Rechte erfinden Linke für Trump
Ich bin gestern zufällig bei der „Achse des Guten“ vorbeigekommen, einer beliebten Internetseite von und mit Henryk M. Broder und lauten Leuten, die gerne Henyrk M. Broder wären, und gleich auf einen interessanten Artikel gestoßen: Die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld staunt – „Da schau her“ – dass plötzlich viele Linke, wenn auch mit Bauchschmerzen, Donald Trump unterstützen, als kleineres Übel im Vergleich zu Hillary Clinton.
Sie zählt auf: Matt Damon, Susan Sarandon, Michael Moore, Oliver Stone, die Native American Coalition und Jakob Augstein.
Dann gehen wir die mal schnell durch. Der Schauspieler Matt Damon zum Beispiel. Für den sei Trump einfach ein Geschäftsmann:
Was Amerika brauche, seien Jobs. Auch kann Damon nichts dabei finden, dass Trump die Sozialleistungen kritisiert, die Einwanderer erhalten, Veteranen dagegen nicht.
Als Beleg verlinkt Lengsfeld auf einen Artikel von „Life and About“, einer obskuren Seite ganz ohne Impressum oder ähnlichen Schnickschnack, die mit krassen Schlagzeilen und grobem Unfug Werbung für Donald Trump macht. Dort findet sich tatsächlich ein Artikel, wonach Damon vom Obama-Anhänger zum Trump-Unterstützter geworden sei. Er wird zitiert mit den Worten:
I believe in him first of all because he’s a businessman. I think jobs are badly needed .
“And Trump is saying people will have to be vetted, we’ll have to have legal immigration. It’s all a scam,” she said.
“I mean, illegal immigration. When people come here and they get a lot of benefits that our own veterans don’t get. What’s up with that?”
Als Quelle gibt die dubiose Seite eine andere dubiose Seite namens trumpnews2016 an.
Nun – das erste Zitat ist nicht von Matt Damon, sondern von Charles Evers, einem schwarzen amerikanischen Bürgerrechtler und Republikaner. Seine Zitate wurden vorher von von dubiosen Internetseiten schon Denzel Washington und Brad Pitt in den Mund gelegt.
Die anderen Zitate sind auch nicht von Matt Damon, sondern von der Schauspielerin Roseanne Barr. Beim Kopieren und Übertragen auf Damon haben sich die dubiosen Internetseitenbauer nicht einmal die Mühe gemacht, das Personalpronomen „she“ in „she said“ zu ändern. Frau Lengsfeld hat’s nicht gestört.
Tatsächlich hat Damon gesagt, Trump dürfe auf keine Fall Präsident werden: „To let that dude have the nuclear football, are you kidding me? That’s dangerous. He’s impulsive and rash, and doesn’t seem to think deeply about too many things.“
Die Schauspielerin Susan Sarandon hat im Vorwahlkampf Bernie Sanders unterstützt und kritisiert Hillary Clinton und ihre Politik aufs Schärfste. In einem Fernsehinterview sagte sie, dass Trump nach Ansicht einiger Leute eine Revolution bringen würde, und dass es nicht pragmatisch sei, den Status Quo weiter zu stützen. Wen sie wählen werde, wisse sie noch nicht. Später stellte sie klar, dass sie „natürlich niemals aus irgendeinem Grund Trump unterstützen“ werde.
Michael Moore hat einen Film über den Erfolg von Donald Trump gemacht, aus dem Trump einen Ausschnitt verbreitete, der klang, als würde Moore für ihn werben. Lengsfeld zitiert daraus:
(…) The dispossessed will walk into the voting booth, be handed a ballot, close the curtain, and take that lever or felt pen or touchscreen and put a big fucking X in the box by the name of the man who has threatened to upend and overturn the very system that has ruined their lives: Donald J Trump. … Trump’s election is going to be the biggest fuck you ever recorded in human history and it will feel good.“
Sie erwähnt, dass Moore, nachdem „ein gewaltiger Shitstorm“ über ihn hinweggefegt sei, „sich missverstanden fühlte“. Tatsächlich wurde das Video sinnentstellend gekürzt. Im Anschluss an die gezeigte Szene beschreibt Moore, wie diese Leute ihre Wahl Trumps bedauern werden. Die Passage endet:
But I get it. You wanted to send a message. You had righteous anger. And justifiable anger. Well, message sent.
Goodnight America. You’ve just elected the last president of the United States.
Moore ist ein entschiedener Gegner Trumps. Er hat die Wahl Trumps mit einem Akt des „legalen Terrorismus“ verglichen.
Der Filmemacher Oliver Stone hat die Wahl als eine zwischen einer Kriegstreiberin und einem Verrückten beschrieben. Er werde vermutlich für einen Kandidaten der kleineren Parteien stimmen: Jill Stein (Grüne) oder Gary Johnson (Libertäre).
