Nach Einstellung der Verfahren

Das Verbot von „linksunten.indymedia“ ist zweifelhafter denn je

Im August 2017 hat der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Webseite „linksunten.indymedia“ verboten. Die medien- und verfassungsrechtlich hohen Klippen eines Verbots eines Presseerzeugnisses (beziehungsweise die gesamte Prüfung, ob es sich bei „linksunten.indymedia“ um ein solches handeln könnte) wurden dabei umschifft: Die Behörde stufte die Webseite einfach als Verein ein – und verbot ihn nach dem Vereinsrecht. Eine Gruppe von Betreibern habe sich für längere Zeit „zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen“ und „einer organisierten Willensbildung unterworfen“. Nach diesem Muster hatte de Maizière 2016 bereits die rechtsextreme Internetseite „Altermedia“ verboten.

Wenn man nicht ausschließt, dass es sich bei „linksunten.indymedia“ um ein Presseorgan handeln könnte, lägen die Hürden wesentlich höher. Auch hätten dann zunächst mildere Maßnahmen geprüft werden müssen, etwa von den Betreibern zu verlangen, problematische Beiträge zu sperren. Doch über den Hebel des Vereinsrechts umging das Bundesinnenministerium das Telemediengesetz und die in der Verfassung verankerte Pressefreiheit.

Verbot durch die Hintertür

„Reporter ohne Grenzen“ bezeichnete das Verbot als „bedenkliches Signal“ und „Vorwand für alle repressiven Regime in aller Welt, es den deutschen Behörden gleichzutun“. Der Vorsitzende Christian Mihr sagte damals: „Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig.“

Drei linke Freiburger Aktivisten wurde von den Sicherheitsbehörden als mutmaßliche Betreiber identifiziert. Gegen sie wurde ein Verfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch eingeleitet. Dieses Verfahren wurde am vergangenen Montag eingestellt, da sich das Konstrukt der kriminellen Vereinigung juristisch nicht beweisen ließ. Damit stellt sich erneut die Frage, inwieweit „linksunten.indymedia“ ein Presseorgan und damit Teil der von Art. 5 des Grundgesetzes geschützten Pressefreiheit ist.

Solidaritätsbekundung auf einer linken Demonstration in Frankfurt 2017 Foto: imago images / Tim Wagner

Populistisches Verbot im Wahlkampf

Im Zuge der Hysterie, die die Krawalle rund um den Hamburger G20-Gipfel auslösten, berichteten fast alle großen Medien über das Verbot, das schon damals im Verdacht stand, vor allem behördlichen Aktionismus gegen Linksextremisten zu demonstrieren. „Spiegel Online“ verbreitete die Nachricht als erstes und bezeichnete das Verbot als „schweren Schlag gegen die linksextreme Szene“ in Deutschland. Genau wie später das Innenministerium zitierte „Spiegel Online“ aus Bekennerschreiben zu militanten Anschlägen, die auf „linksunten.indymedia“ veröffentlicht worden waren – und die als Begründung der Verbotsverfügung dienten.

Auf einer Pressekonferenz verbreitete der Bundesinnenminister, bei den Hauptbeschuldigten seien auch Waffen gefunden worden, was die Deutsche Presseagentur (dpa) und im Anschluss die meisten Medien ungeprüft übernahmen.

Später musste das BMI auf Nachfrage von netzpolitik.org eingestehen, die gefährlichen Gegenstände seien im autonomen Freiburger Zentrum KTS gefunden worden, wo der Polizei zufolge regelmäßige Treffen des „Vereins“ stattgefunden haben sollen. Beim KTS handelt es sich um ein mehrstöckiges Gebäude mit vielen verschiedenen Räumen. Die Gegenstände konnten später in keiner Weise den Betreibern der Webseite zugeordnet werden.

Dennoch sorgten sie für medialen Wirbel und beeinflussten die öffentliche Wahrnehmung im Nachgang der Bilder vom G20-Gipfel entscheidend. „Diese Waffen wurden bei den Betreibern von ‚indymedia‘ gefunden!“, heißt es zum Beispiel bis heute online bei der „BZ“.

Viele Leitartikel und Kommentare begrüßten das Verbot ausdrücklich: So schrieb der damalige „Welt am Sonntag“-Chefredakteur Peter Huth: „Die Abschaltung der linksextremen Seite war absolut richtig.“ Im Deutschlandfunk kommentierte Stefan Koldehoff: „Rechtsfreie Räume gibt es auch nicht im Internet“. Und Michael Hanfeld befand in der „FAZ“, die Seite habe sich „im Rausch der linken Gewalt“ befunden – und sei völlig zu Recht verboten worden.

