PR-Prosa

Erfreuliche Entwicklungen, dynamisch und zeitgemäß, unterstützt vom Verwaltungsrat

Ein paar Mal im Jahr bekomme ich Post vom Verwaltungsrat des NDR. Die E-Mail kommt über den Verteiler der Unternehmenskommunikation des Senders und enthält fast immer ein wörtliches Zitat der gerade amtierenden Vorsitzenden, das so bürokratisch, nichtssagend und unverwüstlich positiv klingt, als wäre es aus einem alten „Neuen Deutschland“ gefallen.

Im Juni zum Beispiel informierte mich der NDR-Verwaltungsrat, dass er sich über „Immobilien und Nutzungskonzepte“ informiert habe, und Karola Schneider ließ sich mit den Worten zitieren:

„Der Umbau des NDR spiegelt sich deutlich sichtbar in der Nutzung der Gebäude wider. Geleitet von den Gedanken der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit sehen wir bei der Entwicklung der Standorte, wie sich der NDR dynamisch und zeitgemäß neu aufstellt.“

Vor meinem geistigen Auge entsteht das Bild einer kleinen, eifrig nickenden Reisegruppe beigefarben gekleideter Besucher, die sich über eine Baustelle führen lässt und hinterher referiert, dass es wirklich keinen Grund gibt, hier an irgendetwas zu zweifeln.

Man käme eher nicht darauf, dass es im NDR-Staatsvertrag heißt: Der Verwaltungsrat „überwacht“ die Geschäftsführung des Intendanten – und nicht: Er schaut sie sich mal wohlwollend und vertrauensvoll an.

Über die Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird gerade viel geredet, weil die Aufsicht beim rbb augenscheinlich versagt hat. Nun kann ich nicht ausschließen, dass sie beim NDR super funktioniert und da zum Beispiel im Verwaltungsrat engagierte Menschen ganz genau hinschauen und kritisch nachfragen. Aber es ist ihnen offensichtlich kein Bedürfnis, diesen Eindruck in der Öffentlichkeit zu erwecken. Sie verstehen sich, wie Leonard Novy formuliert hat, offensichtlich „eher als Teil des Hauses denn als Anwälte der Allgemeinheit“.

Die Zitate der Verwaltungsratsvorsitzenden in den Pressemitteilungen nach jeder Sitzung sind dafür ein besonders anschauliches Beispiel. Eine kleine Auswahl:

Guter Weg

Karola Schneider, Vorsitzende des NDR Verwaltungsrats: „Der NDR ist auf einem guten Weg, das Ziel der Parität von Frauen und Männern in Führungspositionen bis 2025 zu erreichen. Mit der 50:50 Challenge und der Datenbank für Expertinnen und Experten leistet der NDR auch einen wichtigen Beitrag, die Vielfalt der Menschen im Programm besser abzubilden.“

(13. Mai 2022)

Konsequenter Umbau

Sigrid Keler, Vorsitzende des NDR Verwaltungsrats: „Der Verwaltungsrat unterstützt den konsequenten crossmedialen Umbau des NDR, der Kräfte bündelt und Synergien schafft für die digitale Weiterentwicklung. In dem Zusammenhang ist auch der Ausbau des Nachrichtenkanals tagesschau24 zu begrüßen, dessen Notwendigkeit und Relevanz sich anlässlich des Krieges in der Ukraine bereits gezeigt hat.“

(18. März 2022)

Gehaltenes Wort

Sigrid Keler, Vorsitzende des NDR Verwaltungsrats: „Mit Anja Würzberg und Sabine Doppler hat der NDR zwei kluge, erfahrene und äußerst engagierte Frauen für diese neuen Führungspositionen gewinnen können. Der NDR hat es sich zur Aufgabe gemacht, mehr Frauen in Führung zu bringen und hält hier Wort.“

(17. September 2021)

Umfassende Angebote

Sigrid Keler, Vorsitzende des NDR Verwaltungsrats: „Wir finden es sehr erfreulich, dass der Frauenanteil im NDR weiterhin kontinuierlich steigt, insbesondere auch in den Leitungsfunktionen. Gleichzeitig unterstützt der Verwaltungsrat den NDR darin, die Folgen der Mehrbelastung vor allem für Familien umfassend und mit verschiedenen Angeboten aufzufangen.“

(10. Mai 2021)

Zukunftsfähige Gestaltung

Regina Möller, Vorsitzende des NDR Verwaltungsrates: „Der Verwaltungsrat begrüßt die Entwicklung des Landesfunkhauses Hamburg, die exzellente journalistische Berichterstattung mit optimalem Ressourceneinsatz verbindet. Mit Blick auf finanzielle Kürzungsvorgaben kann die Produktion der Angebote von der Planung bis zur Veröffentlichung wirtschaftlicher organisiert und mit agilen Arbeitsmethoden zukunftsfähig gestaltet werden.“

(3. Dezember 2020)

Notwendige Maßnahmen

NDR Verwaltungsratsvorsitzende Regina Möller: „Der Verwaltungsrat unterstützt den Intendanten und den NDR bei den schwierigen Einschnitten. Die Maßnahmen sind notwendig, damit sich der NDR auch unter erschwerten finanziellen Bedingungen langfristigen Gestaltungsspielraum bewahrt und seinen öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag für die Menschen im Norden auch weiterhin erfüllen kann. Es geht darum, mit größtmöglicher Sparsamkeit die Leistungsfähigkeit des NDR zu erhalten, damit er den Beitragszahlenden auch in Zukunft attraktive Angebote machen kann.“ 

