Fotograf verurteilt

Die erfundene Geschichte vom Maskenmann bei Helene Fischer

Ein Fotograf schoss vor fünf Jahren Bilder von einem Einbruch auf dem Grundstück der Sängerin Helene Fischer. Das Amtsgericht Starnberg verurteilte ihn nun zu einer Geldstrafe, weil er den Einbruch inszeniert haben soll, um die Fotos davon zu verkaufen. Die Medien, die die gestellten Bilder damals veröffentlicht haben, hüllen sich dazu auf Anfrage in Schweigen.

Vor fast fünf Jahren, im Sommer 2020, machte „Bild“ mit einer Gruselgeschichte auf: Zwei „vermummte Männer“ seien auf das Grundstück der Sängerin Helene Fischer am Ammersee eingestiegen. Was sie dort wollten, war unklar, zumal auf dem Gelände niemand wohnte, das Haus befand sich noch im Bau. Von einer Person mit Sturmhaube, die über einen Zaun kletterte, gab es gestochen scharfe Fotos. „Bild“ druckte sie – und machte daraus die Titelstory: „Unheimlicher Masken-Mann bei Helene Fischer“.

Unheimliche „Bild“-Titelseite vom 16.7.2020 Ausriss: Bild

Wir haben damals über die mysteriöse Geschichte und vor allem über ihre Ungereimtheiten berichtet. Einiges deutete darauf hin, dass es sich nicht um einen tatsächlichen Einbruch handelte, sondern um einen gestellten – was sich nun erhärtet hat.

Die Geschichte war offensichtlich erfunden. Nach Informationen von Übermedien ist der Mann, der die Fotos aufgenommen und an Medien verkauft hat, verurteilt worden. Er hatte den Einbruch inszeniert, für die Bilder. Und mehrere Medien sind darauf reingefallen. Oder sie haben mit dem Fotografen gemeinsame Sache gemacht.


Cover und Artikel aus "Bunte", Nr. 31/2020, mit den Überschriften "Böser Fluch über ihrer Traum-Villa" und "Kann sie in diesem Haus jemals glücklich werden?"
Ausriss: Bunte

Nach „Bild“ griffen damals auch Burdas People-Magazin „Bunte“ und „Das Neue Blatt“ aus dem Bauer-Verlag die dubiose Geschichte auf. Ganz dramatisch: „Böser Fluch über ihrer Traum-Villa“, donnerte „Bunte“ auf der Titelseite, und „Das Neue Blatt“ malte sich blutrot aus, wie schlimm es hätte enden können, womöglich „sogar tödlich“, wenn „die Verbrecher“ Helene Fischer in ihrem Haus überrascht hätten. Obwohl ja das Haus noch gar nicht fertig gebaut war.

Doch den beiden Zeitschriften ging es nicht um Genauigkeit oder Plausibilität, sondern vor allem darum, die Angst, die Fischer ja nun wohl haben müsse, ins Unermessliche zu steigern. In einer Welt, in der die Klatschpresse jede Woche fast zwanghaft nach Unheil im Leben von Prominenten wie Helene Fischer sucht, kamen Bilder eines „Maskenmannes“ auf ihrem privaten Grundstück offensichtlich gerade recht.

„Bunte“ und „Das Neue Blatt“ machten unterschiedliche Angaben dazu, wer die Fotos der maskierten Person am Bauzaun gemacht habe; bei „Bild“ wurde das nicht weiter thematisiert. „Das Neue Blatt“ schrieb, es sei ein „Augenzeuge“ gewesen, in „Bunte“ war es ein „Urlauber“, der einen der Einbrecher „zufällig“ ablichtete:

„Der Mann, der die Polizei alarmierte, hatte sich im Gebüsch versteckt und die gruseligen Szenen mit seinem Handy dokumentiert.“

Mhm, klar. Ein Urlauber schießt mit seinem Handy Fotos dieser Qualität, aus einem Gebüsch heraus. Und als die Polizei vor Ort ist, die er selbst verständigt hatte, gibt er sich nicht zu erkennen, sondern macht aus dem Gebüsch weiter Fotos, nämlich von den Polizisten, die dann auch in besagten Medien landen. Das war so unglaublich, dass nur ein Blatt wie „Bunte“ versuchen konnte, so etwas ernsthaft glauben zu machen.

