Doku mit Hendrik Streeck

Das ZDF als Reputations-Waschanlage

Es hätte schlimmer kommen können. Der Virologe Hendrik Streeck hätte im ZDF, das ihm am Dienstagabend die sogenannte beste Sendezeit überließ, zum Beispiel alle Behauptungen und Einschätzungen wiederholen können, mit denen er seit dem Beginn der Pandemie falsch gelegen hat.

Der Wissenschaftler Hendrik Streeck steht im Hygienemuseum in Dresden
Hendrik Streeck und die passende Perspektive für diese Doku. Screenshot: ZDF

Doch ein solches Format hätte den Abend gesprengt. Das ZDF hätte weder die Frontal-21-Dokumentation „Turbo, Tempo, Tesla – Elon Musk in Brandenburg“ senden können noch „Die Anstalt“. Womöglich wäre gegen Mitternacht auch „Lanz“ in Gefahr gewesen.

Das Virus ist tatsächlich gefährlich

Stattdessen sagte der Bonner Wissenschaftler in der 43-minütigen Sendung – Untertitel: „Fakten mit Hendrik Streeck“ – eigentlich nichts Falsches. Genauer gesagt sah das Skript für den Moderatorenpart des Professors fast ausschließlich Aussagen vor, die jeder schon kennt, der die vergangenen zwölf Monate bei Bewusstsein war. Corona-Viren sind gefährlich. Man kann sich mit ihnen bei anderen Menschen anstecken. Viren kennen keine Grenzen.

Die gute Nachricht dieses ZDF-Abends ist also: Hendrik Streeck hat ihn nicht genutzt, um wieder Werbung für vorschnelle Öffnungen zu machen, über „eine Infektion ohne Symptome, die etwas Gutes ist“ zu reden oder Long Covid zu ignorieren.

Ganz im Gegenteil. Nach langen Minuten, in denen die Macher massig Produktionsbudget dafür einsetzten, die berüchtigte Kappensitzung von Gangelt nachzustellen, zeigten sie in ihrer Sendung Menschen, die auch Monate nach dem Beginn von Covid-19 noch an den Folgen leiden.

Kein Widerspruch

Das ist interessant. Denn genau diese Menschen und diese Schicksale blieben bislang weitgehend außen vor, wenn Streeck in seinen Plädoyers forderte, strenge staatliche Auflagen weitgehend auf die Alten- und Pflegeheime zu konzentrieren, „ohne die Bevölkerung weiter zu beschränken“, wie er am 5. Januar 2021 auf Twitter schrieb – an einem Tag, an dem allein in Deutschland 1.000 Menschen an Covid-19 starben. Nun tauchen diese Leidenden plötzlich in seiner Abendsendung auf, erzählen von den massiven Problemen, unter denen sie nicht nur auf der Intensivstation litten, sondern bis heute leiden.

Einen Hinweis auf diese Unstimmigkeit durfte man in der Sendung nicht erwarten. Denn um Widersprüche, Auslassungen und Irrtümer konnte es in dieser Konstellation nicht gehen. Stattdessen breitete der inzwischen TV-geschulte Moderator Streeck seine Arme rhythmisch weit aus und warnte vor den Gefahren der Pandemie.

Ein Schönheitsfehler fiel dabei unter den Tisch: Es gäbe Tausende, vielleicht Zehn- oder Hunderttausende mehr solcher Schicksale, wäre die Politik zum Beispiel im Herbst 2020 dem Rat des Virologen gefolgt, im Kampf gegen die Pandemie nur auf Gebote, also Freiwilligkeit, statt auf Verbote zu setzen.

Was war in Gangelt los?

Umso beeindruckender setzte die Sendung die Ergebnisse von Streecks eigener Forschungsarbeit in Szene – die Heinsberg-Studie. Die Zuschauer:innen bekamen zu sehen, wie Bonner Wissenschaftler:innen in Gangelt nach Virenpartikeln auf Türklinken suchen, Abstriche nehmen, verstehen wollen, wie sich das Virus in dem nordrhein-westfälischen Landkreis so schnell ausbreiten konnte.

Aber kein Wort davon, dass Streeck diese Studie dafür instrumentalisiert hat, mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) im April 2020 massiv Stimmung für eine schnelle Lockerung der Corona-Restriktionen zu machen.

