Stefan Raabs Comeback

Gibt noch pa aufs Maul

Über Stefan Raab wird viel geschrieben, auch viel Quatsch. Ist er mit seinem TV-Comeback schon gescheitert? Das lässt sich so nicht sagen. Es folgen noch weitere drei RTL-Jahre mit ihm. Raab selbst sagt dazu, wie immer: nix.

Stefan Raab lacht in seiner Sendung "Du gewinnst hier nicht die Million".
Da lacht er. Foto: RTL / Raab Entertainment / Julia Feldhagen

Ein „Pa aufs Maul“ würde es geben, tönte Stefan Raab voriges Jahr, großspurig wie eh und je, bevor er zum dritten mal Ex-Box-Weltmeisterin Regina Halmich im Nahkampf unterlag – und damit sein TV-Comeback besiegelte. Gut zehn Jahre war er weg. Und fast neun Monate ist es nun her, dass „König Lustig“ also wieder im Rampenlicht erschien. Obwohl es ja lange aussah, als würde ihn nichts mehr dorthin führen, niemals.

Verständlich also, dass Raabs erste rätselhafte Andeutung via Instagram im Frühjahr 2024 Social Media und die Boulevard- und Medienredaktionen in Aufregung versetzte. Was natürlich die Strategie war: Die Spekulationsmaschinerie über Monate hinweg am Laufen zu halten – bis Raab nach dem Boxkampf schließlich ankündigte, wieder Fernsehen zu machen. Nun bei RTL, und nicht mehr, wie früher, für ProSieben.

Das Marketingkonzept ging auf: Fast acht Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer sahen den Boxkampf, crossmedial erreichte RTL sogar rund 17 Millionen Menschen. Wenige Woche später jubelten die RTL-Verantwortlichen, Raabs TV-Comeback habe RTL+ eine sechsstellige Zahl an Abos beschert. Das war das wirtschaftliche Kalkül dahinter, die Comedy-Spielshow „Du gewinnst hier nicht die Million“ zunächst nur im dem eigenen Streamingdienst anzubieten.

Hype-Verstärker

Möglich war dieser Erfolg auch deshalb, weil Raab, der ohnehin dafür bekannt ist, kaum mit der Presse zu reden, Spekulationen um seine Rückkehr unkommentiert ließ und den Hype so noch verstärkte. Frei nach dem Motto: Jede Schlagzeile ist eine gute Schlagzeile. Auch wenn es darunter immer einige gibt, die Unsinn verbreiten.

Die „Bild“-Zeitung mutmaßte nur Tage nach Raabs erstem Online-Video, sein „Sensations-Comeback“ sei „noch viel größer“. Von einem „Großangriff auf die etablierte TV-Welt“ war die Rede. Später berichtete „Bild“ noch über ein eigenes Streaming-Angebot, das Raab plane. Das stimmte allerdings ebenso wenig wie die Spekulation über eine große Musikshow, „die eine Mischung aus der Raab-Kreation ,Bundesvision Song Contest’ und ,Masked Singer’ sein könnte“.

Auch jetzt, Monate nach seiner Rückkehr, hält die großflächige Berichterstattung über ihn an. Wieder hält sich Raab bedeckt. Abgesehen von seinem Engagement rund um den Eurovision Song Contest (ESC) vermeidet er es auch in diesem Jahr, mit Journalistinnen und Journalisten zu sprechen. Deshalb bleibt auch viel Quatsch über ihn und seine Shows, den Medien verbreiten, unwidersprochen.

Raabs Niederlagen

Der Unterschied: Im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich die Stimmung gedreht. Überschlugen sich „Bild“ & Co. im Vorfeld seines Boxkampfs noch, so wird sein Schaffen nun kritischer beäugt. Tatsächlich gibt es dafür auch gute Gründe: Seine wöchentliche Show, inzwischen vom Streaming-Only-Angebot ins RTL-Hauptprogramm befördert, wird bald wegen schwacher Quoten beendet, und der 15. Platz, den Raabs Schützlinge Abor & Tynna kürzlich beim ESC belegten, kratzte an seinem Nimbus der unfehlbaren Grand-Prix-Spürnase.

