Die Schlüsselstelle in der, nennen wir es: Entschuldigungsfolge des ZDF-Podcasts „Lanz & Precht“ kommt gleich zu Beginn, nach etwas mehr als drei Minuten. Es ist Ausgabe 111 des Podcasts, in Folge 110 hatte der Fernsehphilosoph Richard David Precht tatsächlich behauptet, orthodoxe Juden dürften nicht arbeiten, bis auf Diamantenhandel und Finanzgeschäfte. Was der Fernsehmoderator Markus Lanz mit „Richtig, genau“ abnickte, wofür beide anschließend viel (berechtigte) Kritik abbekamen.
Und nun also, in der jüngsten Folge, die sich nur darum dreht und als Reaktion auf die Kritik aufgenommen wurde, erklärt Precht, das sei einfach „salopp dahergeredet“ gewesen. Und stellt zu seiner Äußerung klar: „Das ist falsch.“
Es folgt eine sehr lange „Nonpology“ – eine Entschuldigung also, die mit so viel Rechtfertigung und so vielen Abers aufgeladen wird, dass sie eigentlich keine ist. Nach acht Minuten sagt Precht:
„All die Menschen, deren religiöse Gefühle ich verletzt habe oder die sich verzerrt dargestellt gesehen haben oder die das an antisemitische Klischees erinnert hat, bei denen entschuldige ich mich ganz und gar, denn nichts liegt mir ferner, als irgendetwas in diese Richtung von mir zu geben.“
Die Podcast-Folge ist aber viel länger, 24 Minuten insgesamt, und so wird noch vieles geredet: Man sei missverstanden worden, erklären die beiden, natürlich sei Precht kein Antisemit, er habe sogar vielfach dazu publiziert. (Was aus der Publikationsliste seiner Agentur allerdings nicht hervorgeht.) Man habe Dinge leider verkürzt wiedergegeben, erklären sie weiter, aber der mediale Diskurs, ach, der sei ja auch ganz schrecklich: Immer würden die schlechtesten Absichten unterstellt, und so könne man doch nicht miteinander umgehen. Es ist eine Mischung aus Zerknirschtheit und Selbstmitleid.
Ernsthaft reflektiert? Nö.
Immer wieder schleicht sich dabei gewissermaßen die List der Unvernunft ein, wenn Precht Dinge sagt, die er eigentlich anders sagen müsste, würde er den antisemitischen Gehalt seiner Worte ernsthaft reflektieren.
Zum Beispiel:
„Zunächst mal möchte ich mich bei allen entschuldigen, die darin etwas Antisemitisches gesehen haben.“
Damit wird die Verantwortung externalisiert: Nicht Precht hat antisemitische Klischees bedient, sondern andere haben darin etwas Antisemitisches gesehen. Doch das Bild des jüdischen Schacherers, der ausschließlich Finanzgeschäfte betreibt, ist eines der ältesten antisemitischen Klischees – man kann es nicht anders sehen. Die Stelle ist schlicht antisemitisch.
Es war auch nicht die einzige Stelle des Podcasts, an der Lanz und Precht auf antisemitische Abwege gerieten; Susan Vahabzadeh hat darauf in der „Süddeutschen Zeitung“ bereits detailliert aufmerksam gemacht, auch der Religions- und Politikwissenschaftler Michael Blume, Antisemitismus-Beauftragter des Landes Baden-Württemberg, hat einen ausführlichen Blog-Post mit allen Klischees und Fehlern der Folge 110 veröffentlicht.
Mindestens eine Programmbeschwerde ist bereits beim ZDF eingegangen, das Tikvah-Institut für die Erforschung und Bekämpfung von Antisemitismus hat sie eingereicht. Deren Geschäftsführer, der Grünen-Politiker Volker Beck, nennt die inkriminierte Folge ein „Klischee-Potpourri“, und er kritisiert auch die ZDF-Redaktion, die auf Kritik mit den Worten reagiert hatte, komplexe Zusammenhänge seien „verkürzt dargestellt“ dargestellt worden. Nein. „Es wurden antisemitische Gerüchte und Fehlinformationen weitererzählt“, sagt Beck.
Geradezu typisch bräsig wirkt angesichts all dessen in der Reaktionsfolge ein Freud’scher Versprecher Prechts nach rund 17 Minuten, als er vermutlich „israelische Botschaft“ sagen will, aber „jüdische Botschaft“ sagt. Die Gleichsetzung von Juden und Israel, und das inmitten der aktuell aufgeheizten Situation – es ist das nächste Antisemitismus-Problem. Aber auch diese Stelle hat beim ZDF, das diesen Podcast produziert, wieder niemand gehört oder verstanden, was daran problematisch ist.
