Holger ruft an (98)

Warum schmeißt man als Journalist hin, um Klimaaktivist zu werden? 

Überschwemmung in Pakistan im Sommer 2022
Überschwemmung in Pakistan im Sommer 2022 Foto: IMAGO / Pacific Press Agency

Für Raphael Thelen ist Schluss. Nach mehr als zehn Jahren kehrt er dem Journalismus den Rücken und wird Aktivist bei der „Letzen Generation“. Er hat unter anderem das Netzwerk Klimajournalismus mitgegründet und für große Medien wie den „Spiegel“ und die „Zeit“ über die Klimakrise geschrieben. Jedoch stößt er als Journalist offenbar an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Im Übermedien-Podcast sagt er:

„Es gibt viel Unwissen über die Klimakrise. Ganz viele Menschen, auch in Redaktionen, wissen bis heute nicht was ein Kipppunkt ist, was ein Feedback Loop ist. Die wissen nicht, dass drei Grad Erwärmung, die wir ja Ende des Jahrhunderts ungefähr haben werden, sechs Grad in Deutschland bedeuten. Das heißt, Berlin hat so ein Klima wie Toulouse.“

Oft habe er sich den Vorwurf anhören müssen, aktivistisch und nicht objektiv zu sein. Und er habe auch immer wieder mitbekommen, dass sich Kolleg:innen nicht trauen, mehr über die Klimakrise zu berichten oder die Charta des Netzwerks Klimajournalismus zu unterzeichnen. Aus Sorge vor Konsequenzen durch ihre Redaktionen.

Die Klimakrise werde medial nicht so behandelt, wie es notwendig wäre, kritisiert Thelen. Das hat aus seiner Sicht mehrere Ursachen: psychologische, fachliche, aber auch die Tatsache, dass die fossile Lobby viel Geld für PR ausgegeben und es geschafft habe, die Klimakrise als „grünes“ Special-Interest-Thema zu framen. Die einzigen Leute, die vernünftig über diese Klimakrise kommunizieren, kämen entweder aus der Wissenschaft oder aus der Klimabewegung. Und deshalb wechselt Thelen jetzt die Seiten.

„Das ist mir klar, dass das mein Abschied aus dem Journalismus ist. Das ist mir sehr schwer gefallen, diese Entscheidung zu treffen, weil ich seit zehn Jahren diesen Beruf mache und ihn eigentlich auch liebe und immer daran geglaubt habe.“

Warum tut er das nun nicht mehr? Was hat er genau vor? Kann er noch optimistisch sein? Und was hat der Journalismus mit dem Coyoten aus „Road Runner“ zu tun? Darüber sprechen Holger Klein und Raphael Thelen diese Woche im Übermedien-Podcast.

Die neue Folge „Holger ruft an…“ hören Sie hier:

Links:

