„Spiegel TV“ in Sonneberg

Im Osten nichts Neues? Wie Berichterstattung Vorurteile auf beiden Seiten verstärkt

Nun ist es also passiert: Es gibt erstmals einen direkt gewählten Landrat der AfD, Robert Sesselmann im thüringischen Sonneberg. Damit war angesichts der Umfrage- und Wahlergebnisse der in Teilen rechtsextremen Partei in vielen ländlichen Regionen Ostdeutschlands früher oder später zu rechnen. Doch insbesondere der überregionale Journalismus (vornehmlich) westdeutscher Herkunft tut sich mit der Abbildung des Geschehens nach wie vor schwer.

Exemplarisch dafür steht ein „Spiegel TV“-Beitrag aus der vergangenen Woche, der im Vorfeld der Stichwahl vom Sonntag für massive Aufmerksamkeit in den sozialen Medien gesorgt hatte. Der Film mit dem Titel „Björn Höcke, die AfD und das Umfragehoch“ zeigt unter anderem Bürger:innen des Wahlkreises, die sich unverblümt die NSDAP zurückwünschen.

Die Empörung war groß und vermutlich kalkuliert, der journalistische Nutzen gering. Der Beitrag besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: einer Wahlkampfveranstaltung von Björn Höcke in Gera, einer Straßenumfrage in Sonneberg und der Begleitung der beiden Stichwahl-Kandidaten Robert Sesselmann von der AfD und Jürgen Köpper von der CDU. Und in jedem einzelnen dieser Teile scheint es den Reportern vor allem darum zu gehen, möglichst provokant zu fragen und entsprechend krasse O-Töne einzusammeln. Was genau die Probleme vor Ort sind, erfährt man nicht, auch nicht, woher die Zustimmung zur AfD genau rühren könnte. Denn diese Fragen scheinen ohnehin vorab beantwortet: So tickt er halt, „der Osten“, weiß man doch. Vor dieser Folie entwickeln sich dann gut achteinhalb Minuten.

Björn Höcke als Held der Meinungsfreiheit

Natürlich ist es eine bundesweite Nachricht, wenn Wähler erstmals einen Kandidaten der AfD in ein solches Amt hieven – und dann auch noch in Thüringen, wo der von Björn Höcke geführte Landesverband so rechtslastig ist, dass der Landesverfassungsschutz ihn als „erwiesen rechtsextremistisches Beobachtungsobjekt“ einstuft. Schade nur, dass „Spiegel TV“ Höcke im Spontan-Interview gar nicht inhaltlich stellt, sondern ihn routiniert krawallig fragt, warum so viele Leute die AfD wählen, obwohl man Höcke mit richterlichem Segen als „Faschisten“ bezeichnen dürfe.

Höcke wird damit die Gelegenheit eröffnet, über die Meinungsfreiheit zu schwadronieren und dem Reporter zu entgegnen, er habe „auch ein Problem damit, als Faschist bezeichnet zu werden“, aber das sei eben „Teil der Meinungspluralität, das muss man akzeptieren“. Noch liberaler hätte man den AfD-Scharfmacher kaum zu Wort kommen lassen, um nicht zu sagen davonkommen lassen können.

Dabei hätten sich andere Fragen angeboten: zum Beispiel, welche der Themen, die die AfD in Sonneberg präsentiere – von der Energiewende über die Flüchtlingspolitik bis hin zu Friedensverhandlungen mit Russland – eigentlich von einem Sonneberger Landratsamt aus beeinflusst werden können?

Die Gegenseite kommt zu kurz

Stattdessen folgt der Wechsel auf die eingangs erwähnten pöbelnden Einwohner, die aus ihrer rassistischen und rechtsextremen Einstellung keinen Hehl machen. Markus Pohle, Landesvorstand der Partei Die Linke in Sachsen, kritisierte auf Twitter, es helfe „herzlich wenig, Leute wie die Menschen im Video wie im Zoo abzufilmen und eine Twitter-Erregungswelle loszutreten“.