Man stelle sich vor, jemand mit arabischem und/oder muslimischen Background hätte sich diese Fauxpas geleistet: Wäre diese Person heute noch für das ZDF tätig? Ich habe Zweifel.
Immer wieder Unsinn
Was zur Hölle treibt der öffentlich-rechtliche Sender, das von allen Bürgerinnen und Bürgern finanzierte ZDF denn da? Warum hat denn niemand die problematischen Aussagen erkannt? Warum stolpert nun niemand über die „jüdische Botschaft“? Warum eigentlich dürfen Lanz und Precht auf Kosten der Beitragszahler:innen immer wieder hanebüchenen Unsinn verzapfen? Es ist ja nicht das erste Mal, dass sie, die so gerne „salopp daherreden“, ob sie Ahnung haben oder nicht, auf inhaltliche Abwege geraten.
Im November 2021, als die Corona-Krise im zweiten Winter mit überfüllten Klinken noch äußerst präsent war, hatte Precht behauptet, er würde „Kinder sowieso niemals impfen lassen, weil ein im Aufbau begriffenes Immunsystem mit diesem Impfstoff da zu bearbeiten, also das würde ich niemals tun“. Bezogen war das zwar nur auf die mRNA-Impftoffe. Aber dass das Immunsystem von Kindern dadurch geschädigt würde, bleibt wissenschaftlich unhaltbarer Quatsch. Zu Recht hagelte es damals Kritik, Precht ruderte halbgar zurück und sagte, er bleibe bei seiner Meinung, wolle in Zukunft aber weniger „lax“ formulieren.
Wer damals glaubte, es würde sich etwas ändern – es war ein frommer Wunsch. Precht hört sich einfach zu gerne reden und behauptet dabei immer wieder Dinge, die schlicht unwahr sind.
So zum Beispiel, als er der einzige Gast in Lanz‘ Talkshow war – quasi Podcast im Fernsehen. Dort sprachen beide im Juli 2022 vor allem über den Krieg Russlands gegen die Ukraine, ein Konflikt, bei dem Precht bekanntermaßen findet, der mediale Mainstream berichte zu einseitig. Er hat darüber mit dem Soziologen Harald Welzer einen umstrittenen Bestseller veröffentlicht, bei dem beide es mit der Wahrheit auch nicht so genau nahmen. In dieser Sendung jedenfalls behauptete Precht, dass man nicht vergessen dürfe, dass „25.000 Menschen pro Tag“ verhungerten – „und davon die allermeisten in Afrika“. Auf Nachfrage von Lanz legte Precht nach, das sei „eine gesicherte Zahl“. Doch das ist mitnichten so.
Laut dem Welternährungsprogramm der UN sterben etwa 2 von 10.000 Personen jährlich an den Folgen von Unterernährung. Dies entspricht bei einer Weltbevölkerung von grob 8 Milliarden Menschen etwa 1,6 Millionen Menschen im Jahr oder rund 4.400 am Tag. Eine immer noch erschreckend hohe Zahl, aber wesentlich niedriger, als von Precht als „gesichert“ dargestellt. Und die meisten dieser Menschen sterben auch nicht in Afrika, sondern in Asien, wo 60 Prozent der Weltbevölkerung leben.
Man könnte ewig so weitermachen. In vielen Podcast-Folgen gibt es Behauptungen, die eines Faktenchecks bedürften – weil sie eben „salopp dahergeredet“ sind und einer Grundlage entbehren. Zeit also, sich ans ZDF zu wenden.
Viele Fragen, kaum Antwort
Übermedien hat den Sender gefragt:
Ist der Podcast „Lanz und Precht“ ein redaktionell vom ZDF abgenommenes Produkt? Oder wird dieser komplett von einer Produktionsfirma zugeliefert?
Wenn ja, wie findet die hausinterne Abnahme statt?
Wie viele Redakteur:innen sind beteiligt?
Gibt es zu strittigen Fragen ein Fact Checking?
Gehen bestimmte Passagen auch an Fachredaktionen in Ihrem Haus?
Oder handelt es sich um eine rein technische Abnahme?
Wird der Abnahmeprozess im Zuge der aktuellen Debatte noch einmal überdacht/verändert?
Die komplette Antwort des ZDF auf diese Fragen:
„Jede Veröffentlichung des ZDF wird redaktionell geprüft und abgenommen.“
Wir hatten auch noch gefragt, weshalb der Podcast (etwa auf YouTube) unter der ZDF-Nachrichtenmarke „heute“ erscheint. Und ob damit nicht eine spezielle Verantwortung einhergeht im Hinblick auf Fakten und Richtigkeit des Gesagten, dass es also eben nicht bloß „salopp dahergeredet“ ist.
