Die Podcast-Kritik (7)

„Mono – meine Geschichte“ ist der Anti-Laberpodcast

mono

Was ist eigentlich ein Podcast, was zeichnet ihn aus? Wenn keine technische, sondern eine inhaltliche Antwort gefragt ist, dann landen wir schnell bei einer Version dieser Arbeitsdefinition:

Podcasts sind Gespräche – mal kurze, mal lange, mal noch längere. Mindestens zwei Menschen unterhalten sich, sprechen denkend und denken sprechend. Es gibt eine Aufzeichnung des Gesprächs, die HörerInnen auf ihren Endgeräten zeitunabhängig anhören können.

Für viele HörerInnen und MacherInnen sind Gespräche die Quintessenz, die eigentliche Qualität, die sie an diesem Medium schätzen. Für viele sind das Medium „Podcast“ und die Form „Gespräch“ nahezu synonym einsetzbar. Für den größten Teil der Podcast-Landschaft mag das stimmen, vor allem die deutsche.

Prinzipiell hätte ich auch nichts gegen eine solche Gespräche-Arbeitsdefinition für Podcasts. Wenn sie nicht eine so dominierende Rolle einnähme! Mehr als noch vor ein paar Jahren stört mich mittlerweile dieses einschränkende Verständnis davon, was ein Podcast zu sein hat und wie er zu klingen hat. In Extremfall geht der Kult um „Das Gespräch“ sogar so weit, dass schon die Bearbeitung und jeglicher Schnitt als frevelhafter Eingriff in das Heiligtum des Podcasts gilt.

Gespräche dürften zwar als Ur-Form der frühen Podcast-Evolution gelten. Aber Laber-, Plauder-, Gesprächsformate sind nicht alles und sollten es auch nicht sein. Doch ein Teil der Audio-Branche sagt auf die Frage nach den Qualitäten des Mediums gerade (wieder) sehr oft und sehr gerne: „gesprächig“.

Diese Gesprächepodcast-Lawine gewinnt so seit Jahren noch an Schwung und begräbt viele Chancen auf innovative Formate und neue Ideen unter sich. Dabei wäre in Podcasts noch so viel möglich, was noch gar nicht ausprobiert wurde.

Eine Stimme, eine Ich-Erzählung

„mono – meine Geschichte“ ist zum Glück gar nicht „gesprächig“ und verweigert sich auch in seiner zweiten Staffel dem vorherrschenden Gespräche-Kult, der gerne mal auch in fünfstündigen, gefühlt endlosen Podcasts gipfelt.

Das Konzept bei „mono“ ist einfach: Es geht „in jeder Folge um einen einzigartigen Menschen, der seine Geschichte aus der eigenen Perspektive erzählt: in seinen Worten und mit seiner Stimme“. Die Podcaster Jan Karon und Tassilo Hummel verzichten darauf, selbst gehört zu werden und geben die Bühne frei für ihre ProtagonistInnen. Damit steht der „mono“-Podcast in der Tradition der Oral History aus der Geschichtswissenschaft und schlägt in die selbe Kerbe wie die US-Podcasts „Love + Radio“ oder „The Moth“, die selten oder nie gehörten Stimmen einen Raum geben wollen.

Die Umsetzung finde ich raffiniert: eine Stimme, eine Ich-Erzählung, eine Geschichte – bearbeitet als Collage von gut zwanzig Minuten, aufbereitet mit Musik und teils weiteren Originalaufnahmen. Ich höre nur die Antworten der Protagonisten, nicht die Interviewfragen, kein Gespräch. Allein damit sticht der Podcast für mich seit seinem Start 2018 angenehm aus der Masse hervor.

Geschliffen, aber noch nicht auf Hochglanz

Die neun Folgen der zweiten Staffeln von „mono“ haben einen Feinschliff bekommen, der der ersten Staffel noch fehlte. Dort hatte ich noch einige Musikeinsätze als unstimmig empfunden. Mich über die unpassende Sprecherstimme geärgert, die zu Beginn kurz die Personen vorstellt. War deutlich häufiger mit den Ohren über nicht so gelungene Schnitte in den Aufnahmen gestolpert. Das passiert in der zweiten Staffel kaum noch. Dafür ist das charmant Raue der ersten Staffel mittlerweile verschwunden. Die Bearbeitung ist handwerklich besser und damit subtiler geworden. Nach 18 Folgen und zwei Staffeln ist „mono“ entgratet und geschliffen. Zwar noch nicht ganz bis zum Hochglanz, aber auf einem guten Weg dorthin. Ein Podcast, der seine Form schnell gefunden, sich aber weiterentwickelt hat.

