Mehr über Donald Trump
Da sind sie bei „Bild“ ja mächtig stolz! Sie hatten diese Woche keinen Geringeren als US-Präsident Donald Trump im Interview. Naja, tatsächlich hat Trump dem US-Magazin „Politico“ ein Interview gegeben, nicht „Bild“. Aber „Bild“ und „Politico“ gehören beide zum „Global Reporters Network“ des Axel-Springer-Verlags und sind daher so etwas wie Geschwister. Deshalb kann man das Trump-Interview auch bei „Bild“ anschauen.
Und weil man bei Springer so stolz ist auf den Coup – oder sollte man besser sagen: auf die exklusiven Lügen? – sah die „Bild“-Startseite am Dienstag zeitweise so aus:

Trump rechnet also in „Bild“, so stand es da, mit „unserer Migrationspolitik“ ab – und mit ganz Europa. Er wirft der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel Versagen vor und behauptet tatsächlich, vor 2015, also vor der Migrationskrise, habe es in Deutschland gar keine Kriminalität gegeben – und „Bild“ macht daraus eine fette Überschrift:
„Deutschland war faktisch kriminalitätsfrei“
Dass das „faktisch“ nicht stimmt und einfach Bullshit ist, steht nirgends. Stattdessen hat „Bild“ in der faktenfreien Überschrift sogar auch noch das Wort „faktisch“ ergänzt. Trump selbst sagte im Interview lediglich: „Germany was crime free.“
Dass Trumps Behauptung eine Lüge ist, stellt weder Interviewerin und „Politico“-Chef-Korrespondentin Dasha Burns im Gespräch klar, noch erfährt man es im „Bild“-Text von Filipp Piatov, dem stellvertretenden Leiter des Politikressorts. Dessen Beitrag betet vor allem Trumps markigste Aussagen in direkter oder indirekter Rede nach.
Dabei wissen sie ja bei „Bild“, dass Donald Trump Lügen verbreitet. Wer weiß es nicht? Eine kurze – wenn man das überhaupt so nennen kann – Einordnung zu dem Trump-Zitat gibt es immerhin von „Bild“-Moderator Thomas Kausch, der mit Dasha Burns ein Interview über ihr Interview geführt hat. Kausch spielt den Ausschnitt über Angela Merkels angebliches Versagen ein und sagt anschließend:
„Dass es vor 2015 keine Kriminalität in Deutschland gab, stimmt natürlich nicht“.
Kausch lacht dabei und geht dann lapidar über zur nächsten Frage an seine US-Kollegin.
Es wirkt wie Resignation. Als hätte man sich längst abgefunden. Als seien Lügen des US-Präsidenten halt normal. Als müssten die Zuschauer damit klarkommen. Und als müsste man das eigentlich nicht nochmal erwähnen. Dabei muss man das, immer wieder.
„Flood the zone with shit“, so hat Trumps früherer Berater Steve Bannon die Taktik beschrieben: Alles, auch und vor allem Medien, mit Scheiße überfluten, jeden Tag. Unendlich viele Behauptungen und Lügen. Und statt diesen etwas entgegenzusetzen, haben sich „Politico“ und vor allem „Bild“ offenkundig entschieden, ein ausgiebiges Bad in diesem Jauchefass zu nehmen.
Auch rassistische Anspielungen, etwa auf den Nachnamen des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan, der pakistanische Wurzeln hat, bleiben größtenteils unwidersprochen. Wie viele weitere Behauptungen, zum Beispiel, dass europäische Länder „verfallen“ würden. Oder dass ein Angriff des US-Militärs auf ein Boot mutmaßlicher Drogenschmuggler 25.000 Amerikanern das Leben gerettet haben soll.
Trump nutzt das 45-minütige Gespräch vor allem dafür, andere Politiker für dumm zu erklären (ausgenommen Victor Orbán aus Ungarn), seinem Vorgänger Joe Biden einen niedrigen IQ zu attestieren (auch nicht neu) und zu signalisieren, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj selbst Schuld sei, wenn er den „Friedensplan“ nicht akzeptiere und es weiter Tote in der Ukraine gebe.
