Die falsche Antwort auf die Kritik an der „Tagesschau“
Georg Restle leitet die Redaktion des Magazins „Monitor“ im Ersten Deutschen Fernsehen. Gestern am frühen Abend hat er – unter dem Eindruck der Anwürfe, die ARD habe in ihren Nachrichtensendungen die Herkunft des mutmaßlichen Sexualmörders von Freiburg bewusst verschwiegen – eine Replik geschrieben. Liest man den Text nicht als Ganzes, sondern Satz für Satz, versteht man besser, warum das kein Öl auf Wogen, sondern mitten ins Feuer ist.
Er beginnt mit:
Da kocht die Volksseele.
Das ist ungeschickt und bereits so polemisch wie die Vorwürfe.
Als säßen in Hamburg Journalisten, die nichts Besseres zu tun hätten, als Straftaten mit ausländischen Tatverdächtigen Fall für Fall auszusortieren.
Das ist natürlich richtig, aber „nichts Besseres zu tun“, lässt sich auch sehr hochnäsig lesen.
Als wäre relevant nur das, was interessiert.
Auch das ist nicht falsch, aber für die Unterscheidung der Gewichtung von „relevant“ und „interessiert“ ist sein Text zu kurz, und so wird es zur Abwertung eines vermeintlichen Interesses, das er bestreitet.
Ja natürlich: Der gewaltsame Tod einer 19-jährigen Studentin […] beunruhigt.
Das „Ja natürlich“ liest sich wie ein „Bla-bla“, weil Restle an dieser Stelle nicht ruhig bei den Fakten bleibt, sondern wertet und sagt:
[Der Mord] macht Schlagzeilen, weil er ein Narrativ bedient: Die Geschichte vom sexualisierten, gewaltbereiten Fremden, der deutsche Frauen meuchelt – und das auch noch mitten in der grün-alternativen Herzkammer der Republik.
Das Bullshit-Wort „Narrativ“ und die „grün-alternative Herzkammer“ dienen nicht der Versachlichung, sondern sind nur aufgeblasene Rhetorik.
Mit den beiden wichtigsten Aussagen, die er treffen möchte, um die Berichterstattung bzw. Nichtberichterstattung der Redaktion der „Tagesschau“ zu erklären – und sie ist sachlich erklärbar – zerstört er schließlich seine gesamte wohlgemeinte Intention: Er will sagen, dass die „Tagesschau“ nicht über jedes Tötungsdelikt berichten kann und die Gefahr, zum Opfer eines Sexualdelikts mit Todesfolge durch einen Flüchtling zu werden, statistisch gering ist.
Leider sagt er aber:
Im Jahr 2015 wurden in Deutschland insgesamt 11 (in Worten: elf!) Tatverdächtige wegen Mordes im Zusammenhang mit einem Sexualdelikt ermittelt. Darunter waren zehn Deutsche. Die Gefahr, in Deutschland von einem Flüchtling vergewaltigt und ermordet zu werden, ist also gleich Null.
Mit dieser rechnerisch fragwürdigen und angesichts des Ereignisses unangemessenen Wahrscheinlichkeitsrechnung legt er den Rassisten den Ball endgültig auf den Elfmeterpunkt.
Ich bin sehr weit entfernt davon, „Lügenpresse“ zu rufen und ich habe die Berichterstattung der „Tagesschau“ auch nachvollziehen können. Allerdings glaube ich vor allem, dass wir den Populismus nicht durch Gegenpopulismus bekämpfen können. Diese sprachliche Unschärfe und genervte Schnoddrigkeit, mit der man in sozialen Netzwerken für „Engagement“ und „Traffic“ sorgt, zerstören Stück für Stück die Glaubwürdigkeit.
„Mit dieser rechnerisch fragwürdigen und angesichts des Ereignisses unangemessenen Wahrscheinlichkeitsrechnung legt er den Rassisten den Ball endgültig auf den Elfmeterpunkt.“
Warum? Wie kommt Herr Breuer zu diesem Schluss?
Ich stimme dem Autor in fast seiner ganzen Analyse zu. Aber diese Folgerung kann ich nicht im geringsten verstehen.
