Falschbericht über Stefan Gelbhaar

rbb-Rundfunkrat fordert strukturelle und personelle Konsequenzen

Wer im rbb trägt die Verantwortung für den Falschbericht über den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar? Nächste Woche soll es Klarheit geben. Am Mittwochabend übte der Rundfunkrat abermals Kritik. Und griff auch Chefredakteur David Biesinger an.
Der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar steht mit dem Rücken an einem Geländer, auf das er seine Hände stützt, und sieht in die Kamera.
Der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar Foto: IMAGO / Funke Foto Services

Der rbb-Rundfunkrat, eines der beiden Aufsichtsgremien des Senders, fordert strukturelle und personelle Konsequenzen nach der Falschberichterstattung über den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar. Der rbb hatte Ende vorigen Jahres über Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen den Bundestagsabgeordneten berichtet und sich unter anderem auf Aussagen einer Frau gestützt, die sich später als erfunden herausstellten. Die Person existiert gar nicht, eine eidesstattliche Versicherung war gefälscht. Die Redaktion hatte sich täuschen lassen und erhebliche Fehler bei ihrer Recherche gemacht.

Rundfunkrats-Mitglied Kathrin Röggla sagte in der öffentlichen Sitzung des Aufsichtsgremiums am Mittwochabend, die vom rbb eingesetzte Untersuchungskommission habe erklärt, dass die Verantwortlichkeit auf verschiedenen Ebenen untersucht werde. Sie erwarte dann auch, dass es entsprechende Konsequenzen gebe. Es könne nicht sein, dass die Autorin des Beitrags über Stefan Gelbhaar die einzige sei, die Verantwortung trage müsse. Röggla sitzt als Vertreterin der Akademie der Künste im rbb-Rundfunkrat.

Antje Kapek (Grüne), die das Berliner Abgeordnetenhaus vertritt, äußerte sich ähnlich: Sie werde es, auch aus politischer Sicht, nicht hinnehmen, wenn lediglich die Journalistin „abgestraft“ werde. Verantwortung müssten auch andere tragen.

„Sehr enge Abstimmung“

Konkret bezog sich Kapek auf rbb-Chefredakteur David Biesinger. Der habe erklärt, die Redaktion habe nicht alle Tatsachen vorgelegt. Demnach habe er nicht alles einwandfrei beurteilen können. Nun aber, so Kapek, zeichne sich ab, dass es sowohl inhaltlich als auch juristisch eine „sehr enge Abstimmung“ gegeben habe, gewissermaßen eine „Standleitung“. Darüber hinaus kritisierte Kapek, dass der Sender den Bericht sendete, nachdem Gelbhaars Anwalt deutlich darauf hingewiesen habe, dass die Vorwürfe nicht zuträfen. Dann könne man damit nicht einfach rausgehen.

rbb-Chefredakteur David Biesinger
rbb-Chefredakteur David Biesinger Foto: rbb/Gundula Krause

Biesinger gerät in den vergangenen Wochen zunehmend unter Druck im Sender. Nachdem er in einer internen Sitzung der ARD-Chefredakteure personelle Konsequenzen angedeutet hatte, fragte unter anderem der rbb-Redaktionsausschuss in einer internen Mitteilung nach Biesingers Verantwortung. Der aber weist die Schuld von sich.

Ende Januar hatte er im rbb-„Medienmagazin“ gesagt, er sei nicht in „Einzelheiten des Themas“ eingebunden gewesen und habe den Beitrag nicht abgenommen, das sei auch „nicht üblich“. Es habe eine redaktionelle Abnahme gegeben und eine durch das rbb-Justiziariat. Den „Ur-Fehler“ sei gewesen, dass die Identität der vermeintlichen Zeugin nicht ausreichend überprüft worden sei. Dieser Umstand sei in den Abnamen „nicht transparent gemacht“ worden. Auf die Frage, ob nicht er dafür Verantwortung tragen und zurücktreten müsste, sagte Biesinger, das dies ein „völlig falsches Signal“ wäre. Er sei nicht dazu da, einzelne Recherchen oder Beiträge zu machen, sondern den Rahmen, in dem gearbeitet werde, immer wieder zu überprüfen und neu zu gestalten.

Abschlussbericht Anfang März

Bereits am Montag vergangener Woche hatte sich der Programmausschuss des Rundfunkrats in einer nicht-öffentlichen Sitzung mit dem Fall befasst. Neben rbb-Intendantin Ulrike Demmer haben dort auch ein Vertreter der Beratungsfirma Deloitte und der frühere NDR-Journalist Stephan Wels Rede und Antwort gestanden. Wels und Deloitte sollen derzeit im Auftrag der rbb-Intendanz klären, zu welchen journalistischen und redaktionellen Fehlern es bei der Berichterstattung über Gelbhaar gekommen ist.

