
Clint Eastwood, der „Kurier“ und die alte Methode, uralte Interviews zu kopieren
Der „Kurier“ in Österreich hat gerade Ärger mit Clint Eastwood, das passiert auch nicht alle Tage. Dass sich ein US-Schauspieler über eine Zeitung aus Österreich beschwert.

Eastwood hatte vorgestern gegenüber dem US-Filmmagazin „Deadline“ erklärt, er habe in den vergangenen Wochen niemandem ein Interview gegeben, auch nicht „einer österreichischen Publikation namens ,Kurier’“. Doch die hatte genau das suggeriert, als sie Ende voriger Woche ein Gespräch mit Eastwood veröffentlichte, anlässlich seines 95. Geburtstags. Es sei „komplett gefälscht“, sagte Eastwood nun – und der „Kurier“ musste das vermeintliche Interview wieder löschen, weil es eben nie so stattgefunden hat.
Bastelarbeit aus mehreren Jahren
Die langjährige „Kurier“-Autorin Elisabeth Sereda, die auch für den öffentlich-rechtlichen ORF und die „Kronen Zeitung“ aus Hollywood berichtet, hat es, so sagt sie jetzt, aus alten Interviews zusammengesetzt, die mehr als fünf Jahre zurückliegen. Mindestens. Sie räumt sogar ein, das bei anderen Interviews schon so gemacht zu haben, etwa zu Eastwoods 90. Geburtstag. Ihr damaliges Interview stamme „ebenfalls aus früheren Interviews mit Eastwood“, vor allem aus dem Jahr 2019, sagte sie dem „Standard“. Das letzte Mal, erklärte sie im ORF, will sie mit Eastwood „vor der Pandemie“ geredet haben.

Gegenüber dem „Spiegel“ nennt sie diese Methode ein „,Best-of’ seiner Aussagen“. Das stand nur nirgends im „Kurier“. Sereda findet das nicht so schlimm. Sie betont nun in verschiedenen Medien, es sei doch nie von Exklusivität oder Aktualität die Rede gewesen, im Gegenteil. Oder wie sie dem „Spiegel“ ernsthaft erklärte:
„Weder der ,Kurier’ noch ich haben geschrieben: ,Lesen Sie ein aktuelles Interview mit Clint Eastwood.’“
Ohnehin sei es bei Geburtstagsstorys doch üblich, „die besten Fragen und Antworten einer Persönlichkeit zusammenzufassen“.
„Höchste Qualität“
Der „Kurier“ sieht das auch so, er sieht aber ebenfalls, dass das halt kein Porträt war, in dem man alte Sachen munter verwursten kann, sondern ein Interview, vermeintlich aus einem Guss, das aktuell erschien. Was natürlich nicht geht, damit führt man Leser hinters Scheinwerferlicht. Das entspreche, so „Kurier“-Chefredakteur Martin Gebhart, „nicht den Qualitätsstandards, die der ,Kurier’ aufrecht erhält“. Der „Kurier“ lege nämlich immer „Wert auf höchste Qualität“, schrieb er am Dienstag in einem Statement.
Aber dass es gefälscht gewesen sei, wie Eastwood behaupte, das will Chefredakteur Gebhart nicht durchgehen lassen. Die Aussagen seien ja dokumentiert, nichts sei erfunden. Insgesamt 18 Mal habe Sereda Eastwood bei Roundtables getroffen, das habe sie „überzeugend dargelegt“. Sogenannte Roundtables sind Interview-Runden in Hollywood, bei denen mehrere Journalisten aus dem Ausland gleichzeitig Stars interviewen.
Ob es aber wirklich 18 Talks waren, ist gar nicht so „überzeugend“. Sereda selbst spricht in Interviews von 14 Gesprächen. Und dass davon lediglich „viele“ bei Roundtables stattfanden, also offenbar nicht alle. Aber alle sollen aufgezeichnet worden sein. Ob sich der „Kurier“ die Aufnahmen oder Transkripte hat vorlegen lassen, ist nicht bekannt.
Auch wenn also nichts erfunden, nichts gefälscht sei, will der „Kurier“ trotzdem nicht mehr mit seiner Autorin zusammenarbeiten, „weil uns Transparenz und unsere strengen redaktionellen Maßstäbe über alles gehen“, wie Gebhart mit einem mittelschweren Anflug von Pathos erklärt. Doch vielleicht sind die Maßstäbe gar nicht so streng, sondern eher so lax, dass Sereda mit dieser und anderen Montagen locker durchkam.
Die alte Kopierfabrik
Der „Kurier“ hätte wissen können, dass es in der Vergangenheit bereits Fälle gab, in denen Hollywood-Reporter Interviews mit Top-Stars, von denen einige nur selten mit der Presse reden, montiert, frisiert, teilweise erfunden haben. Dass man also genau hinschauen sollte, wenn es einem ernst ist mit Qualität und redaktionellen Regeln.

