Die Sängerin Lena Meyer-Landrut geht juristisch gegen einen Artikel vor, der vor zwei Wochen in der „Bild“-Zeitung erschienen ist. Sie will nun auch Strafanzeige gegen den Axel-Springer-Verlag erstatten, in dem „Bild“ erscheint.
Das Boulevardblatt hatte kürzlich zwei aus einem Hinterhalt aufgenommene Paparazzo-Fotos veröffentlicht, die Meyer-Landrut bei einem Spaziergang durch Berlin zeigen. Auch auf den Fotos zu sehen: Meyer-Landruts Kind. Dessen Gesicht hatte „Bild“ zwar verpixelt, welche Kleidung es trug und welches Fahrrad es fuhr, war allerdings zu erkennen. Der Fotograf hatte die beiden offenbar heimlich bis zu einem Spielplatz verfolgt.
Es seien „Bilder der Erleichterung“, schrieb „Bild“, „die ersten Fotos von Lena Meyer-Landrut, seit sie Ende Juli aus gesundheitlichen Gründen die restlichen Termine ihrer Sommertour absagen musste“. Passanten hätten die Sängerin „natürlich gleich erkannt“, der „Kreis ihrer Liebsten“ gebe ihr weiter Kraft. Meyer-Landruts Kind, flötete „Bild“-Redakteurin Nicola Pohl im Artikel, werde „seiner Mama vermutlich viele Schmunzler aufs Gesicht zaubern. Denn nichts hilft besser als die Liebe eines Kindes.“
Unterlassungserklärung
Meyer-Landruts Anwalt, Simon Bergmann, sagt auf Anfrage von Übermedien, „Bild“ habe „zum wiederholten Male“ die Persönlichkeitsrechte seiner Mandantin und ihrer Familie „schwer verletzt“. Die Zeitung befriedige mit ihrem Artikel ausschließlich die Neugierde der Leserschaft, ein öffentliches Interesse sei nicht ersichtlich.
„Die Rechtslage ist eindeutig“, sagt Bergmann, der Springer-Verlag habe deshalb auch gleich nach Erhalt der Abmahnung eine Unterlassungserklärung abgegeben. Springer versichert damit, die Fotos und einzelne Informationen aus dem Text nicht mehr zu verbreiten. In seinem Antwortschreiben, das Übermedien vorliegt, teilt der Verlag mit, Meyer-Landruts Ansprüche für „grundsätzlich unbegründet“ zu erachten: „Die beiden Bilder zeigen lediglich, was jeder im öffentlichen Straßenraum in Berlin selbst wahrnehmen konnte.“ Private Details würden nicht offengelegt, auch nicht im Text: Dieser beschreibe lediglich „substanzarm“, was man auf den Fotos sehe. Die Redaktion wolle in der Sache aber „nicht streiten“, deshalb gebe man die Unterlassungserklärung ab.
Beendet ist der Rechtsstreit damit nicht. Er gehe von „vorsätzlichem Rechtsbruch“ aus, sagt Bergmann: „Wir werden deshalb auch Geldentschädigungsansprüche geltend machen und zudem Strafanzeige nach § 33 KUG gegen die Verantwortlichen erstatten.“ Paragraph 33 des Kunsturhebergesetzes besagt, dass mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer ohne Einwilligung des Abgebildeten „ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt“. Es sei denn, es handelt sich etwa um „Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte“, was hier nicht der Fall sein dürfte. Auch Prominente haben einen Anspruch auf Privatheit, wie Gerichte in der Vergangenheit geurteilt haben – und dieser gilt nicht nur im häuslichen Umfeld, sondern auch in der Öffentlichkeit.
Bergmann hat „Bild“ nicht nur wegen der Fotos abgemahnt, sondern auch Teile des Textes beanstandet, die ebenfalls Meyer-Landruts Persönlichkeitsrecht verletzen würden bzw. das Recht ihres Kindes auf informationelle Selbstbestimmung. Denn „Bild“ hatte unter anderem auch den Vornamen des Kindes genannt, den Meyer-Landrut bis dato nicht öffentlich gemacht hat. Der Springer-Verlag weist in seinem Antwortschreiben auf einen Hinweisbeschluss des Kammergerichts Berlin hin, in dem es heißt, dass die Namenswahl nicht mehr der Privatsphäre zuzuordnen sei, sobald der Name gegenüber dem Standesamt mitgeteilt und ins Register eingetragen worden sei.
Paparazzo Hans Paul
Als Quelle für die Fotos von Lena Meyer-Landrut hatte „Bild“ die Agentur Hans Paul Enterprise angegeben. Hans Paul ist der berüchtigtste (und mittlerweile wahrscheinlich älteste) Paparazzo Deutschlands, der seit vielen Jahren auch international arbeitet. Ob er die Bilder selbst gemacht hat oder einer seiner Mitarbeiter, ist unklar. Auch gegen die Agentur will Anwalt Bergmann vorgehen.
Hans Paul ist bekannt für seine dubiosen Methoden, an exklusive Bilder und Geschichten zu kommen, die er dann an Medien verkauft. Auf die Frage, ob er für seinen Job auch das Gesetz brechen würde, antwortete er vor ein paar Jahren in einem Interview: „Natürlich, klar, sicher.“ Medien wie „Bild“ stört das offensichtlich nicht. 2020 zum Beispiel kaufte das Boulevardblatt Fotos von Paul, die angeblich zeigten, wie ein „unheimlicher Masken-Mann“ auf das Baugrundstück von Helene Fischer einbricht – obwohl einiges darauf hindeutete, dass der Einbruch inszeniert war.