Im Gespräch mit Übermedien fügt Pohle hinzu, er vermisse in dem Beitrag „die Darstellung beziehungsweise Auseinandersetzung mit denjenigen, die sich gegen den Rechtsruck engagieren“. Zwar gebe es in dem Beitrag eine auf Twitter als #Ehrenoma titulierte Seniorin, die sich wegsetze, weil sie das rechtsradikale Gebrabbel nicht ertrage, diese werde aber nur sehr kurz gezeigt, ebenso wie die Betreiberin einer Flüchtlingsunterkunft vor Ort.

Nun könnte man einwenden, der Film berichte eben vor allem über die Rechten und nicht über ihre Gegner:innen, aber das Problem besteht nicht nur für Pohle eben darin, dass es immer so läuft. Jahrelang interessiert sich kein überregionales Medium für die permanente Auseinandersetzung zivilgesellschaftlicher Kräfte mit der AfD und dem Rechtsextremismus – aber sobald die Partei einen neuen Erfolg zelebriert, sind alle Kameras auf sie gerichtet. Denn davon lebt das Narrativ des „rechten Ostens“, das damit gleichsam zementiert wird.

Menschen im Café, Zitat: "Wenn bei den Wahlen die NSDAP wieder führt, komme ich wieder"
Screenshot: „Spiegel TV“

Zudem kritisiert Pohle, der Beitrag zeige eher „sogenannte einfache Leute“, die sich mit starkem Dialekt als NS-Fans und AfD-Anhänger outeten. „Damit werden diese Einstellungen vielleicht nicht bewusst, aber im Ergebnis einer bestimmten sozialen Schicht zugeschoben. Diese Einstellungsmuster sind im Osten aber keineswegs auf eine einzige Schicht begrenzt, sonst käme die AfD auch nicht auf ihre Ergebnisse.“

Im schlimmsten Fall komme es dadurch zu einer Art doppelten Verstärkung von Vorurteilen: Während sich demokratisch orientierte SpiegelTV-Zuschauer:innen vor den Nazis im Osten gruseln, fühlten sich Menschen vor Ort möglicherweise gleichzeitig in ihrem Vorurteil bestätigt, samt und sonders als Ossis, Provinzdeppen und eben Nazis abgestempelt zu werden.

Die bürgerliche Mitte und die Berliner Blase

Der AfD-Kandidat Sesselmann, ein in Sonneberg geborener Rechtsanwalt, den manche seiner Wähler:innen wahrscheinlich seit Jahrzehnten kennen, verstärkt diesen Eindruck. Auch, wenn er nicht mit den Reportern reden will – und gefühlt minutenlang vor der Kamera wegläuft – hat er nun einmal die bürgerlichste Fassade, die man sich denken kann, vor allem im Vergleich zu den tätowierten Muskelmännern und Glatzen der Stiefelnazis, die rechtsextreme Parteien wie die NPD früher ins Rennen schickten. Dies wird auch in einer weiteren Szene des Films deutlich, als ein Marktstandbetreiber die Reporter anmeckert, die AfD seien „keine Faschisten – wo sind das Faschisten?“

Und wenn man sich anhört, was CDU-Kandidat Jürgen Köpper in seinem einzigen O-Ton im Film äußert, dann fragt man sich vermutlich nicht nur als Sonneberger, was den Kandidaten in seinem Auftreten und seinen Ansichten zu aktuellen Problemen denn substanziell von Sesselmann unterscheidet. Bereits vor der Wahl hatte Köpper geäußert, er arbeite mit den AfD-Vertretern ganz normal zusammen, diese seien schließlich demokratisch gewählt. Vor der Kamera sagt er nun:

