Wenn das Radikale normal wird

Der journalistische Umgang mit der AfD ist voller Widersprüche. Das muss so sein.

Auf dem Foto, das ARD-Reporter Martin Schmidt vom AfD-Parteitag in Magdeburg twitterte, waren jene Bänder zu sehen, mit denen etwa die Post markiert, wo ihre Kundschaft Schlange stehen soll. „Wir nennen die doppelten Absperrbänder der AfD gegen die Presse schon liebevoll Brandmauer“, schrieb er. Und postete direkt darunter noch ein Bild, diesmal vom Endpfosten: „Nicht dass jemand denkt, das sei ein Durchgang“.

Wir nennen die doppelte Absperrbänder der AfD gegen die Presse schon liebevoll Brandmauer.
Screenshot: Twitter @SchmidtLev

Absperrung, Durchgang: Mehrere Dinge können gleichzeitig wahr sein. Auch widersprüchliche. Es gibt ein hübsches mehrsilbiges Wort dafür, diese Spannung als Teil der Realität auszuhalten: Ambiguitätstoleranz.

Die Berichterstattung über die Alternative für Deutschland funktioniert nur so: als praktizierte Ambiguitätstoleranz. Statt ständig den Eindruck zu schüren, man müsse sich beim Blick auf die Partei etwa zwischen „Radikalisierung“ und „Normalisierung“ entscheiden, lohnt es sich, das Sowohl-als-Auch zum Prinzip zu küren.

Die Partei existiert seit einem Jahrzehnt, sie hat sich gewandelt, in Programm wie Personal – und der journalistische Umgang mit ihr? Da ist das „Stern“-Cover mit Parteichefin Alice Weidel vom Juni, da ist die Berichterstattung über die Landratswahl im thüringischen Sonneberg, da sind die aktuellen, Rekorde brechenden Umfrageergebnisse, da ist der AfD-Bundesparteitag in Magdeburg vergangenes und kommendes Wochenende: Die Reflexe der Redaktionen und die Debatten darüber, wie Journalist:innen über die AfD berichten können-sollen-wollen, wirken wie ein Déjà-Vu.

Denn über diese Fragen hat sich die Branche schon einmal den Kopf zerbrochen. Besonders vor sechs Jahren: von 2017, als die AfD bei der Bundestagswahl erstmals in den Bundestag einzog, bis Anfang 2018, als nach monatelangem Hickhack endlich die Große Koalition stand – und damit die AfD größte Oppositionspartei wurde, also nicht mehr zu ignorieren war. Wulf Schmiese, der die „heute journal“-Redaktion des ZDF leitet, sagte damals: „Unser Prinzip ist das der Elefantenrunde: Wer im Parlament vertreten ist, gehört dazu.“

Zehn Jahre nach Parteigründung ist AfD-Berichterstattung die Quadratur des Kreises: Sechs Beispiele, wie die Gleichzeitigkeit von Widersprüchen als Grundprinzip funktioniert.

Abstimmungskarte "Nein"
Abstimmung auf dem AfD-Parteitag Foto: Imago / dts Nachrichtenagentur

1. Das Neue und das Immergleiche

„Wir streiten in der Branche immer noch darüber, wie wir es am besten machen“, bestätigt Tobias Wolf, zu dessen Themenfeld AfD und Pegida seit Jahren gehören. „Aber diese Bewegungen und ihre Positionen werden nicht mehr so verharmlost wie am Anfang.“ Seit 2022 ist er Redakteur bei der „Freien Presse“ in Dresden, davor jahrelang bei der „Sächsischen Zeitung“, mehrfach ausgezeichnet für seine Pegida-Berichterstattung.

Ein Faktor hat sich immerhin erledigt nach zehn Jahren: der Neuigkeitswert ihrer Existenz. Von der „Verrohung“ sprachen Hauptstadtjournalist:innen 2018 noch, man müsse sich oft erschrecken im neuen Arbeitsalltag. Und Neuigkeitswert reichte meist, um zu berichten: „An der ersten AfD-Welle hatten wir als Medien nach meinem Eindruck auch einen Anteil“, erinnert sich ARD-Redakteur Martin Schmidt, der damals noch nicht für die AfD zuständig war. „Die Partei war neu, es gab viel Krawall, das funktioniert in Berichterstattung eben immer gut.“ Daher hätten Medien auch „häufig mehr über die parteiinternen Dramen berichtet als etwa über programmatische Leerstellen der Partei, wie beispielsweise das lange überhaupt nicht vorhandene Rentenprogramm der AfD“. Wie hartnäckig sich das hält, zeigte sich auch just am Bundesparteitagswochenende Ende Juli, als es in den „Tagesthemen“ verblüffend ausführlich ums hakelnde Abstimmungsprozedere ging.

