Holger ruft an (15)

Was ist das Problem an Hendrik Streecks Auftritten und Aussagen?

Der Virologe Hendrik Streeck in der Sendung "Markus Lanz"
Screenshot: ZDF

Warum Hendrik Streeck? Das fragten sich Christian Schwägerl und Joachim Budde. Warum taucht der Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn immer wieder als Experte in Talkshows, Magazinen und Zeitungen auf – trotz all seiner fehlerhaften Prognosen und Einschätzungen?

Dazu haben sie in dieser Woche einen Artikel veröffentlicht, in dem sie zwölf Beispiele für bemerkenswerte Irrtümer und überraschende Kehrtwenden Streecks dokumentierten. „Fehler einzugestehen und zu korrigieren ist ein wesentliches Merkmal von seriöser Wissenschaft. Doch Hendrik Streeck hat etwas anderes gemacht: Er hat seinen verharmlosenden Kurs trotz neuer Erkenntnisse durchgezogen.“

Doch diese Art wurde belohnt – mit medialer Aufmerksamkeit. Streeck war der vielerorts gern gesehene Gegenpart zur wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung in der Corona-Pandemie.

Andere haben sich doch auch geirrt

Warum Hendrik Streeck? Das fragten sich manche. Andere Wissenschaftler*innen irrten sich doch auch. Werden an ihn andere Maßstäbe angelegt? Warum haben sich Schwägerl und Budde nach ihrem Riffreporter-Artikel vom April 2020 wieder Streeck gewidmet?

Streecks Äußerungen hätten halt schon früh in einem „sehr zweckdienlich politischen Kontext stattgefunden“, sagt Schwägerl im Podcast „Holger ruft an“. Aber: „Im Wissenschaftsjournalismus spielt Personalisierung eigentlich keine Rolle, es geht um die Qualität von Aussagen.“

Holger Klein spricht mit den beiden Autoren über die größte Schwachstelle in Streecks Argumentation, über Mechanismen von Talkshows, über Unterhaltung, Kontroversen, Aufmerksamkeit – und über Wissenschaftsexpertise in Redaktionen. Die fehle „in der Welt von heute, die von Technologie-, Wissenschaft- und Umweltfragen geprägt ist“, sagt Schwägerl. Und das sei eine Abwägung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: „Wie viele Kreuzfahrtschiffe schickt man um die Welt oder wie viele Wissenschaftsjournalisten bezahl ich dafür, dass sie im Zweifelsfall wissen, was es mit chinesischer Fledermausscheiße und deren Viren auf sich hat?“

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

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11 Kommentare

  1. Drei Beiträge exklusiv über Hendrik Streeck in vier Monaten: Ist das nicht ein wenig viel? Eine Obsession vielleicht schon?
    Themenvorschlag: Was ist eigentlich an den vielen Auftritten von Panikboomer Karl Lauterbach zum selben Thema problematisch? Oder auch rundum supi?

  2. Was ist eigentlich der Mehrwert des Podcasts gegenüber dem Artikel? Empfand das jetzt ehrlich gesagt als Zeitverschwendung. :-/

  3. Drei Beiträge exklusiv über Hendrik Streeck in vier Monaten: Ist das nicht ein wenig viel? Eine Obsession vielleicht schon?

    Das ist besonders unverständlich vor dem Hintergrund, dass das Streeck-Problem so gut wie gelöst ist. Seit einigen Wochen ist er doch gar nicht mehr so kritisch.
    Im Netz wird spekuliert, woran das liegen könnte. Die einen sagen, der Klimawandel ist dran schuld. Andere meinen, der Grund wäre, dass Paul Zubeil einen ganz gut dotierten Posten im Bundesgesundheitsministerium bekommen hat. Wer hat Recht?

  4. Ich mag das Format »Holger ruft an« sehr. Das hängt aber mit meiner grundsätzlichen Neugier zusammen. Mich hat schon immer interessiert, was Menschen veranlasst, das zu schreiben, was sie schreiben. Ich höre ihre Gedanken dazu gern.

    Mein diesbezüglicher Voyeurismus hat ungefähr 1995 angefangen. Mit dem Buch »Alkohol & Autor«. Eine sehr erhellende Lektüre über nobelpreistragende Quartalssäufer und ihren Impetus.

  5. Streecks Präsenz in den Medien am Anfang der Pandemie wird schnell als überproportional wahrgenommen. Er war über längere Zeit der einzige Kritiker, der „vorgelassen“ wurde – wohl weniger, um die wissenschaftliche Debatte voranzubringen (die im TV m. E. ohnehin nichts zu suchen hat), sondern eher weil er medial gut rüberkommt.
    Im übrigen hat er Fehler bereits im Mai und nochmal im November eingestanden – und zwar sehr deutlich:
    „In dem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung gestand Hendrik Streeck ein, in den zurückliegenden Monaten auch Fehleinschätzungen abgegeben zu haben. So sei er zu Beginn der Corona-Pandemie nicht vom Nutzen der Masken überzeugt gewesen. Zudem habe er anfangs das Coronavirus für weniger gefährlich gehalten als das Grippevirus. „Da habe ich mich klar getäuscht“, gab der Virologe zu.“ (https://www.fuldaerzeitung.de/fulda/corona-hendrik-streeck-virologe-gestaendnis-fehler-masken-covid19-zahlen-mediziner-grippe-bonn-90089080.html).
    Auch Drosten hat sich mehrfach geirrt und nicht nur „mal“.
    Ich will Streeck überhaupt nicht in Schutz nehmen. Wer sich direkt oder indirekt mit Kai Dieckmann einlässt (Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die Heinsberg-Studie), hat medial eigentlich schon verloren (auch hier hat er übrigens Fehler eingestanden).
    Mir fehlt hier die Ausgewogenheit und die Betrachtung des Gesamtbilds. Die Autoren verweisen auf ihre Berufsbezeichnung „Wissenschaftsjournalist“ um ihre Integrität zu untermauern – als wären „normale“ Journalisten ihr weniger oder gar nicht verpflichtet. Integer wirken sie dabei auf mich überhaupt nicht. Im Gegenteil: Sie verhindern mit einer einseitigen Betrachtung weiterhin die breite Debatte, die ich von Anfang an vermisse.