Paparazzo Hans Paul

Die Redaktionen wussten natürlich, von wem sie die Bilder hatten, es stand ja auch im Credit neben den Fotos: Sie kamen von dem bekannten Paparazzo Hans Paul, genauer gesagt: von „Hans Paul Enterprise“, seiner Firma, in der er nach eigenen Angaben auch mehrere Mitarbeiter beschäftigt. Ob Paul es also persönlich war, der die Bilder gemacht hatte, ließ sich deshalb damals nicht mit Sicherheit sagen, die verschiedenen Medien machten dazu auf Nachrage auch keine Angaben. Aber es sah sehr danach aus.

Hans Paul hockt in einer blauen Tonne, nur sein Kopf und seine Kamera schauen raus.
Hans Paul versteckt sich für „taff“ auf ProSieben. Screenshot: ProSieben

Hans Paul ist berüchtigt ist für seine Methoden, an exklusive Fotos zu kommen. Er spioniert Prominente aus, um sie „abzuschießen“, schon seit den 1990er-Jahren. Und er redet gerne über seine Tricks, seine Hilfsmittel und Verkleidungen, besonders gerne im Fernsehen. Es gibt wenige Medien, die nicht schon über Paul und seine oft zwielichtigen Machenschaften berichtet haben. Auch seriöse Medienhäuser porträtieren ihn immer wieder mit einer gewissen Begeisterung. „Zeit Online“ etwa traf sich vor zweieinhalb Jahren mit ihm am Ammersee – zur „Jagd“ auf Helene Fischer.

Gesetze sind Hans Paul relativ egal, wenn es um Bilder geht, mit denen er abkassieren kann. In einem Interview mit dem ProSieben-Magazin „Galileo“ antwortete er auf die Frage, ob er für Fotos das Gesetz breche: „Natürlich, klar, sicher.“ Und „Zeit Online“ hatte er erzählt, was vor seine Linse komme, sei „immer echt“ – um wenig später zu berichten, wie er einmal Fotos mit Jenny Elvers und seinem Bruder gestellt habe, der als Immobilienmilliardär aufgetreten sei, obwohl er doch im Autohaus arbeite. Ein Magazin druckte die vermeintliche Lovestory, es gab nach Angaben von Hans Paul: „gutes Geld“.

Gutes Geld hat Paul öfter gemacht. Er redet darüber in Interviews und beschreibt es ausführlich in seinem autobiografischen Buch, das 2008 erschien. Der höchste Betrag, der in seiner Karriere bisher aufgerufen wurde, lag angeblich zwischen 100.000 und 120.000 Dollar – für ein Foto der schwangeren Schauspielerin Julia Roberts.


Als die Polizei am Ammersee einen Tag nach ihrem Einsatz am Fischer-Grundstück ein Foto von diesem Einsatz in der „Bild“-Zeitung fand, hegte sie schnell den Verdacht, dass es sich um einen fingierten Einbruch handeln könnte. Sie begann also zu ermitteln und interessierte sich schnell für den Fotografen, der in der Zeitung als Urheber angegeben war. Es war es offenbar gar nicht so leicht, ihn ausfindig zu machen, zumal „Hans Paul“ nicht sein bürgerlicher Name sein soll. Und im Impressum seiner Webseite gibt er keine deutsche Adresse an, sondern ein Postfach auf einer karibischen Insel.

Gut vier Jahre lang, bis August vergangenen Jahres, dauerte es, bis das Amtsgericht Starnberg einen Strafbefehl in der Sache erließ. Er liegt Übermedien vor, in anonymisierter Form. Vieles spricht dafür, dass er Hans Paul zugestellt wurde. Das Gericht macht dazu offiziell keine Angaben.

Dem Beschuldigten wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, einen „unbekannten Täter“ am 15. Juli 2020 dazu „veranlasst“ zu haben, das umzäunte Baugrundstück von Helene Fischer maskiert und ohne Erlaubnis zu betreten. Ziel sei es gewesen, Fotos davon zu machen und diese später „gewinnbringend an die Presse zu veräußern“.