Auch Katharina Thoms, die damals für das Landespolitikressort des SWR-Hörfunk berichtete, erinnert sich an viele erste Male, nachdem die AfD 2016 in den Landtag eingezogen war, die Provokationen, die Holocaustleugnungen, die Tabubrüche. Inzwischen, erzählt sie, säßen viele der „offensichtlichen Hardliner“ nicht mehr im Stuttgarter Parlament. „Die Wellen schlagen nicht mehr so hoch in Landtag und Berichterstattung.“

Neuigkeitswerte gibt es immer noch. Und damit die Verantwortung, die journalistischen Reflexe zu überdenken, ob bei Tabubrüchen oder  Wahlgewinnen. „Redaktionen müssen vermeiden – bewusst oder unbewusst – über zu viele Stöckchen zu springen, die die AfD hinhält“, sagt Julia Rathcke, Redakteurin bei der „Rheinischen Post“.

Neu etwa: die Umfragewerte, derzeit bundesweit bei über 20 Prozent. Damit werden die anhaltenden Fragen nach dem Wie nur drängender. Das ist selbst jenen klar, für die Berichterstattung über die AfD seit Jahren zur Alltagspraxis gehört: „Die Herausforderung ist die gleiche wie 2017“, sagt Katharina Thoms, inzwischen Baden-Württemberg-Korrespondentin für den Deutschlandfunk, „aber der Druck hat sich erhöht, weil sie nun eine etablierte Partei ist mit hohen Umfragewerten.“


2. Das Ignorieren und das Einbinden

„Es ist wirklich ein totales Dilemma: Entweder wir verbreiten ihre Aussagen weiter, indem wir sie kritisieren – oder liefern eine Bestätigung ihrer Denke, dass sie zensiert werden.“ Diese Einschätzung ist fünf Jahre alt, sie stammt von „taz“-Inlands-Redakteurin Sabine am Orde, damals dort noch für die AfD zuständig. Das Dilemma hält sich hartnäckig, das zeigt die Berichterstattung über die Wahl des ersten AfD-Landrats Ende Juni 2023 im thüringischen Sonneberg, eine 23.500-Einwohner-Kommune – wieder so ein „erstes Mal“.

Der Fokus der gesamten Medienlandschaft auf das lokale Ereignis spielte der Aufmerksamkeitsstrategie der AfD in die Hände. „Dass das von der AfD als ein Riesenerfolg verkauft werden konnte, hat natürlich mit der Berichterstattung zu tun“, kommentierte am Orde im „taz“-Podcast „Bundestalk“ Anfang Juli. „Aber ich sehe die Alternative nicht. Nicht hinzuschauen und vernünftig zu berichten, ist ja keine Variante.“

Nicht ignorieren. Vernünftig berichten. Den Widerspruch auszuhalten und mit Expertise abzufedern, das ist mittlerweile sowas wie das Grundprinzip erfahrener AfD-Beobachter:innen – sichtbar auch darin, wie klar sie es formulieren. „Es ist die Quadratur des Kreises“, sagt DLF-Reporterin Thoms: „Wir können nicht nicht berichten – und zugleich gilt es, der Partei und ihren Positionen keine Bühne zu bieten.“

Teil des Dilemmas: Es klingt wie normales journalistisches Handwerk, eventuell Goldstandard – und damit so, als würden Journalist:innen in anderen Fällen unsauber arbeiten. Derweil lässt Phoenix Björn Höcke unkommentiert antisemitische wie faschistische Begriffe wie „Globalisierungsagentur“ und „gleichschalten“ in die Kamera sagen, und Alice Weidel kann bei Ingo Zamperoni in den „Tagesthemen“ ohne Nachhaken erklären: „Ich kann keine radikalen Positionen erkennen, wir haben ein freiheitlich-konservatives Programm“.

Thoms sagt: „Live-Interviews mit der AfD sind eine Herausforderung, weil man darauf vorbereitet sein muss, ein breites Spektrum an Falschbehauptungen sofort widerlegen zu können. Dass Allrounder, die etwa die Hauptnachrichten moderieren, dabei auch mal ins Schwimmen kommen, ist nachvollziehbar.“

Der Vorteil des Originaltons: Es ist der Originalton, es lässt sich kein Zensur-Vorwurf daraus stricken. Thoms weiß zu schätzen, dass sich so in gebauten Beiträgen Aussagen einordnen lassen; auch eine Seite-3-Reportage in der „Süddeutschen Zeitung“ folgte jüngst diesem Prinzip und parierte viele Aussagen einer Essenerin, die AfD-Mitglied ist und für einen EU-Parlamentarier der Partei arbeitet, mit Fakten.

„Die Position der AfD zu zeigen, gehört zur journalistischen Sorgfalt dazu“, sagt Thoms. „Das hat nichts damit zu tun, ihnen eine Bühne zu bieten.“ Martin Schmidt, der Live-Situationen gewöhnt ist, sagt: „Ich finde, wir haben im Fernsehen mit Live-Interviews eine große Chance, zu zeigen, wie schwach die Partei in manchen Themenbereichen ist. Man muss Falschaussagen und plumpen Populismus mit Fakten parieren – wie in jedem anderen Interview auch.“ Einordnen von Partei und Programm gehöre dazu, sagt auch Wolf: „Das geschieht beim Heizungsgesetz ja genauso mit den Grünen”. Da ist es wieder, das normale journalistische Handwerk.

