Holger ruft an (11)

War das live genug? ARD und ZDF und die Nacht, in der das Kapitol gestürmt wurde

Der Podcast Holger ruft an über die Live-Berichterstattung von ARD und ZDF während der Berichterstattung aus Washington
Screenshots: ARD, ZDF, Phoenix

Als in Washington Anhänger von Präsident Trump das Senatsgebäude stürmten, liefen im Ersten und im Zweiten Dokumentationen: „Die Liebe des Hans Albers“ und „Balkan-Style“. Beide Sender unterbrachen zwar ihr Programm für Nachrichten-Sondersendungen, schalteten aber nicht auf dauerhaften Live-Betrieb um.

Das machten die Öffentlich-Rechtlichen zwar woanders, bei Phoenix beispielsweise oder bei Tagesschau24 oder im Netz bei „ZDF heute live“, aber: Reicht das?

Claus Kleber und Ulrich Deppendorf genügte das wohl nicht. ZDF-Moderator Kleber verwies in der Nacht auf CNN. Und Deppendorf, immerhin Ex-Chef des ARD-Hauptstadtstudios und der „Tagesschau“, wütete gegen die öffentlich-rechtlichen TV-Hauptprogramme:

Die private Konkurrenz von N-TV und Welt waren im linearen Fernsehen deutlich früher drauf.

Immer wieder Kritik nach Großlagen

Es ist nicht das erste Mal, dass das Erste und das ZDF für ihre Nicht-Reaktion oder viel zu späte Reaktion auf Nachrichten-Großlagen kritisiert werden: 2015 nach den Anschlägen von Paris, 2016 nach der Putschnacht in der Türkei, 2019 nach dem Brand von Notre Dame – immer wurde im Nachgang diskutiert, ob die Entscheidungen von ARD und ZDF richtig waren. „Der Spiegel“ fragt nun nach den Ereignissen von Washington: „Haben ARD und ZDF ein Live-Problem?“

Haben sie? Darüber unterhält sich Holger Klein mit dem Medienjournalisten Daniel Bouhs, der schon in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag die Kritik und die Rechtfertigungen sammelte und sortierte. Sind die Kritiker einfach nur zu faul, ihre Fernbedienung zu bedienen? Oder hätten ARD und ZDF früher in ihren Hauptprogrammen aus dem Quark kommen müssen? Was können ARD und ZDF in solchen Situationen machen? Was sollten sie machen? Und was dürfen sie überhaupt machen?

Und warum wurde im Ersten nicht im laufenden Programm zumindest auf Phoenix oder die Angebote im Netz verwiesen?

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

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5 Kommentare

  1. Ich habe keinen Mangel an Information verspürt. Die andere Alternative – Dauer-Livesendung – wäre journalistisch unergiebig und wurde hier anhand anderer Beispiel häufig (zurecht) kritisiert.

    Was hätte man den tun können? Alle zehn Minuten live nach Washington: „Die Lage hier ist unübersichtlich. Wir können nicht genau beurteilen, was im Inneren des Gebäudes vor sich geht, aber uns erreichen beunruhigende Bilder.“ Danach zurück ins Studio, Experten-Interview: „Die Bilder, die uns gerade erreichen, sind beunruhigend!“ Eine Politikerin äußert sich: „Was sich gerade im Kapitol in Washington abspielt, macht mich sprachlos. Ich bin zutiefst beunruhigt.“ Dann liest jemand Twitter-Beiträge vor, die allesamt von Beunruhigung zeugen, und wir schalten wieder live nach Washington (wo es inzwischen ein bisschen dunkler geworden ist).

    Ehrlich: Ich brauche das nicht.

  2. Danke KK, genau das wollte ich auch schreiben. Die wenigsten Menschen haben wirklich etwas davon, wenn in 3-Stunden Live-Sendungen jene Informationen reintröpfeln, die sie am nächsten Morgen sortiert in 10 Minuten erfassen können. Man muss Journalisten nicht immer bei der Arbeit zuschauen.

    Davon abgesehen: Wie wird so eine Live-Sendung denn interessant gemacht? Klar, durch Einspieler. Und zwar immer die selben. Das zementiert (vermutlich unfreiwillig) die Wahrnehmung der Zuschauer. Zudem liefern solche Bilder in diesem konkreten Fall den Tätern ihre Bedeutung samt Beweisbilder. Je häufig die Bilder zu sehen sind, desto toller fühlen isch die Leute. Muss man ihnen diesen Gefallen tun?

    Ich habe das ganze nur per Tagesschau verfolgt und da reichte es mir schon, dass ich immer wieder zu sehen bekam, wie sich jemand stolz auf dem Stuhl des gestürmten Büros flezt. Wenn man die Tat verurteilt, warum sendet man die Trophäen tausendfach? Schwingt da eine Hoffnung mit, dass das mehr Leute abscheulich finden? Ich kann mir in heutigen Zeiten vorstellen, dass die Bilder genau das Gegenteil bewirken.