Er habe außerdem eine Person in der Nähe angesprochen und von deren Handy aus die Polizei verständigt, obwohl er gewusst habe, dass „keine erhebliche Straftat“ begangen worden sei. Seine Absicht sei gewesen, aufgrund „der geschilderten Umstände und der Bekanntheit der Geschädigten“ einen großen Polizeieinsatz auszulösen, um auch diesen zu fotografieren. Was ja auch klappte. Kurze Zeit später eilten Einsatzfahrzeuge zum vermeintlichen Tatort, doch die Polizist:innen fanden nichts vor, auch nicht den Mann, der sie vor kurzem erst verständigt hatte. Komisch. Aber der lungerte ja vermutlich wieder irgendwo im Gebüsch rum und fotografierte – was ganz gut passen würde zu Hans Paul, der von sich sagt: „Gerade im Gebüsch fühle ich mich wohl, da bin ich zu Hause.“

Was das Gericht ebenfalls unkenntlich gemacht hat in dem uns vorliegenden Strafbefehl: Welche Beweise vorliegen. Es ist lediglich ersichtlich, dass offenbar die Person, die das Handy ausgeliehen hatte, als Zeuge in der Sache ausgesagt hat.

18.000 Euro Geldstrafe

Das Amtsgericht Starnberg sah jedenfalls drei Straftaten: Anstiftung zum Hausfriedensbruch, Vortäuschen einer Straftat und Missbrauch von Notrufen. Es verhängte eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100 Euro, also 18.000 Euro zuzüglich Verfahrenskosten. Das Gericht schätzte dafür das Nettoeinkommen des mutmaßlichen Täters auf 3.000 Euro monatlich, so wird die Höhe der Tagessätze berechnet. Dass es 180 sind, ist nicht unbeträchtlich. Laut Gesetz werden mindestens 5 und höchstens 360 Tagessätze verhängt. Ab 91 Tagessätzen gilt man als vorbestraft.

Der Beschuldigte erhob offenbar keinen Einspruch gegen den Strafbefehl, deshalb kam es nicht zu einer mündlichen Verhandlung. Als Schuldeingeständnis ist das nicht zu werten, aber seit Anfang November 2024 ist der Strafbefehl rechtskräftig und kommt einem Urteil gleich. Auf Anfragen von Übermedien hat Hans Paul nicht reagiert.


Vor zehn Jahren gab es schon mal Ärger wegen Fotos: 2014 stellten zwei von Hans Paul geschickte Fotografen am Kölner Flughafen dem Musiker Herbert Grönemeyer nach und reizten ihn so lange, bis er auf einen der beiden Fotografen losging, was die Paparazzi filmten. Grönemeyer war damals mit seiner Partnerin unterwegs, von der bis dahin kein Foto öffentlich war. Auf sie hatten es die Paparazzi abgesehen.

Prominente provozieren

Das Landgericht Köln verurteilte die Fotografen zu zu je einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und satten Geldstrafen. Das Gericht war überzeugt, dass sie den Sänger in eine Falle locken wollten, um eine wütende Reaktion zu provozieren. Die Vorlage dafür habe ihr Auftraggeber geliefert. In einem „Leitfaden für Paparazzi“ beschreibe Hans Paul detailliert, wie man Prominente zum Ausrasten bringe, indem man ihnen nahestehende Personen fotografiere. Hans Paul nannte den Vorfall mit Grönemeyer später salopp ein „Malheur“ und einen „normalen Auftrag“ einer Illustrierten.

Mit dem Leitfaden meinte das Gericht mutmaßlich Pauls Buch. Darin schildert er unter anderem, wie er einmal Müllsäcke klaute, die er vor dem Haus des früheren Rennfahrers Michael Schumacher gefunden hatte; den Inhalt habe er dann fotografiert. Und er beschreibt, wie er den Sänger Guildo Horn abpasste und „provozierend“ seine Freundin knipste und die Szene auch filmte. Wie er es erwartet habe, sei Horn aus seinem Auto gesprungen. Paul knipste weiter. „Guildo wurde zu meiner Freude immer wilder.“ Dann tauchte ein Mann auf, der die „Prügelei, die ja gerade erst so schön begonnen hatte“, beendete. Aber Paul hatte, was er wollte: „Der Videofilm ließ sich sehr gut verkaufen.“

Und auch aktuell gibt es Ärger.