Nichts dazu, dass Streeck mit problematischen Annahmen darüber operierte, wie lange Menschen nach einer Infektion durch Antikörper geschützt sind und laut Recherchen der Medizinjournalistïnnen von „MedWatch“ auch die Zahl der Toten zu niedrig angesetzt hat. Schweigen auch zu den Veröffentlichungen von „Capital“, darüber, welche finanziellen Interessen im Hintergrund der Studie am Wirken waren. Wie auch.

Selbstinszenierung einer pandemischen Berühmtheit

Es ging nicht um Wissenschaft im Format einer Abendsendung, für die das ZDF auch schon vor dem Arbeitsbeginn von Mai Thi Nguyen-Kim im April bestimmt eine andere gute Journalist:in hätte aufbieten können. Es ging um die Selbstinszenierung einer pandemischen Berühmtheit.

Hat die Wissenschaft sonst damit zu kämpfen, dass ihre Vertreter:innen am liebsten in aller Stille fernab der Scheinwerfer und Mikrofone ihr Ding machen, hat sie mit Streeck nun einen Professor im medialen Overdrive, bei dem man sich angesichts der Fülle seiner Medienauftritte fragen muss, wieviel Zeit ihm denn noch für Wissenschaft bleibt.

Das Phänomen des Medienprofessors ist zwar nichts Neues – über Jahre konnte ja auch ein Hans-Werner Sinn dubiose Aussagen zu Wirtschaft und Klimaschutz auf allen Kanälen verbreiten. Doch Sinn bekam dafür keine eigene Sendung.

Das Publikum erfuhr an diesem Abend nichts über die Hintergründe der ersten Heinsberg-Studie, aber umso mehr darüber, dass Streecks Team bis zum Sommer an einer zweiten arbeitet. Die ZDF-Sendung wurde zu einer Art audiovisuellem Preprint, es gab „Zwischenergebnisse“ zu sehen, bevor diese wissenschaftlich begutachtet sind.

Wozu braucht es eigentlich noch Wissenschaftsjournalist:innen, die Forschung kritisch einordnen, wenn selbst die umstrittensten Professoren sich so smart, telegen und kamerasicher selbst in Szene setzen können?

Fehleinschätzungen? Kommen nicht vor

Wir erfahren, Streecks Team habe bei Heinsberg II herausgefunden, dass 10 Prozent der Menschen, die nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert waren, sechs Monate später keine schützenden Antikörper gegen das Virus mehr im Blut hatten. Als die Forscher:innen nach neun Monaten schauten, waren den Daten zufolge die schützenden Proteine schon bei 20 Prozent der Studienteilnehmer:innen wieder verschwunden. Und es habe sogar einen Fall gegeben, bei dem sich ein Genesener ein zweites Mal ansteckte.

Das wäre ein wunderbarer Moment für Moderator Streeck gewesen zu sagen: „Da habe ich wirklich etwas dazugelernt! Vor gut einem Jahr habe ich Ministerpräsident Laschet zur schnellen Aufhebung von Schutzmaßnahmen geraten mit dem Argument, dass sich bereits Infizierte nicht mehr mit SARS-CoV-2 infizieren können, und der Prozess bis zum Erreichen einer Herdenimmunität bereits eingeleitet ist. Das tut mir leid, denn wenn ich gewusst hätte, wie viele Menschen den Immunschutz durch Antikörper wieder verlieren, hätte ich das nicht gesagt!“

Hätte, hätte, Ansteckungskette. Natürlich sagte er nichts dergleichen. Dafür hörten die Zuschauer:innen am Ende von Streeck eine salbungsvolle Beschwörung, dass Wissenschaft immer dazulernen, sich immer hinterfragen müsse. Warum nur praktiziert ausgerechnet der Professor das nicht?