Kaum noch mediales Interesse

Doch es gab auch kritische Stimmen: Der rbb-Journalist Olaf Sundermeyer twitterte, die „Einschränkung von Meinungsfreiheit“ sei „kein geeignetes Mittel gegen politische Gewalt“. „Netzpolitik“ erklärte Indymedia ingesamt zu einem „Vorreiter des Bürgerjournalismus“, und Kai Biermann ließ bei „Zeit Online“ die Anwältin Kristin Pietrzyk zu Wort kommen, die vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen das Verbot klagt.

Ursprünglich hatte das Gericht bereits im Januar dieses Jahres verhandeln wollen – die Termine dann aber aus organisatorischen Gründen abgesagt. Die Rechtsanwältin Angela Furmaniak, die zwei der Betroffenen im Verbotsverfahren vertritt, sagte Übermedien, dass möglicherweise in der ersten Jahreshälfte 2020 verhandelt werden könnte.

Mittlerweile hat das Interesse am Verbot merklich nachgelassen, obwohl die Begründung angesichts der Einstellung des §129-Verfahrens auf immer dünnerem Eis steht. Über diese Einstellung haben bislang fast nur linke Medien wie die „taz“ und das „Neue Deutschland“ berichtet.

Rechtsanwältin Pietrzyk sagte der „taz“, das Verbot könne, wenn es vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt werde, zukünftig auch andere treffen: „Den Betreibern von Open-Posting-Plattformen wird sich die Frage stellen: Wie stark müssen wir moderieren, um nicht verboten zu werden? Was darf dann noch ein Blog, was darf eine nicht renommierte Onlinezeitung, was darf ein Forum? Das öffnet Tür und Tor für Zensur. Wenn man Pressefreiheit als Säule unserer Demokratie versteht – da wird ganz schön dran gesägt.“

Juristische Taschenspielertricks

Und eben da liegt das Problem: Wenn der Staat Publikationen verbieten kann, ohne die eigentlich gebotene verfassungsrechtliche Abwägung überhaupt vorzunehmen, dann ist der Schritt zu einer staatlichen Zensur durch die Hintertür nicht mehr weit. Wenn jede Webseite über ihre tatsächlichen oder vermeintlichen Betreiber zum „Verein“ erklärt und verboten werden kann, dann nützt die Pressefreiheit im Zweifelsfall nicht mehr viel.

Dass auf „linksunten.indymedia“ auch strafbare Inhalte standen, ist unstrittig. Die Seite enthielt aber zum Beispiel auch Leaks über rechtsradikale Umtriebe von AfD-Politikern, von denen die Öffentlichkeit sonst möglicherweise nie erfahren hätte. Linksradikale Textsammlungen, theoretische Diskussionen, Demonstrations- und Kongressaufrufe muss man nicht goutieren, aber eine Demokratie muss sie im Zweifelsfall aushalten. Dass dies dann auch für ein rechtsextremes Angebot wie „Altermedia“ gelten könnte, wäre im Zweifelsfall hinzunehmen.

Eine inhaltliche Abwägung könnte außerdem immer noch zu dem Ergebnis kommen, das es sich eben nicht um Angebote handelt, die den Schutz des Grundgesetzes verdienen, weil sie mehrheitlich zu Straftaten, Hass und Gewalt aufrufen. Aber eine solche Prüfung und ein entsprechendes presserechtliches Verbot würde dann zumindest mit offenem Visier verhandelt werden müssen – im Zweifelsfall vor dem Bundesverfassungsgericht.

Dem juristischen Taschenspielertrick, dasselbe über das äußerst vage Vereinsrecht zu erreichen, sollte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einen Riegel vorschieben. Und Medien, die ihre Angebote auch in Zukunft von Art. 5 GG geschützt wissen wollen, sollten sich dafür interessieren.

25 Kommentare

  1. Der Dokumentarfilm „Hamburger Gitter“, der sich mich den Geschehnissen auf der Strasse rund um den G20-Gipfel in Hamburg beschäftigt ist nun frei anschaubar:
    https://www.hamburger-gitter.org/

    Ein Passage darin befasst sich auch mit den Repressionen gegen (akkreditierte) Journalisten. Ebenfalls eine sehr gruselige Vorgehensweise staatlicher Akteure.