Apropos sprachliche Unschärfe: Bis zum letzten Absatz finde ich die Kritik i.W. nachvollziehbar – aber „Gegenpopulismus“? Es mag ja beliebt sein, Gegensatzpaare zu suchen, um beide gleichermaßen schlimm zu finden und sich von beiden abzugrenzen. Falsch bleibt es trotzdem. Restles Einlassungen mögen polemisch, arrogant, unangemessen und der Sache nicht dienlich sein, aber populistisch sind sie ganz sicher nicht. Und sie erreichen auch nicht im Mindesten die Qualität des populistischen Shitstorms, gegen den sie sich wenden.
Nochmal Apropos sprachliche Unschärfe: „Er will sagen, dass die „Tagesschau“ nicht über jedes Tötungsdelikt berichten kann und die Angst, zum Opfer eines Sexualdelikts mit Todesfolge durch einen Flüchtling zu werden, statistisch selten ist.“ Keine Ahnung ob die Angst zum Opfer […] zu werden statistisch selten ist, aber hat der Autor die überhaupt gemeint? Statistisch unwahrscheinlich würd ich sagen ;)
Stimme Earendil zu. Das mit dem „Gegenpopulismus“ passt ganz und gar nicht.
Ansonsten kommt mir diese Exegese von Herrn Breuer bei so einem so relativ kurzen Text wie dem von Georg Restle etwas merkwürdig vor. Ja, Restle hat da durchaus polemisch etwas „Dampf abgelassen“; nicht alles passt, manches ist wirklich mehr als unglücklich (insbesondere der Hinweis auf die statistisch abgeleitete Gefahr, Opfer eines Sexualmords durch einen Flüchtling zu werden), aber sind es wirklich solche Reaktionen von Journalisten, die „Stück für Stück die Glaubwürdigkeit zerstören“? Das kommt mir etwas überdehnt vor. Auch dieses Verteilen von B-Noten bei einzelnen Formulierungen, finde ich jetzt eher nicht so relevant – wie die Wertung, was sich nach Breuer „sehr hochnäsig lesen lässt“; oder die Ausdrücke, die er so für „Bullshit-Wörter“ und „aufgeblasene Rhetorik“ hält (auch wenn einem das Modewort „Narrativ“ natürlich auf den Keks gehen kann).
„Allerdings glaube ich vor allem, dass wir den Populismus nicht durch Gegenpopulismus bekämpfen können. Diese sprachliche Unschärfe und genervte Schnoddrigkeit, mit der man in sozialen Netzwerken für „Engagement“ und „Traffic“ sorgt, zerstören Stück für Stück die Glaubwürdigkeit.“
Mh, schön – wir wissen jetzt also, wie man Ihrer Meinung nach Populismus _nicht_ bekämpft, sprachlich schärfer wäre es allerdings gewesen, an dieser Stelle aufzuzeigen, wie es geht.
Mit Argumenten ist dem „Volk“ – also denen, die sich mit Alleinvertretungsanspruch dafür halten und denen durchaus die Seele und so manches andere kocht, so sehr, dass die Hirne schon ganz weich sind – nämlich auch nicht beizukommen. Die eher harmlosen Belege dafür liefert der Nachbarthread zum Tagesschau-Shitstorm ja zur Genüge. Und das sind noch die harmloseren Vertreter der Gattung „Volk“, die bei denen nicht jedes zweite Wort dem Fäkal- und Gewalttäterwortschatz entstammt.
Ich würde gerne was zur Diskussion stellen wollen:
Einerseits, ja, der Monitor-Text ist nicht gut, er ist unangenehm formuliert, er ist tatsächlich auf eine Art und Weise pampig, dass man ihn nach entsprechender Analyse, dich durchaus teile, ablehnen möchte. Ok.
Andererseits: Ist er wirklich für eine Verallgemeinerung geeignet, um also als Symbol für einen verbreiteten fehlerhaften Umgang mit gewissen Äußerungen aus einer gewissen Richtung stehen? Ist das ein tonales Problem, das andere auch haben? Wirklich? Wer denn? Oder auch: Muss man nun wirklich alles was gesagt wird, neuerdings vor dem Hinterrgrund, dass es inzwischen einen Lügenpresse schreienden Mob gibt, in besonderer Weise diskutieren und gar entschärfen? Sind diese Leute zwangsläufig immer mit Samthandschuhen anzufassen?