Besorgt und fürsorglich

Wenn diese Sendung ein Ziel hatte, dann kann das nicht gewesen sein, das Publikum zu informieren, wie es dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprechen würde. Es ging offenbar darum, das Publikum für einen Mann zu gewinnen, über dessen Aussagen sich Spitzenfunktionäre der deutschen Wissenschaft schon seit Längerem mehr als nur ärgern. Viele haben regelrecht Angst davor, wenn die Springer-Medien wieder Streeck zitieren oder er in Talkshows sitzt. Angst davor, dass Streeck den Ruf der Wissenschaft erneut beschädigt. Aber auch Angst vor den verlässlich eintreffenden E-Mails und Anrufen derer, die Verharmlosungen wie die von Streeck für bare Münze nehmen und sich dann zu Schutzmaßnahmen und deren Lockerungen deutlich radikaler ausdrücken als der Bonner Virologe.

Hendrik Streeck hält ein großes Corona-Virus in der Hand
Foto: Daniel Faigle/ZDF

Doch am Dienstagabend erlebte das Publikum einen besorgten und fürsorglich wirkenden, einen überkorrekten Hendrik Streeck, der in der Rolle des Moderators perfekt aufging. Was aber bekamen wir genau zu sehen, wenn es keine Informationssendung war?

Es ist auf eine gewisse Weise beeindruckend, wie Streeck es schafft, von seinem Arbeitgeber, der Universität Bonn, so viel Zeit zu bekommen, fern seines Labors von Medienauftritt zu Medienauftritt zu tingeln, und dass sich deren Redakteur:innen von der langen Spur der Fehleinschätzungen nicht abschrecken lassen. Ganz offenkundig befriedigt Streeck ein mediales Bedürfnis, so wie die Medien umgekehrt sein Bedürfnis nach Rampenlicht befriedigen.

Die Rolle der Investmentfirma KKR

Das wäre völlig in Ordnung, diese gegenseitige Abhängigkeit ist Grundlage des Unterhaltungsgeschäfts. Doch es geht derzeit thematisch – und bei der Rolle Streecks als einzigem aktiven Naturwissenschaftler im „Expertenrat Corona“ von Armin Laschet – buchstäblich um Fragen von Leben und Tod.

Und da ist es ein Problem, wenn zur besten Sendezeit ganz ungeniert eine Operation Reputations-Reinwaschung stattfindet.

Und es ist mindestens bemerkenswert, dass „i&u TV“, die Produktionsfirma des ZDF-Films, der US-Investmentfirma KKR gehört. Und damit demselben Unternehmen, das bis Mai 2020 auch die Mehrheit an „Deutsche Glasfaser“ besaß. Die „Deutsche Glasfaser“ hat damals die Heinsberg-Studie mitfinanziert.

Wenn das ZDF dieses Format fortsetzen will, dann könnte der Präsident des Deutschen Bauernverbands demnächst eine Sendung über bedrohte Vögel und Schmetterlinge moderieren.

16 Kommentare

  1. „Stattdessen breitete der inzwischen TV-geschulte Moderator Streeck seine Arme rhythmisch weit aus“

    Mal ehrlich: Genau das zeigte doch, wie stark Streeck mit seiner Rolle fremdelte. Es wirkte alles arg bemüht und nicht souverän. Ein erfahrener Moderator präsentiert sich anders. Andererseits passte das ganz gut zum Bauerntheater, diesem Reenactment der Karnevalsfeier in Gangelt.

    Dass da mit Pomp ein derart anspruchsloser Inhalt geboten wird, ist – unabhängig von der Rolle der Produzentin – ein ZDF-Problem. Als die Reihe „ZDF Zeit“ vor ein paar Jahren startete, ja was hatte man da für fantastische Träume auf dem Lerchenberg! Nur leider wollte Roman Beuler als erster Redaktionsleiter damals das Format mit derart vielen prächtigen Bild-Ideen und noch viel mehr inhaltlichen Aspekten vollpumpen, so dass am Ende statt guter Filme oft ein Schnipsel-Arrangement herauskam und ein vorhersehbarer Quoten-GAU.
    Daraus wurde dann ein Gemischtwarenladen, die Latte wurde immer tiefer gelegt. „Check“ funktioniert? Dann machen wir viele Checks. Nelson Müller kommt gut an? Noch mehr Nelson Müller, egal was. Adel läuft? Her damit. Die Streeck-Folge wurde betreut von Redakteurinnen, die sich sonst um Themen wie „Vermögenscheck“ oder „Glanz für Schwedens Krone“ kümmern.

