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Das Jahr 2018 hat angerufen und will seine Osterhasenempörung zurück!
Seit ein paar Tagen berichten verschiedene Online-Medien, die vor allem auf Klicks aus sind, es gebe „Wirbel“, „Aufregung“, „Riesen-Zoff“ um „Sitzhasen“ im Supermarkt. „Kunden“ platze entweder angeblich der Kragen oder sie „schäumen vor Wut“, ganz unangenehm. Und ganz großer Unsinn.
Lebensmitteldiscounter bieten nun zu Ostern wieder Schokohasen an. Einer wird im Sortiment als „Sitzhase“ geführt, das steht auch so in Werbeprospekten. Was vor allem rechte Kreise zu der falschen Behauptung animiert, der gute alte Osterhase dürfe nicht mehr Osterhase heißen – wegen der „schleichenden Islamisierung Deutschlands“! Das schreibt zum Beispiel der AfD-Bundestagsabgeordnete Johann Martel auf X.
Nach #Lidl und #Aldi Nord jetzt auch Aldi Süd.
Der #Sitzhase verdrängt den Osterhasen.
Die schleichende Islamisierung Deutschlands schreitet immer mehr voran, getrieben von den reichsten Familien Deutschlands wie Albrecht und Schwarz. pic.twitter.com/qiN9M7sXgo— Johann Martel (@afd_wallduern) April 4, 2025
Womit wir wieder im Jahr 2018 wären. Damals empörten sich blitzgescheite Geister, weil auf ihrem Kassenbon nicht „Osterhase“ stand, sondern „Traditionshase“. Woraufhin sie sich ganz doll verschluckten am Hasen und an der Welt, weil das ja doch sicher was zu tun hatte mit Islam und „Unterwerfung“. Selber Osterwutschaum wie heute.
Dabei gibt es die Bezeichnung „Traditionshase“ seit 1992. Und den „Schmunzelhasen“ seit 1973. Und den „Goldhasen“ seit 1952. Hat aber Jahrzehnte lang niemanden gestört. Bis jemand auf die Idee kam, dass man damit ganz gut Stimmung machen kann.
Oh, Telefon. Moment.
Das Jahr 2015 hat angerufen und an die große Aufregung um das „Zipfelmännchen“ erinnert, einen Schoko-Nikolaus, der damals zu Weihnachten in den Regalen stand und Leute erhitzte, weil das ja sicher etwas zu tun hatte mit: genau!
Seit Jahren echauffieren sich Menschen regelmäßig über Schokoladenhasen oder -nikoläuse, die einfach deshalb diverse Bezeichnungen tragen, weil sich die vielen Figuren so unterscheiden lassen. „Goldhase“, „Lachhase“, „Schmunzelhase“, „Schokohase“, „Stehhase“, „Sitzhase“, „Sitzhase mit Schleife“. Es gibt auch „Osterhase“ genannte Osterhasen in Supermärkten. Und „Ostertassen“, „Osternester“, „Ostereier“. Im Prospekt eines Discounters ist außerdem von „Ostermomenten“ die Rede und von „Vorfreude auf Ostern“.
Ostern wurde nicht wegislamisiert. Weihnachten auch nicht. Wir haben über diese ganze politisch motivierte Empörung schon vor Jahren ausführlich berichtet.
Aber das ranzige Schokotheater wird immer wieder neu aufgeführt. Und einige Klick-Medien machen das, worüber in digitalen Netzwerken gewutschäumt wird, erst richtig groß. Sie sichern sich Reichweite mit Überschriften wie:
„Lidl-Kunden rasten aus – darf der Osterhase nicht mehr so heißen?“
Sie halten dann oft über viele Absätze offen, ob die Namensgebung nicht doch etwas zu tun hat mit … na, Sie wissen schon – und lösen es erst spät auf. Und im Gegensatz zu 2018 lässt sich das Thema heute ja auch so schön mit dem Mode-Kulturkampfbegriff „woke“ dekorieren, wie es etwa das Ramschportal „news.de“ in der Überschrift macht:
„Sitzhase statt Osterhase: Woke-Wahnsinn an Ostern bei Aldi und Co.? Empörung über braune Hohlkörper“
Erst nach einer Welle solcher Clickbait-Artikel folgen langsam seriöse Medien, die mit „Faktenchecks“ gleich deutlich machen, dass es sich um eine grundlose Aufregung handelt. Aber da steht schon längst alles in Flammen.
Desinformierer auf Youtube nämlich nutzen wiederum Clickbait-Berichte, um daraus zu zitieren und Menschen aufzuwiegeln, womit sie nebenbei Geld verdienen. Das Video des rechten Youtubers Alexander Raue (aka „Vermietertagebuch“) etwa trägt den Titel:
„Lidl mit woker Katastrophe – Kunden rasten komplett aus!“
Raue liest einen halben Artikel des Portals „Der Westen“ vor und behauptet, der Discounter habe „den Osterhasen verboten“, weil der „zu sehr die Gefühle unserer Neubürger“ verletze. Was schlicht gelogen ist. Dass in dem Artikel am Ende zumindest auch vage drinsteht, „Sitzhase“ sei „kein unüblicher Begriff“, lässt Raue natürlich weg.
In den Kommentaren unter seinem Video: Hass, Hetze, Boykott-Aufrufe.
So putzig und egal diese sogenannten Debatten auf den ersten Blick wirken, weil es ja nur um süße Häschen geht, so gefährlich sind sie am Ende. Weil sie das Klima im Kleinen vergiften und Menschen darauf hereinfallen.
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war Redakteur bei der „taz“ und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Dort hat er über zehn Jahre als freier Autor für verschiedene ARD-Redaktionen gearbeitet, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“ und das Satiremagazin „Extra 3“.
Danke, news.de.
Bei »braune Hohlkörper« denke ich spontan an AfD-Politiker:innen.
O Gott, soviel Unsinn. Ich brauch dringend Sitzferien…
Ich stelle mir diese Szenen bildlich vor…
Supermarkt. An der Kasse, die Schlange schiebt sich langsam vor.
Kunde zur Kassiererin: „Ich wünsche Ihnen schon einmal Frohe Ostern! Oder, haha, vielleicht heißt das ja jetzt gar nicht mehr so, immerhin heißen die Häschen ja jetzt auch nicht mehr Osterhäschen…“ (hochgezogene Augenbrauen, um auf die auf dem Display erscheinenden „Sitzhasen“ hinzuweisen)
Kassiererin: „Das macht dann 15,83€!“
Der Schmutzblatt-Journalist hinten in der Reihe, der heute schon seine 15. Schokomilch kauft: lacht sich ins Fäustchen, die „Empörung“ ist da, die Titelstory gerettet!
Gerade bei Rewe gewesen. Da werden urchristliche Traditions-Osterrollen als sogenannte „Frühlingsrollen“ verkauft! Schreikrampf bekommen, Regal umgeschmissen, Rauswurf, Hausverbot.
Wo ist Alexander Raue, wenn man ihn braucht?
Was, wenn ich mal Westerhasen will? Die stehen?