  6. Ich bin bei #2 von Earendil, ich mag das Format Holger ruft an grundsätzlich sehr, aber vom Informationsgehalt her war das hier bisher eine der schwächsten Folgen.
    Am Anfang wird (vermutlich nur halb ernst) gesagt, die Leute sollen ja Übermedienabos kaufen. Für die, die noch kein Abo haben, mag die Folge ein netter Teaser sein, aber wenn man den Artikel gelesen hat, hat der Podcast keinen Mehrwert.
    Wobei ich das ganz deutlich von einer Kritik an den Autoren abgrenzen möchte. Ich fand es extrem angenehm und in der heutigen Medienlandschaft bedauerlicherweise bemerkenswert, das sie mehrfach verweigert haben in Spekulationen über Fragen zu verfallen, die sie nicht recherchiert haben.
    Aber das ist vermutlich der Punkt warum der Podcast ein wenig überflüssig ist, die Herren haben gut recherchiert und die dabei gewonnenen belastbaren Informationen in einen Artikel gepackt. Sich über ihren Recherchestand hinaus zu äußern würde ihre Glaubhaftigkeit beschädigen. Es ist also von Anfang an nicht wahrscheinlich gewesen, dass ein thematischer Mehrwert entstehen würde. Vielleicht wäre das anders gewesen, wenn man mehr auf die Methodik eingegangen wäre, wobei die in diesem Fall vermutlich recht vorhersehbar ist.
    Also aus meiner Sicht ein schwacher Beitrag in einem guten Format, ich freue mich trotzdem auf den nächsten!

  7. @BUTTE
    „Auch Drosten hat sich mehrfach geirrt und nicht nur „mal“.“
    Das ist wahlweise eine Binse, oder ein extrem schlechter whataboutism. Wahrscheinlich gar beides.

    Es geht um die Kommunikation von Wissenschaft und da werden Sie kein einziges Beispiel finden, wo Drosten sich ähnlich weit aus dem Fenster lehnt wie Streeck.

    Vergleiche Prof. Dr. Annette Leßmöllmann im ZDF im April 2020:
    „Streeck hat sich schon früh auch sehr stark aus dem Fenster gelehnt mit der Aussage, der Lockdown könne früher beendet werden, als wir zu der Zeit dachten. Und man fragt sich: aus welcher Evidenz zieht er das eigentlich?

    Bei Drosten ist es wiederum so, dass er sagt, dass Wissenschaftler unter enormen Druck stehen und die Wissenschaft quasi live und am offenen Herz arbeitet. Er macht das sehr transparent.“
    ZDF Mediathek
    >>>Warum ändern Virologen ständig ihre Meinung?<<<

    Oder der "Virologen Vergleich" von Mai Thy Nguyen-Kim.
    Es geht tatsächlich um die Seriösität und das Verhaftet-Sein mit dem wissenschaftlichen Prozess. Das ist in der Pandemie noch essentieller, als sonst schon.

    Der Vergleich Streeck-Drosten hat immer etwas absurdes.
    Not even the same ball-park.

  8. @Frank Gemein: Den Vergleich habe nicht ich vorgenommen, sondern die Autoren im Podcast. Ihr Vorwurf ist falsch adressiert.
    Und überhaupt nicht neu (also eine Binse) ist, dass Wissenschaft und Forschung durch politischen Druck und die Abhängigkeit von Drittmitteln längst ihre Freiheit verloren haben – und nicht erst durch die Pandemie. Aber das ist ein anderes Thema.

  9. Ich helfe da gerne: Der Vergleich hat deshalb „etwas Absurdes“, weil Drosten exakt die Sorgfalt an den Tag legt, an der es Streeck augenscheinlich mangelt. Also nicht das Vergleichen an sich ist absurd, sondern das Vergleichen und tatsächlich zu dem Ergebnis zu kommen, ein Vergleich mache Sinn, ist absurd.
    Das ist keine Apotheose der Person Drosten. Er verhält sich einfach so, wie er das gelernt hat.
    Ich sehe auch keine Auswirkungen eines politischen Drucks oder seiner Abhängigkeit, in diesem konkreten Zusammenhang.
    Sie müssten da schon sehr viel konkreter werden, denn bislang wirkt es, wie ein beliebiges Werfoen von Schmutz in Richtung Drosten, um zu sehen, ob da was haften bleibt.
    Und diese Strategie war bislang eher ein wenig von der Springermedien Seite besetzt.

    Wie gesagt, ich will keinen Persilschein oder gar eine Idolisierung des C. Drosten betreiben. Dafür kenne ich den man ja überhaupt nicht genug. Nur sollten Sie, wenn Sie es schon andeuten, mehr zu bieten haben, als Nebelschwaden.

  10. @Frank Gemein: Nochmal zum Mitmeißeln: … das ist ein anderes Thema.
    Es ist i. Ü. interessant und vielsagend, wo Sie Hilfsbedürftigkeit sehen und was Sie so alles herauszulesen glauben.

  11. @BUTTLE:
    Vielleicht doch lieber zu WünschDirWas?
    Was für ein schwacher move zum Schluss.

    Ich bedanke mich aber für Ihre (wenn auch ungewollte) Transparenz.

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