Der sogenannte Rechtsdruck
Es muss hart sein, wenn man gerne Literat wäre, die FAZ einem aber nur 68 Zeilen über dem Impressum spendiert. Was also tun? Ganz einfach: Man macht das Schlechteste daraus, wie Richard Wagner von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Das geht so: Man zitiert Schriftsteller, mindestens drei; man bildet Sätze, so überlang und voller Metaphern, dass sie am rechten Spaltenrand herauszulappen drohen; und, vor allem: Man lässt sich herab.
Es soll Leute geben, die gerne atmen, was Wagner ausdünstet; sie frönen einem düsteren Hobby. Zu ihnen gehören auch jene, die dafür verantwortlich sind, Wagners Kolumne „Das war’s“ zu reanimieren. Seit Freitag erscheint sie wieder, in der „Frankfurter Allgemeinen Woche“, dem neuen Magazin der FAZ, das viele Besorgtbürger als Fans finden dürfte – dank Wagner.
„Das war’s“, das war bis 2011 jener Ort in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, von dem aus Wagner auf alles und jeden herabsehen durfte, mit besonderer Hingabe auf die, die nicht so ein gebügeltes Leben leben wie der promovierte Ex-Bertelsmann-Sprecher. Seit einigen Jahren ist Wagner wieder Redakteur für „politische Nachrichten“ bei der täglichen FAZ. In seinen Kolumnen verachtet er viele(s): Blogger, Schwule, Kollegen, Länder, Zustände. Klingt unangenehm, aber: Erika Steinbach könnte Richard Wagners Mutter sein.
Die beiden unterscheidet allerdings, dass Wagner nicht imstande ist, seine Abscheu in kurze Sätze zu packen. Viele Zeilen lang girlandet er von Thema zu Thema, das war früher schon so, und irgendwann ist der Hass, den er dabei einträufelt, umgeben von ganz viel Sprachtand. Kostprobe gefällig?
Dann atmen Sie kurz durch. Es folgt ein Satz (von 2011):
Steve Jobs, sogenannter Visionär der Computerbranche und Anführer einer als Technologiekonzern getarnten Sekte mit einem selbst für Sektenführer überstark ausgeprägten Hang zum panikraumhaft Abgeschlossenen und einer für Sektenführer nicht nur im dafür besonders anfälligen Kalifornien typischen Neigung zur dann doch letztlich immer etwas einfältig anmutenden Selbstmythologisierung – der Bratapfel des Prometheus –, hat aus gesundheitlichen Gründen die sogenannte Führung seiner sogenannten Firma abgegeben und seine ihm welpenhaft ergebene Jüngerschar, die sich in seinem Glanz wärmen wie osteuropäische Bettler in der Sonne unserer Fußgängerzonen, in einen Zustand versetzt, in dem sich „tout Hannover“ befand, nachdem ein bis dato nahezu völlig unbekannter sogenannter Fußballtorhüter seinem sogenannten Leben ein Ende gesetzt hatte.
(Wenn Sie es bis zu den osteuropäischen Bettlern geschafft haben, die sich in unserer Sonne in der Sonne unserer Fußgängerzonen wärmen, waren Sie sehr tapfer.)
Bekannt wurde der Germanist vor allem für seine spleenige Einfallslosigkeit, stets ein „sogenannte“ vor das Subjekt zu spucken – um sich zu erheben, sich größer, besser, nun ja, auch schöner zu machen, indem er andere in die Gosse drückt, zur Not auch ganz pauschal ganze Volksgruppen.
Den Musiker Stephen Gately bepöbelte er – kurz nach dessen Tod, den Wagner „unappetitlich“ nannte – als „sogenannten Sänger“ der „längst abgehalfterten sogenannten Boygroup ‚Boyzone‘“.
Thomas Mann ist für Wagner „der dem Homoerotischen affine sogenannte Großschriftsteller“.
Und der Schauspieler Eddie Murphy, wie Obama, ein „früher Neger, dann Schwarzer, alsdann Farbiger genannter heute sogenannter Afro-Amerikaner“.
Usw.
In der aktuellen Kolumne hat Wagner gleich drei Mal gesogenannt:
Marokko nennt er ein „sogenanntes“ Land, Sigmar Gabriel den „sogenannten Vorsitzenden der fast unsichtbaren SPD“, und er schreibt vom „politischen Wettbewerb um das Weiße sogenannte Haus“. Das ist ein bisschen rätselhaft, so wie man beim gesamten Text nicht wirklich weiß, was Wagner will.
Man könnte darüber gähnen oder sich die Nägel machen, wäre Wagners Gift nicht so schädlich. Würde er nicht Öl ins Feuer gießen, er und die Redaktion der Qualitätszeitung FAZ, die sicher immer noch meint, wie damals, Wagners Geschmiere sei, Zitat: „Satire“ und ein li-la-lustiger Tabubruch. Das wiederum – da muss man auch mal loben – ist ein sehr guter Witz.
Ein „von Motten zerfressener Teppich des Unmuts“ liege über dem Land, unter dem „sich nur gut röcheln lässt“, röchelt Wagner nun, und durch die Teppichlöcher, so ist zu vermuten, äugt er in die „humoristische Kloake des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und auf die darin herumschwimmenden sexuellen Vorlieben und Hoffnungen eines Nischenmoderators“, die allenfalls für „Drittwelttouristen“ ein Genuss sein könnten, die er „Freunde der offenen Kanalisation“ nennt, und irgendwann sind die Sätze dann zu Ende. Man schätzt danach die Ruhe.
