Holger ruft an (7)

Was machen wir mit Jana aus Kassel – und was macht sie mit uns?

Screenshot: twitter.com/MdBdesGrauens

„Ich bin Jana aus Kassel und ich fühle mich wie Sophie Scholl.“ So begann – wie schon gesagt – Jana aus Kassel ihre Rede auf einer „Querdenken“-Veranstaltung in Hannover.

Wie sie darauf kommt, dass sie so sei wie die ermordete Widerstandskämpferin der Weißen Rose? „Weil ich seit Monaten aktiv im Widerstand bin, Reden halte, auf Demos gehe, Flyer verteile und auch seit gestern Versammlungen anmelde.“ Dann erzählt sie noch, dass sie 22 Jahre alt sei und damit genauso alt wie Sophie, „bevor sie den Nationalsozialisten zum Opfer fiel“. (Sophie Scholl war 21 Jahre alt, als sie hingerichtet wurde.)

Dann kommt ein Ordner ins Bild, reicht Jana sein Leibchen auf die Bühne und sagt: „Für so einen Schwachsinn mach ich doch keinen Ordner mehr.“ Und: „Das ist Verharmlosung vom Holocaust.“ Dafür wird er in digitalen Netzwerken gefeiert. Außerdem sammeln sich unter dem Hashtag #janaauskassel alle Arten des Unverständnisses über die Rednerin: Witze, Wut, Empörung.

Was bringt es, sie an den Pranger zu stellen?

Es sei ein „Twitter-Brand, den wir da erlebt haben“, sagt Holger Klein in der 7. Folge unseres Podcasts „Holger ruft an“, in der er mit Boris Rosenkranz über diese Szene spricht, aber auch darüber, was es bringt, Jana an den Pranger zu stellen: „Bringt es sie zum Umdenken, wenn wir alle Witze machen und uns einen Abend lang vergewissern, dass wir auf der guten Seite stehen?“

Woher kommt eigentlich die Überzeugung, so zu sein wie Sophie Scholl? Glauben die Leute, die bei „Querdenken“-Demos mit Judensternen herumlaufen, wirklich, dass sie verfolgt werden wie Juden im Dritten Reich? Und wie sollten seriöse Medien damit umgehen? Welche Begriffe sollten sie übernehmen? Wie sollten sie generell reagieren, wenn eine sehr laute Minderheit sich nicht gehört fühlt? Und wie nimmt man gerade den öffentlich-rechtlichen Sendern die Angst vor dem eigenen Publikum?

(Sie können den Podcast auch über die Plattform oder App Ihrer Wahl hören. Hier ist der Feed.)

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20 Kommentare

  1. Manche Leute – und wahrscheinlich auch Jana selbst – glauben wohl ganz unironisch, eine verfolgte Minderheit in einer Diktatur zu sein.
    Nicht alle, die das behaupten, aber einige.
    Deshalb muss man dagegenhalten und erklären, welche Unterschiede es zwischen Sophie und Jana es gibt.
    Außerdem, wenn man sich mit Sophie Scholl vergleicht, vergleicht man iose Gegner mit den Nazis.

  2. @Mycroft
    Erklären, welche Unterschiede es gibt und sie an den Pranger zu stellen sind aber zwei paar Schuhe.
    Und sowenig Sympathe ich für AfD, Querdenker, Klimawandel-Leugner, etc. habe, halte ich den Umgang mit Jana für falsch. Sie hat keine Gedenkstätte geschändet, niemanden beleidigt, geschlagen, getreten oder sonstwas. Sie bewundert Sophie Scholl, das allein ist ja schon mal ne gute Sache.
    Und eben, ich glaube eben auch, dass sie ganz unironisch der Meinung war, genauso zu sein, da bräuchte sie eher Hilfe, Aufklärung und Zuspruch. Wäre es eine zynische Provokation, wie wir sie ja von anderen kennen, hätte sie den Spott schon eher verdient. So finde ich, ist sie ein unwürdiges Ziel.

  3. „Erklären, welche Unterschiede es gibt und sie an den Pranger zu stellen sind aber zwei paar Schuhe.“
    Ja. Deshalb schrieb ich nichts von „an den Pranger stellen“.

    Ich finde, die Überschrift „- und was macht sie mit uns?“ klingt deutlich hilfloser und ausgelieferter, als es die Situation rechtfertigt.

    Und zwischen Pranger und hilflos in der Ecke kauern liegen vielfältige Möglichkeiten.