    Das spricht nicht gegen die Redaktion, zeigt aber, mit welchem flachen inhaltlichen Anspruch das ZDF bei dieser Sendung antritt. Hauptsache, es kommt gefällig rüber und die Quote ist nicht komplett niederschmetternd (by the way: genau das Schielen auf die Quote ist der Grund, warum die Quote so schlecht ist – sie wagen nichts mehr und sie unterschätzen ihr Publikum). Kein Vergleich etwa zu den Sendungen mit Harald Lesch. Eine Sendung mit Mai Thi und Lesch, das wäre sicher eine interessante Alternative gewesen.

  2. Sollte nicht Wolfram Winter, Ex Kommunikationschef von Sky, dem Streeck zu einem neuen, sympathischerem Image verhelfen? Das sah ganz nach seiner Handschrift aus.

  3. Sapparament, das ist jetzt tatsächlich der vierte Beitrag über Hendrik Streeck bei Übermedien in wenigen Monaten.
    Und es darf sich sogar zwei Mal derselbe Autor die Schürze umbinden, um am Delinquenten das Nötige zu verrichten.
    Verglichen mit Streeck wird im Meta-Medium sogar mit Reichelt achtsam umgesprungen: muss man anerkennen.
    Fast möchte man meinen, Streeck sei der einzige Virologe in Deutschland, bei dem jemals ein Irrtum festgestellt wurde.
    „Es gäbe Tausende, vielleicht Zehn- oder Hunderttausende mehr solcher Schicksale…“
    Das ist weiterhin eine unbewiesene, unbeweisbare und sogar ziemlich unwahrscheinliche Behauptung, wie der Blick nach Schweden immer noch zeigt: mit erheblich weniger Verboten, sind dort seit Streecks Vorschlag gemessen an der Bevölkerung nicht mehr Menschen mit Corona gestorben als in Deutschland.
    Mit Wissenschaft hat dieser Beitrag also wenig zu tun. Dafür sehr viel mit „Catch as catch can“.

  4. @ Helmut Steffes #4
    Die im Frühjahr Gestorbenen haben sicher nichts mehr mit Entscheidungen zu tun, die im Oktober diskutiert wurden.
    Das Leben geht immer weiter. Und zwar immer genau von da aus, wo es zuvor angekommen war.
    Im Ergebnis kann man völlig aussschließen, dass es in Deutschland ‚Hunderttausende mehr solcher Schicksale“ gegeben hätte, wenn die deutsche Politik ab Oktober die Bürger etwas weniger eingesperrt hätte.
    Solche kontrafaktischen Behauptungen ÜBER die Vergangenheit sind unwissenschaftlicher als jede falsche Prognose von Streeck, Drosten, Wiehler, Priesemann, Ferguson oder wem auch immer AUS der Vergangenheit über eine mögliche Zukunft.
    Und tatsächlich sind 2020 im Verhältnis insgesamt weniger Schweden als Deutsche gestorben: ein überwiegend demografisches Phänomen. Lediglich die als Corona-Tote gezählten Toten waren relativ mehr. So viel Detailverständnis muss nach einem Jahr Diskussion über diesen Vergleich drin sein.

  5. @Andreas Müller #5 Es ist immer wieder erstaunlich, wie einige auf Details und die korrekte Einordnung von Fakten pochen, selbst aber genau das vermissen lassen.

    Zunächst mal zu den Thesen, es hätte kaum Beschränkungen in Schweden gegeben und die Todeszahlen seien deutlich geringer als die Deutschen respektive maximal vergleichbar hoch:
    https://correctiv.org/faktencheck/2020/10/29/corona-irrefuehrende-behauptungen-ueber-todesfall-statistik-in-schweden/

