ARD-Castings laufen in Zukunft besser. Sagt die ARD.
Warum ausgerechnet Thilo Mischke Kulturmoderator bei „ttt“ werden sollte, brachte die ARD in Erklärungsnot. Jetzt stellt der Sender seine Moderatoren-Castings neu auf – angeblich. Denn was sich konkret ändert, behält die ARD lieber für sich.
Als die ARD im Dezember Thilo Mischke als neuen Moderator für ihre Kultursendung „titel, thesen, temperamente“ präsentierte, hagelte es Kritik. Autorinnen, Künstler und andere Kulturschaffende kritisierten die ARD, weil sie sich mit Mischke für einen Typen mit frauenverachtender Publikationshistorie entschieden hatte.
Später kritisierte auch Mischke die ARD, diesmal für ihren Schlingerkurs, an dessen Ende sie den designierten Moderator fallen ließ – ohne an irgendeinem Punkt wirklich begründet zu haben, warum er als Moderator geeignet oder ungeeignet gewesen sei.
Annika Schneider ist Redakteurin bei Übermedien. Als freie Medienjournalistin hat sie vorher als Moderatorin und Autorin beim Deutschlandfunk und WDR gearbeitet. Außerdem war sie Kolumnistin beim MDR-Altpapier. 2025 wurde sie für ihre Arbeit bei Übermedien mit dem Donnepp Media Award für Medienpublizistik ausgezeichnet.
Die ARD machte es sich in dieser Gemengelage leicht: Sie kritisierte einfach die „heftige Diskussion um die Personalie“ an sich. Anstatt auf die Argumente gegen Mischke inhaltlich einzugehen, beschwerte sich der Sender über die, die die Debatte über ihn angestoßen hatten. Bei allen weiteren Fragen verwies der Sender auf die geplante Aufarbeitung, die bei öffentlich-rechtlichen Skandalen jedes Mal versprochen wird.
Irgendwer hat Fehler gemacht
Die Ergebnisse der „Aufarbeitung“ im Fall Mischke hat der Sender nun bekannt gegeben. In der Woche vor Ostern hat die ARD ein Statement veröffentlicht, das auf Anfrage an mehrere Medien verschickt wurde. Leider hat die Pressestelle vergessen, in den Text irgendwelche relevanten und konkreten Informationen zu schreiben.
„Es sind Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen“, steht in der Mitteilung. Wer diese Fehler begangen hat und worin sie bestehen, steht nicht dabei. Aber wie es sich für Krisen-PR gehört, werden „klare Konsequenzen“ angekündigt. Man habe „neue verbindliche Kriterien für Castingprozesse in der ARD“ definiert, heißt es.
Das ist erst einmal eine gute Nachricht, weil in der Diskussion über Mischke bis zum Schluss unklar blieb, ob die ARD überhaupt feste Regeln für die Besetzung von Moderatorenposten hat. Bei Mischke hatte es erst ein Casting, dann eine Bewertung durch Testpublikum gegeben. Die ARD hatte die Abläufe nur in Teilen bekannt gegeben, das vollständige Bild lieferte erst eine Recherche der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Demnach war Mischke in den beiden Runden gar nicht der eindeutige Gewinner, wurde aber von Programmverantwortlichen trotzdem durchgesetzt – gegen den Willen von zuständigen Redakteuren.
Was sich ändert, bleibt geheim
Allerdings: Ob die „neuen verbindlichen Kriterien“ verhindern, dass sich ein Fall wie Mischkes wiederholt, lässt sich nicht beurteilen. Denn worin die neuen Kriterien und Abläufe bei Castings genau bestehen, behält die Pressestelle für sich. Auf Nachfrage von Übermedien heißt es:
„Die entsprechenden Verfahren und Kriterien sind Teil unserer redaktionellen Arbeitsweise und unterliegen internen Abstimmungen. Eine Veröffentlichung dieser Abläufe ist nicht vorgesehen.“
Die Sendersprecherin will nicht einmal verraten, in welcher Form die neue Einigung festgehalten ist – was schon wichtig wäre, um ihre Verbindlichkeit zu beurteilen. Gelten soll die Neuregelung auch nur für Produktionen, bei denen mehrere Rundfunkanstalten zusammenarbeiten, etwa für die Audiothek, die Mediathek und das Fernsehprogramm „Das Erste“. Wie die Landesrundfunkanstalten Castings für ihr eigenes Programm gestalten, bleibt ihnen weiterhin selbst überlassen.
Auf unsere Frage, ob es bisher bereits Regelungen für Castings bei ARD-Produktionen gab, heißt es nur nebulös: „Verbindliche Kriterien, wie beispielsweise umfassende Hintergrundchecks, finden auch weiterhin ihren Gebrauch.“ Hinzu käme ein „einheitlicher Prozess“. Was die Frage aufwirft, was sich denn nun eigentlich ändert.
Die ARD behauptet einfach, die Casting-Prozesse für ihre Gemeinschaftsproduktionen seien jetzt neu und besser geregelt. Und wir sollen das glauben.