Die Antwort darauf:
„Gespräche mit informativem Mehrwert zu aktuellen Themen der Zeit passen dorthin.“
Das war’s.
Bemerkenswert, wie das ZDF hier genauere Antworten verweigert. Offenbar möchte der Sender der Öffentlichkeit nicht Rede und Antwort stehen. Und offenbar gibt es also weit und breit niemanden beim ZDF, der in der Lage ist, Aussagen von Lanz und Precht so zu überprüfen, dass zum Beispiel antisemitische Passagen nicht auf Sendung gehen. Was unverantwortlich ist.
Und so hören wir, wenn nicht irgendwer mal etwas daran ändert, vermutlich schon bald, dass es Lanz und Precht mal wieder sehr leid tut, dass die „jüdische Botschaft“ bei Ihnen „etwas Antisemitisches gehört“ hat.
Korrektur, 21.10.2023. Das Zitat, es sei „salopp dahergeredet“ gewesen, hatten wir leider versehentlich Markus Lanz zugeordnet, es stammt aber von Richard David Precht. Wir haben es im Text korrigiert.
Der Autor
Andrej Reisin ist freier Journalist, derzeit vor allem als Chef vom Dienst für „funk“, das junge Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Daneben ist er u.a. für Übermedien, „Medium Magazin“ und „11 Freunde“ tätig, zuvor lange für den NDR („Tagesschau“, „Panorama“, „Zapp“). Er gewann zusammen mit der Redaktion den Grimme-Preis für die „Panorama“-Berichterstattung zum Hamburger G20-Gipfel.
14 Kommentare
Danke für diesen gelungenen Artikel, der wirklich notwendig ist, finde ich!
Völlig neu für mich und faktisch noch absurder, die beiden Herren im Heute Kanal des ZDF auf YouTube unterzubringen.
Das Ganze ist ein einziges unverantwortliches Verhalten gegenüber die Öffentlichkeit und den Beitragszahlern – und vor allen Dingen gegenüber Juden (!) und das auch noch genau zu dieser Zeit, wo so viel Hass, Gewalt und Missverständnisse ggü. Juden hochkochen. In so einem Kontext befördert das ZDF, Lanz und Precht als ihre Promis, antisemitische Verschwörungsmythen.
Statt Verantwortung für dieses gefährliche Fehlverhalten zu übernehmen, aus den Fehlern zu lernen, diese zuzugeben, sich aufrichtig zu entschuldigen und Experten zu Wort kommen zu lassen, verfallen die Protagonisten, mit Schirmherrschaft des ZDF, in weinerliches Selbstmitleid, Strohmann-Argumente, und „Entschuldigungen“, die überhaupt keine sind. (Genau wir hier aufgezeigt non-apologies).
Was rüber kommt, dass die beiden Herren verletzlich sind, verletzt von der (berechtigten) Kritik. Wahrscheinlich schreiben Sie bald ein neues Buch darüber, weil sie sich missverstanden fühlen, um so ihre Verletzlichkeit zu verarbeiten und externalisieren das dann wieder.
Diese gekränkte Eitelkeit schien mir auch der Motivator für das umstrittene Buch von Welzer und Precht gewesen zu sein. Ganz nach dem Motto: ‚Hilfe, wir wurden kritisiert, dabei sind wir doch so klug! Warum sieht das denn keiner? Wie unfair, wie ungerecht!‘
Irgendwie frage ich mich hier auch, was bei denen im Kopf vorgeht?
Meinen die wirklich, „verletzte Gefühle“, „verletzte _religiöse_ Gefühle“ gar, seien das Problem?
Ich bin kein Jude, von daher wäre es mir gefühlsmäßig egal, aber speziell der Spruch mit den Diamanten und Finanzen ist nicht nur von offensichtlich antisemitischen Klischees beeinflusst, sondern außerdem besonders dumm – welche Religion hätte denn ein allgemeines Arbeitsverbot, außer für Tätigkeiten, die zu ihrer Entstehungszeit keine eigenen Berufe waren?
Glaubten die das wirklich? Oder wenn nicht, glaubten sie, irgendwer würde das glauben, außer den wirklich sehr überzeugten Antisemiten? Oder wenn beides nicht, warum erzählen die das? Irgendeine Ironie schien ja nicht dahinterzustecken.
Das ist der Grund, warum mich das ärgert – wenn die nicht bewusst lügen, ist der Irrtum so dumm, dass man sich fragt, wofür die eigentlich Geld bekommen.