  4. @Mycroft
    Ich meinte nicht, dass Sie es tun. Das ist nur die für mich recht offensichtliche mediale Realität. Und mit der bin ich in diesem speziellen Fall nicht einverstanden. Denn einfach nur erklären, warum sie irrt, tun die allerwenigsten.

  5. @Peter
    Muss man erklären, warum sie irrt?
    Sie selbst sagt, sie fühlt sich so, weil Scholl den Nazis zu Opfer fiel.
    Sie weiß also, dass Scholl ermordet wurde.
    Braucht es da eine Erklärung, warum der Vergleich nicht stimmen kann?

  6. @alle Vorigen
    Ich denke, was bei diesen Kommentaren vernachlässigt wird, ist das Framing, welches ( absichtlich oder nicht, wobei ich absichtlich sagen würde ) durch diese Vergleiche gesetzt wird. Man kann den Naziterror auch leugnen, indem man ihn unausgesetzt banalisiert.
    Antisemitistische Gates Hasser, die mit einem Judenstern angeheftet auf den Querdenken Demos rumopfern.
    Mag ja sein, dass Jana tatsächlich die mentale Reife fehlt ( was dann aber wenig mit dem Alter zu haben dürfte ) und sie benutzt wurde, aber arglos ist das alles sicher nicht.

  7. Knapp 2 jahrzehnte sozialer medien haben journalisten langsam auf die nachvollziehbare idee gebracht, sie seien nunmehr nicht mehr in der ihnen so liebgewordenen weise gatekeeper und orientierungshelfer der ohne sie ahnungs- und hilflosen. So spenden sie sich jetzt eben selber den schwachen, aber anscheinend einzig verbliebenen trost: dass die silent majority ihnen innerlich weiterhin bei ihren faktenpunktlandungen teilweise sogar stehende ovationen spenden würde, die man aber eben leider nicht hören kann, weil diese mehrheit trotz aller sozialen medienmöglichkeiten es weiter vorzieht, zuzustimmen und zu schweigen. Den begriff ’silent majority‘ prägte übrigens nixon, der den antivietnamdemonstranten, die das weisse haus belagerten trotzig entgegenhielt, die schweigende mehrheit im lande sei, das wisse er genau, sehr dafür den vietcong und mehrere länder dieser weltgegend plattzubomben. Damals nannte man das paronoides bunkerdenken. Ich kriege kaum öffentliche zustimmung, also denke ich sie mir aus. @niggi und klein fühlen sich von den lauten kritikern an allem und jedem, was sie tun also schon so belagert, dass sie sich selber diesen imaginären trost spenden müssen wie eine letzte ölung?

  8. @Micha, @Frank Gemein
    Genau das ist allerdings mein Eindruck von dieser einen Person Jana. Dass sie arglos desorientiert ist. Und das nicht richtig zusammen kriegt, dass der Vergleich falsch ist – trotz der Fakten, die sie kennt.
    (Micha, es ist teilweise schon erstaunlich, wie schwer es vielen Menschen fällt, korrekte logische Schlüsse zu ziehen. Aber glauben Sie mir, Menschen ziehen stets und ständig ganz arglos unlogische Schlüsse. Im besten Fall sehen sie diesen dann irgendwann ein.)

    Ich kann dem aber insofern zustimmen mit dem Hinblick auf das Framing: Wenn man zu dem Schluss kommt, dass Jana das Ganze mit Hintergedanken zynisch inszeniert habe, dann hätte sie auch den ganzen Twitter-Brand verdient.

    Und dass andere wirklich zynisch rumopfern, teilweise auf aggressive Weise, indem Personen und Länder geschmäht werden, alles richtig. Nur hat sich hier Spot und Häme über eine Person ergossen und nicht über eine Gruppe und dann sollte es auch genau diese eine Person verdient haben. Eben den Anspruch zu haben, nicht zu sagen: „Ja, diese Querdenker sagen/machen/tun und deshalb …“ Nein, anschauen, was Jana gesagt, getan hat und ob sie es deshalb verdient hat, höchstpersönlich so im Fokus zu stehen.

  9. Was bei Twitter und Co. passiert, ist eine Sache.

    Das „wir“ im Titel beziehe ich aber auf Journalisten und journalistische Medien.

    Die sollten Jana aus Kassel nicht an den Pranger stellen.
    Allerdings stellt sie stichprobenhaft eine Denke und eine Selbstwahrnehmung dar, die man im Hinterkopf haben muss, wenn man an Leser, Zuschauer und Hörer denkt. Alle m/w/d.