  2. Die Webseite unter „linksunten.indymedia.org“ habe ich auch immer gerne als Informationsquelle benutzt. Manchmal stand dort grotesker Unsinn, aber es gab auch jede Menge interessanter Veröffentlichungen, die zeigten, was in links-alternativen Kreisen gerade diskutiert wird. Generell interessant waren die Diskussionen, die man sehen konnte, wenn man sich in den Kommentaren der Beiträgen auch diejenigen anzeigen ließ, die keine inhaltliche Ergänzung darstellten.

    Da ich die Webseiten häufig aufgerufen habe und mir deshalb sehr sicher bin, daß diese unter der Adresse „linksunten.indymedia.org“ bereitgestellt wurden, bin ich sehr irritiert über das Bild, das der Autor zur Illustration dieses Artikels verwendet, und das auch die Übermedien zur Bebilderung der Artikels auf der Übersichtsseite verwenden.

    In diesem Bild taucht die Domain „indymedia.linksunten.de.bleibt“ auf. Und es handelt sich offensichtlich nicht um die Notiz eines einzelnen Menschen, sondern es ist eine gedruckte Fahne, von der es wohl viele Exemplare gegeben hat. Nun sind in den vergangenen Jahren ja einige neue Top-Level-Domains zugeteilt worden und die entsprechenden administrativen Domain-Name-Server in Betrieb gegangen. Eine Top-Level-Domain mit dem Namen „bleibt“ existiert aber dennoch (zumindest derzeit) nicht. Demnach existiert die Domain „indymedia.linksunten.de.bleibt“ nicht und hat auch im August 2017 nicht existiert.

    Nun kann es sein, daß der Setzer (oder Layouter) dieses Fähnchens sich mit der Interpunktion vertan hat und der Punkt vor „bleibt“ dort nicht stehen sollte. Dann geht es um die Domain „indymedia.linksunten.de“. Diese Domain existiert tatsächlich, und unter der mit dieser Domain verknüpften IP-Adresse liefert tatsächlich ein Server auf Port 80 eine Webseite aus. Allerdings gehört die Domain „linksunten.de“ einem Domainhändler, der einen Wildcard-Eintrag für Subdomains erstellt hat, es funktionieren also beliebige Subdomains, beispielsweise ebenso „übermedien.linksunten.de“ oder „bildzeitung.linksunten.de“.

    Nun kann es natürlich sein, daß im August 2017 (und davor) die Domain „linksunten.de“ tatsächlich von einem der Betreuer von „linksunten.indymedia.org“ registriert war und daß sich unter „indymedia.linksunten.de“ auf Port 80 (und vielleicht auch unter Port 443) eine Weiterleitung auf „linksunten.indymedia.org“ befand. Allerdings passt es nach meiner Einschätzung nicht zum Selbstverständnis von Indymedia, daß zusätzlich Domains unter der Top-Level-Domain „de“ registriert werden – zumal man dafür eine ladungsfähige Postanschrift angeben muß. Ich verstehe aber auch nicht, wieso jemand, der gegen die Schließung von „linksunten.indymedia.org“ protestiert, nicht genau diesen Domainnamen verwenden sollte, sondern einen anderen, mit dem lediglich eine Weiterleitung betrieben wurde.

    Vor allem aber stellt sich die Frage an den Autoren dieses Artikels, Andrej Reisin: Warum wurde zur Bebilderung dieses Artikels gerade dieses Photo mit dem Namen der nicht existierenden Domain „indymedia.linksunten.de.bleibt“ gewählt? Ist das eine versteckte Anspielung auf „Internet-Ausdrucker“ in der Politik? Oder ist das eine Denksportaufgabe, die ich nicht verstanden habe? Oder welche andere (versteckte) Botschaft steckt in diesem Bild?

  3. Das Foto hat nicht Andrej ausgesucht, ich habe es ausgesucht. Es ist schlicht ein Symbolfoto, das das Thema illustrieren soll – und das ist bei diesem Thema gar nicht so einfach.

    Ich finde, die Frage, ob der Demonstrant da bei der Beschriftung des Fähnchens einen Fehler mit der URL gemacht hat, ist nicht so entscheidend – insbesondere, da die Seiten ja ohnehin verboten sind.

