PR-Berater von Rammstein und Boateng

Ein Good Cop im Auftrag der bösen Jungs

Als im Sommer 2023 die ersten Berichte über die Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann öffentlich wurden, hatten es die Journalisten, die dazu Stimmen der Band oder deren Management hören wollten, anfangs nicht leicht. „Ich habe Anfragen geschickt, aber nie kam etwas Konkretes zurück“, erzählt uns ein Reporter, der damals für eine größere regionale Tageszeitung tätig war. Die Band hatte vorher offenbar niemanden, der sich professionell um ihre Pressearbeit gekümmert hatte. Irgendwann habe sich dann Thomas Knipp bei dem Reporter gemeldet und sich als Kommunikator von Rammstein vorgestellt. Endlich, ein direkter Draht zur Band. 

Knipp war laut seinem LinkedIn-Profil früher Journalist beim „Handelsblatt“, der FAZ und dem „Wall Street Journal“, dann arbeitete er mehrere Jahre bei der Kommunikationsagentur Brunswick, ehe er eine eigene Agentur gründete. Laut Visitenkarte hat die „Impact Communication“ Büros in Berlin, Frankfurt, Hamburg, London und sogar in New York. Viel zu finden ist über das Unternehmen im Internet allerdings nicht, nicht einmal eine Internetseite. Aber die Kundschaft scheint sehr prominent zu sein: Aktuell tritt Agentur-CEO Knipp als Kommunikationsberater des Fußballers Jérôme Boateng in Erscheinung, gegen den derzeit am Landgericht München ein Prozess wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung seiner Ex-Freundin läuft.

PR-Berater Thomas Knipp
Knipp im Interview zum Boateng-Prozess im Juni 2024 Screenshot: RTL

Knipps Job bei Rammstein sei es gewesen, die „menschelnde Seite“ der Band zu zeigen, so schildert der Reporter seinen Eindruck. Der PR-Profi tat also offensichtlich das, was PR-Profis in solchen Situationen immer tun: die Wogen glätten, Vertrauen zu Medien aufbauen und das, was man nicht mehr bestreiten kann, in ein besseres Licht rücken.

Namentlich genannt oder zumindest als Sprecher, Krisenkommunikator bzw. Berater der Band zitiert werden, wollte Knipp allerdings nicht, erzählt uns der Reporter. Er akzeptierte das und erwähnte Knipp als Person „aus dem Umfeld der Band“. Eine Formulierung, die der PR-Berater vorgeschlagen habe – und die Lesern natürlich nicht klarmacht, dass der Absender ein bezahlter PR-Profi ist. 

Knipps Medienstrategie ging auf. In zahlreichen Berichten aus dem vergangenen Sommer sind sich ähnelnde Aussagen zu finden, immer mit Bezug auf das etwas diffus klingende „Umfeld der Band“. Sie sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Knipp zurückzuführen. Von einer „Schockstarre“ der Band war zum Beispiel in einem dpa-Text zu lesen, der in zahlreichen Medien erschien. „Da sind sechs Jungs, die aktuell nicht wissen, wo oben und unten ist, die sind fertig. Aber sie sagen sich: Sie müssen das jetzt durchstehen“, wurde die „Person aus dem Umfeld der Band“ beim Redaktions-Netzwerk Deutschland zitiert. Dass die Band Abstand von der „Schlüsselfigur Alena M.“ nehme, wurde dem „Spiegel“ aus dem „Umfeld der Band“ bestätigt

Der Journalist Daniel Drepper vom Recherche-Verbund NDR/WDR/SZ, der 2023 als erster über die Vorwürfe gegen Till Lindemann berichtete, kritisierte kürzlich Knipp – und auch den Umgang der Medien mit ihm. Drepper schrieb unter anderem bei X:

„Er [Knipp] sprach mit zahlreichen Medien als ‚Person aus dem Umfeld der Band‘ und arbeitete daran, den Geschichten über Rammstein einen positiven Spin zu geben. Wohl auch, um die Band als menschlich, als verletzlich, als überfordert mit der Situation darzustellen. Mit Namen zitiert werden wollte er jedoch nicht. Viele Medien haben ihm den Gefallen damals getan.“

Welchen Unterschied macht es, ob da ein Profi spricht?