(8. Mai 2020)

Guter Zustand

Regina Möller, Vorsitzende des NDR Verwaltungsrats: „Der Verwaltungsrat hat sich davon überzeugt, dass die Beteiligungen des NDR in einem guten Zustand sind und erfolgreich am Markt agieren. Mit ihren erfreulichen Ergebnissen haben sie einen beachtlichen Anteil daran, dass der NDR insgesamt wirtschaftlich solide dasteht.“
(25. November 2019)

Weitere Verbesserung

Regina Möller, Vorsitzende des NDR Verwaltungsrats: „Neben seinen ungebrochen stark nachgefragten linearen Programmen muss der NDR attraktive Angebote für die zeitunabhängige und mobile Nutzung machen und so dem veränderten Medienkonsum Rechnung tragen. Die wachsende On-Demand-Nutzung hält große Chancen für erfolgreiche Formate wie die Tagesschau und für Mediatheken bereit. Deshalb unterstützt der Verwaltungsrat den NDR dabei, seine Digital-Angebote für die Nutzerinnen und Nutzer weiter zu verbessern.“

(18. Oktober 2019)

Richtige Mischung

Ulf Birch, Vorsitzender des NDR Verwaltungsrats: „Der Verwaltungsrat ist davon überzeugt, dass das neue Führungstrio mit der richtigen Mischung aus Kontinuität und Wandel den anhaltenden Erfolg der wichtigsten Nachrichtenformate der ARD gewährleisten kann. Täglich vertrauen Millionen Menschen auf die Angebote der Tagesschau im Fernsehen und im Netz. Mit der neu aufgestellten Chefredaktion wird ARD-aktuell dieser Verantwortung und damit dem öffentlich-rechtlichen Kernauftrag auch im digitalen Wandel weiter gerecht. Die künftige Führung stärkt mit journalistischer Erfahrung und Innovationsenergie die Nachrichtenkompetenz der ARD im Dienst der Nutzerinnen und Nutzer – egal ob sie sich bei Tagesschau, Tagesthemen und tagesschau24 oder bei tagesschau.de und der Tagesschau-App informieren.“  

20. September 2019

Angesichts solcher Stanzen ist es natürlich kein Wunder, dass die verschiedenen Verwaltungsratsvorsitzenden sogar Preise im Synchronverlautbaren gewinnen könnten. Zur Wahl von Sigrid Keler in diese Position am 3. Dezember 2020 ließ sie sich mit diesen Worten zitieren:

„Der Norddeutsche Rundfunk steht vor der anspruchsvollen Aufgabe, mit enger werdenden finanziellen Spielräumen eine unabhängige, qualitativ hochwertige Berichterstattung zu garantieren. Ich freue mich, den NDR als Vorsitzende des Verwaltungsrats bei der Erfüllung seines wichtigen öffentlich-rechtlichen Auftrags auch unter den herausfordernden Rahmenbedingungen begleiten zu dürfen.“

Ein gutes Jahr zuvor hatte das bei ihrer Vorgängerin Regina Möller so geklungen:

„Der Norddeutsche Rundfunk hat als öffentlich-rechtlicher Sender den besonders wichtigen Auftrag, eine unabhängige, qualitativ hochwertige Berichterstattung zu garantieren. (…) Diesem Auftrag im Zuge der Digitalisierung und dem damit verbundenen Wandel gerecht zu werden, wenn zugleich der finanzielle Handlungsspielraum enger wird, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Ich freue mich darauf, den NDR als Vorsitzende des Verwaltungsrats dabei begleiten zu dürfen, damit er weiterhin seinen wichtigen öffentlich-rechtlichen Auftrag erfüllen kann.“

Der NDR-Verwaltungsrat selbst würde solches Textbausteinrecycling aber sicher als Beleg dafür werten, wie sehr er sich von Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Nachhaltigkeit leiten lässt.

Immerhin verschickt er überhaupt regelmäßig Pressemitteilungen. Auf den Seiten der anderen ARD-Anstalten und beim ZDF ist davon nichts zu finden.

5 Kommentare

  1. Überhaupt keine Pressearbeit? Die anderen Verwaltungsräte sind halt noch nachhaltiger, sparsamer und wirtschaftlicher.

  2. Ich finde DDR Vergleiche immer etwas mühsam und aus der Zeit gefallen, aber bei hier vorliegende Art von „Presse“-Arbeit ist es zu gerechtfertigen, denn sie scheint noch mehr aus der Zeit gefallen zu sein.

  3. Ich frage mich, wer sich dafür hergibt, solche Pressemitteilungen zu verfassen. Eine journalistische Aus- oder Vorbildung kann der/diejenige jedenfalls nicht haben. Aber irgendwer muss dennoch die Tastatur bedient haben – es sei denn, es gäbe inzwischen eine Pressemitteilungsapp, die aus alten Stücken automatisch neue erzeugt.

  4. @Martin Keiper
    Das Schöne ist ja, dass Niggemeier wohl der bisher einzige Journalist ist, der da überhaupt mal diese Emails angeklickt und diese Nicht-Pressemeldungen gelesen hat… da sind wir ironischerweise nahe an Spam-Scam-Mails, wo Textkommunikation betrieben wird, ohne das je ein realer Mensch den Text liest.

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