Au backe. Prechts Kernkompetenz ist die allgemeinverständliche Vermittlung von Philosophiegeschichte. Das kann er gut.
Abgesehen davon ist er in den letzten Jahren zum Dampfplauderer über alles mutiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Die Nummer mit dem Arbeitsverbot abseits von Diamanthandel ist wirklich ein Griff in die unterste Schublade antisemitischer Klischees. Fehlen eigentlich nur noch Brunnenvergiftung und Matzen mit Kinderblut.
Vahabzadeh und Blume führen in den verlinkten Artikeln weitere Fehlgriffe aus dem Podcast auf – etwa die Behauptung, in Israel existiere keine Gewaltenteilung, oder die These, bestimmte „Kräfte und Mächte“ nötigten orthodoxe Juden, den ganzen Tag zu beten (das mit dem Ganztagsbeten kam von Precht, das mit den Kräften und Mächten von Lanz).
Und dann diese „Entschuldigung“: Wenn Du meinen Faustschlag in Dein Gesicht irgendwie als Übergriff verstanden hast, tut es mir leid. Aber eigentlich war das nur eine saloppe Begrüßung.
Ich würde dem ZDF raten, den Podcast mal in eine längere Besinnungspause zu schicken. Ende des Monats erscheint Band 4 von Prechts Philosophiegeschichte. Vielleicht zeigt er da ja, dass er doch noch andere Dinge kann, als sich um Kopf und Kragen zu faseln.
@Kritischer Kritiker
Ach danke für den Kommentar und auch den Hinweis, auf die Kernkompetenz von Herrn Dr RD Precht. Es tut mir gut zu lesen, dass er auch ein Thema gut beherrscht. Es tut mir gut, weil ich nicht nur Fehler in ihm finden will, sondern auch das Positive sehen will. Letzteres ist mir bei vielen seiner Äußerungen in letzter Zeit doch ziemlich schwer gefallen.
In dem Sinne, möge sein Bd. 4, ein voller Erfolg, klug und hilfreich sein.
(Vielleicht wäre es auch hilfreich, er bleibt bei seinen Leisten oder informiert sich gründlicher, bevor er sich äußert zu Themen, wo er kein Experte ist.)
Die Antisemitismus-Keule sitzt bei Einigen sehr locker. Hier wurde damit sicherlich zurecht zugeschlagen, auch wenn Precht nicht antisemitisch ist – seine Formulierung war es. Aber: den Versprecher mit der „jüdischen Botschaft“ zu brandmarken, weil es antisemitisch sei, „israelisch“ mit „jüdisch“ gleichzusetzen, ist mit dem gleichen denunziatorischen Furor ebenfalls als antisemitisch zu bezeichnen: Seit vielen Jahren ist die israelische Position, dass mit der Palästinenservertretung kein Friede zu machen ist, solange sie nur den Staat Israel anerkennen, aber nicht, dass Israel ein jüdischer Staat ist. „Israelisch“ und „jüdisch“ gleichzusetzen ist israelische Staatsräson. Reisin bezeichnet diese Gleichsetzung mit einem Begriff, der für Menschenverachtung steht („antisemitisch“). Wenn Volker Beck von dieser antisemitischen Israelfeindlichkeit erfährt, bekommt Übermedien ein Problem. ;-)
>>>Diese finden sich auch in den Beispielen der IHRA-Definition:
1. Aberkennung des Existenz- und Selbstbestimmungsrechts Israels
2. Vergleich bzw. Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus
3. Anlegen anderer Maßstäbe an Israel als an andere Länder
4. Verantwortlichmachen von Juden aus aller Welt für das Regierungshandeln Israels
5. Bezugnahme auf Israel oder Israelis mit antisemitischen Bildern, Symbolen oder Floskeln.
<<<
Ein deutscher Jude ist ein Deutscher. Er braucht keinen jüdischen Botschafter, weil er einen deutschen Botschafter hat.
So zumindest verstehe ich das.
@Tanja Faust (#5):
„Israelisch“ und „jüdisch“ gleichzusetzen ist israelische Staatsräson.
Damit scheinen Sie ja ein Problem zu haben. Warum auch immer. Aber dass Israel ein jüdischer Staat ist, bedeutet nicht, dass alle Juden dessen Staatsangehörige sind – tatsächlich sind nicht einmal die Hälfte der weltweit knapp 15 Millionen Juden Israelis. Das Judentum ist keine Nation, Israel schon.
