Guter Journalismus sollte sich auf keine Seite schlagen – so das Ideal. Dennoch wird Medien oft fehlende Objektivität und Parteinahme vorgeworfen. Manche Menschen wünschen sich auch, dass Medien komplett neutral berichten. Aber wie realistisch und wie wünschenswert ist dieser Anspruch überhaupt? Und warum kann man sich der Objektivität leichter nähern als der Neutralität? Darüber haben wir mit dem Mainzer Journalistik-Professor Tanjev Schultz gesprochen, der erklärt, welche Art der Wertung wichtig ist und wann Ausgewogenheit falsch verstanden wird.
Der Gesprächspartner
Tanjev Schultz ist Professor am Journalistischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, zuvor arbeitete er in der Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich u.a. mit medienethischen Fragen, 2021 veröffentlichte er „Medien und Journalismus. Einfluss und Macht der Vierten Gewalt“ (Kohlhammer Verlag).
Übermedien: Herr Schultz, welches Medium sollte ich konsumieren, wenn ich mich möglichst sachlich und objektiv informieren will?
Tanjev Schultz: Es ist gut, mehrere Medien zu konsumieren, um eine Breite an Informationen zu bekommen. Ein guter Anfang wäre eine überregionale Zeitung wie die „Süddeutsche Zeitung“ oder die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ plus die „Tagesschau“.
Journalismus soll objektiv und neutral sein – für viele ist das ein Qualitätsanspruch an den Journalismus. Aber geht das überhaupt?
Es ist unmöglich, absolute Objektivität oder Neutralität herzustellen. Es ist auch die Frage, ob das überhaupt wünschenswert wäre, manche bestreiten das. Ich persönlich halte das Objektivitätsideal weiterhin für wichtig im Journalismus, und übrigens auch in der Wissenschaft. Ich sehe aber einen Unterschied zwischen Neutralität und Objektivität.
Was ist der Unterschied?
Neutral würde bedeuten, die Welt so abzubilden, wie sie ist. Das ist schon deshalb unmöglich, weil Journalismus auswählt. Was ist wert, berichtet zu werden? Hinter jeder Auswahl verbergen sich Wertentscheidungen. Neutralität zu fordern, kann zudem bedeuten, dass sämtliche Positionen zu einem Thema ohne Wertung und Gewichtung wiedergegeben werden, zum Beispiel Positionen der AfD so wie die aller anderen Parteien. Die Aufgabe von Journalismus sollte es aber sein, auch zu prüfen, ob etwas stimmt oder nicht, ob behauptete Fakten zutreffen und welche Effekte politisches Handeln hat. Journalismus ist nicht nur ein Mikrofon, das andere benutzen. Deshalb wäre es auch verfehlt, „Ausgewogenheit“ in dem Sinne zu verlangen, dass alle gleich viel Zeit, Platz, Kritik und Lob bekommen.
Viele erwarten vom Journalismus, unparteiisch zu sein.
Stimmt, es gibt aber erstens eine lange Tradition einer mehr oder weniger parteiischen Presse. Und die kann für öffentliche Debatten belebend sein, solange sie nicht einfach nur PR und Propaganda fürs eigene Lager betreibt. Zweitens kann auch von Redaktionen, die unparteiisch sein wollen, nicht verlangt werden, dass sie alle Akteure genau gleich behandeln. Stellen wir uns einen Schiedsrichter vor, der ja auch unparteiisch sein soll. Gibt er einem Team eine gelbe Karte, tut er das nicht automatisch auch beim anderen Team, nur, um ausgewogen zu handeln. Er folgt bestimmten Regeln. Übertragen auf den Journalismus heißt das zum Beispiel, dass souveräne Redaktionen Donald Trump völlig zu Recht rote Karten zeigen. Beim TV-Duell zwischen Trump und Harris wurde von Republikanern beklagt, dass die Moderation Trump häufiger korrigiert und widersprochen hab…
@#1 Nutze ich tatsächliche ab und zu. Für internationale Nachrichten sehr interessant. Für deutsche Nachrichten eher weniger.
„Deshalb wäre es auch verfehlt, „Ausgewogenheit“ in dem Sinne zu verlangen, dass alle gleich viel Zeit, Platz, Kritik und Lob bekommen.“
Auch, wenn das irgendwelche Trump-Fans vllt gerne hätten, aber die meisten Menschen verstehen unter „Neutralität“, „Objektivität“ oder auch „Ausgewogenheit“ bei Medien jetzt nicht, dass alle gleich viele „rote Karten“ bekommen.
Wie ist hier denn so die Meinung zu https://ground.news/ ?
@#1 Nutze ich tatsächliche ab und zu. Für internationale Nachrichten sehr interessant. Für deutsche Nachrichten eher weniger.
„Deshalb wäre es auch verfehlt, „Ausgewogenheit“ in dem Sinne zu verlangen, dass alle gleich viel Zeit, Platz, Kritik und Lob bekommen.“
Auch, wenn das irgendwelche Trump-Fans vllt gerne hätten, aber die meisten Menschen verstehen unter „Neutralität“, „Objektivität“ oder auch „Ausgewogenheit“ bei Medien jetzt nicht, dass alle gleich viele „rote Karten“ bekommen.