19 Kommentare

  1. Hallo zusammen,
    tolles Gespräch mit Raphael Thelen. Leider deprimierend.
    Kleine Ergänzung dazu. Der IPCC Bericht umfasst nicht nur 900 Seiten. Es sind insg. über 10.000 Seiten für die bisherig erschienen 3 Reports. . In der ersten Veröffentlichung des neuen Reports der Arbeitsgruppe 1 im August 22 zB., geht es um die physikalischen und meteorologischen Grundlagen. Diese Bestandsaufnahme allein besteht aus rund 4.000 Seiten.
    Was mir immer wieder in den öffentlichen Diskussionen, wie auch in privaten Gesprächen das Hirn verrenkt, ist die Tatsache, wie unterkomplex (blödes Wort, gebe ich zu) darüber geredet wird. Mit anderen Worten, wenn man als interessierter Laie sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und feststellt, was für krasse, komplexe, weitverzweigte Forschung es dazu gibt. Wie der IPCC sich dann dazu Gedanken zur Klimakommunikation macht. Wie die Sprache kalibriert wird, um die Sachverhalte möglichst einwandfrei wiederzugeben. Wie mit den Unsicherheiten usw.,umgehen, die man im Positiven wie im Negativen hat. Stichwort:
    Confidence- Vertrauen als ein qualitatives Maß
    Likelihood-Wahrscheinlichkeit als ein statistisches, quantitatives Maß
    In den Diskussionen im Privaten schaut man als allerserstes in leere Augen, wenn man die IPCC Berichte ins Spiel bringt.
    Von der komplexen Wissenschaft dahinter, wie weit auch die Klimawissenschaft zurückreicht, keinen blassen Schimmer. Es reduziert sich dann auf Aussagen wie, na ja, Statistik kann man so und so lesen. Die einen sagen so, die anderen so. Keinerlei Ahnung davon, in wie vielen unzähligen Bereichen sich die Forschung dazu tummelt. Nicht nur Naturwissenschaften. Es ist das gesammelte Menschheitswissen über die Krise.
    In öffentlichen Diskussionen analog dazu, bis auf die individuellen Ausnahmen, das gleiche Trauerspiel. Was wird dazu erklärt, was berichtet? Nicht viel. Ausser wenn es irgendwelche Spitzentemperaturen, Regenfälle whatever gibt. Es werden dann „Rekorde“ vermeldet, als ob die Klimakrise ein olympischer Wettkampf sei.
    Ich werde nicht erst seit gestern wütend, wenn mir wieder ein(e) JournalistIn erklären will (natürlich nicht im persönlichen Gespräch:-)), dass sie ja das Thema für uns, die Öffentlichkeit, einordnen wollen/können/müssen.
    Ich kann das nicht mehr hören. Wenn man keine Ahnung vom Thema hat, lässt sich auch nichts einordnen.
    Ich könnte das auf beliebig viele weitere Themen ausweiten, bei denen es eine grosse wissenschaftliche Datenbasis gibt. Weitere Beispiele? Energie-und Verkehrswende.
    Das beste, was ich zum Thema Klima und IPCC Bericht kenne, ist der Podcast
    „Das Klima-Der Podcast zur Wissenschaft hinter der Krise“.
    Gemacht als „Privatinitiative“ vom Astrophysiker Wissenschaftsjournalist und Sciencebuster Florian Freistetter und der Meteorologin und Kommunikationswissenschaftlerin Claudia Frick. Seit in nunmehr 74 wöchentlich erscheinenden Folgen lesen sie den gesamten IPCC Report.
    Das! wäre die Aufgabe der grossen Redaktionen in Medienhäusern mit entsprechender finanzieller Ausstattung. Das wäre die Aufgabe, es den Leuten aufzubereiten. Für alle Aufmerksamkeitsspannen und Interessen. Die beiden finanzieren das Projekt mit Zuwendungen der Hörenden. Jede Woche aufs Neue ein Skandal für mich, dass das nicht passiv durch grosse Medien an die Leute gebracht wird. Mit anderen Worten, dass man diese Infos nicht aus intrinsischer Motivation selbst aktiv suchen muss, sondern wie den Wetterbericht oder die Nachrichten passiv zugespielt bekommt.
    Es ist mir auch ein Rätsel, warum Redaktionen sich nicht solcher schon vorhandenen Formate bedienen. Das ist wie ein auf den Elfmeterpunkt gelegter Ball. Obwohl! Wenn ich mir Raphael Thelen so anhöre, kann ich mir dann doch vorstellen, warum. Sonst hätte er ja wahrscheinlich diesen Schritt nicht gemacht.
    Viele Grüße.
    Andreas

  2. Der Abschied vom Journalismus scheint mir konsequent und ehrlich. Fragwürdig ist m. E. die bisherige journalistische Arbeit, hinter der eingestandenermaßen eine politische Motivation stand. Er hat für Medien gearbeitet, die zumindest dem Anspruch nach journalistischen Standards genügen wollen. Thelen hat nicht erst jetzt eine Agenda, mag sie noch so ehrenhaft sein. Mit sauberem Journalismus hat das aber nichts zu tun.

  3. #2 Sollten alle Journalisten, die eine Agenda haben, den Beruf aufgeben, würde es sehr still in den Redaktionen.
    Wenn ich mir die Welt bspw. ansehe, dann kann ich mich dem Eindruck nicht entziehen, dass nirgendwo sonst dermaßen bei der Einstellung auf die richtige Gesinnung geachtet wird, wie dort. Yücel ist der einzige Sonderfall der letzten Jahre, der mir einfällt. Und der wurde eben als Anti-Woke Ikone gecastet.

    Was zur Hölle schreiben Sie da?