Dennoch ist es seit Jahrzehnten antisemitische Praxis, auch solche Juden für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich zu machen, die mit Israel gar nichts zu tun haben. Indem man zum Beispiel Brandanschläge auf Synagogen in Deutschland verübt, wenn die Lage in Nahost eskaliert. Oder indem man Juden, deren Familien seit Jahrhunderten in Deutschland leben, auffordert, sie sollten „nach Hause gehen“ – sprich nach Israel.
Dass alle Juden „Zionisten“ seien, solange sie nicht das Gegenteil beweisen, ist ein klassischer Topos des Post-Auschwitz-Antisemitismus. Und genau den bedient Precht – gewollt oder nicht – wenn er die israelische Botschaft „die jüdische“ nennt.
Seit vielen Jahren ist die israelische Position, dass mit der Palästinenservertretung kein Friede zu machen ist, solange sie nur den Staat Israel anerkennen, aber nicht, dass Israel ein jüdischer Staat ist.
Das ist eine atemberaubende Verharmlosung der Situation. Sorry. Als ginge es hier um Semantik und nicht darum, Millionen Juden der Willkür von Hamas & Co. auszuliefern. Darauf liefe nämlich die sogenannte „Ein-Staaten-Lösung“ hinaus, auf die Sie hier anscheinend anspielen.
Das waren so ziemlich auch meine Gedanken beim Hören dieses Podcasts: Statt Entschuldigung eine Rechfertigung, frei nach dem Klischee-Satz: „Ich bin kein Antisemit, meine besten Freunde sind Juden“.
„…dass Sie ständig, aber wirklich ständig, mit einer beharrlichen Penetranz Dinge behaupten, die nicht in dem Buch stehen. Inzwischen habe ich den Verdacht, Sie haben gar nicht verstanden, worüber wir reden.“
Ich sag es mal so: Dass er ständig, mit einer beharrlichen Penetranz, Dinge behauptet, die falsch sind. Inzwischen habe ich den Verdacht, er hat gar nicht verstanden, was hier kritisert wird.
Was mir aber wirklich fehlt in der medialen Berichterstattung darum, ist die Präzision: Ich bin der fesetn Überzeugung, dass Precht kein Antisemit ist, doch darum geht es nicht. Er hat antisemtische Klischees reproduziert. Er. Er ist verantwortlich für das, was er sagt. Bei einem gebildeten Philosophen und hoffentlich empathischen Menschen kann ich doch erwarten, dass er dafür auch Verantwortung übernimmt?
Statt diese auf andere zu übertragen, die ihn „missverstehen“ würden.
Es gab in dem Podcast noch den bemerkenswerten und überwältigend blöden Satz von Lanz, dass Precht und ihm „die Schoa ein Herzensanliegen ist“. Das belegt den völligen Mangel an gedanklicher und sprachlicher Präzision ganz gut.
@Alexander #9
Stimmt aber nur, wenn man Judenvernichtung und Shoah synonym verwenden kann/möchte. Der hebräische Begriff bezeichnet wohl ursprünglich Katastrophe oder großes Unheil.
Lanz/Precht meinen hier wohl die Beschäftigung mit dem Thema Shoah oder der Verurteilung der deutschen Taten während der NS-Zeit, das würde ich den beiden ausdrücklich unterstellen.
Das sind ja hochnotpeinliche Vorgänge, die da immer wieder von Protagonisten hinausposaunt werden, die sich ihr Geld mit ihren geistigen Ergüssen verdienen – und dann noch in Anspruch nehmen „lax“ zu formulieren. Gerade darin offenbart sich die eigentliche Respekt- und Ahnungslosigkeit vor der ganzen Thematik, die dann noch in einer an sich schon blöden Rechthaberei endet, um sich dann wiederum mit den üblichen grunzdummen Floskeln zu entschuldigen. Wahrscheinlich stehen die Floskeln in den Repositories der Textvorlagen in den automatisiert generierten Vorschlägen ganz oben: Redner, die das gesagt haben könnten anschließend diese Entschuldigung gebrauchen.
Dankeschön an Andrej Raisin, der das Ereignis wieder mal wunderbar erkenntnisreich filetiert hat und dankschön an die interessanten Verlinkungen von den Beitragenden.
Wieso meinen eigentlich so viele hier, Precht und Lanz bescheinigen zu müssen, keine Antisemiten zu sein?! Antisemitismus entsteht ja nicht zuerst dadurch, dass jemand es sein möchte und sich dann Unsinn ausdenkt, um ihn zu begründen, sondern umgekehrt: Unsinn im Kopf wird geglaubt und verbreitet, statt den Unsinn – und damit sich selbst- zu hinterfragen.