    Zudem gehört es zur richtige Kontextualisierung, dass in Deutschland 83 Mio. potenzielle Virusträger leben, in Schweden dagegen etwas mehr als 10,3 Mio. Da das Land flächenmäßig um einiges größer ist als Deutschland, ergibt sich für die Tre Kronors eine Bevölkerungsdichte von 23 Bewohnern je Km², in Deutschland dagegen sind es gut zehnmal so viele (233). Wenn ich auf deutlich weniger Menschen in meinem Alltag treffe, stecke ich entsprechend weniger Menschen an. Legte man die gleiche soziale Mobilität zugrunde, würden Deutsche entsprechend auf zehnmal mehr Menschen treffen, als Schweden dies täten.
    Dazu kommt die richtigerweise genannte Demografie. Es sterben nunmal zuvorderst Menschen >80. Der Altersdurchschnitt in Deutschland lag 2019 um 5,5 Jahre (!) höher als der Schwedens. (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/248994/umfrage/durchschnittsalter-der-bevoelkerung-in-den-eu-laendern/)
    Deutschland hat die zweitälteste Bevölkerung Europas, Schweden die sechstjüngste (oder 23st älteste). Klar also, dass in Deutschland die Todeszahlen per se höher liegen, wenn es absolut (aber auch relational) mehr Menschen >80 gibt. Auch bei gleicher Inzidenz.
    Zu guter letzt: aller Beschränkungen zum Trotz gab und gibt es soziale Mobilität, auch über Ländergrenzen hinweg. Es kommt nicht von ungefähr, dass oft in Deutschland Grenzregionen sehr stark betroffen waren, wenn im angrenzenden Nachbarland die Coronazahlen sehr hoch waren. Schweden ist umringt von Finnland und Norwegen, die beide ebenfalls eine geringe Bevölkerungsdichte haben (Norwegen: 14/km², Finnland: 16/Km²) und absolut wie relational sehr gut in Sachen Corona abschnitten (alles hier ersichtlich: https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/). Deutschland dagegen grenzt an eine ganze Reihe Länder, in denen Corona deutlich schlimmer wütete, als bei uns (Tschechien, Niederlande, Belgien, Frankreich). Ich habe selbst im Mai 2020 in NL und B erlebt, wie vergleichweise locker dort mit Corona umgegangen wurde. Das schlug sich in Zahlen dort entsprechend nieder.

    Ergo: die Verhältnisse Schwedens lassen sich nicht ansatzweise auf Deutschland übertragen. Die Hypothese, dass es in Deutschland bei vergleichbarem Vorgehen hunderttausende mehr solcher Schiksale gegeben hätte, ist mehr als wahrscheinlich.

  6. @Andreas Müller #5: Dass in Schweden im Winter weniger Leute starben wie in Deutschland hat aber nicht etwa damit zu tun, dass die Durchseuchung aufgrund der schwachen Massnahmen in der ersten Welle schon viel höher war? Es sind nunmal schon mehr Menschen gestorben. Ihr Vergleich der beiden Winter ist nunmal nicht möglich, da man einen anderen Startpunkt hatte.

  7. @ Alexander Schultze #6
    „es hätte kaum Beschränkungen in Schweden gegeben“
    Falsche These, von mir nie aufgestellt. Es geht allein um WENIGER als in Deutschland, also das Weniger, das man Streeck und Co. immer wieder in unsäglichen Kampagnen als tödlich (Hashtag #SterbenMitStreeck) vorwirft.
    „23 Bewohnern je Km²“
    Falsches Argument mit Durchschnittswerten, die keine Rolle spielen. Stockholm (und seine Region) sind bei der Bevölkerung(sdichte) z.B. sehr gut mit München vergleichbar. Hier habe ich im späten Herbst und frühen Winter beobachten können, wie die lokalen Zahlen von Intensivpatienten und Todesfällen mit Corona im Gleichklang gestiegen sind.
    „soziale Mobilität“
    Korrektes Argument. Aber diese Mobilität erklärt auch, warum Schweden stärker betroffen ist als die Nachbarländer. Die Schweden machten 2020 nämlich noch mehr Skiurlaub in den Alpen und sie haben auch einen höheren Bevölkerungsanteil von Migranten, die dort ebenso wie hier überproportional oft an Corona erkranken und sterben.
    „Verhältnisse Schwedens lassen sich nicht ansatzweise auf Deutschland übertragen“
    Darüber kann man diskutieren.
    Aber umgekehrt war die Übertragbarkeit immer gut genug, dass deutsche Medien ein schwedisches Desaster diagnostizieren konnten, obwohl die Zahlen hier nicht besser waren als dort.
    „hunderttausende…mehr als wahrscheinlich“
    Nein, Hundertausende waren nie realistisch. Das zeigt allein schon die Tatsache, dass ca. 70% von nur Zehntausenden Toten in 2020 über 80 Jahre alt waren. Ein so großer Pool von so alten und vorerkrankten Menschen existierte einfach im Oktober nicht, etwa in den Pflegeheimen, wo ca. 50% der Opfer herkommen.
    „Hunderttausende“ sind definitiv Angstmacherei!