Ein Abschlussbericht der Kommission lag dem Rundfunkrat zu seiner Sitzung am Mittwoch nicht vor. Mitglieder des Rundfunkrats kritisierten das, zumal es die letzte Sitzung des amtierenden Rundfunkrats war. In zwei Wochen konstituiert sich ein neuer, diverse Mitglieder scheiden dann aus. Intendantin Demmer sagte in der Sitzung, sie rechne mit dem finalen Bericht am kommenden Montag. Gut eine Woche später wolle man dann mit dem Programmausschuss darüber reden, einen Tag später, am 12. März, tage erstmals der neue Rundfunkrat. Auch diesem werde der Bericht vorgelegt. Und dann sei „Aufgabe der Operative, aus dem Bericht Konsequenzen abzuleiten“.

Der Vorsitzende des Programmausschusses, Moshe Abraham Offenberg, sagte, der Ausschuss sei zu dem Schluss gekommen, dass die eingesetzte Kommission professionell und kompetent arbeite. Sie führe Hintergrundgespräche mit allen an dem Falschbericht beteiligten Personen. Auch das „mangelhafte Krisenmanagement“ des rbb stehe im Fokus. Der Ausschuss habe den rbb ermahnt, an seiner Fehlerkultur zu arbeiten.

Chefredaktion dafür zuständig, Glaubwürdigkeit sicherzustellen

Außerdem sprach der Ausschuss eine Empfehlung aus, der sich der gesamte Rundfunkrat anschloss: Die Causa müsse „restlos aufgeklärt“ werden und „sowohl strukturelle als auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen“. Die Glaubwürdigkeit des rbb sei das höchste Gut. Und um diese sicherzustellen, sei am Ende die Chefredaktion zuständig. Die Intendanz, so der Ausschuss, solle ein „modernes und verbindliches Prozedere“ finden für den Umgang mit Fehlern im Sender und zum Krisenmanagement nach außen.

Intendantin Demmer wurde auch gefragt, wie es um den Rechtsstreit mit Gelbhaar stehe – und ob er Schadensersatz vom rbb fordere. Demmer hat sich dazu in der Sitzung eingelassen, jedoch wurde die Öffentlichkeit für diesen Teil ausgeschlossen.

Fast zeitgleich machte der „Business Insider“ öffentlich, um wie viel Geld es angeblich gehe. Demnach fordere Gelbhaar eine „hohe sechsstellige Summe Schadensersatz“ vom öffentlich-rechtlichen rbb: 500.000 Euro als Wiedergutmachung und einen weiteren Betrag als Ausgleich für entgangene Diäten, die er als Bundestagsabgeordneter für die nächste Legislaturperiode bekommen hätte.

Wie der rbb am Donnerstag berichtet, ist die Summe noch viel höher. Nach Angaben des Senders fordert Gelbhaar insgesamt 1,7 Millionen Euro Geldentschädigung und Schadensersatz. Der Sender weise die Höhe der Summe als unangemessen zurück:

„Nach Angaben des rbb habe Gelbhaar zum Zeitpunkt der monierten Berichterstattung – anders als vielfach dargestellt – bereits auf einen Platz auf der Landesliste der Grünen für den Bundestag verzichtet. Auch die Entscheidung, dass die Wahl des Direktkandidaten der Grünen für den Wahlkreis Pankow erneut erfolgt, sei vor der Berichterstattung des rbb am 31. Dezember 2024 erfolgt.“

Die Wahl selbst allerdings fand dann Anfang Januar statt, nach dem rbb-Beitrag.

Rundfunkrats-Mitglied Sören Benn (parteilos) vom Rat der Bürgermeister Berlin sagte in der Sitzung, ihn habe der Fall „extrem erschüttert“. Eine politische Biografie sei hier „vernichtet“ worden, und zwar mit einer Art von Vorwürfen, die tief ins Persönliche reichten. Schon in einer Sitzung des Rundfunkrats Ende Januar hatten verschiedene Mitglieder zum Ausdruck gebracht, wie sehr sie der Fall erschüttere. Harald Geywitz von der Evangelischen Kirche kritisierte eine „Salamitaktik bei der Fehleraufarbeitung“. Erik Stohn (SPD) sprach von einem „Super-Gau“ für einen öffentlich-rechtlichen Sender: „Das ist der absolute Rufmord gewesen.“

1 Kommentare

  1. Immerhin an dieser Stelle wird der Rundfunk zumindest wie eine normale Firma geführt. Das Management kriegt ein hohes Gehalt wegen der hohen Verantwortung die man hat. Wenn es dann aber darum geht, Verantwortung zu übernehmen, haben plötzlich nur die Mitarbeiter:innen Verantwortung gehabt. Das einzige, was den Job von Herrn Biesinger so komplex macht ist wahrscheinlich der Versuch, überall mitzureden und zu verhindern, dass irgendwelches Wissen um das was passiert auch dokumentiert wird.

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