„Die Leute haben salopp gesagt ganz einfach die Schnauze voll von der Blase, die in Berlin gelebt wird. Sie fühlen sich teilweise zurückversetzt in DDR-Zeiten – und die Leute hier haben das alle schon mal miterlebt, jedenfalls die älteren. Und das will niemand mehr haben, da wird jetzt ganz einfach Protest gewählt.“

Diese Aussage ist eine vermeintliche Erklärung, die dermaßen nach dem Geschmack der AfD sein dürfte, dass man sich unwillkürlich fragt, für wen der CDU-Mann eigentlich Wahlkampf macht. Und warum man ihn stattdessen wählen sollte. Wenn „die Berliner Blase“ auch seiner Auffassung nach mehr oder minder für DDR-Verhältnisse in Sonneberg sorgt, ist es dann nicht die logische Konsequenz, eher eine Partei zu wählen, die sich genau dadurch auszeichnet, tagein tagaus genau jenes „Altparteien-Kartell“ ins Visier zu nehmen, für das auch die Union steht? Und sind unter den AfD-Anhängern gerade im Osten nicht auch einige, die sich die DDR eher zurückwünschen?

Fragen über Fragen, leider stellt der Reporter zumindest im Film nicht eine einzige davon – und auch sonst keine. Köppers wilde Thesen bleiben im Raum stehen, beziehungsweise im Landkreis, dessen Verwaltung künftig ein AfD-Mann vorsteht.

Große Ahnungslosigkeit und wenig lokale Verankerung

Der Sozialwissenschaftler Daniel Kubiak, der an der Berliner Humboldt-Uni zu Migration und ostdeutschen Stadtgesellschaften forscht, kritisiert den Beitrag im Gespräch mit Übermedien ebenfalls. Es werde zum einen der Osten als rechter Osten stigmatisiert, während es gleichzeitig in den betroffenen Orten ein Leugnen des Rechtsextremismus gebe: „Und beides hat denselben Effekt: Es macht nämlich die Kräfte unsichtbar, die sich vor Ort dagegenstellen, die Flüchtlingshilfe betreiben, die widersprechen, die in Initiativen gegen den Rechtsruck aktiv sind.“ Diese kämen in dem Beitrag zwar am Rande vor, ihre Geschichten würden aber nicht erzählt – „und das ist leider typisch“, so Kubiak.

Kubiak kritisiert außerdem, dass Beiträge überregionaler Medien, die schlaglichtartig dann berichteten, wenn es rechtsradikale Angriffe auf Flüchtlinge gibt oder eben nun der erste AfD-Landrat gewählt wird, oftmals von großer Ahnungslosigkeit gekennzeichnet seien: „Das läuft dann sehr oft nach dem Motto, da schicken wir mal ein paar Reporter los, die holen dann ein paar krasse O-Töne und das war’s.“ An gutem Lokaljournalismus, der wisse, wovon er rede, mangele es dagegen auf allen Ebenen, weil Geld und Ressourcen dafür fehlten. Ein Positivbeispiel sei der MDR-Podcast über den Rechtsextremisten Sven Liebich in Halle, der aber eine Ausnahme sei.

Der „Spiegel TV“-Film hingegen verstärkt Kubiaks Meinung nach nur die bestehenden Probleme: „Ich glaube, dass der Beitrag aufgrund seiner Machart einem Opferdiskurs nach dem Motto, ‚wir werden total stigmatisiert im Osten‘, auch noch Futter gibt. So ein Ausschnitt wie in dem Café in Sonneberg funktioniert meiner Auffassung nach auch sehr gut in rechten Netzwerken.“ Die Arbeit der Gegner:innen vor Ort werde dagegen zuallererst durch die Wahl der AfD, aber eben auch durch pauschalisierende Berichte geschwächt und die Beteiligten demotiviert.