Ich habe mit der Verallgemeinerung am Schluss arge Probleme. Sie enthält den Vorwurf, dass fast generell falsch auf Lügenpressevorwürfe reagiert wird. Ich erkenne jedenfalls nicht, wo ein überspitzter Ton für den Autor noch ok sein könnte und wann es „Gegenpopulismus“ darstellt. Da nimmt man also unvorsichtiger Weise andere möglicher Weise unberechtigte einem Verdacht falschen des „Gegenpopulismus“ aus.
Ich würde mich #1, #3 anschließen. Misslungene Polemik ja, Populismus nein. Und Kausalitätsverkehrung.
Ich mag Restles Kommentar. Ich mag jeden, dem angesichts der Machenschaften der „Alternativen deutschen Volksfront“ ab und an mal der Kragen platzt. Man ist ja auch nur ein Mensch.
Morgen sind wir dann alle wieder sachlich und schreiben so tolle Sachen wie: „Nein, Herr Bröselhans, da sind Sie leider falsch informiert. Wir leben nicht in einer Diktatur, und für eine Kanzlerin ist es physisch unmöglich, Geschlechtsverkehr mit dem eigenen Knie zu vollziehen.“
„..legt er den Rassisten den Ball endgültig auf den Elfmeterpunkt“.
Das ist leider auch Polemik, um nicht zu sagen Populismus.
Es unterstellt nämlich, dass alle, die die Nichtberichterstattung durch die Tagesschau kritisieren Rasisten sind.
Merke: Ein bischen mehr Grautöne schaden nie.
Ansonsten ist die Replik aber logisch und richtig.
Die Replik richte sich ja nicht bloß ans „gemeine Volk“, sondern auch an andere Journalisten, die sinngemäß beklagten, dass die Berichterstattung der Tagesschau den Ruf der Medien als „Lügenpresse“ bestärkten.
Was natürlich insofern schon Blödsinn ist, als dass es dem Stern ja nur Recht sein kann, wenn er am rechten Rand nach Leserschaft fischt und die Tagesschau nicht: eine Konkurrentin weniger.
Aber natürlich hätte es eine Nummer oder zwei weniger polemisch auch getan.
@ MAXILIMILIAN, #5
»Muss man nun wirklich alles was gesagt wird, neuerdings vor dem Hinterrgrund, dass es inzwischen einen Lügenpresse schreienden Mob gibt, in besonderer Weise diskutieren und gar entschärfen?«
Nein, muss man nicht, da bin ich ganz bei Ihnen. Wenn man es aber tut, dann sollte man sich schon überlegen, wen und was man mit seiner Replik erreichen will und welche Stilmittel dazu geeignet sind. Restles Statement vermittelt auch mir nicht den Eindruck, als wolle er einen Sachverhalt erklären, sondern lediglich klarstellen, dass es keiner Erklärung bedarf. „Genervte Schnoddrigkeit“ trifft es ziemlich gut, wie ich finde. Und da stellt sich in der Tat die Frage, ob man’s konsequenterweise nicht lieber ganz gelassen hätte.
Ups, der Kommentar ist jetzt auf Platz 6. Und den Namen habe ich auch verballhornt. Sorry!
Genaue Untersuchung der Sprache ist immer hilfreich. Trotzdem fällt man meines Erachtens auf die Vorgabe der besorgten Bürger herein. Im anderen Thread ist man mittlerweile in einer heißen Diskussion über rechter Ausländer und heimischer Ausländer und ausländischer Ausländer und Statistiken an sich. Interessant, muss auch sein – aber genaus das wollen die Planer des Mobs. Mir fehlen die Verbrechen an sich. Holen wir doch die Themen wieder zu uns herüber. Irgendwann geisterte die Zahl von 5000 verlorener Jugendliche auf dem Flüchtlingstreck, die zur organisierten Kriminalität gezogen worden sein sollen. Geht dem noch jemand nach? Die täglichen Vergewaltigungen, wovon 2/3 gar nicht angezeigt werden, die Pädophilenzirkel, die sich Babys kaufen und dort im ständigen Mißbrauch aufwachsen, die erhöhte Vergewaltigungszahl der behinderten Frauen in Heimen, sexuelle Gewalt an sich. Themen, die meistens untergehen und jetzt noch mehr. Wir müssen die Definitonsmacht über die Themen offensiv gestalten. Von daher könnte die rechte Stimmungsmache ein Anlass sein, diese Themen breit auszuweiten, nicht in der peinlichen Rechtfertigung sondern in einer Handlungsoffensive, so dass dieser „Seitenaspekt“ der Täter unerheblich wird.