Wie schwer das nach wie vor ist, zeigt das Paradebeispiel Talkshow. Vor ein paar Wochen erlebte die Diskussion darum, ob AfD-Politiker:innen eingeladen werden sollen oder dürfen, ebenfalls ein Revival. Sandra Maischberger hatte Co-Parteichef Tino Chrupalla zu Gast. Prompt folgte die Meta-Debatte: Dunja Hayali ist dafür, Maybrit Illner findet, kommt drauf an, die SPD griff die Frage auch mal auf. Von der medienrechtlich besonderen Situation der Öffentlich-Rechtlichen, die sich etwa aus dem Medienstaatsvertrag samt „Vielfaltsgebot” ableitet, mal ganz abgesehen: Wenn man dem „Elefantenrunden-Prinzip“ folgt, auf das Wulf Schmiese 2018 verwies, lässt sich der Parteienproporz leicht ermitteln – die AfD ist nach diesem Maßstab nicht zu oft, sondern zu selten dabei. Das Gästelisten-Ranking von „Meedia“ für 2022 zeigt: Die AfD war in den drei Sendungen „Maischberger“, „Maybrit Illner“ und „hart aber fair“ mit insgesamt 105 Talkabenden gerade zwei Mal vertreten.

Genau zu dieser Frage hat RP-Journalistin Julia Rathcke kürzlich einen Kommentar geschrieben, einer der meistgeklickten, erzählt sie. „Die Partei gehört meiner Meinung nicht grundsätzlich aus Talkshows ausgeschlossen, damit sie ihre Opferhaltung nicht weiter zementieren kann“, findet sie. Was natürlich, das betont auch sie, mehr Vorbereitung, Gegenrede und Konfrontation mit Fakten bedürfe.

Dass Ignorieren wenig bringt, ist aktuell offensichtlicher als zuvor. „Ich glaube, manche Redaktionen haben es sich zu leicht gemacht“, findet ARD-Hauptstadt-Korrespondent Schmidt. „In einigen Redaktionen hat man sich nicht zu intensiv mit der Partei auseinandergesetzt, in der Annahme, sie zerlege sich ohnehin selbst. Viele haben sich auch schwer getan im Umgang mit mitunter extremen AfD-Stimmen in den eigenen Beiträgen.“


3. Das Offensichtliche und das Verdeckte

„Die“ AfD gibt es nicht. Das zeigt schon ein Blick in die verschiedenen Verfassungsschutzberichte. Auch wenn die Zustimmungswerte mittlerweile in vielen Bundesländern, auch im Westen, hoch sind: Die Lage in Thüringen ist anders als in NRW oder Baden-Württemberg – und damit auch das Publikum von Partei und Berichterstattung. Hier wirkt das Völkische, Antidemokratische, offen Rechtsextreme wie ein Magnet, dort fremdelt die traditionell bürgerlichere Gesellschaft mit zu viel offenem Nazitum.

Und damit entstehen im Südwesten andere Berichte: „Die Radikalisierung der Partei ist in Baden-Württemberg genauso fortgeschritten wie im Rest der Republik – nur ist sie weniger sichtbar“, sagt Deutschlandfunk-Korrespondentin Thoms. „Ich muss jedes Mal weit ausholen, um die Zusammenhänge zu erklären. Das ist in der begrenzten Sendezeit eines Hörfunkbeitrags nicht immer leicht.“

Das Nebeneinander von sichtbar Radikalem und harmlosem Auftreten, dazu die ständigen tektonischen Verschiebungen in der Partei samt verschiedener Strömungen: Diese Gemengelage sorgt mit dafür, dass Kolleg:innen auch sechs Jahre nach Einzug der AfD in den Bundestag zögern. Ist die Partei „rechtsextrem“ oder „extrem rechts“ oder „populistisch“? Wie hat der Verfassungsschutz die AfD eingestuft – und wie sieht das in den einzelnen Ländern aus? Welche Begriffe sind präzise, welche verharmlosen? Gibt es den „Flügel“ noch? Und was hat Björn Höcke eigentlich gerade wieder Justiziables gesagt? Immerhin gibt es nun, anders als 2017, offizielle Verfassungsschutzberichte – und damit Leitplanken.

Die AfD ist seit 2022 als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Ihre Jugendorganisation „Junge Alternative“ ist es seit 2019, aktuell führen einige Landesämter für Verfassungsschutz sie jedoch als „gesichert rechtsextrem“ (Kurzfassung des Verfassungsschutzberichts 2022, PDF 58 Seiten; Langfassung, PDF, 380 Seiten).

Wer einen Spickzettel braucht, hier ein paar erprobte Formulierungen:

Thoms sagt „extrem rechts“ und „radikal“, einzelne Personen, die im Verfassungsschutzbericht auftauchen, benennt sie als „rechtsextrem“, sonst nutzt sie: „Der Verfassungsschutz hat die Partei als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft.“

Wolf findet am treffendsten „eine teils rechtsextreme und vom Verfassungsschutz beobachtete Partei“, und schiebt hinterher, dass es natürlich Ermüdungseffekte gebe, wenn man das immer wiederhole. „Aber man sollte als Journalist bedenken, dass nicht alle Menschen Zeit haben, sich laufend und umfassend zu informieren.“ Seine Prämisse: „Das Grundgesetz ist für mich als Bürger und Journalist die Linie, an der alles zu messen ist.“

Rathcke erklärt: „Inzwischen steht in meinen Texten meist mindestens einmal die Einordnung: ‚vom Verfassungsschutz in Gänze als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft‘ bzw. ‚in Teilen erwiesen rechtsextreme Partei‘.“


4. Das Spalten und das Miteinander

Noch etwas war neu, als sich AfD und Pegida in den 2010er-Jahren gründeten: Journalistinnen waren auf einmal dezidierte Zielscheibe des Objekts ihrer Berichterstattung.