Auf der Suche nach „dem“ Osten

Das Hauptproblem bleibt demzufolge die mangelnde Differenzierung beim medialen Diskurs über „den Osten“. Dabei böte das Beispiel Sonneberg gerade hier interessante Ansätze: So ist auffällig, dass die O-Ton-Geber vor Ort gar keinen Dialekt sprechen, der üblicherweise als „ostdeutsch“ qualifiziert würde, sondern Fränkisch. Denn jenseits des Thüringer Waldes, des Schiefer- und Fichtelgebirges beginnt historisch Oberfranken. Die naheliegende Frage, ob und wie sich die Ansichten im fünf Kilometer entfernten Neustadt bei Coburg auf westdeutscher Seite unterscheiden, wäre in der Tat spannend. Fairerweise muss man allerdings sagen: Die Zustimmung zur AfD (die in Neustadt bei der Bundestagswahl auch beachtliche 14,9 Prozent holte) unterscheidet sich dennoch deutlich.

Bei allem medialen Entsetzen über die Landratswahl und die im Film gemachten Äußerungen tut man sich journalistisch keinen Gefallen, wenn man rechtsextreme Ereignisse im Osten immer als pars pro toto liest. Damit soll nicht gesagt sein, das spezifisch ostdeutsche Problem einer rechtsradikalen Hegemonie in vielen Gegenden existiere gar nicht, aber die Unterschiede verschwimmen. Daniel Kubiak verweist unter anderem auf die brandenburgische Prignitz, wo SPD-Kandidat Christian Müller bei der Landratswahl 2022 stattliche 65,5 Prozent holte, während die AfD mit knapp elf Prozent ein Ergebnis im Bundesdurchschnitt der letzten Bundestagswahl hatte – weit unter aktuellen Umfragen. Die mediale Aufmerksamkeit dafür ist allerdings gleich null.

Auch hinsichtlich ostdeutscher Großstädte klaffen Realität und Berichterstattung oft auseinander. Darauf macht Roman Grabolle aufmerksam, der in Leipzig lebt und genossenschaftliche und gemeinnützige Wohn- und Kulturprojekte berät, auch in ländlichen Regionen Sachsens und Ostdeutschlands.

„Wenn es in überregionalen Medien um ‚den Osten‘ geht, dann hat man oft das Gefühl, die Regionen sind alle gleich, ihre soziodemografische Zusammensetzung ist überall gleich, die Werte sind gleich und so weiter“, beschreibt Grabolle den medialen Diskurs. „Vielleicht ahnt man noch irgendwie grob, ja, da gibt es auch noch ein paar Großstädte, die sind irgendwie anders, aber das war es dann auch.“ Grabolle, der ursprünglich aus Chemnitz stammt, verweist darauf, wie hoch der Ausländeranteil in den innerstädtischen Bezirken seiner Heimatstadt mittlerweile ist, nämlich zwischen 20 und 34 Prozent. In einigen Gründerzeitvierteln oder Großwohnsiedlungen von z.B. Leipzig, Halle oder Weißenfels seien die Zahlen ähnlich oder noch höher.

Und dabei handelt es sich nur um diejenigen, die eine andere Staatsbürgerschaft haben, nicht um Deutsche mit Migrationshintergrund, die noch hinzukommen. Laut Grabolle gehen solche „Fakten über die aktuelle Dynamik in den innenstadtnahen Ankunftsstadtteilen ostdeutscher Großstädte medial oft völlig unter. Das wird überhaupt nicht wahrgenommen, weil sie diesem Ostbild total widersprechen.“

Einig sind sich Grabolle, Kubiak und Pohle in ihrer Ablehnung der AfD: Ihre Stärke sei eine enorme Herausforderung für die Demokratie. Gleichzeitig sind sie aber auch der Meinung, dass die Standard-Folie der Berichterstattung über „den Osten“ der letzten 30 Jahre nicht länger taugen kann.