  4. #2 Man muss einfach nochmal etwas zu diesem Kommentar sagen. Meine These: wenn jemand JournalistInnen eine politische Agenda vorwirft, meint er oder sie nur diejenigen, die nicht der eigenen politischen Ausrichtung entsprechen. Anders gesprochen, man will nur das hören, was die eigene Meinung wiederspiegelt. So ist es anscheinend keine politische Agenda, wenn nicht! über Klima berichtet wird. Wenn darüber etwas gesagt wird, ist es auf einmal eine politische Agenda. Dabei lässt sich das „Klima“ gegen jedes andere Thema beliebig tauschen. Absurd dieser Vorwurf und dabei noch „unsauberen Journalismus“ unterstellen.
    Journalismus muss weder neutral sein, noch einen gleichen Abstand zu gegensätzlichen Positionen zu einem Thema haben. Vor allem dann nicht, wenn es Evidenz zu dazu gibt. Was passiert, wenn man den gleichen Abstand zu einem Astronomen und zu einem Flacherdler hält? Man verschiebt den Diskurs Richtung Bullshit. Wenn man dem Journalismus Böses unterstellen möchte, könnte man an der Stelle von einer Agenda sprechen, wenn man dem nachgewiesenen Unsinn noch eine Legitimtation einräumt. Am besten noch unter dem beliebten Vorwand, dass man ja viele „Meinungen“ abbilden muss.
    Ich hätte genug am Journalismus zu kritisieren. ZB. dass es in Sachen Klimaberichterstattung und Klimakommunikation seit Jahren ein breites strukturelles Versagen der heterogenen Medienlandschaft gibt. Nur bestimmt nicht das, was in #2 dem Journalismus vorgeworfen wird.

  5. @#3 (Frank): Wenn jemand Thelen unsauberen Journalismus auf Grund einer Agenda vorwirft, dann wird diesen jemand das beliebte „Argument“ „Aber alle haben eine Agenda!“ höchstens davon überzeugen, dass alle „unsauberen“ Journalismus betreiben.

    Es sei denn natürlich, man hält sein Gegenüber grundsätzlich für einen dummen/irrationalen/logikbefreiten oder gar vorsätzlich fehlerhaft argumentierenden, also bösartigen, Menschen.

    Wie bist du zu diesem tiefschwarzen Menschenbild gelangt?

  6. @ Bernhard:
    „Journalistische Standards“ die vorgeben, die eigenen Mitarbeiter seien frei von „politischer Motivation“, sind doch eher unglaubwürdig.
    Der Journalist muss sauber arbeiten und darf sich keiner Lüge-, oder auch nur vorsätzlichen Unterlassung schuldig machen. Ansonsten empfehle ich vielleicht noch die Lektüre dieses Artikels hier:
    https://uebermedien.de/64851/mit-keiner-sache-gemein-die-wahrheit-ueber-das-hanns-joachim-friedrichs-zitat/

    Der Spiegel ist seit längerem schon auffällig bemüht, eine gewisse Pluralität bei seinen Mitarbeitern zu haben. Der Quoten-Rechtsausleger wurde dort schon Fleischhauer, Matussek oder jetzt Blome dargeboten. Das wäre ja gar nicht möglich, wenn keiner von denen eine „Agenda“ verfolgte.

    Die Zeit versucht die Pluralität über Gastbeiträge ins Heft zu bekommen. Bei eher konservativen Medien scheinen die Berührungsängste betreffend einer Agenda der eigenen Schreiber eher schwächer ausgeprägt.

  7. Und „Zack“. Es ist wieder passiert und wir alle machen mit. Hier die Diskursverschiebung im Kleinen, passiert im Grossen jeden Tag.
    Es wird gar nicht mehr über das eigentliche Problem diskutiert. Es ging irgendwie um Klima und Medienberichterstattung oder so. Wenn ich mich recht erinnere.
    Ein Einwurf von der Seite, und man stürzt sich darauf. Das eigentliche Thema ist vergessen.

  8. @#6 Ich erkenne hier nur im ersten Satz einen kleinen Zusammenhang mit meinem Kommentar. Im Rest leider keinen. Laszlo Trankovits hat kritisiert, Thelen habe unsauberen Journalismus betrieben, weil er eine Agenda verfolge. Wenn man ihm guten Willen unterstellt, dann wird er bei jedem Journalisten eine Agenda als unsauber kritisieren.

    In diesem Fall ist es unsinnig, aufzuzählen, welche Zeitschrift wen mit welcher Agenda (a.k.a. politischer Motivation) einstellt. Sinnvoll wäre der Versuch, Laszlo zu überzeugen, dass Journalismus ohne Agenda nicht erstrebenswert ist.