Heute laufen die Angriffe der Partei hybrider ab. Die Stimmung gegenüber den Medien sei auf Parteitagen „nicht mehr so feindselig“ und „Lügenpresse-Rufe bleiben eher aus“, sagt Katharina Thoms. Der „persönliche Hass“ gegenüber den Medien in der alltäglichen Arbeit habe abgenommen, sagt Julia Rathcke von der „Rheinischen Post“, „die öffentliche Herabwürdigung der ‚Systemmedien‘ aber gehört weiter zum Programm.“ Im Vergleich zu den Anfangsjahren habe sich die Partei wie auch ihre Pressearbeit professionalisiert, berichten viele. Es gebe schnelle Reaktion auf Anfragen, wenn auch mitunter mit dünnem Inhalt oder den immergleichen Pressemitteilungen mit immergleichem Thema, dazu seien ihre Leute gut vernetzt mit Journalist:innen.

Zugleich aber gehört dazu: Viele gehen nur mit Sicherheitsleuten auf große AfD-Versammlungen oder parteinahe Demos; die Übergriffe gerade im Lokalen hatten auch bei der verwandten Querdenker-Coronaleugner-Bewegung derart zugenommen, dass dazu nun eine Langzeitstudie erschien. Gegen Rathcke hatte der frühere Landes- und Fraktionsvorsitzende Markus Pretzell, Ehemann von Ex-Parteichefin Frauke Petry, mehrere Verfahren angestrengt (und verloren). Tobias Wolf hat man 2017 während des Sächsischen Landesparteitags rausgeworfen, 2022 gar nicht erst akkreditiert. Im vergangenen Jahr hat seine Redaktion mit dpa-Material gearbeitet. Thoms erzählt vom obligatorischen Antrag auf Parteitagen, Presse und Öffentlich-Rechtliche auszuschließen – der aber immer abgelehnt werde.

Dass die AfD die Presse braucht, bedient, bespielt, ist das eine. Aber gleichzeitig ist sie als Objekt der Berichterstattung in Teilen antidemokratisch – sie greift das Fundament und das Ziel von Journalismus an. Für diese Situation sind gerade die Öffentlich-Rechtlichen sensibilisiert: Schließlich sind die Sender über die Rundfunkräte von der Politik mit abhängig.


5. Die Extremisierung und die Normalisierung

Man könnte auch sagen: „Radikalisiert und etabliert“, so der Titel der frisch erschienen AfD-Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Einer der beiden Autoren ist Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder, der bei Phoenix am Wochenende den Parteitag kommentierte. Die AfD habe geholfen, dass sich der Diskurs verschoben habe, sagte er, man habe sich an das Radikale gewöhnt.

Und Berichterstattung hilft dabei, wie ein paar aktuelle Beispiele illustrieren. Da sind zum einen die ganzen „Sonntagsfragen“, zu Landtagswahlen, Europawahl, Bundestagswahl. „Indem man das Monster die ganze Zeit an die Wand malt, wird es für viele normaler“, meint Tobias Wolf von der „Freien Presse“. „Ich habe aber das Gefühl, es wird zu viel über diese Umfragen geschrieben – das legitimiert die Partei vielleicht immer weiter. Daraus wird vielleicht eine selbsterfüllende Prophezeihung.“

Und dann wäre da noch die erwähnte Titelseite des „Stern“: „Das Cover mit dem Portrait von Alice Weidel und dem Wort ‚Hass‘ in altdeutscher Schrift bedient das Agendasetting der AfD“, findet Julia Rathcke. Und dass die AfD-Co-Chefin im Interview von ihren Serienvorlieben erzählt, verwandelt das Ganze in eine normale Story im „Bunte“-Stil.

Ausriss: „Stern“

Zur Normalisierung des Extremen gehört auch, dass zwar einerseits gilt, was Hauptstadt-Reporter Martin Schmidt sagt: „Aussagen, die die rote Linie zur Verfassungsfeindlichkeit überschreiten, versuchen wir auch als solche kenntlich zu machen.“

Andererseits schwindet zugleich das Gespür für eine Extremisierung jenseits der Politikberichterstattung. Einschlägige Gedanken und Themen werden reproduziert, Zusammenhänge ignoriert. So etwa in den Abendnachrichten in ARD und ZDF vergangenen Freitag: Aufmacher waren die Berichte vom Auftakt des AfD-Bundesparteitags in Magdeburg. Der Ausstieg jedesmal: ein Nachruf auf den Schriftsteller Martin Walser. Er, der mit seiner Paulskirchenrede 1998 mit Wendungen wie „Moralkeule Auschwitz“ dazu beigetragen hat, die Grenzen des Sagbaren lange vor AfD-Gründung zu verschieben, bekam im Sinne eines „Über die Toten nur Gutes“ fast nur euphemistische Attribute: „historisch bewusste, engagierte Dichtung“, „mischte sich, wenn nötig, auch politisch ein“, „Beobachter der deutschen Geschichte“, „streitbare Persönlichkeit“.