  4. Die Autoren waren nie greifbar, so habe ich es früher gelesen. Und was auf linksunten.indymedia.org veröffentlicht wurde, war zuweilen volksverhetzend. Nun habe ich nur gelegentlich da rein geschaut und auch kein Jura-Studium absolviert; aber meiner Meinung nach sind die Kriterien erfüllt. Was da etwa an Hass und Gewaltaufrufen gegenüber Christen zu lesen war, hat mich fassungslos gemacht. Z. B. anlässlich des Deutschlandbesuches von Papst Benedikt XVI. oder der sog. „Märsche für’s Leben“.
    Mein Fazit: ich verstehe das Verbot.

  5. @ Pieter Hopf, # 4:

    Der Vorwurf scheint mir weniger das Verbot als solches zu sein, auch wenn der Autor erkennen lässt, dass er solche (und dann ggf. auch politisch gegenläufige) Veröffentlichungen eher aushalten als sie verbieten möchte. Der eigentliche Vorwurf zielt jedoch gegen die Vorgehensweise, vorbei an verfassungsrechtlichen Grundsätzen und Hürden im Zusammenhang mit dem Verbot von Presseerzeugnissen, einen Verein um die Seite „herum konstruiert“ zu haben, um diesen dann zu verbieten. Das kann man sicherlich kritisieren, weil es durchaus etwas konstruiert wird, was nicht heißen soll, dass es falsch war. Wir dürfen gespannt sein, wie das Bundesverwaltungsgericht die Sache sieht…

  6. Ich verstehe es nicht ganz. Warum sollte es ein Presseerzeugnis sein? Fehlt da nicht der presserechtlich verantwortliche Ansprechpartner?

  7. @9:
    Ich würde noch einen Schritt weiter zurückgehen: Hat sich „linksunten“ jemals selbst als Presseerzeugnis (oder presseähnliches Erzeugnis) verstanden und diesen Status geltend gemacht?
    Nun bin ich kein Jurist: Kann ein Gericht einem wie auch immer gearteten Internet-Angebot den Status eines Presseerzeugnisses zubilligen, wenn
    a) die Betreiber diesen Status selbst nicht beanspruchen – oder –
    b) die Betreiber diesen Status beanspruchen, sich aber an die damit verbundenen Verpflichtungen nicht halten (z.B. Benennung eines inhaltlich Verantwortlichen)?

  8. Linksunten.indymedia.org hat neben gesammelten Informationen über rechte bis rechtsradikale Parteien + Organisationen + Aktivisten allerdings auch viel Hetze und persönliche Verleumdungen veröffentlicht.
    Gegendarstellungen wurden von den linken Betreibern nie zugelassen, keiner der dort an den Pranger gestellten hatte die Gelegenheit etwas richtig zu stellen.
    Die Plattform arbeitete also praktisch im rechtsfreien Raum und gehört damit völlig zu Recht verboten.

    Als vor Jahren die rechte Plattform „Altermedia Deutschland“ verboten wurde welches ebenfalls Hetze verbreitete hat sich niemand über das Verbot aufgeregt und von einer Einschränkung der Meinungsfreiheit gefaselt.

  9. Die Übermedien haben sich ja schon mal mit Symbolbildern beschäftigt, sie haben daraus sogar einen Adventskalender gebastelt:

    https://uebermedien.de/33306/der-grosse-symbolbild-adventskalender/

    Mein Kommentar #2 hier bestätigt, was ich in dem Kommentar #2 zu dem Symbolbild-Adventskalender geschrieben habe: Wäre das Bild direkt als bloßes Symbolbild erkennbar gewesen (hätte es also quasi „richtig schief“ gehangen), dann hätten sich keine weiteren Fragen gestellt. Das hätte zum Beispiel ein Bild sein können, wo jemand mit einer Schere ein Netzwerkkabel durchschneidet.

    Da es aber nicht direkt als Symbolbild erkennbar ist, betrachte ich es als Bestandteil des Artikels und fange an, es zu interpretieren. Das Bild hat ja genauso einen Stellenwert wie der Text, beides transportiert einen Inhalt. Beim Text würde man doch auch nicht auf die Idee kommen, daß einzelne Absätze bloß „Symbol-Buchstaben“ sind, also inhaltlich gar nicht zum Thema gehören. Wieso aber bei Photos? Wo steckt da der Sinn?

