Das ist echt total ungerecht! Guido hat eins, die Barbara hat eins, und der Joko und der Hirschhausen auch! Nur ich hab keins! (Kickt schmollend ein Steinchen über den Platz.) Die haben so tolle Spielsachen, aber keiner will mit mir spielen, voll unfair! (Stampft auf und schiebt die Unterlippe weiter vor.)
Und wenn wir zwei miteinander spielen?
Au ja!
Was spielst du denn gerne?
Ich kann gut Quizsendungen.
Und was noch?
Ich kann auch gut Ratesendungen.
Hm. Was noch?
Ich kann putzig dreinschauen, guck! (Schaut putzig drein.)
Und was hab ich davon?
Weiß nicht. Die Mädels fahren jedenfalls voll drauf ab.
Na gut, wir können’s ja mal versuchen.
Super! Wie heißt du?
Bauer, und du?
Pilawa.
Na gut, das war jetzt gemein. Jörg Pilawa kann mehr als nur putzig schauen. Er kann auch grüblerisch schauen, ängstlich, erbost und überrascht – und all das tut er gleich auf der dritten Seite seines neuen Magazins „Pilawa“ aus dem Hamburger Bauer-Verlag, in einer Bilderserie, die das Editorial umschmiegt. Denn wo Pilawa drauf steht, muss auch Pilawa drin sein. Und eben: Quiz.
„Das erste deutsche Quiz-Magazin“ hat Bauer für den Moderator erfunden, und wer sich fragt, wieso vorher niemand auf diese geniale Idee gekommen ist, dem sei verraten: Ist ja längst! Bislang nannte man das bloß Rätselheft.
„Aber jetzt: Quizzen als Print!“, jubelt Pilawa
Jetzt also „Quizzen“, denn das Magazin muss ja auch auf seinen „Editor at Large“ passen: Pilawa moderiert das „Quizduell“ und „Ich weiß alles“, beides im Ersten, außerdem die NDR-Quizshow und die Rateshow „Der klügste Norddeutsche“, auch im NDR. Mit seiner TV-Produktionsfirma Herr P. macht Pilawa also so gut wie nichts anderes als Quizze, Ratespiele und Wissenswettbewerbe, und nun arbeitet Pilawa auch an „Pilawa“ redaktionell mit.
„Quizzen im TV kennen wir, Quizzen als App kennen wir, aber jetzt: Quizzen als Print“, jubelt Pilawa in einem Werbevideo zum Heft, und man ist so neugierig, wie dieses Quizzen in einer Zeitschrift wohl funktioniert, weil man sich das bislang einfach nur live und in Gesellschaft vorstellen konnte. Quizzen allein mit einem Heft ist ja ein bisschen wie mit einem Volleyball sprechen.
Trotzdem werden auf dem Titel „100 Seiten beste Unterhaltung“ angekündigt, mit Quizzen, Knobeln, Rätseln, Gedächtnistraining, einem Quizduell zum Herausnehmen für zu Hause und also insgesamt „120 Quiz-Spiele – exklusiv für Sie! & noch viel mehr!“
So vollgeknallt wie das Cover ist auch das Innere des Hefts. Unter vier Schriftarten pro Seite macht‘s das Layout nicht, die Farbgestaltung folgt dem Prinzip „Einmal mit alles“, und wo noch Weißraum droht, wird „Pilawas Blitz-Quiz“ reingequetscht: eine Frage, vier mögliche Antworten. Für zwischendurch. Und drumerhum purzelt alles wild durcheinander: Kreuzworträtsel, Sudokus, Bildersuchrätsel, Wissensquizze, Buchstabenschüttel-Rätsel, Emojis, die man in Film- und Songtitel übersetzen muss – und was zum Tüfteln.
Die Kolumne
Im wöchentlichen Wechsel gehen vier Autor/innen zum Bahnhofskiosk, entdecken dort Zeitschriften und schreiben drüber.
Sigrid Neudecker war Redakteurin der Wiener Stadtzeitung „Falter“ und gehörte von 2004 bis 2008 zur Redaktion von „Zeit Wissen“. Damals schrieb sie auch das Sex-Blog „Man muss ja nicht immer reden“ auf „Zeit Online“. Nach ein paar Jahren in Paris, wo sie versuchte, kochen zu lernen, und ein Buch darüber schrieb, ist sie seit 2017 Redakteurin im Hamburg-Ressort der „Zeit“.