Die „Native American Coalition“ ist – immerhin – tatsächlich für Donald Trump. Es ist nicht ganz klar, warum amerikanische Ureinwohner für Frau Lengsfeld automatisch links sind. Diese hier sind es jedenfalls zweifelsohne nicht. Die „Native American Coalition“ ist kein etablierter Verein, keine langjährig bestehende Organisation und Minderheiten-Vertretung, die sich plötzlich für Trump ausgesprochen hat. Es handelt sich um eine Handvoll Leute indigener Völker, die sich gerade zusammengefunden haben, um Trump zu unterstützen. Trump selbst nennt sie seine Koalition. Ihr Vorsitzender ist ein republikanischer Kongressabgeordneter. Soviel zum Thema „Linke für Trump“.
Bleibt Jakob Augstein. Je nun.
Am Ende schreibt Lengsfeld noch:
Noch nie war eine US-Wahl so spannend, seit dem Duell Jimmy Carter gegen Ronald Reagan. Damals lag Carter in den Umfragen permanent mit großem Abstand vorn. Nach der Wahl war aber nicht er, sondern Reagan der neue Präsident.
Dass sie den unglaublich knappen Ausgang der Wahl zwischen George W. Bush und Al Gore 2000 vergessen hat – geschenkt. Aber auch die Umfragen-Geschichte ist ein Mythos. Carter lag nicht „permanent mit großem Abstand vorn“. Reagan führte in den Gallup-Umfragen im Juli und August und auch unmittelbar vor der Wahl.
Ich habe weder die Absicht noch die Kapazitäten, Seiten wie die „Achse des Guten“ zu factchecken. Aber der Gedanke, dass sie besonders Leute anzieht, die den etablierten Medien nicht mehr trauen, ist nicht nur angesichts Vera Lengsfelds Rechercheleistung ein bisschen lustig.
Für mich ist immer sehr schwer zu entscheiden, ob diese Menschen das ernst meinen, oder wohlwissend, dass es alles Mist ist, es aus politischen/ideologischen Gründen trotzdem publizieren.
@Sebastian | Kommentar #1: Im Fall von Vera Lengsfeld muss man inzwischen wohl leider davon ausgehen, dass sie das alles selbst glaubt.
Warum ist es eigentlich so wichtig für Rechte, dass sich Linke irgendwie für Trump aussprechen, dass man das sogar erfinden muss? Das ist nicht nur falsch, sondern auch noch erbärmlich.
Dabei ist die mutige und hervorragende Rede von Peter Thiel gegen Hillary Clinton und das US-Establishment viel überzeugender als Alles, was ein Augstein oder Moore je schreiben könnten. Und bei Thiel kommt auch glaubwürdig rüber, dass er froh wäre um jeden integren Kandidaten, der eine bessere Politik macht als die bisherige. Deshalb seine Referenz an Sanders. Würde sich neben Thiel auch noch Ron Paul dazu durchringen, Trump mit gewissen Bauchschmerzen zu „endorsen“, dann …
Apropos: warum ist eine ZEIT absolut unfähig Thiels Argumente korrekt und vollständig wiederzugeben? Warum kann sie es nicht lassen, Thiel stattdessen als absonderlichen Menschen darzustellen? Die ZEIT scheint mir mit Vera Lengsfeld in einer Liga zu spielen. Der SPIEGEL macht es deutlich fairer, aber beide Zeitungen verschweigen komplett, dass Thiel die „fünf unerklärten Kriege“ der USA zum totalen Desaster erklärt, das ASAP beendet werden müsse. Sie haben wohl Angst, dass ihre geneigten Leser ins Grübeln kommen könnten, wenn sie es denn erführen. So geht Lückenpresse. Vera Lengsfeld ist da sicher kein Gegenmittel, aber doch eher unbedeutend.
Zumal Sarandon ja die Wahl hat, auch andere Kandidaten zu wählen – und das tut sie: http://www.jill2016.com/sarandon
Ein top redigierter Text übrigens: „Trump sie ein Geschäftsmann. „
O weh, Roseanne Barr ist vollkommen wahnsinnig geworden?
Kommentare, die sachlich die mangelnde Recherche ansprechen, werden dort übrigens nicht freigeschaltet :)
Und der Müller wo hinterm Busch wohnt führt den alt-right Kallchargen und Trump surrogate Peter Thiel an und stellt ihn in eine Reihe mit den Linken Augstein und Moore. Kannste dir nicht ausdenken soviel postfaktisches Zeug.
8:
Das ist halt seine Standard-Whataboutism-Vorgehensweise: erst einmal alles relativieren, jeden noch so absonderlichen rechten Scheiß kleinreden, und dann mit dem Finger auf andere zeigen.
@8 Schnellinger
„alt-right Kallchargen … Peter Thiel“
Dieses Schubladenspiel belegt nichts als Ihre Denkfaulheit bzw. -unfähigkeit.
Achgut.com fällt immer wieder durch ziemlichen Dreck auf.