Aber war’s das jetzt mit Raab? Ist das, wie „Bild“ nun titelt, sein „TV-Totalabsturz“?

Immer wieder geht es in der Berichterstattung ums Geld. Vor allem um eine Zahl: 90 Millionen Euro. So viel soll RTL in den Raab-Deal investieren. Dass diese gewaltige Summe nicht in Raabs Taschen wandert, wie Boulevardmedien gerne suggerieren, sondern an seine Produktionsfirma geht, die dafür mindestens über vier Jahre hinweg jährlich mehrere Dutzend Shows herstellen soll, wird dabei gerne übersehen.

Eine, die es besser wissen müsste, ist Carola Ferstl. Doch die Börsenexpertin, die sich beim RTL-Nachrichtensender ntv einen Namen gemacht hat, stellte auf LinkedIn stattdessen lieber die provokante Frage, wer eigentlich „für den Schaden der Aktionäre“ aufkomme: „90 Millionen – echt jetzt? Und nun wird die Show abgesetzt wegen fehlenden Interesses der jungen Zuschauer! Hat denn da keiner mitgedacht?“ Sie als Aktionärin frage sich, wer „für dieses mega teure Desaster“ verantwortlich zu machen sei.

Raabs Erfolge

Von links: Inga Leschek (RTL), Stefan Raab und Christine Strobl (ARD) vor Eurovisions-Logos.
Inga Leschek (RTL), Stefan Raab, Christine Strobl (ARD) Foto: ARD/Raab Entertainment/Willi Weber

In Ferstls Wut-Posting geht einiges durcheinander, weil sie die Erfolge der Zusammenarbeit außer Acht lässt. Denn auch die gab es: So erzielten etwa zwei Folgen der Samstagabendshow „Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli“ gute bis sehr gute Einschaltquoten und der Song-Contest-Vorentscheid „Chefsache ESC“ erwies sich nicht nur für die öffentlich-rechtliche ARD als Erfolg, sondern auch für den Privatsender RTL, den die ARD ins Boot geholt hatte – in erster Linie ein Verdienst von Stefan Raab.

Auch Tom Junkersdorf, Boulevard-erfahren durch Stationen unter anderem bei „Bild“, „Gala“, „People“ und „GQ“, arbeitete sich in „Business Punk“ an der Millionen-Summe und dem vermeintlichen „Raab-Debakel“ ab, indem er überspitzt „90 Millionen Gründe“ aufführte, „warum Nostalgie kein Business-Modell ist“. „90 Millionen Euro für eine Idee, die so viel Zukunft hatte wie StudiVZ“, ätzte Junkersdorf – ganz so, als sei „Du gewinnst hier nicht die Million“ die einzige Format-Idee im Raab-Paket.

Junkersdorfs Verdacht: RTL habe „auf die Quote von vorgestern“ gehofft, „anstatt die Medienrealität von morgen zu analysieren“. Gut möglich zwar, dass Raabs beste Einfälle schon viele Jahre zurückliegen. Wahr ist aber auch: Bekannte Namen und Marken sind im hart umkämpften TV-Geschäft ein echter Faktor. Und mit dem zwischenzeitlich äußerst populären Comeback von „Wetten, dass..?“, dem Erfolg der inzwischen aus der Fernsehrente zurückgeholten TV-Richterin Barbara Salesch oder auch der Rückkehr von „TV total“ gibt es genügend Beispiele, die zeigen, dass mit nostalgischen Formaten auch 2025 noch viele Zuschauer zu erreichen sind.

Anders als Junkersdorf in „Business Punk“ behauptet, gibt es aus Sicht der Senderverantwortlichen also durchaus gute Gründe, die Nostalgiefarbe in ihren Programmen zu bedienen. Zumal das Publikum, das klassisches Fernsehen schaut, immer älter wird. Und auch, wenn „Du gewinnst hier nicht die Million“ abgesetzt wird: Für den Herbst hat RTL-Programmchefin Inga Leschek bereits eine neue wöchentliche Raab-Show angekündigt. Es soll ein zweiter Anlauf werden, neue Zuschauergruppen zu erschließen.