    Wenn das gelingt, hat man ein gemeinsames Verständnis dafür etabliert, wie ordentlicher Journalismus auszusehen hat. Auch wenns nicht funktioniert, kann es immer noch sein, dass man im Laufe der Diskussion den eigenen Standpunkt überdenkt und sich die gegenüber stehende Standpunkte so aneinander annähern. Und selbst wenn man sich gar nicht annähert, hat man nach dieser Diskussion vielleicht trotzdem ein besseres Verständnis dafür entwickelt, warum die beiden Positionen so gegensätzlich sind.

    @#7 Wenn es um Medienberichterstattung über den Klimawandel geht, dann halte ich es nicht für „Diskursverschiebung“, wenn man sich darüber unterhält, wie man verschiedene Standpunkte, wie diese Berichterstattung auszusehen habe, am besten versöhnt.

  9. @Bernhard
    „Sinnvoll wäre der Versuch, Laszlo zu überzeugen, dass Journalismus ohne Agenda nicht erstrebenswert ist.“

    Was bedeutete, Journalismus ohne Agenda wäre möglich.
    Das ganze erinnert ein wenig an Diskussionen zum Thema Politik im Sport.

    Oder, um es abzukürzen:
    „Unpolitisch“ zu sein ist natürlich hochpolitisch. Und wenn die Agenda wäre, die eigene Objektivität zu postulieren, wäre dies vielleicht zugleich die schädlichste von allen.
    Raphael Thelen ist entweder konkret etwas vorzuwerfen, was seine journalistische Arbeit vor dem Ausstieg betrifft, oder man läßt es ganz. Ehrlichkeit zu bestrafen, während ( und deshalb die obigen Beispiele ) andere, weniger offen kommunizierende Kolleg:innen, heftigst agitieren, scheint mir wenig erstrebenswert.
    Insofern bedanke ich mich herzlich für die gutgemeinten Ratschläge, wie ich zu diesem Thema kommunizieren sollte, ich denke aber, dass es an dieser Stelle gar keinen Mediatoren braucht, wenn es doch manchmal einfach um eine klare Kante geht.

  10. Zwei Anmerkungen. Die einzige Agenda, die ein Journalist haben sollte, der nicht für ein explizit parteiliches Medium arbeitet, ist die Verpflichtung gegenüber dem Gedanken der Aufklärung – alles zu tun, um bei Auswahl, Gewichtung, Wortwahl, Umfang im Idealfall alle Informationen und Hintergründe (mit Quellen) zu präsentieren, die dem Leser/Hörer/Zuschauer/User ein eigenes Urteil ermöglichen. Es kann immer nur eine Annäherung an dieses Ideal geben, alles ist relativ. Wer die Menschen mit seiner Arbeit in erster Linie bewegen und beeinflussen möchte, verletzt sehr schnell journalistische Standards der Objektivität, Distanz und Ausgewogenheit. Extremes Beispiel: wer in den frühen 30er Jahren als Journalist (!) über die Nazis berichtete, durfte nichts auslassen, was es an Erschreckendem und Widerwärtigem in Programm und Aktion bei denen gab – aber er hätte nicht verschweigen dürfen, wie Nazis argumentieren, welche ggf. auch akzeptable Ziele sie haben. Journalismus, wie ich ihn verstehe, und wie er in den Lehrbüchern seit mehr als ein hundert Jahren steht, ist eben nicht der Beruf, in dem man „klare Kante“ zeigt.

  11. „Es kann immer nur eine Annäherung an dieses Ideal geben, alles ist relativ.“

    Nichts anderes wurde hier bislang gesagt. Für den Rest wurde sei wiederholt:

    „Raphael Thelen ist entweder konkret etwas vorzuwerfen, was seine journalistische Arbeit vor dem Ausstieg betrifft, oder man läßt es ganz. Ehrlichkeit zu bestrafen, während ( und deshalb die obigen Beispiele ) andere, weniger offen kommunizierende Kolleg:innen, heftigst agitieren, scheint mir wenig erstrebenswert.“

    Ansonsten kommen so absurde Erscheinungen dabei raus, z.B. dsss Idealismus und Altruismus einen verdächtig erscheinen lassen, ein schlechter Journalist zu sein. Und genau das passiert viel häufiger, als dass z.B. ein offensichtlicher Misanthrop oder Sozialdarwinist der Agitation verdächtigt würde. Was bezeichnend ist, wie ich finde.