Der Nicht-Antisemitismus von Precht und Lanz auf den Punkt gebracht: „Wir sind gegen Antisemitismus, aber dass Juden nur Diamanthändler werden dürfen und den ganzen Tag beten müssen ist ja schon Scheiße“
@Peter Herholtz:
Dann gibt es zwei Sorten von Antisemitisten:
Leute, die Lügen über Juden verbreiten, ohne sie zu glauben, und Leute, die Lügen über Juden verbreiten, weil sie sie glauben.
Bzw., ob jemand wegen nur einer unglücklichen Bemerkung sich bereits als Antisemitist qualifiziert hat, kann mMn durchaus bestritten werden, aber so zu tun, als wären Antisemiten bloß im Irrtum, greift eigentlich zu kurz.
Danke für diesen gelungenen Artikel, der wirklich notwendig ist, finde ich!
Völlig neu für mich und faktisch noch absurder, die beiden Herren im Heute Kanal des ZDF auf YouTube unterzubringen.
Das Ganze ist ein einziges unverantwortliches Verhalten gegenüber die Öffentlichkeit und den Beitragszahlern – und vor allen Dingen gegenüber Juden (!) und das auch noch genau zu dieser Zeit, wo so viel Hass, Gewalt und Missverständnisse ggü. Juden hochkochen. In so einem Kontext befördert das ZDF, Lanz und Precht als ihre Promis, antisemitische Verschwörungsmythen.
Statt Verantwortung für dieses gefährliche Fehlverhalten zu übernehmen, aus den Fehlern zu lernen, diese zuzugeben, sich aufrichtig zu entschuldigen und Experten zu Wort kommen zu lassen, verfallen die Protagonisten, mit Schirmherrschaft des ZDF, in weinerliches Selbstmitleid, Strohmann-Argumente, und „Entschuldigungen“, die überhaupt keine sind. (Genau wir hier aufgezeigt non-apologies).
Was rüber kommt, dass die beiden Herren verletzlich sind, verletzt von der (berechtigten) Kritik. Wahrscheinlich schreiben Sie bald ein neues Buch darüber, weil sie sich missverstanden fühlen, um so ihre Verletzlichkeit zu verarbeiten und externalisieren das dann wieder.
Diese gekränkte Eitelkeit schien mir auch der Motivator für das umstrittene Buch von Welzer und Precht gewesen zu sein. Ganz nach dem Motto: ‚Hilfe, wir wurden kritisiert, dabei sind wir doch so klug! Warum sieht das denn keiner? Wie unfair, wie ungerecht!‘
Irgendwie frage ich mich hier auch, was bei denen im Kopf vorgeht?
Meinen die wirklich, „verletzte Gefühle“, „verletzte _religiöse_ Gefühle“ gar, seien das Problem?
Ich bin kein Jude, von daher wäre es mir gefühlsmäßig egal, aber speziell der Spruch mit den Diamanten und Finanzen ist nicht nur von offensichtlich antisemitischen Klischees beeinflusst, sondern außerdem besonders dumm – welche Religion hätte denn ein allgemeines Arbeitsverbot, außer für Tätigkeiten, die zu ihrer Entstehungszeit keine eigenen Berufe waren?
Glaubten die das wirklich? Oder wenn nicht, glaubten sie, irgendwer würde das glauben, außer den wirklich sehr überzeugten Antisemiten? Oder wenn beides nicht, warum erzählen die das? Irgendeine Ironie schien ja nicht dahinterzustecken.
Das ist der Grund, warum mich das ärgert – wenn die nicht bewusst lügen, ist der Irrtum so dumm, dass man sich fragt, wofür die eigentlich Geld bekommen.
Au backe. Prechts Kernkompetenz ist die allgemeinverständliche Vermittlung von Philosophiegeschichte. Das kann er gut.
Abgesehen davon ist er in den letzten Jahren zum Dampfplauderer über alles mutiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Die Nummer mit dem Arbeitsverbot abseits von Diamanthandel ist wirklich ein Griff in die unterste Schublade antisemitischer Klischees. Fehlen eigentlich nur noch Brunnenvergiftung und Matzen mit Kinderblut.
Vahabzadeh und Blume führen in den verlinkten Artikeln weitere Fehlgriffe aus dem Podcast auf – etwa die Behauptung, in Israel existiere keine Gewaltenteilung, oder die These, bestimmte „Kräfte und Mächte“ nötigten orthodoxe Juden, den ganzen Tag zu beten (das mit dem Ganztagsbeten kam von Precht, das mit den Kräften und Mächten von Lanz).
Und dann diese „Entschuldigung“: Wenn Du meinen Faustschlag in Dein Gesicht irgendwie als Übergriff verstanden hast, tut es mir leid. Aber eigentlich war das nur eine saloppe Begrüßung.