RTL hatte von Beginn an erklärt, mit Raab ein älteres Publikum, allen voran die 30- bis 59-Jährigen, ansprechen zu wollen. Das sind die Gruppen, in denen man noch Wachstumspotenzial für den eigenen Streamingdienst wähnt. Gelänge es, Raab-Fans zu dauerhaften Abonnenten zu machen, käme RTL+ seinem Ziel näher, im kommenden Jahr profitabel zu sein.

Eine weitere Zielgruppe, auf die RTL und RTL+ mit Raab schielen: Männer. Warum der für gewöhnlich gut informierte „Spiegel“-Medienjournalist Christian Buß im Video-Format „Shortcut“ allerdings behauptet, dass Männer über 40 „sowieso schon das große RTL-Publikum“ ausmachten, weiß vermutlich nur er selbst. Es stützt wohl seine These des Raab-Flops – es stimmt aber nicht, wie ein Blick auf die Quoten zeigt.

Mehr Frauen, weniger Männer

Der durchschnittliche RTL-Marktanteil lag bei den erwachsenen Frauen im vergangenen Jahr bei 9,3 Prozent, bei den Männern nur bei 6,7 Prozent. RTL hat mit Blick auf die Zuschauerzahlen beim männlichen Publikum also tatsächlich Nachholbedarf. Das gilt auch für den Streamingdienst RTL+, mit dem der Sender aufgrund seiner vielen Dating- und Realityshows ebenfalls eine vorwiegend weibliche Zielgruppe erreicht.

Buß behauptet auch noch, dass die Rückkehr von Raabs früherer Erfolgsshow „TV total“ bei ProSieben „ein bisschen sein Ego gekitzelt“ haben könnte. Weil „seine Ex-Produktionsfirma“ das Format so „original“ nachgebaut habe, bis hin zum „Nippel-Keyboard“. Die Wahrheit ist jedoch, dass Raab mit seiner damaligen Firma Raab TV voll und ganz in das Comeback involviert war. Er war es auch, der Sebastian Pufpaff als seinen Nachfolger als Moderator vor Augen hatte, wie der Anfang vergangenen Jahres erzählte.

Die Unstimmigkeiten hinter den Kulissen von Raabs damaliger, zum international agierenden Banijay-Konzern gehörenden Firma folgten erst später – und ob es „eine Menge Streit“ mit ProSieben gab, wie Buß meint, kann bezweifelt werden. Immerhin fungiert Ex-Senderchef Daniel Rosemann, unter dessen Führung „TV total“ 2021 reanimiert wurde, inzwischen als Geschäftsführer von, genau: Raabs neuer Produktionsfirma.

Und Stefan Raab selbst? Der schweigt weiter. Vielleicht, weil es ihm egal ist, was andere so über ihn schreiben. Oder weil er seinen Kritikern in den kommenden Jahren beweisen will, dass auch im TV von heute noch Platz für „König Lustig“ ist. Von seinem legendären Ehrgeiz hat Raab nach allem, was man weiß, jedenfalls nichts eingebüßt. Und dass er schon jetzt komplett „gescheitert“ ist mit seiner Rückkehr, wie es in vielen Artikeln und Überschriften nahegelgt wird, kann man so nicht behaupten. Es folgen ja noch mehr als drei Jahre mit neuen Raab-Formaten.

3 Kommentare

  1. Ein hervorragender Bericht über Stefan Raab. Endlich liest man was für Stefan Raab und nicht gegen.
    Mir, als Fan erster Stunde, taten diese negativen Schlagzeilen im Herzen weh. Diese Schlagzeilen haben die ein grandiosen Showmenschen nicht verdient. Ein großes Dankeschön an Herrn Krei, für professionelle Arbeit und das er Stefan Raab wieder ins rechte Licht gesetzt hat.

  2. Und ihr bei Übernedien seid wirklich sicher, dass es eine gute Idee ist, nun auch DWDL-Themen hier eins-zu-eins unterzubringen?
    Lasst uns wetten: Das wird so nicht funktionieren; unterschiedlicher können Portale, die vermeintlich dasselbe Thema haben (Medien) in Herangehensweise, Tiefe und Perspektive kaum sein…

  3. Mich stören persönlich ja eher seine Mobbing Ansätze. Immer nochmal auf Pflaume drauf, und nichmal geschickt, nur plump draufhauen. So geht Gesellschaft anleiten.

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