    @ Michael #7
    „Durchseuchung“
    Das ist wohl ein wesentlicher Faktor. Aber dieser Faktor ist offiziell Teil der schwedischen Strategie. Tegnell hat immer gesagt, dass es auf die langfristigen Zahlen ankommt, eine zu restriktive Strategie die Toten nur auf später verschieben und nicht durchhaltbar sein würde.
    „Vergleich der beiden Winter ist nunmal nicht möglich, da man einen anderen Startpunkt hatte“
    Der Vergleich schon, aber die Gleichsetzung nicht. Dasselbe Argument gilt allerdings auch für das Frühjahr 2020, in das Schweden mit einer großen Untersterblichkeit aus 2019 und vom Jahresanfang hineingegangen waren, während die Grippe in Deutschland in den letzten Jahren die Reihen stärker gelichtet hatte. Der „Dry-Wood-Effekt „erklärt deshalb sehr gut die relativ vielen schwedischen Toten in der ersten Jahreshälfte (und später dann die Annäherung an die dt. Zahlen).
    Nach der Übersterblichkeit kommt umgekehrt auch die Untersterblichkeit wieder, so wie bereits aktuell in Deutschland wieder messbar.

  8. @9: Dann erobern wir ihn eben wieder zurück!

    @alle: Don’t feed the troll!

    Ich stimme Ihrem Argument in #1 zu: Wieder einmal (siehe https://uebermedien.de/58315/mdr-um-4-wenn-eine-ziffer-programm-genug-ist/ oder https://uebermedien.de/58086/menscheln-mit-der-afd/) beweist ein öffentlich rechtlicher Sender, dass ihm Quote viel wichtiger ist als Inhalt. Oder anders: Dass ihm Unterhaltung wichtiger ist als der Bildungsauftrag.

    Es ist einfach bitter mitanzusehen, wie die hohe Expertise der öffentlich Rechtlichen hinsichtlich Journalismus und Wissenschaft(sthemen) andauernd dazu misbraucht wird, um inhaltlichen Mumpitz zu produzieren. Vom überbezahlten Sportprogramm will ich gar nicht erst anfangen.

  9. uiii, streeck ist mal wieder dran, der watschen-junge der wohlgesinnten.
    diesmal nicht dafür, daneben gelegen zu haben, sondern dafür, was richtiges gesagt zu haben. wie mans macht….
    diejenigen, die zurückliegend die ausufernde medienpräsenz streecks kritisierten, verschaffen ihm immer neue.
    der grundirrtum besteht letztlich darin, die pandemie als explizit virologische spp. corona-virologische entität zu betrachten. wem es gelingt, diese fokussierung zu verlassen, kann auf die bemerkenswerte präsenz der versammelten virologenschar gut verzichten.

  10. Da das Land flächenmäßig um einiges größer ist als Deutschland, ergibt sich für die Tre Kronors eine Bevölkerungsdichte von 23 Bewohnern je km², in Deutschland dagegen sind es gut zehnmal so viele (233). Wenn ich auf deutlich weniger Menschen in meinem Alltag treffe, stecke ich entsprechend weniger Menschen an.

    Wie geht das?
    Der Unsinn von der schwedischen Bevölkerungsdichte wurde schon x-mal (auch auf diesem Portal) widerlegt. Und trotzdem kommen die Bots immer wieder mit diesem Quatsch.

  11. Auf „Spiegel Online“ kann man jeden Tag sehen, wie Corona einen früher mal einigermaßen kritischen Journalismus zugrunde richtet. Dieser Beitrag hier bestätigt leider, wie das Virus auch einen bisher einigermaßen kritischen und erfrischenden Journalismus über Medien zunehmend vorhersehbar und langweilig macht.

