem Frauenanteil bei „Bankkaufleuten“ vergleicht?
Jetzt kommt gleich der Einwand, dass der pädagogische Ansatz ja gar nicht der Grund fürs Gendern sei, sondern man täte dies aus reiner Höflichkeit, aka „Manieren“, also immer, wie man’s braucht.
Übrigens: Wen verschlägts die Sprache, wenn schon wieder so ein Knacklaut mitten im Wort auftaucht, nämlich im häufig gehörten Wort „Ukra-knack-ine“? Bisher haben sich da mE noch keine Nackenhaare aufgestellt.
Ich bin dafür, den Erregungslevel auf das diesem Thema Angemessene herunterzufahren, das darüberhinaus wirkt doch nur lächerlich.
Die „Ukra’ine“ wird nicht so ausgesprochen, um Dritte zu „disziplinieren“. Herr Gemeins Wortwahl, nicht meine.
Und das Hauptwort zu „montieren“ wird genauso geschrieben wie die Mehrzahl von „Montag“, aber das „g“ wird unterschiedlich ausgesprochen. Warum? Weil Sprache historisch gewachsen und daher oft unlogisch und kontraintuitiv – zwei Knacklaute, jaja – ist.
Und diese Logikbugs der Sprache nerven mich, seit der Zeit meiner ältesten Erinnerungen, aber wenn ich mich darüber beschwerte, hieß es immer: „Das heißt halt so (nerv nicht)!“ Niemand mag Klugscheißer. Aber jetzt will man angeblich dagegen vorgehen? Wollen Sie mich vereimern?
Noch ein Beispiel?
Auf dem Bau könnte man bspw. sagen: „Morgen kommt der Dachdecker und montiert die Regenrinnen.“
Ok, obwohl die Handlung definitiv in der Zukunft liegt, wird das Präsens verwendet, und niemand beschwert sich, obwohl vermutlich mehr als eine Person da arbeiten wird, wird der Singular verwendet, und niemand beschwert sich, aber wegen des seltenen Falles, dass eine der beteiligten Personen eine Frau sein könnte, oder – je nach Begründung – weil man mehr Frauen in Dachdeckerwesen arbeiten lassen will, soll man „Dachdecker’innen“ sagen? Nebenbei könnte man mit „Dachdecker“ auch den „Dachdeckerbetrieb als juristische Person, vertreten durch dessen Mitarbeiter(m/w/d)“ meinen, aber egal.
Einerseits sollen Gender-Zeichen und Knacklaute also eine Präzision der Sprache erzeugen oder vortäuschen, auf die sonst _nie_ Wert gelegen wird, oder man verfolgt andrerseits pädagogische Ziele, bei denen zweifelhaft ist, dass man sie so erreichen kann. Selbst wenn man der Ansicht wäre, dass das die Aufgabe der Medien sei.