    Es stimmt allerdings auch die Aussage von Stefan Niggemeier in #3, daß „die Seiten ja ohnehin verboten sind“, nicht. Es gab zwei Domains von Indymedia, unter der deutschsprachige Inhalte abrufbar waren: „linksunten.indymedia.org“ und „de.indymedia.org“. Verboten wurden die Webseiten unter „linksunten.indymedia.org“, die Webseiten unter „de.indymedia.org“ werden weiterhin gepflegt und sind öffentlich abrufbar.

    Auf dem Fähnchen auf dem Photo kommt sowohl der Namensbestandteil „linksunten“ als auch der Namensbestandteil „de“ vor. Wenn der Verfasser des Texts auf diesem Fähnchen sich mit der URL vertan hat, so ist dann doch nicht klar, ob er ausdrücken wollte, daß „linksunten.indymedia.org“ bestehen bleiben soll, oder daß „de.indymedia.org“ nicht vom Verbot betroffen ist. Daß man also, wie in #3 suggeriert, sagen könnte „Man weiß ja, was gemeint ist“, ist nicht der Fall.

  10. Wenn ich jemals ein Symbolbild für das Ausscheiden kleiner Rosinen brauche, nehme ich die Extremitäten eines heimischen Wildtiers.

  11. Ich bin da bei THORSTENV und VOLKER: gibt es eine Erklärung, warum diese Plattform überhaupt als Presseerzeugnis gesehen werden sollte und damit unter die Pressefreiheit fällt? Das fehlt mir in dem Artikel komplett.
    (ich wüsste auch nicht, warum es ein Verein sein sollte wenn es da keine Mitglieder gibt aber es passt gefühlt eher als ein Presseerzeugnis).

    Grundsätzlich finde ich aber auch, dass Seiten, die verfassungswidriges Zeug verbreiten, gesperrt werden sollten — insofern habe ich weder gegen dieses Verbot, noch dem von altermedia Einsprüche.

  12. Irgendwann wurde Altermedia verboten und war dann nicht mehr im Netz.
    Dann wurde Indymedia verboten – und war und ist im Netz.
    Die Fachleute haben vielleicht eine Erklärung, der Laie wundert sich.

  13. Hätte man den Vergleich mit Altermedia nicht einfach weglassen können? Das fördert doch nur wieder das „links ist genau so schlimm wie rechts“ Narrativ.
    Meines Erachtens sind das Äpfel und Birnen.

    Altermedia war doch komplett kuratiert oder nicht?
    linksunten war eine Plattform auf Indymedia, auf der jeder Spinner reinstellen konnte, was er wollte. Eben dashalb wurde das ja auch von rechten Trolls für false-flag posts missbraucht.
    M. E. ist das ein Vergleich zwischen einer Zeitung und einer Lifaßsäule.

  14. @Anderer Max

    Ihre Bewertung zeigt aber dann doch eher, dass man diesen Fall nach Presse- und nicht nach Vereinsrecht hätte bewerten müssen und er deshalb erst recht in den Text gehörte.

  15. Es verwundert etwas, dass dieser Artikel es auf eine Plattform wie „Übermedien“ geschafft hat, denn dessen Prämissen sind unter nahezu jedem denkbaren Aspekt in einer Weise falsch, dass man gar nicht weiß, wo man mit dem Richtigstellen anfangen soll. Da überrascht nicht, dass auch Kristin Pietrzyk erwähnt wird, die jüngst in der TAZ wirre Verschwörungstheorien zu den Hintergründen des Verbots verbreitete. Um ein paar Aspekte herauszugreifen:

    1. Der gesamte Text basiert auf der Annahme, dass der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit über den „Umweg“ des Vereinsverbots ausgehebelt werden solle. Daran ist allein richtig, dass der Fall die Frage nach den Voraussetzungen eines (verbietbaren) Vereins aufwirft. Dass Vereine ihre Ziele – mögen diese politische Ziele verfolgen oder nicht und mögen diese Ziele verfassungsfeindlich sein oder nicht – auch mit Publikationen verfolgen (können), ist indes eine bare Selbstverständlichkeit und deshalb in die Voraussetzungen eines Vereinsverbots gleichsam „eingepreist“. Anders gewendet: Mit dem Vereinsverbot wird dem Verein die Möglichkeit des Eintretens für seine Ziele auch vermittels Publikationen genommen. Es liegt daher auf der Hand, dass daran anknüpfenden verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Frage nach den Voraussetzungen eines Verbots Rechnung zu tragen ist. Die „Umgehungsmöglichkeit“ besteht daher in Wahrheit nicht; diese tragende Prämisse des Textes ist schlicht unrichtig.

