Zehntausende von Podcasts gibt es allein Deutschland. Da ist es schwer, sich etwas Neues auszudenken. Das nur vorweg, bevor es hier um „Toast Hawaii“ geht, einen Podcast mit Bettina Rust, der sich ums Essen dreht und versucht, etwas Neues zu erschaffen – was erstmal gut ist.
Gehen wir also kulinarisch an die Sache ran. Denn auch Podcasts haben natürlich ein Erfolgsrezept. Man nehme: eine gute Gastgeberin – die wäre mit Bettina Rust schon mal gegeben. Seit vielen Jahren moderiert sie bei Radio Eins die „Hörbar Rust“, ein sehr persönliches und sehr gelungenes Interviewformat, bei dem sich Rust und ein prominenter Gast gegenübersitzen und das Leben des Gastes Revue passieren lassen. Eckpfeiler sind zehn Songs, die für die Lebensabschnitte des Gastes stehen, sozusagen der Soundtrack zum Roadmovie des eigenen Lebens. Eine perfekte Idee fürs Radio – übertragen auf den Podcast (den es natürlich auch gibt) aber eher schwierig, weil hier aus den bekannten GEMA-Gründen die Musik ausgeblendet wird.
Die Kolumne
Podcasts haben es verdient, wie andere Medien besprochen, gelobt und kritisiert zu werden. Alle zwei Wochen machen das Larissa Vassilian und Sandro Schroeder hier abwechselnd: in der Podcast-Kritik.
Larissa Vassilian war unter dem Pseudonym Annik Rubens eine der ersten deutschen Podcasterinnen und zehn Jahre lang „Schlaflos in München“. Seit 2007 widmet sie sich mit „Slow German“ deutschlernenden Hörer:innen aus der ganzen Welt. Sie hat zwei Bücher zum Thema Podcasting geschrieben, arbeitet unter anderem beim Bayerischen Rundfunk, wo sie eine der „Podcast-Entdecker“ des gleichnamigen Newsletters ist und mit Christoph Süß den „quer“-Podcast „Nachmittags Schwimmschule“ moderiert.
Bei „Toast Hawaii“ hat sich diese Bettina Rust, die schon hunderte Gäste befragt hat und gut mit Menschen kann, nun mit den Podcast-Profis von Studio Bummens („Baywatch Berlin“, „Cui Bono“) zusamegetan – und mit Werbepartner Dr. Oetker. Irgendwer muss das alles ja finanzieren.
Die Zutaten für den Podcast sind eigentlich perfekt. Aber es ist wie so oft beim Kochen: Auch wenn man alle Zutaten hat und alles nach Anleitung zubereitet, schmeckt es am Ende nicht automatisch wie beim Sternekoch. Bei mir löste das erstmal ein Gefühl der Ratlosigkeit aus: Was gefällt mir an diesem Podcast eigentlich nicht, wieso zündet er nicht so richtig? Ich versuche mal, dem auf den Grund zu gehen.
Nürnberger Fusion-Würste
Wenn ich eine Folge rauspicken soll, bei der das alles sehr gut funktioniert, ist es die mit Mai Thi Nguyen-Kim. Die Eltern der bekannten Chemikerin und Moderatorin stammen aus Vietnam. Umso schöner ist es, dass ihr Lieblings-Kindheitsessen war: kleingeschnittene Nürnberger Bratwürstchen, gestippt in Zucker, Salz und Knoblauchpulver, dann nochmals gebraten und mit Reis serviert. Fusion-Küche.
Die wunderbare Mai Thi erklärt dann nebenher, warum der Grad der Knusprigkeit höher ist, wenn die Würstchen in Stücke geschnitten werden, bevor man sie brät. Das ist mir eigentlich piepegal, aber es sagt so viel über ihre Person aus: Da ist eine Frau, die hinter die Dinge blickt, die Sachen wissenschaftlich erklären möchte und nicht einfach so hinnimmt. Also knöpft sie sich als nächstes das verschriene Glutamat vor und erklärt auch hier, was es damit auf sich hat – und dass Glutamat „der Witz an Maggi und Fischsauce“ ist. Und Mai Thi lacht darüber, dass sie, wie viele Asiaten, keinen Alkohol verträgt, weil ihr das Enzym fehlt, Alkohol abzubauen – was sie in einem Video im Selbstversuch gezeigt hat.
Soweit ist diese Episode „Toast Hawaii“ eine gute Episode. Aber gerade dann, als die beiden richtig schön plaudern, stellt Bettina Rust die Frage: „Wer hat Dir eigentlich das Kochen beigebracht?“. Das ist einerseits verständlich, weil die Moderatorin eben immer wieder aufs Thema des Podcasts zurückkommen muss. Es ist andererseits auch das, was mir nicht gefällt: Sobald die Gäste (interessant) abschweifen, will Rust wieder über Kochen, Lebensmittel, Mahlzeiten sprechen, und das klingt oft sehr erzwungen.
„Du bist, was du isst“, sagt der Volksmund, und Bettina Rust freut sich nach den Folgen: „Jetzt kenn ich dich wirklich schon etwas besser“. Aber ist das so? Ich weiß jetzt, dass Anke Engelke vegan lebt, mit 20 zum ersten Mal Softdrinks getrunken hat und immer Fischstäbchen und Kühlpacks vorrätig hat. Und dass sie mit Kichererbsensaft backt.
Ich weiß auch, dass die (in dieser Folge nicht zu bremsende) Barbara Schöneberger das mit den Diäten nicht hinkriegt: „Theoretisch hab ich’s voll drauf, praktisch kann ich’s null kontrollieren.“ Und Sophie Passmann kann Hefeteig „mit 3 Promille um 4 Uhr nachts“, sie isst Burger mit Messer und Gabel und versteht die „Spargelgeilheit“ der Deutschen nicht.