@Kasimir
Genau das ist der Punkt – Die Definitionsmacht über die Themen – Und da stellen wir „Nicht-Afd-ler“ uns nicht gut an. Und, ich habs hier schon öfter gesagt, und mich leider auch bei den Hausherren unbeliebt gemacht – Das ist ein bissl auch Frage der Moderation.
@Maike
Ich gebe dir politisch Recht. Dort, wo ich regional kommentiere, hechelt die Presse den Vorwürfen hinterher, versucht mit rationalen Argumenten einen emotionalen Durchfall zu bekämpfen. Aber das bestärkt die Schreier nur noch mehr.
Ich habe Georg Restle gesehen – und er ist mir nicht aufgestoßen, muss ich gestehen. Ich werde in meinen Regionalkommentaren jetzt auch langsam ausfälliger, was einen kritisierten, konservativen Redakteur zur ausnahmsweisen Reaktion animierte (dort diskutiert man nicht, was ich schon einen falschen Ansatz in der heutigen Zeit finde), ich sei einer der PCler, die die Faschisten stark mache. Pazifisten die Ausschwitz ermöglichen, so ähnlich. Das ist die Gratwanderung, die heutzutage ansteht. Ich denke schon, dass man gut beobachten muss und der Artikel hier bringt dann auch mich ins Nachdenken.
Es gibt eine Reihe von Menschen, die der Meinung sind, alles im Umkreis der AfD zu ignorieren, um keine Werbeplattform zu bieten. Ich gehöre zu denen, die schon in die offensive Auseinandersetzung gehen, um Ansichten zu entblößen. Nur der andere Teil fehlt mir.
Hier in Übermedien ist natürlich die Pressebeobachtung das Thema – da wird es kompliziert mit der Umsetzung. Man kann sich leicht in der Schlinge verheddern, die man ausgelegt hat. Wie die Alternative konkret aussehen kann, habe ich mir noch nicht überlegt.
Auf jeden Fall müsste die Politik sich verändern, worauf die Presse dann Bezug nehmen könnte. Die Presse müsste ihren Gleichschritt mit tabuisierten Politikbereichen aufgeben und investigativer werden. Da ist natürlich in neoliberalen Spitzenzeiten die neue Rechte eher ein Symptom des kommenden Zerfalls.
Wie sind deine Alternativen für ein Medium wie Übermedien ?
@Kasimir
Danke für die ausführliche Antwort. Habe gestern den Fehler gemacht, nach drei Bieren noch im Internet zu kommentieren – Sollte man nicht. Wollte übermedien nicht kritisieren – Bin großer Fan und finde es äußerst sinnvoll und freue mich über den Erfolg. Die Frage nach dem Umgang mit der AfD bringt mich einfach nur zum Verzweifeln. Denn natürlich muss die rationale Auseinandersetzung gesucht werden – Aber: Die Gegenseite verweigert sich. Was macht man dann? Dann muss man das wohl sagen und ab einem Punkt nicht mehr mit sondern über die Leute reden.
Sehr schöne Analyse von Peter Breuer. Das kann ich einfach mal stehenlassen.
Aber der Korpsgeist der Kommentatoren ist mal wieder beachtlich. So weit darf Kollegenkritik auf keinen Fall gehen. Wo käme man da hin?
Und natürlich der Ruf nach mehr „Moderation“ von der üblichen Verdächtigen. Bis die Einigkeit überall so groß und schön ist und kein „Volk“ mehr stört.
„Die Gegenseite verweigert sich.“ Gewiss doch, schuld sind immer die anderen. Man würde ja so gern…
@Andreas Müller Welchen „Korpsgeist“ sehen Sie am Werke? Ich sehe Widersprüchlichkeit, größtenteils aber Zustimmung zu der Analyse und nichts, was mit „Korpsgeist“ nennen könnte. (In diesem Zusammenhang übrigens interssantes Wort, weil, wie man weiß, es ja den guten alten Korpsgeist tatsähloich in seiner buchstäblcihen Form wieder gibt.) Können Sie „Korpsgeist“ bitte erläutern? (Ich frage deshalb, weil mich interessiert, ob wir etwa akut in einer Situation sind, dass eine bestimmte Polemik quasi immun ist gegen den Vorwurf, Polemik zu sein, während andere, die von dieser Polemik heftig angegriffen werden, sich immer ausgewogener äußern sollen. Ich bin ein großer Verfechter von dem Bemühen, sich so bedacht wie möglich zu äußern – aber wer das fordert , muss natürlich selbst demonstrieren, wie das geht. Also was ist mit dem „Korpsgeist“? Welches Korps denn?