Noch ein Beispiel: Ein paar Tage nachdem AfD-Parteichefin Alice Weidel in den „Tagesthemen“ lächelnd erklärt, man folge eigentlich nur einer „alten CDU-Programmatik vor 30 Jahren“, bringt die „Zeit“ eine Titelgeschichte voller Vergangenheitskitsch: „Adieu, altes Deutschland“, darunter ein umgekippter VW-Käfer. Verbunden von der Sehnsucht nach einem Früher, in dem alles besser war.

Vielleicht hilft es, die Normalisierung des Extremen sichtbar zu machen. Etwa mit der Idee, die Katharina Thoms kam, als sie am Wochenende den Livestream vom Parteitag in Magdeburg verfolgte: „In den Pausen zwischen Redebeiträgen oder während Abstimmungen könnte man Informationen zu Mitgliedern aus der zweiten oder dritten Reihe liefern“, findet sie. Statt Stellwandverschieben zu kommentieren, also besser erklären, wer sie sind, wofür sie stehen. „Das ist eine vertane Chance.“


6. Die besondere und nicht so besondere deutsche Lage

Der Thüringer Landeschef der Partei, Björn Höcke, sagte am ersten Wochenende des Bundesparteitags, die EU müsse „geordnet aufgelöst“ werden – auch wenn Alice Weidel in den „Tagesthemen“ bekräftigte, nein, man sei nur für einen „Kompetenzrückbau“. Schaut man sich andere EU-Länder an, könnte sich allerdings eine Allianz jener bilden, die pro „Auflösung“ sind. Rechtsextreme Parteien regieren bereits in Polen, Ungarn und Italien. In Schweden und Finnland regieren sie mit. In Spanien bildet sich aktuell noch die neue Regierung, Ausgang ungewiss. In Frankreich gewann im vergangenen Jahr Emmanuel Macron knapp in der Stichwahl gegen Marine Le Pen die Präsidentschaft; in jüngeren Umfragen attestieren ihr über die Hälfte der Bevölkerung, sie sei präsidiabel.

Doch die Medienlandschaften in den anderen europäischen Ländern unterscheiden sich teils radikal von der deutschen.

In Frankreich gehörten abgesehen vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen fast alle Qualitätsmedien also Zeitungen wie „Le Monde“, „Figaro“, „Journal Du Dimanche“, „Libération“ – „einer Handvoll französischer Milliardäre“, sagt die ARD-Korrespondentin Sabine Rau. „In Frankreich gibt es nur noch Rudimente dessen, was in Deutschland als öffentlich-rechtlicher Journalismus existiert. In den morgendlichen TV-Interviews wird oft nicht faktensicher nachgefragt.“

Auch in Spanien sei die Situation speziell, sagt Karin Janker, die seit drei Jahren für die „Süddeutsche Zeitung“ aus Madrid berichtet. „Es gibt wenige Medien, die einen wirklich unabhängigen Blick auf alle Parteien haben. Viele stehen einer Partei näher als anderen“, sagt sie, oft werde kaum zwischen Berichten und Meinungsbeiträgen getrennt. Wolle man sich ein objektives Bild machen, müsse man „sehr viele unterschiedliche Medien parallel konsumieren“.

Es scheint symptomatisch für die Praxis des Journalismus, dass Rau wie Janker jeweils ein herausragendes Beispiel einfällt, wer die rechtsextremen Kandidaten einem Faktencheck unterzogen hat: „Wer Marine Le Pen beim vorletzten Präsidentschaftswahlkampf vorgeführt hat, war Emmanuel Macron“, sagt Rau. „Er hat sie im TV-Duell vor der Wahl argumentativ auseinander genommen.“ Und Janker erzählt: „Im Wahlkampf hat Sánchez stark darauf gesetzt, vor den Rechten zu warnen, und auf Falschaussagen mit Debunking reagiert.“

Die Frage, ob und wie man mit Berichterstattung zur „Normalisierung“ rechtsradikaler Positionen beitrage, wird aktuell weder hier noch dort gestellt. In Spanien nicht, weil es nach Ende des Franquismus keinen harten Bruch gegeben habe, keine Aufarbeitung wie in Deutschland, also keine Ächtung, so Janker: „Weil man nie einen klaren Schnitt gemacht hat, ist es heute weniger üblich, dass rechtsextreme Positionen geächtet werden und eine Distanzierung von ihnen verlangt wird.“ Sie habe nur wenige Debatten darüber mitbekommen, ob Vox in Sendungen eingeladen werde, ob man rechtsextremen Parteien eine Plattform biete oder nicht: „Vox findet inzwischen als eine normale Partei neben allen anderen statt.“