Das sind Randnotizen, wie sie in einem bunten Blättchen beim Zahnarzt oder Friseur stehen könnten. Aber in die Tiefe geht es nie. Komisch, dass das beim Thema Musik anders ist, obwohl beides mit individuellem Geschmack und Emotionen zu tun hat.
Abschweifen oder Abspeisen?
Nach der Sommerpause ging es bei „Toast Hawaii“ weiter mit Clueso, denn ja, es werden natürlich auch Männer eingeladen. „Ich fühle mich beleidigt, wenn ich irgendwas esse und das ohne Liebe gemacht ist“, erzählt er. Und dass er bei seinem Lieblingsitaliener in die Küche gelatscht ist und sich zeigen ließ, wie man Penne all’Arrabbiata kocht. „Du kannst ne ganze Tour versauen, wenn das Essen nicht geil ist.“ Und wieder: Aha.
Zur Auflockerung gibt es die immer so gern genommenen Entweder-oder-Fragen. Spiegeleier oder Rühreier? Bier oder Wein? Banane oder Zitrone? Erkenntnisgewinn: eher null.
Mittendrin dann Werbung für Dr. Oetker, nicht als Spot, sondern als Native Ad. Diese Form ist in Podcasts aus dem USA schon lange Usus und immer öfter auch hierzulande zu hören: Die Gastgeberin macht selbst Werbung für den Sponsor. In diesem Fall verpacken die Macher das in Storytelling, eine kleine Geschichte über Porridge-verrückte Schotten, zum Beispiel. Schöne Idee. Überspringe ich trotzdem, weil halt: Werbung.
Was ich insgesamt besser finden würde: Wenn die Gäste bei all dem Essensgeplauder auch mehr abschweifen, mehr in die Tiefe gehen dürften. Genau das kann Bettina Rust ihren Gesprächspartner ja so gut entlocken. Normalerweise. Also ein Viertel Essen, der Rest andere Dinge, dann wäre der Podcast für mich perfekt. Was er übrigens schon jetzt immer schafft: Dass ich Hunger habe.
Podcast: „Toast Hawaii“, produziert von Studio Bummens.
Episodenlänge: jeweils circa 60 Minuten, wöchentlich.
Offizieller Claim: Du bist, was Du isst.
Inoffizieller Claim: Bettina Rust muss übers Essen reden, obwohl es noch so viel andere Dinge gäbe, die interessanter wären.
Wer diesen Podcast mag, hört auch: „Hörbar Rust“ und „Mit den Waffeln einer Frau“
3 Kommentare
Nehmen Sie es mir nicht übel (und lesen Sie unbedingt meinen ganzen Kommentar, er wird gegen Ende freundlicher), Larissa Vassilian, bei Ihren Podcastbesprechungen muss ich mich stets überwinden, nach den ersten beiden Absätzen weiterzulesen. Irgendwas schreckt mich da stets ab. Die Hintergrundinfos, die mir egal sind, oder die entworfene Szenerie, die mich nicht anspricht. Keine Ahnung. Geschmacksache halt.
Jedenfalls – und jetzt wird es freundlicher – lohnt sich das weiterlesen in der Regel. Vielen Dank für diese ab dem zweiten Drittel sehr launige, lustige und interessante Rezension. Um diesen Podcast mache ich also, wie um alles, auf dem Dr. Oetker steht, einen Bogen.
Interessanter Kommentar – danke dafür. Ich werde mal in mich gehen und überlegen, was ich mit den ersten beiden Absätzen in Zukunft anstelle. Wahrscheinlich mache ich aber so weiter – und hoffe, Sie dann beim zweiten Drittel wieder als Leser dabeizuhaben.
Ich glaube tatsächlich, dass sich daran nix ändern lässt. Jeder und jede springt ja unbewusst auf Trigger an, die sich nicht oder kaum erkennen, erklären oder verallgemeinern lassen. Außerdem habe ich ja gelernt, dass sich das Weiterlesen bei Ihren Text lohnt. :)
Nehmen Sie es mir nicht übel (und lesen Sie unbedingt meinen ganzen Kommentar, er wird gegen Ende freundlicher), Larissa Vassilian, bei Ihren Podcastbesprechungen muss ich mich stets überwinden, nach den ersten beiden Absätzen weiterzulesen. Irgendwas schreckt mich da stets ab. Die Hintergrundinfos, die mir egal sind, oder die entworfene Szenerie, die mich nicht anspricht. Keine Ahnung. Geschmacksache halt.
Jedenfalls – und jetzt wird es freundlicher – lohnt sich das weiterlesen in der Regel. Vielen Dank für diese ab dem zweiten Drittel sehr launige, lustige und interessante Rezension. Um diesen Podcast mache ich also, wie um alles, auf dem Dr. Oetker steht, einen Bogen.
Interessanter Kommentar – danke dafür. Ich werde mal in mich gehen und überlegen, was ich mit den ersten beiden Absätzen in Zukunft anstelle. Wahrscheinlich mache ich aber so weiter – und hoffe, Sie dann beim zweiten Drittel wieder als Leser dabeizuhaben.
Ich glaube tatsächlich, dass sich daran nix ändern lässt. Jeder und jede springt ja unbewusst auf Trigger an, die sich nicht oder kaum erkennen, erklären oder verallgemeinern lassen. Außerdem habe ich ja gelernt, dass sich das Weiterlesen bei Ihren Text lohnt. :)