    Und, klare Kante fordere ich von mir. Ich bin KEIN Journalist und ich schreibe diese Kommentare bewußt als Polemik.

  12. Neil Tennant von den Pet Shop Boys war vor seiner Musikkarriere Musik-Journalist.
    Andere Journalisten werden auch mal Regierungssprecher.
    Dass ein Journalist in seinem Gebiet sich mal so gut auskennt, dass er in dem Gebiet selbst aktiv werden kann, ist jetzt ja nicht sooo abwegig.

  13. @#9: „Ehrlichkeit zu bestrafen, während ( und deshalb die obigen Beispiele ) andere, weniger offen kommunizierende Kolleg:innen, heftigst agitieren, scheint mir wenig erstrebenswert.“

    Du bist doch IT-ler, oder? Das Dogma, ein Problem immer nur an allen Stellen auf einmal reparieren zu dürfen, funktioniert noch nichtmal bei sowas vergleichsweise Trivialem wie bei irgendeiner historisch gewachsenen Business-Applikation. Aber die Gesellschaft willst du so ändern? Viel Glück dann auch.

    Abgesehen davon: Warum zivilisiert vorgetragene und einigermaßen nachvollziehbar argumentierte Kritik (auch harte, tiefgreifende) eine Bestrafung darstellt, ist mir unklar.

    „Insofern bedanke ich mich herzlich für die gutgemeinten Ratschläge, wie ich zu diesem Thema kommunizieren sollte, ich denke aber, dass es an dieser Stelle gar keinen Mediatoren braucht, wenn es doch manchmal einfach um eine klare Kante geht.“

    Als Verfechter der „klaren Kante“ und der bewussten Polemik, also quasi als harter Hund der Kommentarsektion, wirst du sicherlich auch weiterhin ein paar ungebetene Ratschläge von anderen (zugegebenermaßen nicht sehr erleuchteten) Diskutanten aushalten. Dass es keinerlei Zwang gibt, die anzunehmen, demonstrierst du ja sowieso. ;-)

  14. „Du bist doch IT-ler, oder? Das Dogma, ein Problem immer nur an allen Stellen auf einmal reparieren zu dürfen, funktioniert noch nichtmal bei sowas vergleichsweise Trivialem wie bei irgendeiner historisch gewachsenen Business-Applikation. Aber die Gesellschaft willst du so ändern? Viel Glück dann auch.“

    Oh, jetzt bin ich dran. Ehrlich gesagt, das ist jetzt sehr weit hergeholt. Nun sind Herr Thelen und ich also überambitioniert und müssen vor unser Naivität geschützt werden. Da sind gestandene Zyniker natürlich im Vorteil.
    Noch mal realiter:
    Wir haben Liberalismus, Libertarismus, stolz zelebrierten Konservativismus, Katholizismus, Marktradikale, PKW-Abhängige und und und, die alle seltsamerweise nicht verdächtigt werden, eine Agenda zu verfolgen, und in der Konsequenz nicht aufgefordert, ihren Job doch aufzugeben, aber sobald auch nur im entferntesten linke, ökologische, marktkritische oder allgemein altruistische Themen involviert sind, kann mensch drauf wetten, dass sich eben dieses Gezeter erhebt.
    Nach meinen Beobachtungen hat das durchaus Methode.
    Das kommt aus derselben Quelle, die überall PC, CC, wokism, you name it, vermutet.
    All das wird benutzt, um Strohmänner in den Diskurs zu pflanzen.
    Vor allem Kritik wird so abgewürgt.
    Und hier auch: Herr Thelen wird sicher nicht mehr von seinen Überzeugungen beeinflusst, als Poschardt oder Frau Schneider, trotzdem werden die beiden in der Regel doch in der Sache angegangen, meinetwegen auch wegen ihrer Methoden, aber nicht wegen der Einstellung oder Überzeugung.