Denn wenn man anfinge, sich konkret darum zu kümmern, was die spezifischen Sonneberger Gründe für den AfD-Erfolg sind (vielleicht ja auch eine CDU, die hier bereits Hans-Georg Maaßen aufstellte und sich von der AfD nicht richtig unterscheiden lässt?), würde es wesentlich komplizierter. Gleiches gilt für die Abbildung einer Chemnitzer Realität, die davon erzählt, dass in der Innenstadt mittlerweile ähnlich viele Menschen mit Migrationshintergrund leben wie in vergleichbaren westdeutschen Städten. Für krawallige O-Ton-Reportagen taugt ein solcher Ansatz nicht – für erkenntnisreicheren Journalismus dagegen schon.

13 Kommentare

  1. „Damit soll nicht gesagt sein, das spezifisch ostdeutsche Problem einer rechtsradikalen Hegemonie in vielen Gegenden existiere gar nicht, aber die Unterschiede verschwinden.“

    Diese These nur mit dem Wahlerfolg eines einzelnen Sozialdemokraten belegen zu wollen, scheint mir doch etwas zu dünn. Andererseits, da bin ich beim Autor, gibt es Nazi-Sprüche auch an westdeutschen Tischen.

    Man sollte nicht Spiegel TV pars pro toto für (westliche) Medien heranziehen. Spiegel TV ist ein Boulevard-Magazin. Ende der 1990er hingen bei denen auf dem Redaktionsflur noch Diagramme mit den besten Einschaltquoten als Wandschmuck, vielleicht hängen die immer noch dort. Vielleicht hängt der eher unterdurchschnitliche Marktanteil der Sendung auch damit zusammen, dass sie derart quotengeil sind (monotone Strickweise der Beiträge, auf die immer gleichen Reflexe zielend).

    Die Aussage „Jahrelang interessiert sich kein überregionales Medium für die permanente Auseinandersetzung zivilgesellschaftlicher Kräfte mit der AfD und dem Rechtsextremismus“ ist schlichtweg falsch. Ich kann mich an zahlreiche Berichte gerade im Fernsehen erinnern, meist öffentlich-rechtlich, aber auch Stern TV hat das mehrfach getan. Nicht selten im Bewusstsein, damit einen Quoteneinbruch zu erleiden, aber sie haben das in Kauf genommen.

    „Schade nur, dass „Spiegel TV“ Höcke im Spontan-Interview gar nicht inhaltlich stellt“ – ein frommer Wunsch, aber ich fürchte, man wird diesen Kerl gar nicht stellen können (vor allem nicht spontan in den wenigen Minuten, die man vor Ort hat). Der Typ ist aalglatt, der ist routiniert, den kannst du nicht mal eben so an die Wand nageln. Vielleicht gelingt es einem Andrej Reisin, ich würde es mir gern anschauen.

    In einem Punkt stimme ich zu: „Das Hauptproblem bleibt demzufolge die mangelnde Differenzierung beim medialen Diskurs über „den Osten“.“

    Vielleicht noch ergänzend: Differenzierung kann auch nützlich sein, wenn man als Journalist die Arbeit anderer Journalisten beurteilt.

  2. @Theo (#1):

    „Diese These nur mit dem Wahlerfolg eines einzelnen Sozialdemokraten belegen zu wollen, scheint mir doch etwas zu dünn.“

    Dann belege ich noch etwas nach und führe hier mal die Ergebnisse aller Brandenburger Landratswahlen seit 2021 auf:

    Teltow-Fläming (10/21):
    Linke Kandidatin siegt in Stichwahl gegen SPD

    Märkisch-Oderland (10/21):
    SPD-Kandidat siegt in Stichwahl gegen Freie Wähler

    Oberhavel (12/21):
    SPD-Kandidat siegt in Stichwahl gegen CDU

    Potsdam-Mittelmark (02/22):
    SPD-Kandidat siegt in Stichwahl gegen CDU

    Prignitz (08/22):
    SPD-Kandidat siegt im 1. Wahlgang (siehe oben)

    Oder-Spree (05/23):
    SPD-Kandidat siegt in Stichwahl gegen AfD

    Wie Sie sehen, hat es die AfD nur in einem Fall überhaupt in die Stichwahl geschafft – nicht zufällig in Oder-Spree, wo sie seit langem eine Hochburg hat, und nicht zufällig in diesem Jahr auf ihrer aktuellen Erfolgswelle.

