„Leser grob in die Irre geführt“

Funkes Photoshop-Philip

Man könnte annehmen, dass die Leserinnen der Regenbogenpresse ein bisschen leichtgläubig sind, weil sie Zeitschriften kaufen, auf deren Titelbildern Woche für Woche Skandale, Dramen und Babyfreuden angekündigt werden, die sich manchmal schon im Heft selbst, spätestens aber in der Realität selbst als Erfindungen entpuppen. Offenbar ist aber das Gegenteil der Fall: Die Leserinnen der Illustrierten „Die Aktuelle“ zum Beispiel sind so gut informiert, dass sie sogar eine Fotomontage auf dem Cover sofort als solche erkennen und wissen, dass sie nur eine innere Wahrheit symbolisiert.

Sagt jedenfalls die Chefredakteurin der „Aktuellen“. Gegenüber dem Presserat.

Im Mai 2021, wenige Wochen nach dem Tod von Prinz Philip, machte die „Aktuelle“ mit diesem herzzerreißenden Titel auf:

Es bricht einem das Herz! - Queen Elizabeth (95) - Heimweh nach Philip! - Einsame Stunden am Grab [dazu das Foto, das Queen Elizabeth bei der Inspektion der Pferde zeigt - allerdings sind die Pferde wegretuschiert, stattdessen wurden Grabsteine ins Foto montiert, als würde die Queen über einen Friedhof gehen]

Nur steht die Queen in Wahrheit gar nicht an irgendeinem Grabstein. Das Foto von ihr entstand am 30. April 2021, als sie im Garten von Schloss Windsor ihre Pferde inspizierte. Trotz des strömenden Regens sieht man sie auf mehreren Bildern lächeln.

Die „Aktuelle“ nahm eines der Fotos, schnitt das Pferd raus und einen Grabstein hinein – passend zur Schlagzeile „Heimweh nach Philip! Einsame Stunden am Grab“.

[Die Queen geht in Regenkleidung über eine Wiese, wenige Meter von ihr entfernt steht ein Pferd mit einer Reiterin im Sattel]
Quelle: iodonna.it/Karma Press

Gegenüber dem Presserat, bei dem wir uns beschwert hatten, teilte Chefredakteurin Anne Hoffmann mit, dass die Bestattungszeremonie von Prinz Philip weltweit medial begleitet und im Fernsehen übertragen worden sei. Die Leserinnen der Zeitschrift wüssten demnach, dass sein Sarg in das königliche Gewölbe der St.-George-Kapelle gebracht worden sei. Dementsprechend sei auch allen klar, dass das auf der Titelseite veröffentlichte, sehr einfach gestaltete und stark verwitterte Grabkreuz nicht das Grabkreuz von Prinz Philip sein könne.

Die gesamte Szene diente, so Hoffmann laut Presserat,

lediglich als Symbol für die ausgesprochen schwere Zeit, in der sich die Königin nur wenige Wochen nach dem Tod von Prinz Philip befunden habe. Das Bild stehe als Zeichen des Trauerns einer Witwe, die 73 Jahre lang mit ihrem Ehemann verheiratet gewesen sei und sich nun von ihm verabschieden musste.

Weil die Kernaussage auf der Titelseite zweifelsohne die emotionale Verfassung der britischen Königin zutreffend beschreibe, würden die Leser auch nicht in die Irre geführt. Und selbst wenn, ergebe sich daraus kein Verstoß gegen den Pressekodex.

Der Pressekodex sehe nicht vor, dass Fotomontagen an sich unzulässig sind, noch wäre diese Fotomontage an sich geeignet, der Redaktion einen Verstoß gegen den Pressekodex zu unterstellen. Gleichwohl habe sie mit der Redaktion das Anliegen des Beschwerdeführers erörtert und veranlasst, dass vergleichbare Symbolbilder künftig als „Symbolfoto“ gekennzeichnet werden, so die Chefredakteurin abschließend.

Der Presserat sprach dennoch eine Rüge aus. Die Mitglieder des Beschwerdeausschusses fanden übereinstimmend, dass die Fotomontage beim Leser den unzutreffenden Eindruck hervorrufe, es handele sich um ein dokumentarisches Foto, das die englische Königin bei der Trauer am Grab ihres verstorbenen Gatten zeigt. Der Leser werde „grob in die Irre geführt“.

Vorzeitiges Ableben

Presserat, „Aktuelle“ und Prinz Philip verbindet eine gemeinsame Geschichte: Im August 2016 hatte die Illustrierte aus der Funke-Mediengruppe den Prinz vorzeitig sterben lassen. Mit einer ausführlichen erfundenen Geschichte und älteren, teilweise manipulierten Fotos hatte sie behauptet, mit ihm gehe es „zu Ende“.

Über einen Anwalt hatte die „Aktuelle“ damals gegenüber dem Presserat erklären lassen, man habe das Material bei einem Zulieferer aus Großbritannien eingekauft, mit dem man künftig nicht mehr zusammenarbeiten wolle. Der haarsträubende, frei erfundene Beitrag über das Ableben des Prinzen sei der Chefredaktion aber „nicht unplausibel erschienen“.

Der Presserat hatte auch damals eine Rüge ausgesprochen, wegen Verstoßes gegen die Ziffern 1 („Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde“) und 2 („Sorgfalt“) des Pressekodex verstoßen.

Die „Aktuelle“ veröffentlichte sie unter der Überschrift: „Prinz Philip vor dem Presserat“.

5 Kommentare

  1. Die Queen ist 95! Niemand kann erwarten, dass sie sich erinnert, unter welchem Pferd genau ihr Gatte bestattet wurde. Ich halte die Geschichte für echt.

  2. „Uns von ‚die aktuelle‘ ist es eine Herzensangelegenheit, die Wahrheit zu schreiben.“

    Ist schon sehr infantil, sich so über den Presserat lustig zu machen.

  3. Gehen wir mal davon aus, dass die Leute wirklich wüssten, dass das nicht das echte Grab sein könne. Selbst wenn man diese Prämisse für wahr annimmt (ich wüsste es nicht, mir wäre nur aufgefallen, dass es etwas alt ist und hätte vermutet dass es sich um ein anderes Grab handelt) wäre es ein perfides Spiel. Das Spiel kennen wir schon von den sozialen Medien, man schiebt den Leuten eine Kontroverse unter, denn Kontroversen werden behandelt. Fakten oder das jemand der gleichen Meinung wie man selbst ist nicht.

  4. Stört noch wen die Konnotation von „Heimweh“?
    Das impliziert ja einerseits, dass „tot sein“ die Heimat der britischen Königin sei und andererseits, dass es so etwas wie ein „Leben nach dem Tod“ tatsächlich gebe; einen (metaphysischen?) „Ort“ an dem man sich wiedertreffe.

    Der Störer-Kommentar „Es bricht einem das Herz“ ist auch super: „Es“ ist eine erlogene Story und „einem“ soll wohl die Zielgruppe sein.

    Fehlt noch Werbung für das homöopathische Mittelchen gegen Herzbruch. Anzeigenabteilung, do your job!

  5. > Trotz des strömenden Regens sieht man sie auf mehreren Bildern lächeln.

    Die Fotomontage hätte also noch viel schlimmer werden können.

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