Screenshot der Startseite von Bild.de mit der Schlagzeile "Schön, dich zu sehen, Lena!" auf einem Paparazzi-Foto von Lena Meyer-Landrut und ihrem Kind. (Von uns verfremdet.)
Startseite von Bild.de – von uns verfremdet. Screenshot: Bild.de

„Bild“ druckte kürzlich Fotos der Sängerin Lena Meyer-Landrut, die sie bei einem privaten Spaziergang mit ihrem kleinen Kind zeigen. Der Fotograf hatte die beiden bis zu einem Spielplatz verfolgt. Weitere Bilder, offenbar aus derselben Serie, erschienen in der Zeitschrift „Neue Woche“ aus dem „Burda“-Verlag. Foto-Credit: „Hans Paul Enterprise“.

Lena Meyer-Landrut geht gegen beide Veröffentlichungen juristisch vor. „Bild“ und „Neue Woche“ haben die Fotos inzwischen gelöscht; im ePaper der „Neuen Woche“ sieht der Artikel jetzt so aus:

Nachträglich unkenntlich gemachte Doppelseite aus der Zeitschrift "Neue Woche", Ausgabe 48/2024, auf der zuvor Paparazzi-Fotos von Lena Meyer-Landrut zu sehen waren.
Nicht viel übrig: „Neue Woche“, 48/2024 Ausriss: Neue Woche

Auch andere wehren sich gegen Bilder, die Hans Paul aufgenommen hat: In jüngster Zeit entfernten Zeitschriften zum Beispiel Aufnahmen der Schauspielerin Simone Thomalla.


Wir hatten damals bei „Bild“, „Bunte“ und „Das Neue Blatt“ wegen der dubiosen Geschichte mit dem „Maskenmann“ bei Helene Fischer nachgefragt. Wir wollten unter anderem wissen, inwiefern sie die Fotos vor der Veröffentlichung verifiziert hatten.

Der Axel-Springer-Verlag („Bild“) äußerte sich nicht. Bauer Media („Das Neue Blatt“) schrieb: „Zu einzelnen Passagen, unseren Recherchen und Quellen äußern wir uns nicht.“ Hubert Burda Media („Bunte“) teilte vollmundig mit:

„Für ,Bunte’ ist es eine Selbstverständlichkeit journalistische Beiträge mit größter Sorgfalt zu recherchieren und dabei immer im Rahmen der journalistischen Standards und Prinzipien zu agieren.“

„Wie im Pressekodex festgelegt“, gebe „Bunte“ Details zum Rechercheablauf und Quellen nicht preis.

Kein Kommentar

Und nun? Wie stehen diese Medien jetzt zu der Story, die sie damals publiziert haben? Und wie stehen sie zu Hans Paul?

Burda möchte sich nicht äußern.

Bauer möchte der Antwort von damals nichts hinzufügen.

Springer schreibt, Helene Fischer sei damals angefragt worden und habe sich nicht geäußert, und „die Polizei hatte einen Einsatz bestätigt“. Wie üblich werde man „Quellen und Recherchen nicht weiter kommentieren“.

Bemerkenswert. Große Verlage verhalten sich nicht dazu, wenn sie erfahren, dass sie gestellte Fotos angekauft und veröffentlicht haben. Sie gehen auch nicht auf die Frage ein, wie sie ihre Leserinnen und Leser darüber informieren wollen. Ihre Einsilbigkeit lässt es so wirken, als hätten sie von Anfang an gewusst, was für eine gestellte Geschichte das ist, die sie da veröffentlichen.

Korrektur, 20:43 Uhr. Wir hatten die Anzahl der Tagessätze an einer Stelle falsch angegeben. Wir haben das korrigiert. Vielen Dank für den Hinweis in den Kommentaren!

4 Kommentare

  1. Oh, ja, das war falsch an einer Stelle. Danke für den guten Hinweis! Es sind 180 Tagessätze. Ich habe es im Text korrigiert.

  2. Sehr schmallippig. Da die „Story“ schon etwas länger her ist: bloß nicht beirren lassen und einfach weitermachen.

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