  12. @Jörn #12 Bitte mal einen Link posten. Grundsätzlich unsinnig finde ich daran nämlich zunächst gar nichts. Ich finde auch ausschließlich Beiträge in seriösen Medien, die diese Hypothese stützen.

  13. @Alexander Schultze (14.)
    Die Bevölkerung in Schweden ist übers Land nicht gleichverteilt. Die überwiegende Mehrheit lebt in Städten im Dreieck Stockholm, Göteborg, Malmö genauso dicht gepackt wie in Deutschland.

    Auf diesem Portal wurde das auch schon ausgerollt. Am 15. Mai letzten Jahres hatte Pa San (28.) dazu gesagt Schweden ist nicht dünn besiedelt. Schweden weist keine geringere Bevölkerungsdichte auf als der Rest Europas. In Schweden leben 85% der Bevölkerung auf knapp 1,3% der Fläche. Stockholm ist dichter besiedelt als jede Deutsche Stadt. Schweden weist eine höhere Urbanisierungsquote auf als Deutschland.

    Zugegeben, ich habs nicht überprüft. Aber ein Blick auf die Karte bringt zumindest einen Plausibilitätsbestätigung.

  14. @Jörn (#15) Danke für den Link. Allerdings ist der nur bedingt hilfreich. Dass Stockholm dichter besiedelt ist als jede deutsche Stadt stimmt, aber Schweden ist eben nicht nur Stockholm. Göteborg als Stadt mit der zweitgrößten Bevölkerung Schwedens siedelte sich bei der Bevölkerungsdichte in Deutschland etwa auf Rang 16. an, Västeras als Stadt mit den fünftmeisten Menschen auf Rang 20. Malmö, drittgrößte Bevölkerung, läge, wäre sie ein Berliner Stadtbezirk, dort auf Rang 6. im Ranking. Das einfach mal zur Einordnung. Aber gut, da war ich an der Stelle letztlich doch zu unpräzise.
    Zur These Urbanisierungsgrad: Dänemark hat etwa den gleichen Urbanisierungsgrad wie Schweden, schneidet in der Pandemie aber deutlich besser ab (geringere Inzidenz, geringere Infektionsrate, geringere Letalität > obwohl die Dänen im Schnitt 1,5 Jahre älter sind als die Schweden). Bei Finnland verhält es sich übrigens ähnlich. Die Slowakei etwa hat den geringsten Urbanisierungsgrad in Europa, steht aber vergleichbar schlecht da wie Schweden, bei der Letalität sogar deutlich schlechter, obwohl Durchschnittsalter mit Schweden identisch. Damit sollte klar sein, dass der bloße Urbanisierungsgrad kein guter Parameter ist.
    Was die Urbanisierungsquote völlig ausklammert, ist die Mobilität. Allein in Deutschland gibt es (gab es vor Corona) täglich über 19 Mio. Berufspendler, also fast doppelt so viele Menschen, wie in Schweden insgesamt leben. 3,4 Mio. Pendler arbeiten sogar nicht im Bundesland, in dem sie leben, pendeln also weitere Strecken. Die Mobilität in Deutschland ist enorm hoch. Somit die Wahrscheinlichkeit auf viele anderen Menschen (potenzielle Virenträger) zu treffen und diese anzustecken oder sich bei denen anzustecken. Das Einbrechen eben dieser Moblität um bis zu 55 Prozent im Frühjahr 2020 war übrigens einer der Hauptgründe dafür, dass Deutschland die erste Welle derart gut meisterte. Weil gerade im November die Mobilität in Deutschland nur noch um rund 20 Prozent zurückging, war die zweite Welle derart heftig. Als die Mobilität im Dezember dann deutlicher sank, waren die Zahlen schon enorm angestiegen, trotz vermeintlichen Lockdowns.
    Und, da Belgien oder die Niederlande für Schweden als deutlich sinnvollere Vergleichsstaaten genannt werden, kann ich nur sagen, dass dort (habe Familie in NL) ganz sicher der deutlich laxere Umgang mit Corona entscheidend war und bestimmt nicht der Urbanisierungsgrad. Davon konnte ich mich, wie ich schrieb, ja auch selbst überzeugen.

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