Zum Schluss noch ein bisschen pauschale Völkerverachtung: Sigmar Gabriel, schreibt Wagner, sei begeistert gewesen „von der marokkanischen Energiewende, von der die allenfalls prekär alphabetisierten Massen des sogenannten Landes, deren männlicher Teil besser in der kulturellen Technik des Antanzens bewandert ist, noch nichts mitbekommen haben.“
Spätestens an dieser Stelle sollte man befürchten, dass Wagner beim Tippen schäumt, weil die Buchstaben schwarz sind.
Was Wagner so Reaktionäres von sich gibt und wofür die FAZ ihm Raum ausräumt, ist nicht verboten. Es sagt lediglich viel aus über die FAZ und darüber, wo sie steht. Ganz zu schweigen von Richard Wagner, der dort steht, wo man, wenn man sich zart bewegt, an die Maus von Beatrix von Storch stößt. Und wer will das schon, außer der sogenannte FAZ-Dichter.
Der Herr, dessen Kolumne mir bislang glücklicherweise erspart blieb, sollte sich unter Umständen als Autor bei Titanic oder Eulenspiegel bewerben. Die humoristischen Publikationen würden seinen Zeilen den notwendigen satirische Rahmen geben, in welchem seine Texte dann durchaus als erheiternd wahrgenommen werden könnten.
Muss man den Mann kennen?
Ich dachte immer, er sei Komponist, lange tot und werde von Angela Merkel bewundert und jährlich in Bayreuth besucht. So ein Name verpflichtet auch zu reaktionärem Denken, das aber erstaunlicherweise den Bewunderern (s.o.) nicht schadet.
Geben Sie doch zu, dass sie ihn hier nur deshalb besprechen, weil er etwas gegen Schwule geschrieben hat. Das scheint der sichere Weg zur Beachtung im Medien-Miljöö zu sein.
Ich bin mir nicht sicher, ob man einfach mal so einer Zeitung wie die FAZ ein Profil, ein Stil, eine Meinung andichten kann: Nun soll also die FAZ die Wagner-Zeitung sein; es ist doch aber eher so, dass sich die Abteilungen untereinander doch stark unterscheiden. Bei der FAZ z.B. ist Dietmar Dath, Marxist, Feuilletonredakteur für den Bereich Film. Meist ist es ja auch so, dass besonders der Wirtschaftsteil von konservativen Köpfen gemacht wird, während es im Kulturbereich schon ganz anders aussieht. Eine große Zeitung sollte durchaus verschiedene Leute haben, wenn sie denn ein breites Meinungsspektrum abilden möchte, was nicht bedeuten soll, dass ich Autoren wie diesen Sogenannt-Wagner gutheiße.
Schön, dass der sogenannte Andreas Müller, der einst Schalke in den Ruin trieb hier kommentiert.
Dietmar Dath mag Marxist sein ist kulturtechnisch aber so konservativ wie sein Chef.
Zeitungen definieren sich eben vorwiegend über den Politik- und Gesellschaftsteil und nicht über den Sportteil (was schade ist, denn der von der FAZ istmir Abstand der beste am Markt).
Rechtsdruck? Was soll das sein, das Gegenteil von Linksruck? Von wegen Tabubruch! Eher Tabakgeruch.
„Die Maus von Beatrix von Storch.“
Sehr gut! ! :)
Vielen Dank für diesen klasse geschriebenen Artikel!
„Druck“ von „Drucken“, nicht „Rucken“ und auch nicht „Drücken“, das wäre von Storch’s Maus.
Man könnte Wagner aufgrund seiner sprachlich peinlichen Texte sicher Vorurteile vorwerfen oder Reaktionismus, den man hier wohl nicht mag. Aber „Hass“?
Ist „Hass“ jetzt der Neusprech für alles vom linken Mainstream Abweichende?
Ich würde das auch nicht bei „Hass“ belassen:
„ein bis dato nahezu völlig unbekannter sogenannter Fußballtorhüter seinem sogenannten Leben ein Ende gesetzt“
So etwas ist schlichtweg ekelhaft. Wenn du den Respekt vor einem Menschenleben (und vor den Angehörigen Robert Enkes) als Ausdruck eines „linken Mainstreams“ ansiehst, sitzt der Affe bei dir auf der Schulter, Tacke.
Kannte den bis jetzt noch nicht. Schmieriger Erzraktionär der grumpy old white male Klasse anscheinend.
Den ganzen ersten Schachtelsatz hab ich bis zum Ende geschafft. Beim Wort Germanist ist mir dann aber spätestens die Kaffetasse aus dem Gesicht gefallen. Wer so einen Müll abliefert scheint ein sogenannter Germanist zu sein und lag das ganze Studium über schlafend mit dem Kopf auf dem Pult.
Da Hass oft mit einem gewissen Wunsch das/den Gehassten zu vernichten verbunden ist und man sich ansieht, in welcher Form Herr Wagner seine Zeilen nutzt, alles und jeden herab zu würdigen… ja, dann kann man durchaus stark davon ausgehen, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Form von Hass handelt.
Und da dies Herr Wagner kontiunierlich so handhabt, lässt einen gewissen Spaß und/oder Befriedigung an der Sache erkennen. Man könnte sogar noch weiter gehen und eine ungesunde Portion Narzissmus vermuten.
Wem das allerdings zu psychologisch ist: mit „So etwas ist schlichtweg ekelhaft.“ hat @10 Theo die Ergüsse Herr Wagners sehr treffend beschrieben.
Wolf Schneider sollte sich mal mit den Texten von Herrn Wagner beschäftigen .
@13 Gernot: Hat er bereits gemacht, ganz aktuell. Voilà, hier ganz runterscrollen: https://www.bilanz.de/leben/leser-grammatik
@14 Boris: Danke für den Hinweis.