Ich würde dem ZDF raten, den Podcast mal in eine längere Besinnungspause zu schicken. Ende des Monats erscheint Band 4 von Prechts Philosophiegeschichte. Vielleicht zeigt er da ja, dass er doch noch andere Dinge kann, als sich um Kopf und Kragen zu faseln.
@Kritischer Kritiker
Ach danke für den Kommentar und auch den Hinweis, auf die Kernkompetenz von Herrn Dr RD Precht. Es tut mir gut zu lesen, dass er auch ein Thema gut beherrscht. Es tut mir gut, weil ich nicht nur Fehler in ihm finden will, sondern auch das Positive sehen will. Letzteres ist mir bei vielen seiner Äußerungen in letzter Zeit doch ziemlich schwer gefallen.
In dem Sinne, möge sein Bd. 4, ein voller Erfolg, klug und hilfreich sein.
(Vielleicht wäre es auch hilfreich, er bleibt bei seinen Leisten oder informiert sich gründlicher, bevor er sich äußert zu Themen, wo er kein Experte ist.)
Die Antisemitismus-Keule sitzt bei Einigen sehr locker. Hier wurde damit sicherlich zurecht zugeschlagen, auch wenn Precht nicht antisemitisch ist – seine Formulierung war es. Aber: den Versprecher mit der „jüdischen Botschaft“ zu brandmarken, weil es antisemitisch sei, „israelisch“ mit „jüdisch“ gleichzusetzen, ist mit dem gleichen denunziatorischen Furor ebenfalls als antisemitisch zu bezeichnen: Seit vielen Jahren ist die israelische Position, dass mit der Palästinenservertretung kein Friede zu machen ist, solange sie nur den Staat Israel anerkennen, aber nicht, dass Israel ein jüdischer Staat ist. „Israelisch“ und „jüdisch“ gleichzusetzen ist israelische Staatsräson. Reisin bezeichnet diese Gleichsetzung mit einem Begriff, der für Menschenverachtung steht („antisemitisch“). Wenn Volker Beck von dieser antisemitischen Israelfeindlichkeit erfährt, bekommt Übermedien ein Problem. ;-)
@Tanja Faust:
Ich denke, da irren Sie.
Beachten Sie bitte Punkt 4 der IHRA Definition.
https://www.antisemitismusbeauftragter.de/Webs/BAS/DE/bekaempfung-antisemitismus/was-ist-antisemitismus/3d-regel/3d-regel-node.html
>>>Diese finden sich auch in den Beispielen der IHRA-Definition:
1. Aberkennung des Existenz- und Selbstbestimmungsrechts Israels
2. Vergleich bzw. Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus
3. Anlegen anderer Maßstäbe an Israel als an andere Länder
4. Verantwortlichmachen von Juden aus aller Welt für das Regierungshandeln Israels
5. Bezugnahme auf Israel oder Israelis mit antisemitischen Bildern, Symbolen oder Floskeln.
<<<
Ein deutscher Jude ist ein Deutscher. Er braucht keinen jüdischen Botschafter, weil er einen deutschen Botschafter hat.
So zumindest verstehe ich das.
@Tanja Faust (#5):
Damit scheinen Sie ja ein Problem zu haben. Warum auch immer. Aber dass Israel ein jüdischer Staat ist, bedeutet nicht, dass alle Juden dessen Staatsangehörige sind – tatsächlich sind nicht einmal die Hälfte der weltweit knapp 15 Millionen Juden Israelis. Das Judentum ist keine Nation, Israel schon.
Dennoch ist es seit Jahrzehnten antisemitische Praxis, auch solche Juden für das Handeln der israelischen Regierung verantwortlich zu machen, die mit Israel gar nichts zu tun haben. Indem man zum Beispiel Brandanschläge auf Synagogen in Deutschland verübt, wenn die Lage in Nahost eskaliert. Oder indem man Juden, deren Familien seit Jahrhunderten in Deutschland leben, auffordert, sie sollten „nach Hause gehen“ – sprich nach Israel.
Dass alle Juden „Zionisten“ seien, solange sie nicht das Gegenteil beweisen, ist ein klassischer Topos des Post-Auschwitz-Antisemitismus. Und genau den bedient Precht – gewollt oder nicht – wenn er die israelische Botschaft „die jüdische“ nennt.
Das ist eine atemberaubende Verharmlosung der Situation. Sorry. Als ginge es hier um Semantik und nicht darum, Millionen Juden der Willkür von Hamas & Co. auszuliefern. Darauf liefe nämlich die sogenannte „Ein-Staaten-Lösung“ hinaus, auf die Sie hier anscheinend anspielen.