Und nun zum Thema. Das Problem, das die eine Seite sehr erregt und „wütend“ ist und die andere Seite helfen will, indem sie die Wogen zu glätten versucht, kenne ich persönlich aus dem „zwischenmenschlichen Bereich“. Ich kenne nämlich eine Frau, die gelegentlich in sehr große Sorgen verfällt, so dass die Sorgen gar nicht mehr „Sorgen“ sind (ein Politikerwort), sondern es sind akute Angstzustände. Ich fand die Angst meist in sachlicher Betrachtung übertrieben und bemühte mich daher, mit 1., 2. und 3. zu erklären, warum sie sich die Sorgen gar nicht machen müsste. Genau diese Art der Kommunikation war dann ein Explosionsauslöser. Warum? „Ich will nicht, dass du mir meine Ängste erklärst und ausredest und mich beruhigst. Ich will, dass du verstehst, dass ich große Angst habe. ICH HABE DIESE SCHEISSANGST!“
Im Grunde geht es um die Reihenfolge. Die Angst muss erst einmal ankommen dürfen – sie hat vielleicht einen ähnlichen Anspruch auf Mitgefühl wie Trauer, danach können sich die Über- und Unterängstigten durchaus gemeinsam beruhigen.
Das Problem ist natürlich inzwischen, dass wir 3 bis 4 Parteien haben. Die Medien, die Medienutzer und diejenigen, die aus den Themen ihre politischen Fertigsuppen kochen. Es gibt ja nicht nur Leute, die Angst haben, sondern auch solche, die die Angst schüren – und dann wieder die Gruppe 4, die – um der Politsierung zu begegnen – eine Art „Vernunft“-Fraktion bilden. Die Tagesschau für sich genommen hätte vermutlich überhaupt kein Problem, auf die Ängste der Zuschauer einzugehen, gäbe es nicht die mehr oder minder hetzige Rechts-Propaganda, die das Thema für ihre politischen Ziele brauchen.
Die Situation ist daher schon nicht mehr „nur“ pathologisch, vielmehr wird sie sogar von einigen bewusst pathologisiert. Egal, was die ÖR oder andere Medien tun, der Schlachtruf „Mainstream-Etablierten-Lügenpresse“ ist so oder so programmatisch gesetzt, weil von strategischem Wert für die AfD im Hinblick auf BTW17. So eine großkalibrige Kanone gibt man ja nicht einfach her. Da ist es längst egal, wie „arrogant“, dezent oder sogar anpasserisch die Medien es versuchen.
Wie man mit der Ausnutzung des Medien-Misstrauens überhaupt umgehen kann, ist die Kernfrage in den kommenden Monaten.
So gesehen halte ich den ursprünglich Kommentar und die Satz-für-Satz-Analyse (plus unserer aller Beschäftigung damit) zusammen genommen für das Zeichen, auf welcher schiefen Fläche wir uns inzwischen befinden. (Die AfD glaubt ja bereits mit Forderungen nach Abschaffung der ÖR Stimmen gewinnen zu können.)
„……und da stellen wir „Nicht-Afd-ler“ uns nicht gut an“
Das erscheint mir das Kernproblem zu sein, denn soweit ich es lese, definieren sich hier fast alle so.
Warum Ihr reflektierenden Journalisten berichtet Ihr nicht einfach über die Dinge, und probiert das mit der Euch möglichen größten Objektivität? Versucht im Hinterkopf zu behalten, dass Eure journalistische Echokammer nicht repräsentativ ist für den Rest der Reublik.
Ganz offensichtlich verstehen sich aber viele von Euch als politische Journalisten, die mit ihrer Berichterstattung gleichzeitig eine Mission haben, die da lautet die AfD zu bekämpfen und zu entlarven. Feindbeobachtung statt kritischer und neugieriger Journalismus.
Das kann man machen, aber Eure Glaubwürdigkeit geht dabei (zu Recht!) vor die Hunde!