    Ich will das Problem überhaupt nicht kleinreden: Die AfD hat in weiten Teilen Ostdeutschlands die Rolle der Linken als „Protestvolkspartei“ übernommen, und die wird sie lange behalten. Das heißt aber nicht, dass sie die politische Landschaft beherrschte – und genau das behaupten Beiträge wie der von Spiegel TV: Der Osten, das seien Vollprolls, die keinen geraden Satz rauskriegen und Höcke wollen, weil sie Hitler nicht mehr haben können.

    (Was Spiegel TV angeht, gebe ich ihnen Recht – die simulieren kritischen Journalismus seit 30 Jahren mit stets denselben Effekthaschereien. Es ist trist.)

  3. Stellenweise zumindest kann man nicht mal über Neo-Nazis reden, ohne bedroht zu werden, weil diese die Mitte der Gesellschaft sind, insofern ist man über die „Vorurteile“ doch hinaus.

  4. Ich hab ca. siebeneinhalb Jahre in Dresden gelebt, bevor Ich wieder nach Rheinland Pfalz zurück gezogen bin.

    Ich habe mir den Spiegel-TV-Bericht vor einigen Tagen auch angesehen und hab darin genau die Gründe entdeckt, deretwegen Ich aus dem Osten wieder weggezogen bin.

    Der Unterschied ist meiner Meinung nach, dass vielleicht der eine oder andere hier im Westen auch eine solche Meinung hat wie die in den kurzen Ausschnitt gezeigten Personen, sie aber hier in der Minderheit sind und Sie hier diese Meinung auch nicht so demonstrativ vor sich her tragen.

    Ich kenne genau solche Menschen wie man sie hier in diesem Ausschnitt sehen konnte, aus meinem persönlichen Umfeld und Ich habe ähnliche Erlebnisse gehabt.

    „Es war nicht alles schlecht, was der Adi damals gemacht hat…“ ist jetzt kein Spruch, der einen als Westler mit 8 Jahren Osterfahrung mehr überrascht…

    Ich weiss auch nicht, warum man immer wieder die Journallie auffordert, doch mal zu untersuchen, woher diese Wahlerfolge kommen. Eigentlich ist es ganz einfach: Nazis wählen eine Nazipartei. Punkt.

    In einem Punkt gebe Ich dem Autor recht: Wenn man eine solche Szene in seine Doku einbaut, dann will man dem Zuschauer „den Ossi“ wie ein Tier im Zoo vorführen. Aber warum macht man das? Warum gehen Menschen in den Zoo? Weil es das was es da zu sehen gibt, bei Ihnen zu Hause so nicht gibt. „Boah, kuck mal, wie beeindruckend, ein Nazi, der sich traut Nazisachen in eine Fernsehkamera zu sagen! Sowas hab Ich ja hier noch nie gesehen!“

    Manchmal ist die Erklärung so einfach, dass man sie nicht wahr haben will…

  5. Die Verteufelung der AfD stärkt sie. Man sieht es an der SED/PdS/Linkspartei. Seitdem SPD und Grüne mit ihr in einigen Bundesländern und Kommunen regieren, schrumpft „Die Linke“. So würde auch die AfD entzaubert. Ausgrenzung, Nazi-Vorwürfe und Brandmauern sind kontraproduktiv. Spiegel TV fördert die AfD. Das ist meine Meinung.