@Kritischer Kritiker (#7):
Salopp dahergeredet. Ich empfehle Ihnen mal den folgenden Text von der israelischen Botschaft: https://embassies.gov.il/berlin/NewsAndEvents/Pages/Die-Bedeutung-Israels-als-Staat-des-juedischen-Volkes0224-4317.aspx
Das waren so ziemlich auch meine Gedanken beim Hören dieses Podcasts: Statt Entschuldigung eine Rechfertigung, frei nach dem Klischee-Satz: „Ich bin kein Antisemit, meine besten Freunde sind Juden“.
Precht, der ewig Missverstandene. Wir erinnern uns:
https://www.youtube.com/watch?v=-heB6abVrG8
„…dass Sie ständig, aber wirklich ständig, mit einer beharrlichen Penetranz Dinge behaupten, die nicht in dem Buch stehen. Inzwischen habe ich den Verdacht, Sie haben gar nicht verstanden, worüber wir reden.“
Ich sag es mal so: Dass er ständig, mit einer beharrlichen Penetranz, Dinge behauptet, die falsch sind. Inzwischen habe ich den Verdacht, er hat gar nicht verstanden, was hier kritisert wird.
Was mir aber wirklich fehlt in der medialen Berichterstattung darum, ist die Präzision: Ich bin der fesetn Überzeugung, dass Precht kein Antisemit ist, doch darum geht es nicht. Er hat antisemtische Klischees reproduziert. Er. Er ist verantwortlich für das, was er sagt. Bei einem gebildeten Philosophen und hoffentlich empathischen Menschen kann ich doch erwarten, dass er dafür auch Verantwortung übernimmt?
Statt diese auf andere zu übertragen, die ihn „missverstehen“ würden.
Es gab in dem Podcast noch den bemerkenswerten und überwältigend blöden Satz von Lanz, dass Precht und ihm „die Schoa ein Herzensanliegen ist“. Das belegt den völligen Mangel an gedanklicher und sprachlicher Präzision ganz gut.
@Alexander #9
Stimmt aber nur, wenn man Judenvernichtung und Shoah synonym verwenden kann/möchte. Der hebräische Begriff bezeichnet wohl ursprünglich Katastrophe oder großes Unheil.
Lanz/Precht meinen hier wohl die Beschäftigung mit dem Thema Shoah oder der Verurteilung der deutschen Taten während der NS-Zeit, das würde ich den beiden ausdrücklich unterstellen.
Das sind ja hochnotpeinliche Vorgänge, die da immer wieder von Protagonisten hinausposaunt werden, die sich ihr Geld mit ihren geistigen Ergüssen verdienen – und dann noch in Anspruch nehmen „lax“ zu formulieren. Gerade darin offenbart sich die eigentliche Respekt- und Ahnungslosigkeit vor der ganzen Thematik, die dann noch in einer an sich schon blöden Rechthaberei endet, um sich dann wiederum mit den üblichen grunzdummen Floskeln zu entschuldigen. Wahrscheinlich stehen die Floskeln in den Repositories der Textvorlagen in den automatisiert generierten Vorschlägen ganz oben: Redner, die das gesagt haben könnten anschließend diese Entschuldigung gebrauchen.
Dankeschön an Andrej Raisin, der das Ereignis wieder mal wunderbar erkenntnisreich filetiert hat und dankschön an die interessanten Verlinkungen von den Beitragenden.
Wieso meinen eigentlich so viele hier, Precht und Lanz bescheinigen zu müssen, keine Antisemiten zu sein?! Antisemitismus entsteht ja nicht zuerst dadurch, dass jemand es sein möchte und sich dann Unsinn ausdenkt, um ihn zu begründen, sondern umgekehrt: Unsinn im Kopf wird geglaubt und verbreitet, statt den Unsinn – und damit sich selbst- zu hinterfragen.
Der Nicht-Antisemitismus von Precht und Lanz auf den Punkt gebracht: „Wir sind gegen Antisemitismus, aber dass Juden nur Diamanthändler werden dürfen und den ganzen Tag beten müssen ist ja schon Scheiße“
@Peter Herholtz:
Dann gibt es zwei Sorten von Antisemitisten:
Leute, die Lügen über Juden verbreiten, ohne sie zu glauben, und Leute, die Lügen über Juden verbreiten, weil sie sie glauben.
Bzw., ob jemand wegen nur einer unglücklichen Bemerkung sich bereits als Antisemitist qualifiziert hat, kann mMn durchaus bestritten werden, aber so zu tun, als wären Antisemiten bloß im Irrtum, greift eigentlich zu kurz.