Anderas Müllerre repräsentiert also selbsterkärt „Volk“ , wer gegen ihn argumentiert demnach wohl „Volksfeind“?
@Dieter Weller
Ich weiß nicht, ob ich Ihren Kommentar richtig verstehe. Sie zitieren mich ja. Ich zumindest verstehe mich nicht als Journalistin, sondern kommentiere hier als Bürgerin, die die AfD als eine Partei sieht, deren Programmatik im Kern auf rassistischem Ressentiment aufbaut und sonst eigentlich nicht viel hergibt. Die Aufgabe von Journalisten ist es tatsächlich, objektiv zu berichten – Dabei ist es aber m. E. ein Irrtum zu denken, als gäbe es tatsächlich eine objektive oder neutrale Position. Jeder Mensch ist irgendwo verortet – Von einem Journalisten kann deswegen nur die ordentliche journalistische Methodik erwartet werden. Hier zumindest sehe ich das gegeben.
@Schnellinger
Ja, wer dieses Volk ist, würde ich auch gerne mal wissen, wieder so eine Frage, die Andreas Müller nicht beantworten können wird – Bin ich jetzt Teil davon oder nicht? Eher Volksschädling? Volksverräterin vielleicht?Ich frage immer, es hat mir noch nie einer geantwortet.
@Dieter Weller a) „AfD schließt Presse von Parteitag aus“ – wie Sie sich vielleicht erinnern. Und der Grund war ebenfalls interessant: b) Die AfD bietet nach wie vor [gelöscht] Höcke und hunderten anderen nationalextremistischen Leuten ein Podium. Außer dem heiteren Blau der bürgerlichen Alt-Konservativin gibt es eben leider viel, viel Dunkelbraun in der Partei. Vermutlich wird sie vom dunkelbraunen Flügel sogar mehr bestimmt, als mancher Fan ahnt. Wäre ja schön, wenn man über die AfD offen und mit Neugier berichten dürfte, indessen steht dies dem Interesse der AfD entgegen, die ihre extremistischen Einflüsse nach außen gerne vernebeln, wohl wissend, dass man sich genau dadurch aus der Gemeinsamkeit der verfassungstreuen Demokraten herauskatapultiert.
Noch schöner, aber vermutlich utopisch, wäre es wohl, wenn die AfD nicht ständig nur Flüchtlinge in die Flucht schlagen will und ansonsten nur gegen andersdenkende Journalisten polemisiert, sondern wenn sie sich auch mal mit ihren angeblichen Alternativen bei Rentenreform, Hartz IV, Hochschulfinanzierung oder europäischer Wirtschaftskrise zu Wort melden würde. Dazu sind noch keine „Meme“ auf Facebook bekannt geworden.
Aber wie auch immer: Es gibt viele Beispiele, wie die Journalisten auf die AfD und ihre Wähler offen zugegangen sind, In Talkshow sitzen die Leute sowieso dauernd. Und es gab sogar eine Langzeitreportage über den NPD-Abgeordneten in Brüssel, über die sich Udo Vogt keinesfalls beklagen musste, weil irgendetwas total verzerrt worden sei. Das ist nichts als eine Legende, dass die Journalisten nicht gerne offen berichten.
Umgekehrt kenne ich kein Beispiel, wo die AfD mal gesagt hätte: Okay, besuchen wir mal die Tagesschau-Redaktion und lassen uns zeigen, wie die arbeiten und wie so eine Tagesschau tagtäglich pünktlich zustande kommt. Warum auch?! Die AfD wird sich doch nicht von der Wirklichkeit ihre Propaganda kaputt machen lassen, mit der man so schön Wähler einfangen kann.
@Fritz IV
Zustimmung, an den Artikel über Udo Voigt kann ich mich auch erinnern, ich fand den sehr gut.
@ Schnellinger, Maike
„Volk“ war als Zitat deutlich markiert. Es handelt sich um ein Zitat aus #5:
‚die harmloseren Vertreter der Gattung „Volk“‚.
Warum ist Ihnen eigentlich die Gattung „Volk“ in #5 nicht aufgefallen, sondern erst das „Volk“ in meinem Zitat? Selektive und verdrehte Wahrnehmung?
@Andreas Müller
Was bringt Sie auf die Idee, ich würde mit Ihnen diskutieren? Ich habe doch längst erklärt, dass ich Ihre Methoden für unredlich halte. (Sie meine übrigens auch, Sie erinnern sich an den Zensurvorwurf, nech?).