    2. Ebenso grob falsch ist die (angedeutete) These, man habe auf diese Weise den Weg zum Bundesverfassungsgericht versperrt, vor dass der Fall eigentlich gehöre. Auch die Auslegung der Verfassung ist zunächst Sache der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht kommt bei Streitigkeiten zwischen Staat und Bürger immer (!) erst anschließend zum Zuge.

    3. Ob Betreiber der Seite sich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung auch strafbar gemacht haben, ist für die Frage der Zulässigkeit eines Verbots ohne jede Relevanz.

    Klarstellung: Es ist durchaus nicht selbstverständlich, ob das Verbot hier zulässig war. Der Fall wirft insoweit eine Reihe ungeklärter Grundsatzfragen auch verfassungsrechtlicher Art auf. Die Annahme, es könnten Publikationen verboten werden, „ohne die eigentlich gebotene verfassungsrechtliche Abwägung überhaupt vorzunehmen“, ist gleichwohl grober Unfug, denn die „inhaltliche Abwägung“ ist nicht davon abhängig, auf welchem Wege der (Verbots-) Erfolg staatlicherseits angestrebt wird. Letztlich wird es deshalb in der Sache darauf ankommen, ob die Website der Verfolgung verfassungsfeindlicher Zielsetzungen diente. Eine „materiell aufgeladene“ Kritik am Verfahren geht deshalb an der Sache vorbei und soll offenbar nur der Stimmungsmache dienen.

  16. @18: Ja, aber ich bin kein Jurist.

    @19:
    https://netzpolitik.org/2019/das-verbot-von-linksunten-indymedia-und-die-zweifelhafte-rolle-des-verfassungsschutzes/

    „Daran ist allein richtig, dass der Fall die Frage nach den Voraussetzungen eines (verbietbaren) Vereins aufwirft.“
    Schade, dass Sie hier die Möglichkeit nicht genutzt haben uns darzulegen, inwieweit die Einstufung von Indymedia Linksunten (nicht Indymedia Deutschland!) als Verein legitim war.
    M. E. ist die Hauptthese die gleiche wie auf Netzpolitik: „So konnte das BMI die deutlich höheren Anforderungen für ein Verbot nach dem Telemediengesetz umgehen.“

  17. @ Th. Koch, #19

    Ich möchte Sie ebenfalls fragen, wieso linksunten.indymedia ein Verein sein soll. M.E. erfüllen die Betreiber die Voraussetzungen nicht. Stattdessen handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Deshalb sehe ich in dem vereinsrechtlichen Verbot einen ziemlich gravierenden Rechtsfehler und den eingestellten Strafverfahren kommt, insofern doch eine Bedeutung zu, da der Betrieb von linksunten.indymedia dementsprechend legal ist und i.Ü. die ganze Zeit über legal war.
    Oder übersehe ich da etwas?

    Ob tatsächlich irgendetwas abgewogen wurde oder es sich lediglich um politischen Aktivismus seitens des BMI gehandelt hat, dessen tätig werden sich bereits nach der Prämisse richtete, am Ende müsse ein Verbot stehen, möchte ich ebenso in Frage stellen, räume aber ein, dass wohl nie rauskommen wird, wer diesbezüglich nun richtig liegt. Als Indiz dient mir abermals das vereinsrechtliche Verbotskonstrukt, das schon sehr verhaltenskreativ daherkommt. ;)

  18. @21
    „Oder übersehe ich da etwas?“

    Es geht jedenfalls Einiges durcheinander:

    1. Zunächst: Die Frage, ob ein Konstrukt ein Verein ist und die Frage, ob Publikationstätigkeit eines Vereins – einen solchen unterstellt – über das Vereinsrecht unterbunden werden kann, haben nichts miteinander zu tun. Die beiden Fragen sind daher bitte zu trennen. Über den Einzelfall hinaus interessant ist nur die zweite Frage.

    2. Schauen wir uns dazu die gesetzlichen Regeln einmal an.

    a) Den „Verein“ im Sinne des Vereinsgesetzes definiert § 2 VereinsG: „Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.“

    Aus dieser Regelung folgt zunächst, dass auch eine GbR ein „Verein“ sein kann – auf die Vereinseigenschaft im Sinne des BGB kommt es nicht an. Das ist folgerichtig, denn es ist nicht ersichtlich, warum sich eine Organisation, die die Verbotsvoraussetzungen erfüllt, dem Verbot durch die Wahl der Rechtsform der GbR (oder eine andere Gesellschaftsform) sollte entziehen können.