In den nächsten Wochen schreiben: Cordt Schnibben, Johanna Halt und Arno Frank. Ältere Ausgaben in unserem Archiv.
Doch ich stelle jetzt einmal eine etwas steile These auf: Ich glaube, dass wir Rätselfans tendenziell eher sortenrein sind. Es gibt Anhänger simpler Kreuzworträtsel, die mit dem üblichen Wortrepertoire vom germanischen Wurfspeer bis zur Hauptstadt der Schweiz gefüllt werden. Dann gibt es Sudoku-Süchtige. Dann Menschen, die tatsächlich längere Zeit an einer Denkaufgabe kiefeln und gefordert werden möchten. (Und seit Wochen knapp davor sind, das „New York Times Crossword“ zu abonnieren, ich sag’s, wie’s ist.) Wieder andere haben die App „Quizduell“ auf dem Smartphone, weil sie live gegen jemanden spielen und ihre Überlegenheit sofort bestätigt wissen wollen.
Ich vermute, dass wir alle relativ wenig miteinander zu tun haben. Wieso also ein Heft für alle? Ich als Tüftlerin überblättere mindestens die Hälfte. Sudokisten bekommen nur eine Doppelseite. Kreuzworträtsler müssen bis Seite 22 blättern, dann auf Seite 36, dann weiter zu…
Das Verbindende an „Pilawa“ ist: immer wieder Pilawa. Grübelnd, lachend, ratlos („Manchmal bin ich mir selbst ein Rätsel“), die Lippen schürzend, die Arme ausbreitend. Wer sich im Fernsehen noch nicht an ihm sattgesehen hat, schafft das hier ohne Probleme. Personality! Der Chefredakteur des Hefts interviewt seinen eigenen Editor at Large, und bei den Fragen geht es um – na, wer errät’s? – genau: Rätsel!
„Was war das erste Rätsel, das Sie gelöst haben?“
„Puh, da muss ich nachdenken, ist ja schon ein Weilchen her.“
(Die spannende Auflösung: siehe unten.)
Dann kommt selbstverständlich die Frage, was Pilawa an seiner Ehefrau noch rätselhaft findet. Die Antwort ist eher kryptisch, hat irgendetwas mit Reden im Bett zu tun („Es ist mir ein Rätsel, warum Irina in der Horizontalen so leidenschaftlich sprechen kann“) und ist eines von mehreren Dingen in diesem Heft, die man eigentlich ohnehin nicht wissen wollte.
Rätselhaft ist, welche Funktion der Textchef bei diesem Magazin hat, wenn er einen Satz wie „Das Schöne ist, wenn man sich schon so lange kennt, dass einen die Macken des anderen nicht mehr wirklich überraschen“ durchgehen lässt. Oder einen wie „Im TV treffe ich oft Quiz-Fans – aber es gibt noch viel, viel mehr.“ Viel mehr was?
„Flotter Dreier“ für „Frauen 40+“
Gut, „Pilawa“ wendet sich laut Verlag an „Frauen 40+“, und Kundinnen, die Rätselhefte kauften, kauften auch Schlager-CDs und Bärchenanhänger für ihre Rucksäcke. Aber muss es so trashig sein? Gedruckt ist das Ganze auf so dünnem Papier, dass man manchmal beinahe die Auflösungen auf der nächsten Seite durchsieht. Das wirre Layout macht es schwer, sich zurecht zu finden, was möglicherweise aber auch System hat und eine Zusatzschikane sein soll, wenn man etwa beim „Flotten Dreier“ jede Frage in 60 Sekunden beantworten soll. (Kriegt aber eh nur der Volleyball mit, wenn man schummelt.)