Dass Springer eine Geldentschädigung an Lena Meyer-Landrut zahlen muss, ist nicht unwahrscheinlich: Vor einem Jahr hatte das Landgericht Berlin den Verlag zu einer Geldentschädigung von insgesamt 80.000 Euro verurteilt, zu zahlen an die Schlagersängerin Helene Fischer. Der Grund: ähnlich wie im Fall Meyer-Landrut jetzt. „Bild“ und das Schwesterblatt „B.Z.“ hatten damals Paparazzo-Aufnahmen von Fischer und ihrem Kind veröffentlicht. Das Gericht sah darin eine erhebliche Verletzung von Fischers Persönlichkeitsrecht. Der Klägerin müsse es möglich sein, mit ihrem Kind einen Spaziergang zu machen, „ohne dass dies einem Millionenpublikum ausführlich beschrieben wird“. Auch der Fotograf, der die Bilder gemacht hatte, wurde damals verurteilt: zu einer Geldentschädigung von 10.000 Euro.
Wir haben beim Axel-Springer-Verlag nachgefragt, weshalb „Bild“ vor dem Hintergrund des Fischer-Urteils abermals heimlich aufgenommene Fotos einer Prominenten und ihres Kindes publiziert hat. Und weshalb „Bild“ es nicht den Eltern überlässt, ob sie (und wenn ja: wie sie) den Namen ihres Kindes öffentlich machen.
Ein Sprecher des Verlags antwortet darauf:
„Herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir unsere Berichterstattung nicht begründen oder kommentieren.“
Das Geschäft mit den Bildern
Für Springer ist es letztlich eine Gewinn-Verlust-Rechnung: Dass der Artikel mit den Fotos von Meyer-Landrut und ihrem Kind online an einem Freitagnachmittag erschien und samstags gedruckt im Blatt, könnte Kalkül gewesen sein. Bei den Fotos von Helene Fischer und ihrem Kind war „Bild“ ähnlich vorgegangen. Sie wurden vor und an einem Feiertag veröffentlicht und waren dann ein paar Tage lang abrufbar. Fischers Anwälte (ebenfalls die Kanzlei Schertz Bergmann) warfen „Bild“ vor, bewusst so gehandelt zu haben, im Wissen, dass wegen des Feiertags „kein Gericht zu erreichen sein würde“.
Auch im aktuellen Fall konnte „Bild“ erst mal ein Geschäft machen mit den exklusiven Bildern. Die Abmahnung von Meyer-Landruts Anwalt, die Übermedien vorliegt, traf zwar noch an dem Freitag ein, an dem der Online-Artikel erschienen war. Bis Montagvormittag aber war der Artikel für Abo-Kunden abrufbar. Erst dann wurde er gelöscht.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Meyer-Landrut gegen „Bild“-Berichte über sie zur Wehr setzt. Dem „Spiegel“ hatte sie im Frühjahr auf die Frage, wie oft sie schon gegen die „Bild“-Zeitung geklagt habe, gesagt:
„Ich möchte den Namen der Zeitung nicht mal in den Mund nehmen, so sehr ekelt mich dieses Medium an. Deshalb nur so viel: sehr oft.“
Der Autor
Boris Rosenkranz ist Gründer von Übermedien. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum studiert, war „taz“-Redakteur und Volontär beim Norddeutschen Rundfunk. Anschließend arbeitete er dort für verschiedene Redaktionen, insbesondere für das Medienmagazin „Zapp“. Seit einigen Jahren ist er freier Autor des NDR-Satiremagazins „Extra 3“.
4 Kommentare
Solange es sich monetär für dieses Medium zu lohnen scheint, mit Lügen und Gesetzesbruch die große Kasse zu machen, werden wir diese Art Bericht leider noch viel zu oft lesen müssen. Eine empfindliche, sechs- oder siebenstellige Geldstrafe wäre längst an der Tagesordnung …
Niemand muss die Artikel lesen, die meisten wollen das wohl. Die Leser sind damit zwar nicht verantwortlich, aber durchaus Teil des Problems.
Ich stimme Lea zu: Die Strafen sind lächerlich. Dieses sich immer wiederholende, perfide Verhalten wird so nur schwer einzudämmen sein. Der Strafrechtskatalog muss entsprechend angepasst werden.
Solange es sich monetär für dieses Medium zu lohnen scheint, mit Lügen und Gesetzesbruch die große Kasse zu machen, werden wir diese Art Bericht leider noch viel zu oft lesen müssen. Eine empfindliche, sechs- oder siebenstellige Geldstrafe wäre längst an der Tagesordnung …
Niemand muss die Artikel lesen, die meisten wollen das wohl. Die Leser sind damit zwar nicht verantwortlich, aber durchaus Teil des Problems.
Ich stimme Lea zu: Die Strafen sind lächerlich. Dieses sich immer wiederholende, perfide Verhalten wird so nur schwer einzudämmen sein. Der Strafrechtskatalog muss entsprechend angepasst werden.
Da kann nur ein Gewinnabschöpfungsgesetz helfen