    Maßgeblich ist daher zunächst, ob eine Personenmehrheit vorliegt. Das ist hier offenbar der Fall. Eine Tätigkeit über längere Zeit und ein gemeinsamer Zweck dürften ebenfalls vorliegen, ohne dass es darauf ankäme, wann eine „längere Zeit“ genau anfängt. Der Zusammenschluss war auch freiwillig, denn offenbar wurde niemand zur Teilnahme gezwungen. Fraglich könnte indes das Merkmal der „organisierten Willensbildung“ sein. Ich weiß zu wenig über die innere Struktur des Betreiberkollektivs, um dies abschließend beurteilen zu können. Allerdings werden insoweit nur geringe Anforderungen gestellt; das Vorhandensein einer organisatorischen Mindeststruktur reicht aus. Die Annahme eines Vereins im Sinne des Vereinsgesetzes dürfte daher jedenfalls gut begründbar sein.

    b) Die Verbotsvoraussetzungen definiert sodann § 3 Abs. 1 Satz 1 Vereinsgesetz: Ein Verein darf danach erst dann als verboten behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder (!) dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen.

    Aus dieser Regelung folgt zunächst, dass eine Strafbarkeit der Handlungen der Vereinsmitglieder (in dieser Eigenschaft) nicht notwendige Voraussetzung eines Verbots ist. Das Verbot wird daher durch die Einstellung eines Strafverfahrens nicht ausgeschlossen – von dem Problem der Bindungswirkung der Einstellung – sofern diese auf § 170 StPO beruht – für die Verbotsbehörde einmal abgesehen.

    Maßgeblich ist danach hier, ob die Tätigkeit des Vereins (oder „Vereins“) sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. In diesem Zusammenhang spielt zunächst eine Rolle, dass damit ein Tätigkeit gemeint ist, die gegen die Kernelemente der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtet ist.

    Ein weiterer Aspekt ist, dass eine grundsätzlich unproblematische Tätigkeit wie das Betreiben einer Internetplattform nicht schon deshalb gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet ist, weil auch einzelne Beiträge existieren, die beispielsweise zum gewaltsamen Umsturz aufrufen. Vielmehr kommt es auf die Zielsetzung des Vereins als solchen an. Die Annahme, dass Publikationstätigkeit durch Rückgriff auf das Vereinsrecht unterbunden werden könnte, ist daher schon aus diesem Grunde unzutreffend. Gegen einzelne rechtswidrige Publikationen – etwa Aufrufe zu Straftaten aus politischen Motiven – wäre im Einzelfall vorzugehen, nicht aber das Instrument des Vereinsverbots einzusetzen. Das ist alles in der einschlägigen Rechtsprechung geklärt.

    3. Der Fall bietet sicherlich einiges an Argumentationsmöglichkeiten dahingehend, dass es sich bei dem Betreiberkollektiv nicht um einen Verein im Sinne von § 2 VereinsG handelt und der „Verein“ als solcher sich nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Hinzu kommen weitere Fragen. So versteht sich auch die Zuständigkeit des BMI nicht von selbst. Verschwörungstheorien dahin, dass eine rechtsmissbräuchliche Umgehung von Voraussetzungen von Publikationsverboten erfolgte, entbehren aber jeder Grundlage – zumal eine solche Umgehung rechtlich gar nicht möglich ist.

  19. @ Th. Koch

    Obgleich ich nicht ganz sicher bin, ob mein überwiegend polemischer Kommentar etwas missverstanden wurde: Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.

  20. Linksunten war und ist ein Open Source-Projekt gewesen, bei denen alles und jeder Inhalte veröffentlichen konnte. Von der streng-grünen Öko-Diskussion bis hin zur Bekennerschreiben eines Anschlags. Die Plattform zu verbieten und versuchen die Betreiber zu belangen, zeugt nur von medial inszenierter Justiz oder von einem allgemeinen groben Unverständnis von derartigen Plattformen im Internet. Sie ist weder ein Verein noch eine Vereinigung noch ein Presseorgan. Vielmehr eine Gedankensammlung zahlreicher Individuen

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