Vieles, was Trump sagt, war schon bekannt. Man ist nach dem Interview deshalb ungefähr so schlau wie vorher. Oder womöglich sogar dümmer.
Dasha Burns stellt auch Fragen, über die sich der US-Präsident sichtlich freut. Zum Beispiel, welche Note er der Wirtschaft geben würde. Antwort: Eine eins. Eine eins mit fünf Sternen. Natürlich.
Mittlerweile sind bei „Bild“ fast ein Dutzend Meldungen zum „Politico“-Interview mit Trump erschienen. Es geht dabei nicht um Erkenntnis, es geht um Content, Klicks und Show. Es ist eine Journalismus-Simulation zur Schlagzeilen-Produktion. Und „Bild“ wird dabei auch nicht müde, in Klammern immer wieder das Alter der Interviewerin (33) zu betonen – was so bei anderen (männlichen) Kollegen eigentlich nie gemacht wird.

Im Interview über das Interview erzählt Dasha Burns auch, wie respektvoll der Präsident gewesen sei. Jener Präsident, der es sich auch im Gespräch nicht nehmen lässt, gegen „Politico“ auszuteilen. Und der Burns namentlich auf dem Medienpranger des Weißen Hauses listet, einer Seite, auf der Journalist:innen öffentlich diskreditiert werden.
Dass Dasha Burns auf dieser „Schwarzen Liste“ steht, macht „Bild“ ebenfalls zur Meldung. Warum sie dann aber trotzdem Donald Trump interviewen durfte, erfährt man nicht. „Bild“ übernimmt dafür ausführlich die Perspektive des Weißen Hauses auf angebliche „Media Offenders“ wie „Politico“ und Burns:
„Der Vorwurf: Die Medien hätten mit unvollständigen Daten ein falsches Bild von Trumps Kriminalitäts-Politik in Washington D.C. verbreitet. Auslöser war ein Eintrag im Politico-Newsletter ‚Playbook‘, in dem ein WSJ-Artikel zitiert wurde. Das Weiße Haus spricht von einem ‚Hoax‘ – also einer gezielten Falschmeldung – und nennt das eigene Pranger-Portal einen ‚Dienst an Wahrheit und Transparenz‘.“
Toll. „Bild“ zitiert, was das Weiße Haus, was Trump behauptet – ohne die Kollegen und deren Berichterstattung zu verteidigen. Ohne zu erwähnen, welche Belege sie haben für das, was sie schreiben.
Trump ist mit so einem Interview natürlich zufrieden, was für eine Überraschung. Und „Bild“ ist sich nicht zu blöd, selbst das feierlich zu vermelden:
„Donald Trump lobt großes ,Politico‘-Interview“
Ein US-Korrespondent des Blatts berichtet über eine Rede Trumps am Dienstag in Pennsylvania – und seine „ungewohnten Töne“.
„Zwar kanzelte er wie gewohnt die Presse generell als schrecklich ab, doch das Interview mit Dasha Burns (33) bewertet er als ‚gut‘ und ‚fair‘.“
Na, da schau an! Als wäre ein solches Lob aus Trumps Mund ein eine Auszeichnung. Es ist eher ein Armutszeugnis. Etwas, wo man sich fragen müsste: Was ist schiefgelaufen?
Schon seit Trumps erster Amtszeit ringen Medien damit, wie man seiner Mischung aus Irrsinn, Lüge und Desinformation begegnet, ohne sie zu reproduzieren. Manchmal gelingt das, häufig nicht. Und Trump – wie „Politico“ und „Bild“ – derart die Bühne zu bereiten und all den shit, den er verbreitet, auch noch mit großen Schlagzeilen zu adeln, das ist schon ein besonders peinlicher und auch schädlicher Fehlgriff.
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Dass das geneigte Publikum abseits der True-Crime-Blase sich vielleicht noch erinnert, dass es „früher“, also vor 10 oder 20 Jahren, das eine oder andere Verbrechen gab und diese Überschrift insofern ausnahmsweise Mal alleine einordnen könnte, ist vielleicht nur das halbe Argument.
Aber im Vergleich zu den USA ist D. immer noch „crime-frei“, also wo ist da der Diss?