MDR übernimmt Federführung
Mit dieser Anti-Transparenzstrategie sind die Sendersprecher einigermaßen erfolgreich. Nachdem die Nachrichtenagentur dpa das Statement der ARD verbreitet hatte, berichteten diverse Medien von „taz“ über „Zeit“ bis „Tagesspiegel“. Auch wenn viele Artikel durchaus kritisch klangen, blieb vor allem hängen: Die ARD reagiert auf die Kritik in der Mischke-Debatte.
Das liegt daran, dass die ARD strategisch geschickt eine zweite Neuerung gleich mit ankündigte und als großen Wurf verkaufte. Bisher war „ttt“ eine Kooperation von sechs Rundfunkanstalten, die die Sendung im wöchentlichen Wechsel planten und befüllten: BR, hr, MDR, NDR, WDR, rbb. In Zukunft wird federführend der MDR verantwortlich sein. Aus Sicht des Publikums wird das wenig ändern: Die Inhalte kommen weiterhin von sechs Sendern, aber ein einzelner Sender übernimmt jetzt die Verantwortung und fungiert als Ansprechpartner „für die Medien, die Öffentlichkeit und ARD-Gremien“. „Neuanfang bei ‚ttt'“, hatte die dpa deswegen ihre Agenturmeldung betitelt, die FAZ machte daraus gar „Neuausrichtung bei ttt“.
Das mag ein kleiner Fortschritt sein. In der Debatte um Mischke gab es auf Senderseite niemanden, der für diese Personalentscheidung überhaupt die Verantwortung übernommen und sich persönlich der Diskussion gestellt hätte. Nachdem die ARD sich dann doch gegen Mischke entschieden hatte, äußerte sich zwar ARD-Programmdirektorin Christine Strobl, aber nur um gleich dazuzusagen, dass sie mit dieser Entscheidung rein gar nichts zu tun gehabt hätte.
Noch mehr „Verantwortliche“
Auf den zweiten Blick bringt diese „Neuausrichtung“ aber nicht weniger, sondern noch mehr Verantwortungsspreizung. Auf die Frage, wer ab jetzt für Castings bei ARD-Gemeinschaftsproduktionen verantwortlich sei, schreibt die Pressestelle, in Zukunft würden „Programmkommissionen, Koordinationen und die ARD-Programmdirektion“ einbezogen.
Klingt kompliziert und ist es auch. Denn in den „Kommissionen“ und „Koordinationen“ sitzen Vertreter aus allen neun ARD-Rundfunkanstalten zusammen. Die mischen also nun bei Casting-Prozessen für Gemeinschaftsproduktionen mit. Klingt nicht nach klaren Verantwortlichkeiten, sondern eher nach noch mehr Möglichkeiten, bei Kritik irgendwem anderem die Schuld daran zuzuschieben.
Hat die ARD also aus der Causa Mischke gelernt? Eher nicht. Was sich bei Castings für ARD-Produktionen tatsächlich ändert, bleibt bis auf Weiteres unbekannt.
Statement der ARD im Wortlaut
ARD stellt die ttt-Strukturen neu auf
Die Diskussion um ttt – titel, thesen, temperamente und die letztendliche Entscheidung gegen die bereits verkündete Zusammenarbeit mit Thilo Mischke haben allen Beteiligten sowie dem Ansehen der ARD geschadet. Um eine Wiederholung auszuschließen, nehmen wir bei ttt strukturelle Veränderungen vor. Wir haben eine Federführung für die kommenden zwei Jahre festgelegt, um Entscheidungsprozesse zu bündeln und Verantwortlichkeiten eindeutig zu regeln. Die Federführung für die ttt-Formate übernimmt der MDR. Dazu gehört, dass der MDR auch zentraler Ansprechpartner für Medien, die Öffentlichkeit und ARD-Gremien wird.
Die über Jahre bewährte Zusammenarbeit verschiedener ARD-Häuser bei ttt hat im Jahr 2024 einen kritischen Punkt erreicht, den wir sehr bedauern. Es sind Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen – das hat unsere sorgfältige und selbstkritische interne Aufarbeitung gezeigt. Aus diesen Erfahrungen ziehen wir klare Konsequenzen. Wir nutzen diesen Fall als Anlass, unsere bestehenden Standards ARD-weit zu überprüfen und gezielt weiterzuentwickeln. Zudem haben wir neue verbindliche Kriterien für Castingprozesse in der ARD definiert. Die ARD steht für Professionalität, Engagement und einen respektvollen Umgang mit Themen und Protagonist:innen. Dieser Anspruch gilt unverändert – und wir sind bereit, uns daran messen zu lassen. Dazu gehört auch, aus Fehlern zu lernen und unsere Strukturen konsequent zu verbessern.
2 Kommentare
Okeee….
Ich glaube, die meinen, dass die den nächsten Moderator nicht einfach auswürfeln.
@#1:
oder dass einer mit verbundenen Augen würfelt und ein anderer mit Händen hinter dem Rücken die Zahl vorliest..
Okeee….
Ich glaube, die meinen, dass die den nächsten Moderator nicht einfach auswürfeln.
@#1:
oder dass einer mit verbundenen Augen würfelt und ein anderer mit Händen hinter dem Rücken die Zahl vorliest..