    „Warum zivilisiert vorgetragene und einigermaßen nachvollziehbar argumentierte Kritik (auch harte, tiefgreifende) eine Bestrafung darstellt, ist mir unklar.“

    Ich wünsche mir nicht, dass so engagierte Menschen wegen ihrer Ehrlichkeit den Journalistenberuf aufgeben. Es braucht sie. Herr Fleischhauer wird voraussichtlich noch Jahrzehnte am Bespiel des jungen, verirrten, linken Fleischhauers darlegen, wie falsch es ist, links zu sein ( übrigens nicht die beste aller Ideen, könnte man doch zu der Überzeugung kommen, es hätte vielleicht mehr mit der Person, weniger mit der Einstellung zu tun, was da so ablief ), ohne dass jemand diese Schnurren als unzulässige Agenda und daher einem Journalisten unwürdig brandmarkt.

    Und ja, das hier ist ein Kommentarbereich. Manchmal überreisse ich und werde gelöscht. Meine zahlreichen Schreibfehler werden gnädig übersehen, so wird wohl auch der Inhalt von manchen eher belächelt werden. Ich schreibe ein wenig so, wie hier auf St. Pauli gesprochen wird.
    Das muss man nicht mögen.

  15. @#14: „Wir haben Liberalismus[…] und und und, die alle seltsamerweise nicht verdächtigt werden, eine Agenda zu verfolgen“

    Hier gehen unsere Ansichten eben auseinander.

    „Nach meinen Beobachtungen hat das durchaus Methode.
    Das kommt aus derselben Quelle, die […]“

    Ich würde es besser finden, bei solchen Aussagen konkrete Namen zu nennen. Muss man nicht tun, aber so hört sich das halt nach verschwörungstheoretischem Geraune an. Was schlecht ist, weil es durchaus einige einflussreiche Personen gibt, die ihre reaktionären Agenden betreiben. Weltumspannende geheime Zirkel sind das trotzdem nicht.

  16. @#14: „Wir haben Liberalismus[…] und und und, die alle seltsamerweise nicht verdächtigt werden, eine Agenda zu verfolgen“

    Toll zitiert. Sicher rein zufällige Auslassungen.

    „Nach meinen Beobachtungen hat das durchaus Methode.
    Das kommt aus derselben Quelle, die […]“

    Nun wird es komplett blöde: Ich schrieb bereits weiter oben, dass einseitig aus dem rechten Lager mit diesen Vorwürfen versucht wird Kritik abzuwürgen. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele, die hier auch schon oft behandelt wurden. Ob PC, CC oder eben vermeintliche Unprofessionalität wegen mangelnder Distanz, das betrifft nie den Konservativen, nie den Katholiken oder Neoliberalen.
    Diese Strohmänner werden, vielleicht als Ersatz für allzu offensichtliches ad hominem, immer gegen mehr oder weniger linke Journalisten bemüht.
    Klar, wie will man auch Klimaaktivismus inhaltlich angreifen, wenn der Mann weder aktiv blockiert noch Suppe schmeisst. Mit Fakten? Woher nehmen und nicht stehlen?

    Es trifft keinen Matussek ( was musste der alles abziehen, bis eingesehen wurde, dass er vielleicht doch kein seriöser Journalist ist ), es trifft keinen Reiner Meyer, keine Anne Schneider.

    Dass es einzelne Thinktanks gibt, die das Konzept der kulturellen Hegemonität von Gramsci abgeschaut haben, und dass in Alt-Right und Breitbart Kreisen durchaus auch Trends gesetzt werden können, auf die dann auch der eine oder andere bei uns gerne aufspringt ( Anti-Woke Merz bspw. gerade eben ), bedeutet nicht, dass da irgendeine Geheimgesellschaft im Dunkeln die Fäden zöge.
    Was soll diese naive Unterstellung?

  17. @#16: „Toll zitiert. Sicher rein zufällige Auslassungen.“

    Du hast schon verstanden, worum es hier geht. Du behauptest in schöner Wiederkehr, dass niemand die rechtskonservative Journaille kritisiert.

    „es trifft keinen Reiner Meyer, keine Anne Schneider.“ Dafür manchmal Rainer Meyer und Anna Schneider, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Rainer_Meyer#Rezeption und https://www.google.com/search?q=%22Anna+Schneider%22+site%3Auebermedien.de

    Jaja, das Wort „Agenda“ kommt da nicht vor, ich weiß.

    Unsere Ansichten gehen da einfach, wie bereits geschrieben, auseinander. Belassen wir es dabei.

    „Was soll diese naive Unterstellung?“ Ich weise darauf hin, dass es deinem Ziel möglicherweise zuträglich wäre, etwas präziser zu sein. Wenn darin eine Unterstellung versteckt ist, dann soll das so sein.