Der Bauer-Verlag, der die Fabrikationen druckte, hatte damit aber kein Problem, auch als es bereits zahlreiche Hinweise auf diese Methode gab. Er schrieb sogar auf Anfrage von Übermedien, Brettschneider sei „ein renommierter, von der Branche geschätzter Journalist, der seit Jahrzehnten tadellos arbeitet“. Mit seinen Interviews sei „alles in Ordnung“. So genau nehmen es manche Verlage.
Die dubiose HFPA
Brettschneider war Mitglied in der Hollywood Foreign Press Association, kurz: HFPA. Wie Elisabeth Sereda. „Kurier“-Chefredakteur Gebhart erwähnt das in seiner Erklärung. Ihre Nähe zu den Stars sei „fraglos bekannt“:
„Sie ist auch unter anderem darin begründet, dass Sereda Mitglied der Hollywood Foreign Press Association ist. Also jener Vereinigung, die die Golden Globes vergibt und für internationale Medien aus Hollywood berichtet.“
Das klingt wie ein Prädikat. Ist es aber nicht.
Erstens hat sich der Verband im Jahr 2023 aufgelöst, nachdem ihm Rassismus und mangelnde Diversität bei den Golden Globes vorgeworfen wurden; der Preis wird nun von der Golden Globe Foundation vergeben. Und, zweitens, war die HFPA ein umstrittener, dubioser Club einer kleinen Elite, der lange in dem schlechten Ruf stand, dass sich seine Mitglieder gerne mit netten Geschenken korrumpieren ließen.
Ein Vorteil der Mitgliedschaft, neben Geschenken und exklusiven Zugängen: die erwähnten Roundtables. Weil die Abschriften dieser Gespräche allen Mitgliedern der HFPA zur Verfügung gestellt wurden. Auch das erwähnt Gebhart. Die Abschriften stünden anschließend „zur freien Verwendung“. Was eben auch heißt, dass sich Leute wie Brettschneider oder Sereda daraus bedienen können, etwa für die Montage eines kleinen Interviews, das sie als Eigenleistung ausgeben. Auch wenn Sereda behauptet, sie habe an allen Roundtables mit Eastwood teilgenommen – so 14- bis 18-mal, who knows.
Weitere Montagen? Wird geprüft
Der „Kurier“ hat ihre Autorinnen-Seite inzwischen gelöscht. Dort aufgelistet fanden sich noch viele weitere Interviews mit Stars, die noch abrufbar sind: mit Sarah Jessica Parker etwa, George Clooney, Brooke Shields – sie hatte sie angeblich alle. Würde man dort wohl auch auf Ungereimtheiten stoßen, suchte man genauer nach?
Ja. Der ORF will bereits in Interviews mit Jude Law, Mia Farrow und Ben Affleck auf Aussagen gestoßen sein, die auch anderswo wortgleich fielen, zum Beispiel in einem Video der Nachrichtenagentur Associated Press. Das ist noch kein Beweis, dass Sereda dort abgeschrieben hat, Prominente erzählen mitunter in verschiedenen Interviews die immergleichen Dinge. Aber es könnte ein Indiz sein, dass auch Sereda sich hie und da bedient hat, ohne die Quelle offenzulegen. „Best-of“, wie sie es wohl nennen würde.
Der „Kurier“ will das nun überprüfen. „Das müssen und werden wir uns anschauen“, sagte Gebhart gegenüber dem „Standard“. Weil das bisher, trotz der strengen redaktionellen Regeln beim „Kurier“, offenbar irgendwie niemandem aufgefallen war.
Und worüber sich der „Kurier“ nun mit Sereda streitet. Sie behauptet gegenüber dem „Standard“, die Zeitung sei „natürlich“ über ihre Arbeitsweise informiert gewesen. Gebhart hält dagegen, der Text sei „als Interview abgeliefert“ worden, und die Arbeitsweise sei im Mailverkehr mit ihm und der Redaktion „nie auch nur angedeutet worden“.
Aber vielleicht hätte man es ahnen können? Spätestens als ein US-Star zu seinem 95. Geburtstag angeblich ausgerechnet dem „Kurier“ aus Österreich ein Interview gab?
Der Autor

Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war Redakteur bei der „taz“ und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Dort hat er über zehn Jahre als freier Autor für verschiedene ARD-Redaktionen gearbeitet, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“ und das Satiremagazin „Extra 3“.
Dass man Eastwood dann ausgerechnet mit „Mach etwas Neues oder bleib zu Hause“ zitiert, ist ja eine besonders feine Ironie.
Es muss „und trennt sich von ihrer Hollywood-Reporterin“ heißen. Sorry, der Monk in mir. Grüße aus Bremen :)
@Christian: Völlig richtig, danke! Viele Grüße!
Solche Aussagencollagen fallen m.E. in diese Kategorie: Gedächtnisprotokoll*, „nun zu unserem XYZ-n-Reporter in New York“, wortwörtliche direkte Zitate oder spontane, nicht aufgezeichnete Kollegengespräche.
Ob in TV, Radio oder Print: Eine eigentlich nicht okaye Praxis hat sich über lange Zeit eingebürgert, weil alle davon profitieren und es niemanden stört. Bis es irgendwann doch jemanden stört. Und ob dann wirklich eine Änderung auf breiter Front folgt, ist immer noch fraglich.
(* wobei es in der Gedächtnisprotokoll-oder-nicht-Frage allerdings um potenziell Strafbewehrtes geht)