@Andreas Müller, #3: Es stützt halt die Legende, dass es in Wirklichkeit eine breite Unterstützung für die eigenen Positionen gibt, welches bloß durch die dominanten Medien verschwiegen wird.
… ach jeh, die von ihrem Mann verratene Frau Lengsfeld.
Von Grün dann in die Blockpartei CDU.
need no comments more…
Game over, Trump! Laut der neuesten Zahlen von CNN liegt Hillary Clinton knapp 300.000 Wählerstimmen vor dem Republikaner. Damit ist das Rennen gelaufen.
@Jessica,
vor dem Hintergrund, daß man auch mit der absoluten Mehrzahl der Stimmen die Wahl verlieren kann, was dem Wahl-Procedere geschuldet sein soll, erschließt sich die Logik Ihrer Prognose nicht.
@ Jessica: Eine Wahl ist gelaufen, wenn sie vorbei ist. (Und grade in den USA manchmal nicht einmal dann, siehe Bush / Gore.)
Die Clinton-Medien-Blase ist geplatzt, obwohl deutsche Rechte für Trump halluziniert haben. So kann’s gehen, und es war vielleicht nicht ganz angemessen, das Mega-Thema Clinton/Trump-Berichterstattung ausgerechnet am Beispiel Vera Lengsfeld durchzudeklinieren.
Mein Gewährsmann jedenfalls hat wieder einmal die richtige Witterung gehabt:
https://hintermbusch.wordpress.com/2016/11/06/das-amerika-von-trump/
Es lohnt sich absolut, sich die Analyse mal anzusehen oder zu hören. Der Mann ist ohne jeden Zweifel ein sozialwissenschaftliches Genie und dabei garantiert maßvoll und ohne Hass gegen irgendwelche Menschengruppen, seit über 40 Jahren.
Es ist so deprimierend, diese Artikel *nach* der Wahl zu lesen.
Aber irgendwie muss ich doch in mein Übermedien-Abo starten..!
Ja, bei den US-Wahlen hätte es auch für eine deutsche Medienseite viel interessantere mögliche Themen gegeben als Vera Lengsfeld und Udo Ulfkotte. Ich habe ja versucht, darauf hinzuweisen, konnte aber die Herausgeber dieser Seite nicht von der Relevanz meiner Themenvorschläge überzeugen.
Jetzt ist das Gejammer groß.
@Richard Ott: Ist das ernst gemeint oder ist nur wieder mal mein Ironiedetektor kaputt? Ich weiß ja, dass Narzissmus im Moment Hochkonjunktur hat, aber Sie meinen, weil die „Herausgeber dieser Seite“ die Relevanz Ihrer „Themenvorschläge“ nicht erkannt haben, hat nun Trump gewonnen? Ich wundere mich allmählich nicht mehr über die Kränkbarkeit meiner Mitmenschen. Bei solchen Größenphantasien muss man sich ja zwangsläufig ständig abgewatsch fühlen.
@Inga: Mein Kommentar war nicht ironisch gemeint, bezog sich allerdings auf eine vorherige Diskussion in den Kommentaren zu diesem Artikel hier: https://uebermedien.de/8978/udo-ulfkotte-der-us-geheimdienst-und-der-multikulti-terror-staat-deutschland/
Mein erster Kommentar dort ist die Nr. 60. Kurz zusammengefasst war ich überrascht, dass sich Übermedien nur in einem Artikel über Ulfkotte mit den gehackten Wikileaks-E-Mails aus Hillarys Wahlkampfteam beschäftigt hatte, während meiner Meinung nach viel brisantere Erkenntnisse aus den Mails nicht thematisiert wurden. Die englischsprachigen alternativen Medien waren voll mit Artikeln zu diesem Thema, Übermedien brachte nichts. Mittlerweile haben auch Mainstream-Medien über manche der Wikileaks-Geschichten berichtet, zum Beispiel darüber, dass die Parteichefin der Demokraten, Donna Brazile, unter Ausnutzung ihrer Funktion als Expertin für CNN Fragen von Fernsehdebatten schon vor den Debatten an Hillarys Wahlkampfteam weitergeleitet hatte, damit sie sich gezielt auf die Fragen entsprechende Antworten zurechtlegen konnte. Brazile wurde daraufhin von CNN rausgeschmissen.
Größenwahnsinnig bin ich sicher nicht, und ich bilde mir auch nicht ein, dieser Webseite hier seine Themenauswahl vorschreiben zu können, aber die Meinung von Übermedien hätte mich zu dem Thema schon interessiert. Deswegen hatte ich den freundlichen Hinweis auf die Leaks gegeben. Aber gut, dann informiere ich mich zu dem Thema eben anderswo.
muss das nicht statt ‚…das Personalpronomen „she“ in „she said“ zu ändern…‘ eher ‚…das Personalpronomen „she“ in „he“ zu ändern…‘ heißen?
@Stefan Wenzel: Ja. Nee. Gemeint ist: Das in „she said“ enthaltene Personalpronomen „she“ zu ändern. Vielleicht etwas unglücklich formuliert.