In Frankreich habe sich die Normalisierung schon vollzogen, als „Rassemblement National“ (RN) noch „Front National“ hieß, sagt Rau: „Der Dammbruch begann schon in den 1980ern. Dass im Öffentlich-Rechtlichen überhaupt über den Front National berichtet werden konnte, liegt an François Mitterand. Er wollte die Rechte spalten. Vorher waren die Extrem Rechten in den Medien tabu.“

Es gebe vor allem zwei Faktoren, die zur Normalisierung des RN beigetragen hätten. Der eine ist Marine Le Pen selbst, die wegen der zentralistischen Ausrichtung der Partei so etwas wie die Personalisierung des RN ist. Sie, die die Parteileitung längst abgegeben hat, trete geschmeidiger auf, als gutmütige Tante und Stimme der erfahrenen Elder Stateswoman, sagt Rau. „Ihr Imagewandel wird in den meisten Medien nicht hinterfragt. Es wird nicht geschaut, ob sich ihre Haltung oder das Parteiprogramm geändert hat: Dabei vertritt sie weiterhin fremdenfeindliche Positionen.“

Der andere Faktor ist Éric Zemmour, auch er trat als Präsidentschaftskandidat an. Er ist Star des „Alarmsenders“ C-news, wie Nils Minkmar ihn nennt, Teil des Medienimperiums von Vincent Bolloré. Zemmour schwadroniert vom „Grand Remplacement“, ist verurteilt wegen Volksverhetzung, seine offen rechtsradikale Haltung ist sein Selling Point. Neben ihm wirkt Marine Le Pen, wie sie aktuell auftritt, fast harmlos.

Ähnlich in Italien, dort habe es den „Dammbruch“ in den 1990ern unter Präsident Silvio Berlusconi gegeben, sagt ARD-Hörfunk Korrespondent Jörg Seisselberg. Die Folge heute: Gewöhnung. Ob und wie Regierungschefin Giorgia Melonis „Fratelli d’Italia“ (FdL) in Berichterstattung, Sendungen, Talkrunden auftaucht, sei „null“ Thema in der Branche. Meloni, die aktiv war in der Jugendorganisation der MSI, Nachfolgepartei von Mussolinis Partito Nazionale Fascista, stand früher eindeutig „außerhalb des Verfassungsbogens“, sagt Seisselberg.

Es gebe keine Berührungsängste. So saß der Chefredakteur einer linken Tageszeitung bei Fratelli-Veranstaltungen auf dem Podium, einer der bekanntesten RAI-Talkshow-Hosts moderierte die 10-Jahres-Feier der FdL, im Wahlkampf warnte ein Redakteur des „Corriere della Sera“, „Hütet Euch vor ausländischen Journalisten“. Gemeint waren Korrespondenten wie Seisselberg: Weil sie warnten, wie gefährlich das faschistische Programm der FdL sei.

Ja, sagt Seisselberg, die Medien der „Gedi“-Gruppe wie „La Stampa“ und „La Repubblica“ schauten den „Fratelli“ und Meloni mit ausführlichen Dossiers hartnäckig und genau auf die Finger (und brachten dennoch gerade ein langes Weidel-Interview); und ja, „ein einziges Mal“ habe es eine Faschismus-Warnung auf eine Seite 1 geschafft: „No ai postfascisti“ titelte „La Repubblica“ im September 2022 – ein Zitat des deutschen SPD-Chefs Lars Klingbeil.

Aber es dreht sich etwas, ein wenig. Bei der aktuellen Wahl in Spanien hat Vox schlechter abgeschnitten als zuvor. Es sei, vermutet Janker, als hätten die Spanier einen Umgang mit der Partei gefunden. „Ob das an der Berichterstattung liegt, an Sánchez oder dem Umstand, dass die Bevölkerung gegenüber Populisten resilienter ist, ist unklar.“

In Frankreich wird das linke „Journal Du Dimanche“ seit 1. August offiziell von Geoffroy Lejeune geleitet, vorher Chefredakteur bei einem Blatt, das Zemmour im Wahlkampf unterstützt hatte. Die Reaktion: Die gesamte JDD-Redaktion streikte sechs Wochen dagegen.


Und nun?

Es sollte nicht aus dem Blick geraten, wo genaues Hinschauen besonders sinnvoll sein kann, auch jenseits der AfD selbst. Drei Vorschläge:

Zum einen lohnt es sich reinzuzoomen: „Mit Blick auf die AfD schlägt aktuell die Stunde des Lokaljournalismus“, sagt Julia Rathcke von der „Rheinischen Post“. „Es braucht kontinuierliche Berichterstattung über die Partei, gerade in der Kommunalpolitik“. Nicht nur in ostdeutschen Kommunen.

Vor allem, wenn man den Hintergrund mitbetrachtet: Da ist CDU-Chef Friedrich Merz, der sagte-aber-nicht-meinte-oder-doch, auf kommunaler Ebene müsse man mit der AfD zusammenarbeiten. Da ist der Parteienforscher Wolfgang Schroeder, der auf dem Parteitag der AfD bei Phoenix kommentierte, die NSDAP habe ihren Aufstieg auch in den Kommunalparlamenten begonnen. Und da ist die wirtschaftliche Lage des Lokaljournalismus: Sie ist katastrophal.