Dazwischen gestreut sind Artikel aus dem weiteren Quiz-Umfeld, etwa ein Besuch bei Heinrich Trapp aus Niederbayern, der 1977 sechsmal hintereinander Sieger bei Wim Thoelkes „Der große Preis“ war. Unter dem Titel „Rätselhaftes Leben“ wird der Frage nachgegangen, ob es Menschen gibt, die Gedanken lesen können – und völlig themenverfehlt mit einem Bild aus der TV-Serie „The Mentalist“ illustriert. Die Doppelseite „So quizzt Deutschland“ zeigt dann noch einmal, dass Deutschland eigentlich lieber in Gesellschaft quizzt, eben in Kneipen oder wenigstens via App.
„Ich hoffe, Sie hatten so viel Spaß wie ich!“
Zu gewinnen gibt es natürlich auch etwas! Nicht nur die auf dem Cover angekündigten 10.000 Euro, sondern auch – Sie werden es beim Magazin „Pilawa“ und der Headline „Willkommen bei Jörg Pilawa“ nie erraten – ein Treffen mit Jörg Pilawa! Dazu müssen Sie aber immerhin wissen, dass er sich am liebsten Nutella aufs Brot schmiert.
Am Schluss des Heftes fragt Jörg Pilawa, sich die Hände reibend:
„Schon fertig? Das ging ja fix! Ich hoffe, Sie hatten so viel Spaß wie ich!“
Und man fragt sich, ob Jörg Pilawa mit „Pilawa“ wirklich so viel Spaß hatte, oder ob er einfach nur resigniert und demnächst auch noch den ersten Quiz-Podcast, das erste Quiz-Bier und die ersten Quiz-Socken herausbringt. Besser nicht. Denn ob das mit dem ersten deutschen Quiz-Magazin wirklich eine gute Idee war, ist eines der wenigen Rätsel, die nicht aufgelöst werden. Schließlich wird dadurch auch nicht TV-quizshowaffinen Menschen wie mir krachend bewusst, dass Jörg Pilawa tatsächlich so gut wie nichts anderes moderiert. Und wenn, will ich es nach diesem Pilawa-Overkill auf keinen Fall mehr sehen.
(Auflösung: Pilawas erstes gelöstes Rätsel war „die Zahlenkombination des kleinen Tresors meines Vaters“.)
3 Kommentare
Da ich nicht zur Zielgruppe „Frauen 40+“ gehöre, brauche ich das Heft ja nicht zu kaufen.
Glück gehabt, keine Ablenkung von Gesprächen mit meinem Volleyball.
Wilson, you´re the best!
Unserere WIP-Pressedatenbank belegt: „Das erste Quizmagazin“ ist falsch. Schon vom September 1972 bis Mai 1973 versuchte sich Klambt mit dem wöchentlichen „fz – freizeit journal“ – Show, Quiz, Rätsel, Romane.
Und vom Februar 2001 bis zum Juli 2001 erschien bei Dino Entertainment monatlich „Quiztime“ in Zusammenarbeit mit SAT.1 – Gewinnspiele, Infos zu TV-Quiz-Shows.
Also mein Sohn (10) findet „Pilawa“ klasse. Jede Menge hübsch aufgemachte Quizfragen, die man Oma und Opa stellen kann. Ich bin mir sicher, dass Oma auch die nächste Ausgabe kaufen wird. Tut doch keinem weh!
Da ich nicht zur Zielgruppe „Frauen 40+“ gehöre, brauche ich das Heft ja nicht zu kaufen.
Glück gehabt, keine Ablenkung von Gesprächen mit meinem Volleyball.
Wilson, you´re the best!
Unserere WIP-Pressedatenbank belegt: „Das erste Quizmagazin“ ist falsch. Schon vom September 1972 bis Mai 1973 versuchte sich Klambt mit dem wöchentlichen „fz – freizeit journal“ – Show, Quiz, Rätsel, Romane.
Und vom Februar 2001 bis zum Juli 2001 erschien bei Dino Entertainment monatlich „Quiztime“ in Zusammenarbeit mit SAT.1 – Gewinnspiele, Infos zu TV-Quiz-Shows.
Also mein Sohn (10) findet „Pilawa“ klasse. Jede Menge hübsch aufgemachte Quizfragen, die man Oma und Opa stellen kann. Ich bin mir sicher, dass Oma auch die nächste Ausgabe kaufen wird. Tut doch keinem weh!