Die Frage ist nun: Wem kann man nun eigentlich welchen Vorwurf machen? Dem PR-Berater, der seine Identität und Rolle nicht erwähnt sehen möchte? Oder den Medien, die ihren Lesern nicht genau erklären, wer hier eigentlich spricht? Schließlich könnte „aus dem Umfeld der Band“ vieles bedeuten. Dass da ein bezahlter Profi zu Wort kommt, vermutet man als Leserin bei der Formulierung „aus dem Umfeld der Band“ nicht unbedingt. Klingt es doch eher nach einer Person, die mit auf Tour ist oder die Band anderweitig gut kennt. 

Gleichzeitig ist aber sehr wahrscheinlich nichts falsch an der Aussage, dass eine Band, die sich im Zentrum eines solchen Skandals befindet, unter „Schockstarre“ steht und dass deren Mitglieder auch „menschlich“ sind. Macht es also einen Unterschied, ob ein PR-Berater diese Aussage trifft oder irgendeine Person, die der Band nahesteht? Ja, das tut es. Vor allem in der Masse, in der es solche Aussagen durch professionelle Pressearbeit, also systematisch, als Spin in Medien schaffen. 

Warum also schrieben Medien nicht wenigstens von einem „PR-Berater“ oder „Kommunikator“? Es sei ihm darum gegangen, überhaupt die andere Seite mal zu Wort kommen zu lassen, erklärt der oben zitierte Reporter. „Die Band hatte bis dahin gemauert, Lindemann vor allem über Anwälte kommuniziert.“ Der Redakteur einer Boulevardzeitung, mit dem wir für diesen Text gesprochen haben, sagt uns: „Der Druck, Infos dieser Art zu kriegen, war riesig.“ Da sei man eher gewillt, solche Vereinbarungen einzuhalten. Ihm sei es bei der Berichterstattung über die Konzerte, die nach Bekanntwerden der Vorwürfe stattfanden, vor allem um ein Stimmungsbild aus der Band gegangen. Knipp habe ihm gegenüber zwar auch versucht, die Kronzeugin Shelby Lynn unglaubwürdig zu machen, doch in seinen Berichten habe er das bewusst nicht übernommen.

Natürlich sollten Medien sich darum bemühen, auch die andere Seite zu Wort kommen zu lassen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ihnen beim Thema Machtmissbrauch gerne vorgeworfen wird, einseitig und vorverurteilend zu sein. Zudem fahren Beschuldigte oder deren Anwälte oft restriktive Medienstrategien. Da ist eine Person, die man einfach mal anrufen kann, schon eine dankbare Anlaufstelle für Journalisten. Selbst wenn jedem klar ist, dass diese Person eindeutig die Interessen ihres Mandanten vertritt und das Ziel hat, dessen Image aufzupolieren.

Aber all das rechtfertigt noch lange nicht, einer solchen Vereinbarung zuzustimmen. Zwar steht ein fairer und sensibler Umgang mit einer Quelle im Journalismus manchmal im Widerspruch zur Transparenz gegenüber den Lesern. In diesem Fall ist das aber nicht so. Hier wurde eine Quelle verschleiert, die man nicht hätte schützen müssen. Man hätte Thomas Knipp nicht einmal namentlich nennen müssen, sondern hätte es Lesern auch anders erklären können, dass hier ein PR-Profi spricht.

Zumal es unwahrscheinlich ist, dass ein PR-Berater etwa seine Zitate zurückziehen oder als Quelle nicht mehr zur Verfügung stehen würde, wenn eine Redaktion auf mehr Transparenz beharrt. Schließlich ist es im Sinne des PR-Beraters und seiner Auftraggeber, dass über ihre Sicht der Dinge berichtet wird. Redaktionen dürfen sich hier also nicht selbst klein machen. 

Kein Statement von Knipp

Wir hätten Thomas Knipp für diesen Text gerne Fragen zu seiner Arbeit und seinem Selbstverständnis als PR-Berater gestellt; warum er bei Rammstein anonym blieb und sich beim Boateng-Prozess jetzt vor die Kameras stellt. Doch er wollte dazu keine Stellung nehmen. 

Dass Knipp als Berater von Rammstein tätig war und in dieser Rolle mit zahlreichen Medien in Kontakt trat, bestätigten mehrere Journalist:innen im Gespräch mit Übermedien. Auch in einem kurzen RTL-Beitrag zum Boateng-Prozess wird sein Mandat für Rammstein erwähnt. Das Rammstein-Management bestätigte der SZ im vergangenen Jahr, dass der Krisenkommunikator, den sie zitiert, mit der Band zusammenarbeitet. 