  6. „AfD entzaubern“.
    Mein mündliches Abi-Thema im Fach Geschichte war das Ende der Weimarer Republik und die Machtergreifung.
    Das ist nun weit entfernt von Expertise, aber was manche Konservative sich für ein Bild machen, wie es damals „demokratisch legitimiert“ zu einem Reichskanzler Hitler kommen konnte, das ist erschreckend.
    Mal ab von dem Schwachsinn, dass die Nazis ja eigentlich „Sozialisten“ waren, also Linke, weiß kaum einer die Rolle Hindenburgs und seiner „Kamarilla“ und vor allem wird die aktive Rolle des Zentrums komplett ausgeblendet.
    Das geht dann soweit, dass tatsächlich hier das selbe Verb, „entzaubert“, benutzt, für dieselbe Wahnidee.
    Hugenberg heisst Döpfner und ist jetzt mehr libertär als nationalistisch.
    Antidemokratisch allemal.
    Es ist zum Gruseln.

  7. Nazis wählen Nazis und diese können gar nicht genug stigmatisiert werden. Ich kann dieses relativieren der Wahlentscheidung nicht mehr ab, sind ja nur unzufriedene, abgehängte Protestwähler, die meinen das ja nicht so – NEIN – Nazis wählen Nazis so einfach ist das!

  8. @ Klaus Bauer: Ich weiß nicht , wo Sie aus dem Artikel rauslesen, dass „Nazis“ nicht so genannt werden sollen, wenn diese sich entsprechend äußern / entsprechend wählen. Der Autor kritisiert auf einem Portal über Medien, dass eine Berichterstattung, welche sich darauf beschränkt, nicht unbedingt hilfreich ist.

    und @ Andrej Reisin wollte ich mal loswerden: Als (Ost-)Berliner, vielen Dank für diesen und andere Artikel bei Übermedien.

  9. @motohalo: Der Autor kritisiert in einem Portal über Medien (Danke für den Hinweis) ein Medium.
    Da sind wir uns einig, dass es an diesem Beitrag von Spiegel TV vieles zu kritisieren gibt. Sie überlesen aber gefissentlich seine relativierenden Äußerungen, in dieser Kritik auf einem Portal über Medien, über den rechten Osten. „Ein Narrativ wird zementiert“ „Stigmatisierung des Ostens als rechter Osten“ usw. usf. Wenn in Sonneberg über 50% der Wähler Nazis sind und im Rest des Ostens 25-30% dann muß man von einem rechten Osten sprechen. Das ist genau dieses mimimi über die armen Ostwähler, die ja praktisch gezwungen sind Nazis zu wählen (sie werden ja stigmatisiert, oder nicht gesehen, oder, oder…) das ich nicht mehr ab kann.
    PS: Normalerweise antworte ich Klarnamenverweigerern nicht, aber ihre Replik war doch so unterkomplex, dass ich antworten musste. In diesem Sinne EoD.

  10. @10: In Ihren Augen sind AfD-Wähler also Nazis. Und was folgert daraus? Sollen diese Deutschen nach „drüben“ gehen, nach Polen oder Ungarn oder gar nach Russland? Oder sollen sie eine neue DDR gründen, die „Deutsche Diktatorische Republik“? Oder was schlagen Sie vor?

  11. Der hier geforderte pädagogisch-aktivistische Journalismus hat sicher auch seine Berechtigung, aber ich möchte auch die stumpfe Abbildung der bitteren Realität sehen, dass normale Bürger im Café ganz entspannt vor laufender Kamera die Wiederkehr des Faschismus herbeisehnen. Das sind Schockmomente, die auch zur politischen Bildung gehören.

  12. @11 In Ihren Augen sind das also keine Nazis, wir erinnern uns Nazis wählen Nazis, auch gut, dies zu glauben ist Ihr gutes Recht. Was meinen Kommentar angeht gehört zum Lesen desselben auch das Versten. Ich prangere die Verharmlosung bzw. die Relativierung des Wählens von gesichert rechtsextremen Parteien, deren prominentester Führer, gerichtlich ferstgestellt, als Faschist bezeichnet werden darf, an. Die Wähler selbst sind nicht Gegenstand meines Kommentars gewesen, hätte nicht gedacht dies erklären zu müssen.

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