@Fritz Iv:
Ich gebe Ihnen mal ein schönes Beispiel warum ich ein wenig verstehen (wenngleich nicht gutheißen) kann dass die AfD die Presse ausgesperrt hat:
Vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern sagt der AfD Co Vorstizende Meuthen dem Mannheimer Morgen: „Wenn die NPD vernünftige Vorschläge macht, würden wir genauso wenig gegen sie stimmen, wie wenn das bei den Linken der Fall wäre.“
Daraus titelt tagesschau.de groß „Meuthen offen für NPD-Vorschäge“, (tagesschau.de 31.8.), was schon etwas irrefürend ist, denn genauso hätte man titeln können „AfD offen für Vorschläge der Linken“.
Doch damit nicht genug hat jemand von der 3sat Kulturzeit wohl nur die Überschrift gelesen, und setzt noch etwas drauf und behauptet in der Anmoderation eines AfD kritischen Beitrages, wörtlich, die „AfD plant eine enge Zusammenarbeit mit der NPD“. (Kulturzeit 31.8.).
Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass die Kulturzeit keine andere Quelle für diese dreiste Behauptung hat. Das ist eine Irreführung des Zuschauers, die kurz vor der Landtagswahl auch eine Wahlbeeinflussung sein kann.
Es wäre sicher gut,wenn sich AfD Funktionäre für die Tagesschau Redaktion interessieren würden, aber bei dieser Art von ör Qualitätsjournalismus braucht die AfD nun wirklich nicht „gegen andersdenkende Journalisten polemisieren“, die geben selber ein Armutszeugnis ab!
Man bräuchte eigentlich mal harte Zahlen, richtige offene Kriminalitätsstatistik. Die Polizei macht darum ein Geheimnis. Ich denke mit Open Data können wir zu differenzierteren Urteilen kommen. Das die Zahlen verborgen werden und Journalisten immer so plumb fälschen und verschweigen verunsichert die Leute doch nur, das ist Wasser auf den Mühlen der Populisten.
Georg Restle verglich die „Besorgten“ auch schon mal mit Ratten. Er ist kein Liberaler.
@Ansgar. Ja. Und man bräuchte mal genug Essen und medizinische Versorgung für alle. Und Weltfrieden.
Es ist halt so, dass Kriminalitätsstatistik bestimmten Schwierigkeiten unterliegt. Was wollen Sie wissen:
Tatverdächtige? Ist blöd, weil wir wissen, dass bestimmte Gruppen leichter unter Verdacht geraten als andere. Außerdem wissen wir nicht, ob die Verdächtigen tatsächlich Täter sind.
Verurteilte Täter? Ist blöd bei Taten, die strukturell schwer nachweisbar sind (z.B. sind bei Sexualstraftaten sehr häufig nur zwei Personen anwesend, somit oft Aussage gegen Aussage besteht).
Bei zahlreichen Delikten gibt es ein enormes Dunkelfeld, also Taten, die überhaupt nicht angezeigt oder verfolgt werden, wie messen wir da die Effekte? Selbst bei Mord wird von einer nicht zu unterschätzenden Dunkelziffer ausgegangen.
Und nicht zuletzt ist es nicht sinnvoll, bei einer Statistik Korrelationen mit Kausalitäten zu vermischen. Aber genau das passiert statistischen Laien. Das passiert natürlich auch Journalisten, aber sehr viel eher noch ideologisch getriebenen Leuten wie einem Sarrazin. Es ist möglich, nahezu alle Thesen vermeintlich mit der Kriminalitätsstatistik zu belegen. Deswegen braucht es soziologische Forschung. Die gibt es und die zeigt regelmäßig, dass die Herkunft nicht kausal ist für die Neigung zu Straftaten.
@ Ansgar.
Seien Sie vorsichtig mit den Gewissheiten, die Inga Ihnen unterjubeln will:
„Tatverdächtige? Ist blöd, weil wir wissen, dass bestimmte Gruppen leichter unter Verdacht geraten als andere.“
Das ist nicht ganz falsch, aber mittlerweile auch schon wieder eine bequeme Ausrede. Dieselben Leute, die Vorurteile beklagen, haben oft selbst überhaupt keine Probleme damit, falsche Beschuldigungen als Wahrheiten zu verkaufen (Stichwort: Kachelmann).