Außerdem wäre es wichtig, nach vorne zu schauen: um jetzt schon mit zu entscheiden, wie die nächste Journalismus-Generation aussieht. Die frische Autoritarismus-Studie fokussiert sich zwar auf ostdeutsche Bundesländer, aber eine Aussage sitzt. 77,4 Prozent der Befragten sagen: „Leute wie ich haben sowieso keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut“ (PDF, S. 20). Redaktionen sind Vermittlungsinstanzen. Und werden ihrer Aufgabe offenbar nicht gerecht: weil die immer gleiche homogene Akademikertruppe auf immer gleiche Weise auf die Gesellschaft schaut. Die Erkenntnis ist eigentlich so alt, wie sämtliche Diversitäts-Studien, aber: Es braucht Menschen, die Journalismus so machen, dass sich auch jene drei Viertel gespiegelt fühlen. Eine Gemengelage, die Nils Minkmar übrigens auch in Frankreich beobachtet.

Julia Rathcke leitet auch die RP-Journalismusschule. Sie berichtet, der Nachwuchs sei bemerkenswert interessiert, sich mit AfD-Berichterstattung zu befassen.

Der dritte Bereich ist vielleicht am wichtigsten für die Berichterstattung des Sowohl-als-Auch: der Blick auf jene 80 Prozent der Gesellschaft, die keine Partei wählen wollen, die vom Verfassungsschutz als in Teilen gesichert rechtsextrem eingestuft ist. Wenn 20 Prozent beständig die öffentliche Aufmerksamkeit dominieren, könnte sich jene Mehrheit irgendwann nicht mehr mitgemeint fühlen.

9 Kommentare

  1. Wie wäre es mit: einfach, sachlich berichten und nicht in Schnappatmung verfallen?
    Deutschland hat immer ein WählerInnen Potential von mindestens 30 % , die konservativ – reaktionär wählen. Wenn die ihr Kreuz bei der CDUCSU machen, ist alles in Ordnung?
    Die AfD formuliert, was leider viele Denken. So ist es. Also berichten. Und nach der konkreten Umsetzung ihrer Forderungen fragen. Militär an der Grenze? Dann dauert die Einreise nach Holland sieben Stunden😂
    Zudem , mit Meinungsfreiheit ist, mit Chomsky gesprochen, die Freiheit von Andersdenkenden gemeint. Sollte auch für die AfD gelten. Auch wenn das schwer fällt.🥴

  2. Die Berichterstattung könnte an Qualität gewinnen, wenn zusätzlich zu den immergleichen Schlagworten wie „gesichert rechtsextremistisch“, „rassistisch“, „antisemitisch“ die Konsequenzen vor allem für die jeweils angegriffenen Gruppen wie Geflüchtete, als „Ausländer“ gelesene usw., dargestellt werden alltäglich und strukturell .Journalisten sollten diese Angegriffenen viel mehr zu Wort kommen lassen als nur Politiker anderer Parteien, die oft im Abstrakten bleiben müssen, weil ihre konkrete Politik der AfD argumentativ in die Hände spielt (siehe Abschottungspolitik).

  3. Zum Beitrag # 2: Meinungsfreiheit bedeutet, seine ( ggf. anderslautende) Meinung äußern zu dürfen. Ich wüsste jetzt nicht, wer wann und wo jemand seine Meinung in Deutschland hätte nicht äußern dürfen. Wenn man aber Meinungsfreiheit mit den Hassparolen der AfD verwechselt, wird es kritisch. Da geht es nämlich nicht um eine Meinung, sondern um die Verzerrung historischer Wahrheiten, um Lügen, um Desinformation, um Stimmungsmache, um die Spaltung der Gesellschaft. Das alles darf nicht unter „Meinungsfreiheit“ gehandelt werden, sondern das ist und bleibt politische Agitation. Wer heutzutage Putin, Höcke, Bolsenaro, Trump, Chrupalla oder Weidel als jemanden bezeichnet, der lediglich eine andere Meinung vertritt, ist schon sehr tief in die Falle der Propaganda getappt. Die geistigen Brandstifter und Wegbereiter für Diktaturen sind nicht Menschen mit einer anderen Meinung, sondern Menschen, die Demokratie, Gleichberechtigung, Weltoffenheit, soziale Gerechtigkeit ablehnen und zerstören wollen. Menschen, die den europäischen Zusammenhalt ablehnen, und lieber wieder ihr nationalistisches, kleinkariertes und reaktionäres Gedankengut in die Öffentlichkeit absondern, und zwar in der Absicht, die Spaltung voranzutreiben. Ohne Spaltung der Gesellschaft haben diese Menschen keine Chance, ihre kranken Vorstellungen durchzusetzen, denn Sie würden von der Wahrheit eingeholt werden. Nur die Lüge und die Desinformation hilft solchen Menschen weiter. Das als Meinungsfreiheit zu bezeichnen, ist gefährlich und zeugt schlicht von einem falschen Demokratieverständnis.