  10. @Peter Sievert
    Ich bin mir auch nicht sicher, wie mensch mit Jana umgehen sollte.
    Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass sie einfach extrem naiv ist, aus einem schlechten Umfeld dumme Dinge aufgeschnappt hat und eine zweite Chance verdient hätte.

    Allerdings hatte sie diese zweite Chance im Grunde ja schon erhalten.
    Egal, ob der Ordner jetzt ein echter Ordner war oder nicht, der hat sie darauf hingewiesen, dass ihr Vergleich nicht geht.
    Sie reagiert bockig, heult, schmeißt das Mikro hin.

    Und nutzt jetzt nicht die Zeit zum Nachdenken und sich für den Vergleich zu entschuldigen, sondern kommt wieder auf die Bühne und erzählt alles noch mal.
    Ich habe das Gefühl, sie will gar nicht irgendetwas erreichen, was mit der Wahrheit zu tun hat, sondern sie will, wie so viele derzeit, einfach nur ihre subjektiven Gefühle, dass sie einfach nur Opfer ist, kund tun und maulen und zerstören auf Kosten der Allgemeinheit.

    Aus #3

    Sie bewundert Sophie Scholl, das allein ist ja schon mal ne gute Sache.

    Ja, das ist der Strohhalm, der mich unsicher werden lässt, ob sie nicht doch noch eine dritte Chance verdient hätte.

  11. Diesen Kommentar bitte ganz ironiefrei unter jeden Übermedien-Artikel denken:

    Ihr macht einen großartigen, wichtigen Job und ich freue mich, dass es euch gibt!

  12. @Jörg: zwischen komplett überzogenen Vergleichsgesten à la ›ich leiste Widerstand wie Sophie Scholl‹ oder ›ich muss meinen Geburtstag versteckt feiern wie Anne Frank‹ einerseits und solchen Vorbildreihen andererseits könnte man allerdings schon den einen oder anderen nicht ganz unerheblichen Unterschied finden, wenn man wollte.

  13. @14.: Joah, der Hauptunterschied ist für mich, dass Thunberg sich nicht selbst mit Scholl vergleicht. Und das zumindestens einige Vergleiche wie die „heilige Greta“ mehr ironischer Natur sind.

    Wäre für mich aber trotzdem ein Grund, mit solchen Vergleichen generell zurückhaltend zu sein.

  14. @14 Der Nennung von Jana als höchstproblematisch kann ich ja zustimmen. Ich habe auch sofort gedacht „Oh, neiiin !“.
    Wenn aber in der -an anderer Stelle hier abgehandelten WDR-Sendung davon berichtet wird, dass Kindergarten- und Grundschulkinder mit der Frage unter Druck gesetzt werden „Wollt Ihr, dass Oma und Opa sterben?“, dann ist mir halbwegs plausibel, woher eine Elfjährige den Eindruck nehmen kann, sie könnte sich mit Anne F. vergleichen: Wohnung verlassen heißt Tod !
    Dass das so natürlich totaler Unsinn ist und auch dieses Kind instrumentalisiert wird, ist sonnenklar, aber ich kann ersehen, woher das kommen kann.
    Und ja – ich halte es für eine Sauerei des Deutschlandfunks, Sophie Scholl und Greta T. in eine Liga der Vorbilder zu setzen., von den im Text genannten Lehrern nicht zu reden.

  15. Sie werden nicht „in eine Liga der Vorbilder“ gesetzt. „Vorbilder aus der Geschichte und der Gegenwart“ werden beispielhaft genannt und bebildert. Meine Güte.

  16. Diese polemische Kacke von dem Danisch macht mich immer direkt wütend. Substanzloses Dunning-Kruger Blabla.
    Der „Beleg“ hier ist ein meme vom D-Funk aus Mai 2019, in den man einfach irgendwas Beliebiges reininterpretiert.
    Noch weniger Mühe beim Raunen gibt sich nicht mal DonA.

  17. Diese polemische Kacke von dem Danisch macht mich immer direkt wütend.

    Ich glaube, es liegt nicht am Danisch. Es macht Sie und Ihresgleichen immer wütend, wenn man Ihnen den Spiegel (damit meine ich jetzt nicht den Relotius-Boten) vorhält. Irgendwie verständlich, ist ja nicht gerade appetitlich, was der Spiegel für ein Bild zeigt.

    Das ändert nichts daran, dass der ÖR-Sender DLF damals was publiziert hat, wo Greta mit Sophie Scholl gleichgesetzt wurde.
    Aber komisch, die hier so couragiert gegen die Jana tönen, haben damit kein Problem.
    Vielleicht ist das auch nicht komisch, sondern logisch.

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