„Bei zahlreichen Delikten gibt es ein enormes Dunkelfeld, also Taten, die überhaupt nicht angezeigt oder verfolgt werden, wie messen wir da die Effekte“
Das hält keinen ernsthaften Wissenschaftler davon, eben als erste Approximation das Hellfeld zu untersuchen. Es ist zwar nicht sicher, dass die Statistik im Dunkelfeld ähnlich ist wie im Hellfeld, aber ein Best Guess, den man vertreten kann. Außerdem wird in vielen Bereichen, zum Beispiel Missbrauch, gerade auch von Kindern, das Dunkelfeld aus ideologischen Gründen überschätzt. Die „Enormität“ ist nicht bewiesen, sonst wäre es kein Dunkelfeld!
„Die gibt es und die zeigt regelmäßig, dass die Herkunft nicht kausal ist für die Neigung zu Straftaten“
Ganz grob vereinfachte Behauptung. Was aber nützt diese Erkenntnis, wenn es darum geht einzuschätzen, wie groß eine Gefahr hier und heute ist? Fast nichts.
Ein simples Beispiel: Wenn häufig Autoknacker aus einem Land A im Nachbarland B als Tatverdächtige geschnappt werden, entsteht leicht das Vorurteil, dass die Menschen aus Land A irgendwie krimineller sind. Wer aus Land B ins Land A fährt, wird dieses Vorurteil evtl. erkennen. Er wäre aber dumm, wenn er nun glauben würde, dass die Autoknacker-Statistik in seinem Land B von „rassistischen“ Polizisten verfälscht worden ist, auch wenn lausige Soziologen ihm das nahelegen. Er muss unbedingt die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sein Land B besonders attraktiv ist (oder eine Weile war) für Kriminelle aus Land A und ihre anständigen Mitbürger damit eher daheim geblieben sind.
Es ist also auch absolut rational, keine grundsätzlichen Vorurteile gegen Marokkaner zu pflegen ( es gibt sehr nette Menschen in Marokko, obwohl die Lebensbedingungen sehr, sehr hart bis grausam sind), nur weil entwurzelte Marokkaner in Europa überdurchschnittlich häufig negativ auffallen. Es wäre aber ein ganz falscher Schluss, zu glauben, dass Marokkaner in Europa durchschnittlich ebenso wenig Misstrauen verdienen wie der eigene Nachbar.
Rassisten schließen anhand einfacher Merkmale von wenigen auf viele, schlechte Soziologen schließen von den vielen auf wenige. Beides ist falsch und der Fehler geht in beiden Fällen auf mangelndes Differenzierungsvermögen zurück.
@Andreas Müller,
wenn die Soziologen, die nicht Ihrer Meinung teilen, alle so lausig sind, warum bedürfen Sie dann so einer verunglimpfenden Sprache? Da müsste es doch ein Einfaches sein, das mal mit einem Argument belegen? So erinnern Sie mich zunehmend an den zugegebenermaßen hervorragenden Soziologen Lutz Bachmann.
@ Maike
Niemand hier postet mit so wenig Sachbezug und so argument- und belegfrei wie Sie, Maike. Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie jemals zur Sache geschrieben hätten.
Außerdem hatten Sie versprochen, dass Sie mit mir nicht mehr diskutieren wollen (#26). Also machen Sie sich bitte nicht lächerlich und bleiben Sie auch dabei!
@Andreas Müller
Die einen sagen so, die anderen so. Ich diskutiere auch nicht mit Ihnen, das haben Sie ausnahmsweise richtig erkannt. Viel Spaß noch!
Nein, Müller, hier ist nun wirklich nicht der Platz, um über das extrem komplexe Feld der Kriminalitätsstatistik zu diskutieren. Weder wird das Thema durch obigen Artikel nahe gelegt noch ist ein Kommentarstrang überhaupt der Platz, um erschöpfend auf die Problematik einzugehen. Ich habe hier einige Gründe dafür gegeben, was daran problematisch ist. Und was insbesondere für Leute, die wenig Ahnung von Statistik und Sozialforschung haben, das Problem bei der Interpretation von Statistiken ist. Für unzulässige Schlussfolgerungen (ob aus Mangel an Sachverstand oder böswilliger Fehlinterpretation sei mal dahin gestellt) sind Sie hier immer wieder ein leuchtendes Beispiel.