Die SZ thematisierte damals bereits in einem Text über die ersten Konzerte nach Bekanntwerden der Vorwürfe, dass in zahlreichen Medien „Insiderinformationen aus ‚dem Umfeld der Band‘“ aufgetaucht seien, laut denen Alena M. die „Schlüsselfigur“ im Skandal um Till Lindemann sei. Sie wurde in vielen Berichten als die sogenannte Castingdirektorin bezeichnet, die dem Sänger systematisch Frauen zum Sex organisiert haben soll. Die SZ schrieb damals: 

Die Aufgabe solcher Kommunikationsprofis ist: Vertrauen herstellen, Verständnis für die jetzt erst mal notwendige Aufklärung äußern und vor allem die Deutungshoheit behalten. Solche Experten sind wie Möbelpacker im medialen Shitstorm, sie wuchten den Krisenherd einfach woandershin. Zum Beispiel von Till Lindemann zu Alena M.

Beschwerden beim PR-Rat

Beim Deutschen Rat für Public Relations (DRPR), einem Organ zur freiwilligen Selbstkontrolle für die PR-Branche, seien aktuell Beschwerden zu Thomas Knipp wegen mangelnder (Absender-)Transparenz eingegangen. Das teilte uns der Rat auf Nachfrage mit. Beim DRPR gibt es einen Kodex, also ethische Richtlinien, an die sich PR-Fachleute und Agenturen halten sollen. Das funktioniert ähnlich wie beim Pressekodex für Journalisten und Medienhäuser, auch der DRPR kann Mahnungen und Rügen aussprechen. Unter dem Punkt Transparenz steht im Kodex des DRPR:

„PR- und Kommunikationsfachleute sorgen dafür, dass der Absender ihrer Botschaften klar erkennbar ist. Sie machen ihre Arbeit offen und transparent, soweit dies die rechtlichen Bestimmungen und die Verschwiegenheitsverpflichtungen gegenüber den jeweiligen Arbeits- oder Auftraggebern zulassen.“

Es dürfte nicht ganz einfach zu bewerten sein, ob Knipp wider diesen Passus gehandelt hat. Denn seine Funktion hat er vor Redaktionen ja erklärt. Er hat aber gleichzeitig darauf beharrt, dass Mediennutzer nicht erfahren, wer der Absender der Informationen ist, die er streut. Inwiefern das auch die Ansage des Auftraggebers, also der Band Rammstein war, bleibt offen.

Ob Knipps Fall abgelehnt oder angenommen wird, ist jedenfalls noch gar nicht klar. Darüber werden die ehrenamtlichen Mitglieder des Rates demnächst entscheiden, teilt uns der DRPR mit, und: 

„Sollte die Beschwerde als Fall angenommen werden, wird sein [Knipps] Verhalten in Bezug auf Kodizes und Richtlinien des DRPR genauer geprüft. Erst nach dieser Prüfung sowie der Möglichkeit zur Stellungnahme durch den Betroffenen verfasst der DRPR einen Ratsbeschluss, über den durch die Ratsmitglieder ebenfalls nochmal diskutiert und abgestimmt wird.“

Wenn auch nicht schwerwiegend, aber ein bisschen kurios: Vor ein paar Wochen erschien das Buch „Row Zero“, in dem die Journalisten Daniel Drepper und Lena Kampf ihre Recherchen zu Rammstein und Machtmissbrauch in der Musikindustrie aufbereiten. Unter dem Synonym „ThKnipp“ schrieb Knipp dazu eine Rezension bei Amazon, die natürlich nicht gut ausfiel. Das ist einerseits ein bisschen egal, und sicher darf auch ein PR-Berater seine Meinung zu Büchern im Internet kundtun. Andererseits wirft es ein eher unprofessionelles Licht auf einen, der Schwergewichte wie Rammstein oder Boateng vertritt.

Großes Hallo vor dem Münchner Landgericht

Im Prozess gegen den Profi-Fußballer Jérôme Boateng tritt Thomas Knipp anders auf. Hier stellt er sich auch vor die Kameras. Die SZ-Korrespondentin Jana Stegemann erinnert sich im Gespräch mit Übermedien an seinen Auftritt am ersten Prozesstag im Juni: Er sei verbindlich und freundlich gewesen, habe seine Visitenkarten verteilt und die Journalisten immer wieder gefragt, ob sie noch etwas brauchen. 