Tendenziell finde ich in der zweiten Staffel die Episoden über die unbekannten Menschen fesselnder als die Episoden über Personen der Öffentlichkeit. So sind die Folgen über den Ex-Boxer und Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko oder den AfD-Mitbegründer Bernd Lucke nicht die stärksten. Eine Ausnahme bildet die Folge über die Bahnradsportlerin Kristina Vogel und ihren Trainingssturz, durch den sie querschnittsgelähmt wurde. Ihre Geschichte ist zwangsläufig deutlich persönlicher, intimer und entspricht eher einer klar strukturierten Heldinnen-Reise als die Geschichten der jeweils eher beruflich-orientierten Episoden über Klitschko und Lucke.

Persönliches als Stärke

Besonders die Lucke-Episode lässt mich grundsätzlich zweifeln, ob die Herangehensweise von „mono“ passt, um bereits vielgehörten Politikern unwidersprochen nochmal das Wort zu geben. Also Menschen ihre Geschichte formen zu lassen, die auch schon bis dato ihre eigene Geschichte gut selber formen konnten. Die Klitschko-Folge wiederum verheddert sich zu sehr im Versuch, Klitschko sowohl als Menschen und als Politiker in einem Amt zu porträtieren, sein Image bei Menschen in Kiew abzufragen und obendrein noch das Verhältnis zwischen Ukraine und Russland zu erklären. Diese verwobene Erzählung ist schon im Ansatz wieder so klassischer Politikjournalismus, dass selbst die „mono“-Bearbeitung nicht mehr für Spannung bei mir sorgt.

Den Höhepunkt der aktuellen Staffel bildet die letzte Folge über Fiona, die zwar anonym, aber dafür sehr offen und reflektiert über ihre Abtreibungen spricht. Hier kann das „mono“-Format tatsächlich seine Stärken ausspielen und schafft Raum für ein Thema, das noch immer tabuisiert wird, und für eine Stimme, die in der Diskussion über Schwangerschaftsabbrüche selten ununterbrochen gehört werden kann.

Für eine dritte Staffel von „mono“ würde ich mir deswegen wünschen: Weniger Prominenz, weniger bekannte Gesichter und Stimmen, dafür mehr Mut zu starken Geschichten von Unbekannten.


Podcast: „mono – Meine Geschichte“, eine Kooperation der Streaming-Plattform Deezer und dem „Stern“
Erscheinungsrhythmus
: Zwei Staffeln mit je neun Episoden
Episodenlänge: jeweils rund 20 Minuten; insgesamt rund sechs Stunden Hörzeit

Offizieller Claim: Einzigartige Menschen erzählen ihre Geschichten mit ihren eigenen Worten und ihrer Stimme
Inoffizieller Claim: Wie ein langer Interviewpodcat, nur gekürzt auf die besten Stellen

Geeignet für: Zwischendurch-HörerInnen, die für 25 Minuten anspruchsvoll in einer Biografie abtauchen wollen
Nicht geeignet für: HörerInnen mit Bearbeitungs-Aversion

Wer diesen Podcast mochte, sollte auch hören:„Love + Radio“ und „The Moth“

2 Kommentare

  1. Es gibt noch mehr interessante Podcasts ohne Gespräche oder zumindest nicht immer nur Gespräche.
    – Einschlafen Podcast von Toby Baier
    – Einmischen Podcast von Jenny Günther (teilweise mit Gesprächen oder Interviews)
    – Eintauchen Podcast von Linn
    – Talk Radio von Stefan Schulz
    – In trockenen Büchern von Alexandra Tobor

  2. @Marie hat sehr recht, das sind gute Projekte. Toby und Alexandra höre ich mir immer auch gern in den „Laberpodcasts“ von Holger Klein an. Was wiederum nicht gesprächig ist und bei mir noch im Podcatcher landet, ist das ARD Radiofeature. Das kommt natürlich aus dem alten Medium, ich finde aber man kann da sehr schön eintauchen, was für mich bei Themen-Podcasts das Entscheidende ist.

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