Meta erlaubt, queere Menschen als krank zu bezeichnen: Was ist der beste Umgang damit?
Die Zeiten ändern sich. Aktuell sind sie wieder so, dass man Schwule und Lesben, trans und queere Menschen als krank bezeichnen dürfen muss.
In der vergangenen Woche sorgte die Ankündigung von Meta-Chef Mark Zuckerberg für Schlagzeilen, in Zukunft auf seinen Plattformen wie Facebook auf Faktenchecks zu verzichten. Weniger Aufmerksamkeit erregten Änderungen in den Moderationsregeln. Generell will Meta in Zukunft mehr Äußerungen erlauben. Bestimmte Beleidigungen bleiben zwar verboten – aber es gibt explizite Ausnahmen, unter anderem für LGBTQ-Menschen. In den neuen öffentlichen „Gemeinschaftsstandards“ heißt es zu „Hasserfülltem Verhalten“:
„Wir erlauben Unterstellungen von psychischer Erkrankung oder Anomalien, wenn sie auf geschlechtlicher oder sexueller Orientierung basieren, angesichts des politischen und religiösen Diskurses über Transgenderismus und Homosexualität und der häufigen, nicht ernst gemeinten Verwendung von Wörtern wie ‚seltsam‘.“
In den internen Richtlinien werden als Beispiele für jetzt ausdrücklich erlaubte Beleidigungen Formulierungen genannt wie „Gays are not normal“, „Trans people are freaks“, „Trans people are immoral“ und „Trans people aren’t real. They’re mentally ill.“ Abwertende Begriffe wie „tranny“ (Transe) würden nicht mehr als Beschimpfung gewertet; Sätze wie „Trannies are a problem“ oder „Get these trannies out of my school (beneath photo of high school students)“ seien zulässig.
Die Änderungen sind Teil einer neuen Politik, mit der sich Meta dem rechten Mainstream anpasst und dem früheren und künftigen Präsidenten Donald Trump anbiedert. Offiziell rechtfertigt das Unternehmen die Änderungen, die auch intern erheblichen Frust ausgelöst haben, damit, dass man zu sehr in legitime Diskussionen eingegriffen habe. Aber vielleicht ist es kein Zufall, dass irgendwie auch die Möglichkeit verschwunden ist, sich den Facebook-Messenger in den Farben der Trans- oder Nicht-Binär-Flagge darstellen zu lassen.
Schlimmer als eine Beleidigungsfreiheit für alle
Es gibt das Missverständnis, dass sich die größte Meinungsfreiheit erreichen lässt, wenn jeder einfach alles sagen darf. Wenn jeder jeden nach Belieben beschimpfen und zum Beispiel als „abnormal“ bezeichnen kann, so die Logik, wird niemand diskriminiert. Diese Argumentation ignoriert, dass es Minderheiten gibt, die allein aufgrund ihrer Identität Verfolgung und Beschimpfungen ausgesetzt ist. Ein heterosexueller Cis-Mann wird es in aller Regel nicht erleben, dass er für seine bloße sexuelle und geschlechtliche Identität angefeindet wird – im Gegensatz zu queeren Menschen. Eine Beleidigungsfreiheit für alle riskiert, dass Angehörige von Minderheiten sich nicht mehr trauen, sich zu erkennen geben oder offen äußern. Es ist eine Art der Meinungsfreiheit, bei der Leute, die schreien, andere zum Verstummen bringen.
Doch das, was Meta jetzt macht, ist noch schlimmer als eine Beleidigungsfreiheit für alle: Es erlaubt ausdrücklich, Menschen wegen ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Orientierung herabzuwürdigen, oder anders gesagt: weil sie LGBTQ sind. Wer anders ist als die Mehrheit, muss sich pathologisieren lassen. Wer sich nicht einem von zwei Geschlechtern zuordnet, muss sich entmenschlichen lassen.
Was ist die richtige Art, damit umzugehen? Für jemanden, der queer ist oder dem es nicht egal ist, wenn ein Unternehmen queere Menschen in dieser Weise zur Beleidigung frei gibt?