Bemerkenswert ist das deshalb, weil die Medienstrategie der Anwälte von Boateng in den Jahren zuvor sehr restriktiv gewesen sei, erklärt Stegemann. „Wir haben seit 2021 keine vernünftigen Informationen bekommen, wurden stets mit knappen Antworten seiner Medienanwältin abgespeist und auf einmal steht Knipp da.“ Erst wurde gemauert, jetzt empfängt ein PR-Berater die Journalisten mit offenen Armen vor Gericht. Das ist eine ganz andere Art der Kommunikation – und natürlich mit Vorsicht zu genießen. 

Am ersten Tag des aktuellen, vierten Prozesses habe Knipps Agentur die Einlassung des Angeklagten Boateng an Redaktionen verschickt – wohl in der Hoffnung, dass Medien aus der Stellungnahme ausführlich zitieren werden, vor allem aus den vernichtenden Passagen über dessen Ex-Partnerin. Stegemann erzählt auch, dass Knipp im Gerichtssaal teilweise auf der Pressetribüne Platz genommen habe. Das habe sie überrascht. Beteiligte einer Verfahrensseite sitzen eigentlich nicht da, wo die Journalisten sitzen.

Man könnte also sagen: Thomas Knipp ist eine taktisch kluge Ergänzung zur meist eher kühlen Kommunikationsstrategie einschlägiger Anwaltskanzleien. Er droht Medien nicht mit Abmahnungen oder Klagen, er versucht eher, ihr Verbündeter zu sein. Während die einen die abschreckenden Bad Cops sind, ist er der Good Cop, der kooperiert. Er ist eine Art Verteidiger bei Fällen, die nicht nur vor Gericht verhandelt werden, sondern vor allem in der Öffentlichkeit. Das ist legitim und im Sinne der Personen, deren Reputation bei solchen Beschuldigungen – mögen sie justiziabel oder nur moralisch verwerflich sein – massiv beschädigt wird. 

Die Aufgabe von Medien ist es dabei allerdings, zu erkennen, ab wann sie der PR auf den Leim gehen, und transparent zu machen, was PR ist. Das ist den meisten im Fall der Band Rammstein und ihres PR-Beraters nicht wirklich gelungen.

5 Kommentare

  1. Ja ja. Herrn Drepper passen die schlechten Amazon Kritiken nicht. Und er zeigt hier wieder, welche Macht er offenbar hat. Und ob jetzt ein PR Mann, die Band selber oder weiss ich wer, da irgendwas dazu sagte, spielt hier kaum eine Rolle. Wurd und wird eh alles „überschrieben“.

  2. Ich hab die Infos in dem Artikel interessant gefunden. Danke dafür.

    @#1: Ich verstehe diesen Kommentar nicht.

    Bei den ersten beiden Sätzen bin ich unsicher, ob das ernst gemeint ist. Und was der 3. und 4. Satz andeuten sollen, will sich mir nicht so recht erschließen. Dass Drepper keine Knipp keine Gelegenheit gegeben habe, seine Sicht darzustellen??

  3. Ist vllt nur der halbe Trost, aber außer bei eindeutig belastenden Aussagen aus dem anonym gehaltenen „Umfeld von xy“ ging ich immer davon aus, dass das parteiische Aussagen sind, die man nicht überbewerten sollte.
    Aber klar, so dreist einen Pressesprecher als investigativen Einblick zu verkaufen, ist schon problematisch. Vor allem, wenn mittelfristig das ganze „Umfeld“, das die Medien zitieren, aus exakt 1 Person besteht.

  4. Vielleicht eher „Pseudonym“ als „Synonym“? Aber sonst, wie eigentlich immer, Dank an Frau Kräher für den guten und spannenden Beitrag.

  5. Meine Erfahrungen aus vielen Jahren der Zusammenarbeit mit der Band und dem Management bin ich mir ziemlich sicher, dass dieser PR Berater nicht ein einziges Mal mit der Band gesprochen hat. Das läuft alles über das Management. Die Aussage, die Band sei geschockt und wisse nicht, wo oben und unten ist basiert ziemlich sicher auf einem Zitat des Managements oder aus reiner Spekulation. Es ist eine naheliegende Aussage, ob sie der Tatsache entspricht kann man bezweifeln. Wenn jemand nicht namentlich zitiert werden möchte, nicht mal mit seiner Funktion genannt werden möchte, dann kann man an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussagen zweifeln. Mein Eindruck ist, dass die Journalisten, die in zitiert haben, vergessen haben, von wem der gute Mann bezahlt wurde.

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