  3. Da Übermedien ja immer fleißig BILD-TV guckt, bin ich dem Vorbild gefolgt und habe das auch getan.
    Ich muss sagen, Boss Julian hat das Geschehen überraschend gut und sachlich kommentiert, er muss also nicht immer den Dauerpaffenden und Gummibärchenkauenden Macho geben. Er hat aber Gratismut bewiesen, denn 2016 hat er Trump noch komplett anders beurteilt, sein Kommentar von damals macht ja im Netz die Runde.
    Natürlich hat Alexander von Schönburg dann diesen guten Eindruck mit seinem unsäglichen Gelaber wieder komplett zerstört, aber ein Druck auf den Mute-Knopf und eine wunderbare Ruhe umhüllt einen.

    Auch wenn es die Max-Goldt-Fraktion schockiert, ich habe in dem Moment auf einfache Weise bekommen was ich wollte: Die emotional aufwühlende und fassungslos machende Wirkmacht der Live-Bilder aus dem Kapitol.

    Ebenso fassungslos macht mich die (nicht vorhandene) Kommunikationsstrategie von ARD und ZDF. Darauf wird ja im Podcast breit eingegangen. Der Tweet von Cleber ist eigentlich, im Fußball würde man sagen, vereinsschädigendes Verhalten und könnte entsprechend sanktioniert werden.
    Reformen sind auf allen Ebenen unvermeidlich, wenn der ÖR seine Akzeptanz in der Gesellschaft behalten will.

  4. ‚Alles, was wirklich wichtig ist, kommt irgendwann bei mir vorbei‘, mutmasst holger und ist sicher, dass seine frau ihn schon informieren würde, falls die ard ihn erst verspätet über den beginn des dritten weltkriegs informierte, weil sie nicht wollten, dass die zuschauer,durch ein überflüssiges und sensationshaschendes laufband verführt, von hans albers zu phoenix zu wechseln. Denn holger hat es ja auch nicht geschadet, dass er vom arabischen frühling erst 10 tage später erfahren hat. Denn dieser oder der sturm aufs capitol, die haben ja auf ihn persönlich keine auswirkungen. Wo er recht hat, hat er recht: in einem einigermassen geordneten staat wie dem unseren, hat fast nichts sofortige direkte auswirkungen auf den einzelnen, er kann eigentlich die nachtichten mit dem wetter beginnen lassen, weil keinen schirm dabei zu haben, das hat eventuell direkte auswirkungen auf holgers laune.
    Nun sollte ein disclaimer nicht nur zeigen, d a s s einer von den örr bezahlt wird, die er hier so halbherzig wie möglich zu kritisieren unternimmt, man sollte auch noch den deutlichen eindruck gewinnen, er übe diese kritik so, als ob er nicht von deren kohle leben würde. Man hätte eventuell ja ein laufband einblenden können, da gibt es ihnen holger aber mit der vollen breitseite. Richtig schäbig wird es aber erst, als ulrich deppendorf unterstellt wird , er übe seine scharfe kritik nur für likes auf twitter, statt der frage nachzugehen, ob er sich eventuell für die unprofessionelle wurstigkeit seines ehemaligen senders zu tode schämt. Aber deppendorf ist ja nicht mehr am an einem hahn, der kohle für holger ausspuckt und w e n n man mal örr-kritik übt, dann am besten an einem e h e m a l i g e n örr-verantwortlichen, der #örr-kritik übt. Und weil das noch nicht genug surrealismus war, wird mal kurz die liveschaltung auf ereignisse, die verstörend und in ihren auswirkungen unabsehbar sind, generell als reine sensationsmache abgetan, die nur den voyeurismus des zuschauers bedient, der natürlich als völlig unmündig angesehen wird, das selber zu beurteilen. und im surrealistischen weltbild von holger und daniel am besten 10 tage später detailliert und fundiert informiert wird, damit er das alles auch richtig einordnen kann. denn die wirkliche welt mit ihren jähen ereignissen, die noch kein zdf-kommentar in den rechten bzw linken zusammenhang gestellt hat, die überfordert ihn doch nur. Schliesslich sollte man nie vom mündigen bürger ausgehen. So hätte man wohl auch, da 9/11 die nächsten zehn tage keine direkten auswirkungen auf holger, daniel oder mich hatte, damals auch ganz beruhigt hans albers weitersingen lassen sollen. Wie es sloterdijk später nannte, es war ja nur ein ereignis in amerikanischen hochhäusern. Er wurde allerdings dafür leicht kritisiert, den ball so flach halten zu wollen. Holgers surrealismus ist aber da wohl noch stoischer und könnte das auch aushalten. Live aus baden-baden, @lucianocali_2, eventuell bald ehemaliger übonnent. Lange halte i c h das nämlich nicht mehr aus.

  5. @1 KK
    Genauso geht’s mir auch. Wenn ich EIL-EIILL-EIIILLL-Dünnpfiff will, gehe ich ins Internet. Im ÖR reichen mir Nachrichten und ein gutsortierter Brennpunkt am nächsten Tag völlig.

    @4 GC
    Sagen Sie kurz Bescheid, bevor Sie gehen. Dann upgrade ich mein Zuschauer-Abo.

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