Mark Zuckerberg hat in einer Antwort auf Threads geschrieben, er rechne damit, dass einige Menschen die Meta-Plattformen als Reaktion auf die neue Unternehmenspolitik verlassen würden – „for virtue signaling“, also um zu demonstrieren, dass sie die Guten sind. Das ist ein weiterer Tritt unter die Gürtellinie: Er unterstellt denjenigen, die ihre Meta-Accounts jetzt stilllegen oder kündigen, dass sie das nicht aus irgendeinem echten Bedürfnis tun, sondern nur um eine Haltung zur Schau zustellen, als Gutmenschen-Performance.
Es gibt aber Menschen, die sich tatsächlich auf einer solchen Plattform nicht mehr wohl oder willkommen fühlen. Oder die mit einem Unternehmen, das ihnen in dieser Weise zu verstehen gibt, minderwertig zu sein, nichts zu tun haben wollen. Als Kunden nicht und als datenspendende Masse auch nicht.
Das Problem der Boykott-Logik
Es gibt legitime Gründ…
Vielleicht sollte man das Thema mit dem Thema „Wohlstand“ verknüpfen. Wir haben großen Wohlstand nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich, der hart erkämpft wurde.
So wie der Neoliberalismus den Wohlstand von 90% exportiert, zerstört der Antiwokismus im aktuellen Kulturkampf gesellschaftlichen Wohlstand. Es gilt auch klar zu markieren, dass beides aus der gleichen Ecke kommt:
Reiche stören sich am gesellschaftlichen Fortschritt, auch weil das Bewusstsein von Ungleichheit, Klimakatastrophe oder sichtbare Minderheiten ihre Machtposition gefährden und/oder einfach beim Geld machen stören.
Das Verhalten von Zuckerberg ist dafür ein tolles Beispiel, dass wieder zeigt wie gefährlich Milliardäre für die Gesellschaft sind.
Einer der wenigen Artikel auf Uebermedien, dem ich nur wenig abgewinnen kann. Die Logik, wer sich zurückziehe, überlasse damit ja gerade den Unverantwortlichen das Feld, findet sich zwar häufig, ist in meinen Augen im Falle der großen Techplattformen jedoch irreführend.
Denn anders als noch vor Jahrzehnten geht es ja nicht um einen vollständigen Rückzug aus der tatsächlichen, physischen Öffentlichkeit (zu der es keine Alternative gibt), sondern nur von einer oder wenigen Plattformen (zu denen es sehr wohl Alternativen gibt).
Meta erhält seine Macht und Reichweite doch nur von den Nutzenden. Beim ehemaligen Twitter ist es ja bereits so, dass dessen Reichweite zumindest kleiner geworden ist und stattdessen Plattformen wie Bluesky oder Mastodon mehr Zulauf erfahren. Bisher zwar noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau, aber zum einen muss es ja nicht dabei bleiben und zum anderen läge es an uns als Nutzenden, das zu ändern.
Im hier erschienenen Artikel ‚Eine Plattform aus der Hölle‘ heißt es nicht umsonst, ‚dass sie [die Trolle] ihre Ziele gerade in dem Moment verlieren, in dem sie durch den neuen Besitzer der Plattform zu ihrem Treiben ermächtigt wurden‘.
Ich glaube dementsprechend auch nicht, dass die Trolle mit dem Verschwinden ihrer Ziele zufriedengestellt sind.
Wer also in dieser Situation fortfährt, die betreffenden Plattformen zu nutzen wie bisher, schadet nicht nur dem öffentlichen Diskurs, indem man bereit ist, dieses Einknicken vor Hass und Hetze ganz konkret unsanktioniert zu lassen, man sendet ja darüber hinaus das Signal, dass die großen Plattformen sich sowieso erlauben können, was sie wollen, weil man es ihnen am Ende ja doch ohne ernsthafte negative Folgen durchgehen lässt – und macht es damit darüber hinaus auch noch schwerer für kleinere, ‚demokratischere‘ Plattformen, sich zu behaupten.
Nun ist mir bewusst, dass es nicht leicht ist, sich insbesondere von Instagram zu lösen, aber zum einen ist es eben dennoch möglich und zum anderen wird es umso einfacher, je mehr Menschen das tun, weswegen es für einen Artikel wie diesen mit einer gewissen Reichweite doppelt bedauerlich finde, wenn er so tut, als gäbe es keine Alternative dazu.
❤️ für den Text.
🙄🤮😥 für das, worüber er handelt.