    Ich werde weder grübeln, wen oder was Frank Gemein mit der einen ominösen „Quelle“ gemeint haben könnte, noch werde ich alle seine Kommentare auf Übermedien diesbezüglich durchforsten. Wer mich überzeugen will, muss zu seinen Behauptungen liefern. Wer es mir möglichst mühsam macht, seine Aussagen nachzuvollziehen bzw. zu validieren/falsifizieren, der will mich nicht überzeugen. Dem geht es um irgendwas anderes. Worum genau? Keine Ahnung. Aber sicher nicht ums Überzeugen.

  18. @Bernhard:
    Zwei Links, die beide exakt das belegen, was ich vorher schrieb.
    Danke dafür.
    Sowohl für Meyer, als auch für Schneider werden KONKRETE Vorwürfe aus deren Arbeit genannt, nicht eine gewisse Nähe zu irgendetwas.
    Obwohl es wohl eher absurd wäre anzunehmen, dass einer der beiden KEINE Agenda hätte, legte man die Maßstäbe eben nicht an, die oben an Thelen angelegt werden sollen.

    Zur Frage nach Quellen:
    Das Buch „democracy in chains“ der Historikerin Nancy MacLean liefert ein wenig Background zu wichtigen Akteuren der US Rechten und Libertarians, sowie deren Mäzene. Sie beleuchtet dabei insbesondere die Rollen der Kock Brothers und Buchanans.

    Als ich es gelesen habe, gab es noch keine Übersetzung. Ich weiss nicht, ob sich das mittlerweile geändert hat. Hier eine Beschreibung.
    https://www.deutschlandfunk.de/amerika-ein-nachlass-und-ein-geheimplan-100.html

    Einen Hinweis auf die Agenda des Dunstkreises um Steve Bannon, eine kulturelle Hegemonie zu etablieren, findet sich auch hier in der FAZ.
    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/wie-stiftungen-die-demokratie-vor-populismus-schuetzen-koennen-15728607-p2.html
    Da gibt es aber in den USA wesentlich mehr.

    Nicht ganz klar scheint mir die Rolle Robert Mercers, der wohl zumindest als Geldgeber hinter Trump in Erscheinung getreten ist.
    Dazu findet man mehr im New Yorker.
    Steve Bannon taucht dabei auch immer wieder auf, aber dessen Aktivitäten sind nicht so leicht zu durchschauen. Seine Europa-Reisen und die Veranstaltungen mit einer breiten Palette rechter- und ultrarechter Organisationen sind zumindest bemerkenswert.
    Wie würden Sie ein Narrativ verbreiten?

    Ich finde es zumindest seltsam, dass der Diskurs immer weiter nach rechts rutscht, aber intensiv das exakte Gegenteil bejammert wird. Dass die große Mehrheit der Cancel Culture „Opfer“ tatsächlich Reichweiten eben aus dem vorgeblichen Canceln generieren.
    Das Wokismus uns angeblich mit Zensur überschwemmt, während in den USA eine rechte und evangelikale Lobby massiv Schulbücher verbieten lässt, so dass der Pen Club bereits besorgt ist. Wir diskutieren derweil über den Untergang der Kultur, sollte in neuen Auflagen von Pippi Langstrumpf das N-Wort ersetzt werden.

    Ich bin nicht gewillt, mir diese Willkür unwidersprochen gefallen zu lassen. Das ist schon alles.

  19. Sind die „neuen“, N-Wort-freien Langstrumpfausgaben nicht schon älter als die Kinder, denen man die vorliest?

    Zum Thema „Agenda“: sollen nur solche Journalisten Fußballspiele kommentieren, die keine Fußballfans sind? Aka solche, die sich dafür nicht interessieren? Oder auch solche, die sich für Fußball interessieren, und daher typischerweise Fan eines bestimmten Vereines sind?
    Die ersteren hätten ja keine „Agenda“ im Sinne, dass sie bestimmte Ziele, Wünsche und Voreingenommenheiten hätten.
    In der Politik ersetze man der Einfachheit halber „Fußballvereine“ mit „Parteien – solange ein Journalist es sich halbwegs aussuchen kann, berichtet er über Dinge, die ihn interessieren, und zu denen er eine Meinung hat.
    Diese Meinung wird dann Agenda genannt, hauptsächlich von denen mit einer anderen Meinung, und so gleicht sich das aus.

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