  4. Zu #4, Wolfgang Chambers
    Diese klar formulierte Unterscheidung zwischen Meinung und Propaganda müsste an alle analoge und digitale Litfaßsäulen geklebt werden , danke dafür.

  5. #4
    Wer unterscheidet denn Meinungsfreiheit und Hassparolen?
    Wann beginnt denn Propaganda?
    Wer entscheidet darüber? Der Verfassungsschutz?😂
    Meinungsfreiheit bedeutet auch das Recht auf Dummheit.
    Wären die Grenzen so klar zu benennen, wäre das Leben einfach.Ist es aber nicht. Es geht um Grauzonen. Oder auch darum, das der Gegenteil von Wahrheit auch wahr ist.
    Es ist verboten zu verbieten. Gefällt mir weiterhin gut.

  6. „Oder auch darum, das der Gegenteil von Wahrheit auch wahr is“
    Wot?

    Wenn das kein „Neusprech“ ist, was dann?

    „Wann beginnt denn Propaganda?“
    Kann man nachlesen, beim Gröfaz, bei Goebels und, besser, in „LTI, Notizbuch eines Philologen“ von Viktor Klemperer.

    Propaganda bedient nicht den Intellekt, sondern die Emotion. Sie ist nicht erklärend, sondern repetierend, überflutend.
    Diejenigen, die für die Erreichung ihrer Ziele die Wahrheit verachten, darf man nicht unkommentiert ihr Gift verbreiten lassen.

    Und, der Verfassungsschutz erkennt viel eher den Faschisten nicht, als dass er einen Nichtfaschisten zum Faschisten machte.

    Wenn also also der VS Rechtsradikale in einer Partei vermutet, dann ist die Chance da falsch zu liegen verschwindend gering.

    q.e.d.

  7. Ich finde es schockierend, wie viele Menschen Probleme mit der Differenzierung zwischen Wahrheit ( oder auch einer legitimen politischen Aussage ) und Halbwahrheit bis hin zur Lüge haben ( das nennt man dann Propaganda! ). Frank Gemein hat es vollkommen richtig erläutert, wir alle wissen ( insofern ausreichend gebildet ) was Propaganda ist und wo sie beginnt. Ich gebe Frank Tofern auch in diesem Punkt nicht Recht: es gibt kein Recht auf Dummheit! Wir müssen zwar akzeptieren, dass Bildung und Wissen nicht gleichmäßig auf alle verteilt ist, aber um so mehr müssen wir genau daran arbeiten und jeglichen Versuch, die Unwissenheit politisch auszunutzen, im Keim ersticken. Bzw. Bildung zu einem Gut zu erheben, welches zum unverhandelbaren Ziel einer Zivilgesellschaft wird.
    Ich selbst bin überzeugter Demokrat und weiß, wie schmerzhaft es sein kann, wenn sich eine Mehrheit für etwas entscheidet, wozu sich eine aufgeschlossene Gesellschaft niemals entscheiden würde ( z.B. Trump wählen oder Putin „verstehen“ ). Deshalb die Prinzipien der Demokratie anzuzweifeln ist brandgefährlich, im Gegenteil müssen wir um so mehr daran festhalten und die Auswüchse ( die es immer geben wird ) bekämpfen. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Demokratie ausgehöhlt wird, aber genau daran arbeiten die rechtsnationalen Parteien dieser Welt. Warum tun sie das? Weil sie, ohne die Wahrheit zu verdrehen, kein Gehör finden würden!
    Wer denjenigen nachläuft, die sogenannte „alternative“ Wahrheiten verbreiten, sich in sog. „alternativen“ Medienkanälen informieren ( was kein Infomieren ist, sondern nur eine Bestätigung der eigenen, verdrehten Sichtweise erhalten), und diejenigen wählt, die uns einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten, der hat wenig Chance, mit einem argumentativen Diskurs andere zu überzeugen. Der kann nur ebenfalls Parolen verbreiten, Stimmung machen, aufwiegeln. Wir Deutschen sollten jedoch sehr genau wissen, wohin das ganz zwangsläufig führt: in einen nationalistischen, autokratischen Staat. Dort beginnt dann genau das: Bespitzelung der Gesellschaft, Manipulation, Aussonderung der politischen Gegner ( inklusive Vernichtung in Lagern ), Gleichschaltung der Medien und der Gerichtsbarkeit; in der Folge dann wirtschaftliche Not und Krieg mit den Nachbarn. Wer diese Gefahr nicht erkennt, muss dringend Nachhilfe in Geschichte nehmen! Es ist alles ganz transparent nachzulesen, nur muss es zur Kenntnis genommen werden und zum Leitsatz der eigenen (politischen) Verantwortung werden. Wenn das geschieht, werden Höcke und co. nur noch ausgelacht werden. Leider ist es einfacher, den Lügnern nachzulaufen, als Verantwortung zu übernehmen.

  8. @2: Chomsky in allen Ehren, aber die „Freiheit des Andersdenkenden“ ist von Rosa Luxemburg.
    Und von Karl Popper ist das (hier verkürzte) Toleranzparadoxon:
    „Keine Toleranz den Intoleranten“
    Und das gilt auch für die AfD.

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